TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 I415 2209731-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I415 2197672-3/21E

I415 2209731-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I.)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. am XXXX (alias XXXX), StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und die DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX, geb. am XXXX, nigerianischer Staatsbürger, gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX, diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und die DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV.-VII. stattgegeben und diese ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

1. Die Verfahren des am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführers sowie seines minderjährigen Kindes (des am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführers) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

2. Der Erstbeschwerdeführer stellte nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet erstmals am 27.02.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, dass er sich in seinem Herkunftsstaat gemeinsam mit vier Männern eine Wohnung geteilt habe. Diese vier Männer hätten dort Menschen entführt und Probleme mit der Polizei gehabt. Die Polizei habe geglaubt, dass auch er Menschen entführen würde, weshalb er geflüchtet sei. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.04.2009 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Asylantrages Griechenland zuständig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.05.2009 als unbegründet abgewiesen.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.07.2009 wurde der Erstbeschwerdeführer wegen des versuchten gewerbsmäßigen Verkaufes von Suchtmitteln nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt.

4. Am 30.07.2009 wurde der Erstbeschwerdeführer nach Griechenland überstellt.

5. Am 19.01.2010 wurde der Erstbeschwerdeführer im Zuge einer Fremdenkontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes angehalten und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert, wo er am 20.01.2010 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2010 wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Asylantrages Griechenland zuständig sei. Der Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

6. Im Zuge einer Fremdenkontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde der Erstbeschwerdeführer angehalten und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert, wo er am 09.12.2011 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Als Fluchtgrund brachte er dabei im Wesentlichen vor, dass er in seinem Herkunftsstaat niemanden mehr habe. Sein Vater sei entführt worden und er befürchte, dass mit ihm dasselbe geschehe. Zudem sei er HIV-positiv und benötige dringend Medikamente. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2016 wurde dieser Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen und gegen ihn eine mit einem 5-jährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.08.2018, Zl. I405 2197672-1/6E, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 04.01.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer wegen des Verkaufes von Suchtmitteln nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurde in weiterer Folge widerrufen.

8. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.09.2016 wurde er wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verkaufes von Suchtmitteln an einem öffentlichen Ort nach § 27 Abs. 2a, Abs. 3 SMG § 15 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurde in weiterer Folge widerrufen.

9. Am 29.12.2017 stellte der in Österreich geborene minderjährige Zweitbeschwerdeführer durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

10. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.09.2018 führte seine Mutter aus, dass sich die Gründe für die Asylantragstellung ausschließlich auf die Fluchtgründe seines Vaters (des Erstbeschwerdeführers) beziehen würden und der Zweitbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie gab weiters zu Protokoll, dass der Zweitbeschwerdeführer gesund sei, der Volksgruppe der Benin angehören würde und christlichen Glaubens sei. Sie selbst sei im Jahr 2017 von Italien, wo sie einen Aufenthaltstitel gehabt habe, nach Österreich gekommen, um ihren Sohn auf die Welt zu bringen. Sie führte weiters aus, dass ihr Aufenthaltstitel für Italien bereits abgelaufen sei und sie diesen erneuern müsse. Kennengelernt habe Sie den Kindesvater in Österreich, sie selbst würde in Österreich jedoch nicht mit diesem zusammenleben, sondern mit einem Mitglied der Kirche, das sie letztes Jahr kennengelernt habe. Sie führte weiters aus, dass der Kontakt zum Kindesvater gut sei und sie täglich Kontakt haben würde. Gefragt, welchen Aufenthaltstitel sie und der Erstbeschwerdeführer in Österreich besitzen würden, gab sie an: "Betreffend dem Kindesvater kann ich nichts sagen, das müsste er selber sagen. Ich selber darf 3 Monate hierbleiben und dann muss ich wieder weg." Den Unterhalt für ihren Sohn würde sie durch Zuwendungen der Caritas sowie einer Organisation namens XXXX bestreiten. Zu ihren persönlichen Verhältnissen in Nigeria führte sie aus, dass sie insgesamt 11 Jahre die Schule besucht habe, dort noch ihre Mutter, zu der sie regelmäßig telefonischen Kontakt hat, sowie ihre Schwestern und Brüder leben würden und sie ihren Lebensunterhalt bestritten habe, indem sie ihren Schwestern geholfen habe, am Markt Waren zu verkaufen. In Italien würden auch zwei Schwestern von ihr leben. Das Länderinformationsblatt zu Nigeria wurde der Mutter zur Abgabe einer Stellungnahme binnen 14 Tagen, im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme ausgehändigt. Im Rahmen der Einvernahme wurde noch eine "CARTA D'IDENTITA" der Republik Italien, ausgestellt von der COMUNE XXXX und gültig bis zum 10.07.2024, vorgelegt.

11. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 13.02.2018 wurde der Erstbeschwerdeführer wegen mittelbarer unrichtiger Beurkundung oder Beglaubigung und wegen Urkundenunterschlagung nach § 228 Abs. 1 StGB und § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.

12. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 28.09.2018 aus dem Stande der Schubhaft seinen vierten, verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am 29.09.2018 führte er zu seinen Gründen für die neuerliche Asylantragsstellung an: "Ich erbte von meinem Vater ein Haus. Nach seinem Tod verwaltete mein Onkel das Haus. Vor ca. 1 Monat ist mein Onkel gestorben, erzählte mir ein Freund im Telefonat. Die Regierung setzte mein Haus in Brand. Ich habe zwei Kinder in Österreich und lebe hier bereits seit 2009. Ich habe in meiner Heimat niemanden und keinen Platz mehr. Ich habe niemanden dort und habe dort auch keinen Platz zum Schlafen."

13. Am 09.10.2018 sowie am 11.10.2018 wurde der Erstbeschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Er erklärte, einen neuerlichen Antrag gestellt zu haben, weil er nirgendwohin zurückkehren könne. Er habe in hier eine Familie und sei Vater von zwei Kindern, im Alter von 5 Jahren und von 10 Monaten.

14. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz des Erstbeschwerdeführers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben und dies mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2018, Zl. I414 2197672-2/5E, als rechtmäßig beurteilt.

15. Mit Bescheid vom 19.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz als unbegründet ab. Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2018, Zl. I416 2209731-1/2E, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, mit der Begründung, dass der Zweitbeschwerdeführer der minderjährige Sohn eines Asylwerbers (des Erstbeschwerdeführers) sei und folglich der Ausgang seines Beschwerdeverfahrens vom Schicksal des bei der belangten Behörde anhängigen Asylverfahrens betreffend seinen Vater abhängig sei. Die beiden Verfahren seien daher gemeinsam zu führen. Auch habe sich die belangte Behörde mit dem Aufenthaltsstatus der Mutter auseinanderzusetzen, dies vor allem auch im Hinblick auf eine gegen den Zweitbeschwerdeführer allenfalls zu treffende Rückkehrentscheidung und Abschiebung.

16. Am 06.12.2018 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers durch die belangte Behörde statt. Dabei erklärte er, es habe sich seit Rechtskraft seines bereits entschiedenen Asylverfahrens nichts an seinen Fluchtgründen geändert. Die Gründe für seine Asylantragsstellung bestehen darin, dass er in Österreich ein gutes Leben habe, seine Familie in Österreich sei, er selbst schon seit zehn Jahren in Österreich lebe und hier inzwischen seine Heimat gefunden habe. Sein Kind sei hier geboren worden und er wisse nicht, wohin er mit seinem Kind und seiner Familie ziehen solle außerhalb von Österreich. Er benötige Arbeit, um zu überleben und seine Familie zu versorgen. Zurückkehren wäre für ihn ein großes Problem. Seine Familie, bestehend aus seinem Vater, seiner Mutter und seiner Schwester, sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sein Onkel sei bei einem Hausbrand verstorben. Es bestehe somit kein Grund für ihn, nach Afrika zurückzukehren, daher müsse er sein Leben hier in Österreich weiterleben.

17. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zl. XXXX und Zl. XXXX wurden die Anträge der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 2 bzw. Ziffer 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). Es besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide).

18. Gegen diese Bescheide der belangten Behörde erhoben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 10.01.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierten darin unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Beschwerdeführern Flüchtlingseigenschaft zusprechen; allenfalls subsidiären Schutz gewähren; allenfalls die angefochtenen Bescheide beheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverweisen; aufschiebende Wirkung gewähren; einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Nigeria befasse; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen; allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen.

19. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers samt Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 11.01.2019, eingelangt am 14.01.2019, vorgelegt und der Gerichtsabteilung I415 zugewiesen. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 01.03.2019, eingelangt am 05.03.2019, vorgelegt und der Gerichtsabteilung I416 zugewiesen. Der Leiter der Gerichtsabteilung I416 erstattete am 06.03.2019 hinsichtlich der ihm zugewiesenen Rechtssache des Zweitbeschwerdeführers eine Unzuständigkeitsanzeige gemäß § 17 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) infolge Annexität dieser Verfahren gemäß § 24 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu der bei der Gerichtsabteilung I415 anhängigen Rechtssache des Erstbeschwerdeführers. Daraufhin wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung des erkennenden Richters zugewiesen.

20. Am 09.12.2019 wurde am Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des aus der Untersuchungshaft vorgeführten Erstbeschwerdeführers, des Zweitbeschwerdeführers sowie deren Rechtsvertretung durchgeführt. Im Zuge der Verhandlung wurde die Mutter des Zweitbeschwerdeführers als Zeugin befragt.

21. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.01.2020 wurde der Erstbeschwerdeführer wegen des Verkaufes von Suchtmitteln an einem öffentlichen Ort nach § 27 Abs. 2a, Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zum Sachverhalt und zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Nigerias. Sie sind somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um einen volljährigen Mann (Erstbeschwerdeführer) mit seinem minderjährigen, in Österreich geborenen Kind (Zweitbeschwerdeführer). Das Verfahren wird als Familienverfahren iSd § 34 AsylG geführt.

Die Identität des Erstbeschwerdeführers steht nicht fest. Er ist volljährig, Angehöriger der Volksgruppe der Agbo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Muttersprache ist Agbo und er spricht auch Englisch.

Die Identität des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers steht fest. Er heißt XXXX, wurde am XXXX in Wien geboren und ist der Sohn des Erstbeschwerdeführers und der XXXX, ebenso Staatsangehörige von Nigeria, und verfügt wie seine Mutter über einen bis 14.01.2021 gültigen italienischen Aufenthaltstitel. Über einen solchen italienischen Aufenthaltstitel verfügt die Mutter seit zumindest 2014.

Der Erstbeschwerdeführer trat am 27.02.2009 erstmals in Österreich anlässlich seiner ersten Asylantragstellung in Erscheinung. Dieser Antrag wurde als unzulässig zurückgewiesen und der Beschwerdeführer am 30.07.2009 nach Griechenland abgeschoben. Etwa ein halbes Jahr später - am 19.01.2010 wurde der Erstbeschwerdeführer im Zuge einer Fremdenkontrolle seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, wobei dieser Antrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2010 abermals als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass für die Prüfung des Asylantrages Griechenland zuständig sei. Der Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Im Dezember 2011 trat der Erstbeschwerdeführer anlässlich seines dritten Asylantrages in Österreich erstmals - und seither auch durchgehend - melderechtlich in Erscheinung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.11.2014, Zl. XXXX, wurde der Mutter des Zweitbeschwerdeführers ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ihr gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. (Spruchpunkt IV.) Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.12.2014, Zl. I403 2014908-1/2E, ersatzlos aufgehoben, weil die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Mutter des Beschwerdeführers, welche damals schon im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels gewesen war, nicht hinreichend konkret begründet wurde und daher nicht festgestellt werden konnte. Eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 FPG ist aber nur unter der Voraussetzung eines unrechtmäßigen Aufenthaltes zu erlassen.

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Kindesmutter nicht verheiratet, aber mit dieser seit 2014 in einer Beziehung. Von 2014 bis November 2017 handelte es sich dabei jedoch um eine Beziehung geringer Intensität, lebte die Kindesmutter doch vorwiegend in Italien und besuchte den Erstbeschwerdeführer lediglich tageweise in Österreich. Seit der Geburt des Zweitbeschwerdeführers am XXXX leben die Kindesmutter und der Zweitbeschwerdeführer immer wieder für bis zu drei Monate in Österreich und reisen beide dann wieder nach Italien aus.

Eine familienähnliche Lebensgemeinschaft im selben Haushalt führte der Erstbeschwerdeführer mit der Kindesmutter und dem Zweitbeschwerdeführer zumindest zeitweise ab ungefähr Jänner 2019, dies jedoch unterbrochen durch seine rund viereinhalb Monate andauernde Untersuchungshaft in der XXXX (13.09.2019-28.01.2020) und die genannten dreimonatigen Besuchsintervalle des Zweitbeschwerdeführers und der Kindesmutter.

Das ältere Kind des Erstbeschwerdeführers lebt bei der Kindesmutter in Italien, welche ebenfalls nigerianische Staatsangehörige ist. Zu diesen hat der Erstbeschwerdeführer etwa alle drei Monate Kontakt.

Es leben keine sonstigen Familienangehörigen oder Verwandten der Beschwerdeführer in Österreich; sie verfügen ansonsten über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet.

Der Erstbeschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Er verfügt über keine nachweisbaren Deutschkenntnisse, geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und lebt von staatlicher Unterstützung. Auch ist er nicht Mitglied von Vereinen oder von sonstigen integrationsbegründenden Organisationen. Der etwa 2 1/2-jährige Zweitbeschwerdeführer verbrachte sein gesamtes bisheriges Leben in Österreich bzw. Italien, allerdings wäre aufgrund seines jungen Alters auch eine rasche Integration in Nigeria zu erwarten.

Der Erstbeschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er ist jung, gesund und dadurch auch erwerbsfähig. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers steht daher einer Rückkehr nach Nigeria nicht entgegen.

Der Erstbeschwerdeführer hat in Nigeria die Grundschule besucht und seinen Lebensunterhalt als Maurer bestritten. Es ist davon auszugehen, dass er in seinem Heimatland in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, notfalls zunächst auch über Gelegenheitsjobs oder Hilfsarbeiten.

Auch der Zweitbeschwerdeführer ist gesund.

Der Erstbeschwerdeführer ist in Österreich mehrfach vorbestraft:

01) LG XXXX vom 04.01.2016 RK 08.01.2016

§ 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 01.12.2015

Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 02.01.2017

zu LG XXXX RK 08.01.2016

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

LG XXXX vom 07.09.2016

02) LG XXXX vom 07.09.2016 RK 07.09.2016

§§ 27 (2a), 27 (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 03.08.2016

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 07.09.2016

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 03.11.2016

LG XXXX vom 07.11.2016

zu LG XXXX RK 07.09.2016

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 13.02.2018

zu LG XXXX RK 07.09.2016

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 07.01.2020

03) BG XXXX vom 13.02.2018 RK 17.02.2018

§ 229 (1) StGB

§ 228 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 09.10.2017

Freiheitsstrafe 2 Monate

zu BG XXXX RK 17.02.2018

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 05.07.2018, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 27.06.2018

zu BG XXXX RK 17.02.2018

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 07.01.2020

04) LG XXXX vom 07.01.2020 RK 07.01.2020

§ 27 (2a u 3) SMG

Datum der (letzten) Tat 12.09.2019

Freiheitsstrafe 10 Monate

1.2 Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer

Für den Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht bzw. ergeben sich solche auch nicht aus dem Akteninhalt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beiden Beschwerdeführer nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Die Beschwerdeführer sind auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Die Beschwerdeführer werden im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 12.12.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die aktuellen Länderberichte übermittelt.

Es ist auch keine maßgebliche Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen aktuellen Ausführungen zu Nigeria vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria hat sich nicht in einem Umfang verändert, der auf eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes schließen lässt. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende PeopleŽs Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde auch genommen in die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zlen. I405 2197672-1, I414 2197672-2, I416 2209731-1 sowie I403 2014908-1. Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Da der Erstbeschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Identität des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage eines behördlich ausgestellten, unbedenklichen und zum Nachweis seiner Identität geeigneten Dokumentes (österreichische Geburtsurkunde) fest. Daraus gehen auch die Feststellungen zu seinen Eltern und zu seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit hervor.

Die Feststellung, dass der Zweitbeschwerdeführer und seine Mutter über italienische Aufenthaltstitel ("Permesso di Soggiorno") gültig bis jeweils 14.01.2021 verfügen, ergibt sich aus der Vorlage des Aufenthaltstitels der Mutter in der mündlichen Verhandlung. Dass der Zweitbeschwerdeführer entgegen der Behauptung der Mutter in der mündlichen Verhandlung ("RV2: Haben Sie versucht einen Aufenthaltstitel für Ihren Sohn zu bekommen? Z: Ja, aber das hat nicht geklappt. RV2: Wissen Sie warum es nicht funktioniert hat? Z: Sie haben gesagt, dass man in Österreich für Ihn sorgen muss und dass die Verantwortung von Österreich sei, denn mein Sohn ist in Österreich geboren", Verhandlungsprotokoll, Seite 12 und 13) ebenfalls über einen Aufenthaltstitel in Italien mit derselben Gültigkeitsdauer besitzt, konnte aufgrund der Auskunft seitens des Polizeikooperationszentrums Thörl Maglern vom 06.04.2020 getroffen werden (sh. OZ 17 im Akt).

Die Feststellungen zur Herkunft, Staatsangehörigkeit, Glaubens- und Volkszugehörigkeit, sowie zu den Lebensumständen der Beschwerdeführer gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Kindesmutter vor der belangten Behörde bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zum Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet seit mindestens 27.02.2009 ergibt sich aus dem Datum seiner ersten Asylantragsstellung.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführer in Österreich beruhen auf den Aussagen des Erstbeschwerdeführers sowie der Kindesmutter als gesetzliche Vertretung des Zweitbeschwerdeführers vor der belangten Behörde und insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Daraus ergibt sich auch, dass der Erstbeschwerdeführer mit der Kindesmutter nicht verheiratet ist, jedoch mit dieser seit 2014 in einer Beziehung ist, aber erst seit etwa Anfang 2019 zumindest zeitweise in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebt und an derselben Adresse gemeldet ist. Die zeugenschaftliche Einvernahme der Kindesmutter am 10.12.2019 gestaltete sich diesbezüglich wie folgt:

"RI: Seit wann kennen Sie den Herrn XXXX?

Z: Seit 2014.

RI: Wo haben Sie Ihn kennengelernt?

Z: Wir haben uns hier in Österreich kennengelernt.

RI: Seit wann leben Sie in Österreich?

Z: Ich bin 2014 hierhergekommen, bin dann aber zurück nach Italien und 2017, das war anlässlich der Geburt meines Kindes, wieder nach Österreich.

RI: Seit wann sind Sie zusammen mit dem Herrn XXXX?

Z: Ich kenne Ihn seit 2014.

RI: Sind Sie auch seit 2014 zusammen, denn vorher haben Sie mir gesagt, dass Sie zumindest zweieinhalb Jahre nicht in Österreich waren.

Z: Auch nach meiner Rückkehr nach Italien blieben wir in einer Beziehung. Ab und zu bin ich einfach für zwei Tage nach Österreich gekommen.

RI: Und seit wann leben Sie jetzt fix in Österreich?

Z: Ich bin nicht fix hier, sondern komme, bleibe dann drei Monate und gehe wieder zurück nach Italien.

RI: Wieso sind Sie nicht gemeinsam nach Italien. Sie haben einen Aufenthaltstitel für Italien.

Z: Mit wem sollte ich dort leben?

Dolmetscherin wiederholt die Frage.

Z: Er kann nicht mit mir in Italien leben.

RI: Ihr Lebensgefährte hat mir vorhin schon erörtert, weshalb er nicht in Nigeria leben könnte. Nun meine Frage an Sie, wieso sollte er nicht mit Ihnen in Italien leben können?

Z: Er kann dort nicht leben, weil er kein Asyl dort hat, das heißt keine Erlaubnis, und weil wir nicht verheiratet sind.

RI: Er wird auch in Österreich kein Asyl bekommen, er hat nunmehr seinen vierten unbegründeten Asylantrag gestellt, steht womöglich vor seiner vierten strafrechtlichen Verurteilung in Österreich. Einzig das Familienleben muss in Betracht gezogen werden. Dies allerdings offenbar zu einer Person die lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung für Italien besitzt und Österreich max. drei Monate am Stück bereisen darf. Daher noch einmal meine Frage, wieso sind Sie nicht in Italien?

Z: Ich habe Ihnen diese Frage zuvor schon beantwortet, mehr kann ich Ihnen nicht dazu sagen."

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und zur Arbeitsfähigkeit des Erstbeschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen vor der belangten Behörde sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Demnach ist der Zweitbeschwerdeführer gesund. Der Erstbeschwerdeführer erklärte zwar aufgrund von Hungerstreiks an einem Magengeschwür zu leiden, jedoch stimmte er einer Entbindung seines behandelnden Arztes von der Schweigepflicht nicht zu und legte er keinerlei Unterlagen vor, um die behauptete Beeinträchtigung seiner Gesundheit nachzuweisen. Weiters wird die diesbezügliche Unglaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers auch durch sein Verhalten im Vorverfahren unterstrichen, im Zuge dessen er wider besseren Wissens behauptet hatte, HIV-positiv zu sein und Medikamente zu benötigen. Mit einer am 25.11.2016 durchgeführten Blutabnahme wurde jedoch dementgegen festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer nicht HIV infiziert war und somit über seinen Gesundheitszustand gelogen hatte. In der mündlichen Verhandlung äußerte sich der Beschwerdeführer befragt nach seinem Gesundheitszustand wie folgt:

"RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF1: Ich fühle mich gut, aber ich fühle mich krank.

RI: Sie sagen, dass Sie heute krank sind. Welche Probleme haben Sie?

BF1: Ich leide an Epilepsie, außerdem ist mein Magen aufgrund des vierten Hungerstreiks kaputt und ich nehme deswegen täglich Tabletten ein.

RI: Haben Sie irgendwelche Dokumente, wegen der Epilepsie? Ihrer Problematik betreffend Magenprobleme ist Aktenkundig.

RI: Der BF legt einen Zettel vor mit Medikamenten, welche er vorgibt täglich einzunehmen. Depakin, Pantroprazol (Sandoz) und Elidel (Infektion).

BF1: Ich habe auch Arztunterlagen bezüglich der Epilepsie, die ich aber heute nicht dabeihabe.

RI: Das ist jetzt Ihr vierter Asylantrag, daher unterstelle ich Ihnen eine gewisse Routine was eine Einvernahme Situation betrifft, sei diese vor dem BFA oder im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor Gericht, daher frage ich Sie wieso Sie diese Unterlagen heute nicht mithaben. Dies auch eingedenk der Tatsachen, dass Sie in einem Vorverfahren behauptet haben HIV-positiv zu sein und unter Hepatitis C zu leiden, was sich aber letztlich an Hand Ihres Blutbildes nicht bestätigen konnte. Was sagen Sie dazu?

BF1: Ich habe 2014 herausgefunden, dass ich an Epilepsie leide. Da ich damals nicht wusste, was Epilepsie ist, habe ich den Behörden gesagt, ich hätte HIV.

RI: Leiden Sie an sonstigen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF1: Nein."

Die Feststellung zur Schulbildung und Arbeitserfahrung des Erstbeschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben.

Aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers sowie der Mutter des Zweitbeschwerdeführers leitet sich die Feststellung ab, dass die Beschwerdeführer in Österreich - abgesehen von ihrer Eltern-Kind-Beziehung, welche jedoch auch nur über jeweils drei Monate andauernde Besuche seitens der Kindesmutter und des Zweitbeschwerdeführers besteht - über keinerlei familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen. Es gibt aber auch durchaus Hinweise, dass der Aufenthalt der Kindesmutter im österreichischen Bundesgebiet unrechtmäßig ist, weist sie doch entgegen ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung, mit ihrem Sohn immer nur für drei Monate im Bundesgebiet aufhältig zu sein ("RI: In was für einem Rhythmus reisen Sie nach Italien aus. Wie lange bleiben Sie dann in Italien und nehmen Sie Ihr Kind mit? Z: Ich bin immer drei Monate hier in Österreich und dann wieder zwei Monate in Italien. Meinen Sohn nehme ich immer mit nach Italien. RI: Wo wohnen Sie in Italien, denn zwei Monate sind doch ein maßgeblicher Zeitraum? Z: Ich lebe dort bei einer Freundin in Rom. RI: Arbeiten Sie in Italien? Z: Nein, es gibt dort keine Arbeit."), seit 17.08.2017 einen Hauptwohnsitz in Wien auf - an dem auch seit 28.01.2019 der Erstbeschwerdeführer und seit 20.03.2019 der Zweitbeschwerdeführer hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei der Erstbeschwerdeführer vom 13.09.2019-28.01.2020 in Haft war.

Die Feststellung, dass ein weiteres Kind des Erstbeschwerdeführers mit dessen Mutter in Italien lebt, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im gegenständlichen Verfahren bzw. insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdeführer brachten weder vor der belangten Behörde, noch in der gegenständlichen Beschwerde oder der Verhandlung konkrete Angaben vor, welche die Annahme einer umfassenden Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht in Österreich rechtfertigen würden. Bislang legte der Erstbeschwerdeführer keine Bescheinigungsmittel über positiv absolvierte Deutschkurse oder -prüfungen vor und war der Erstbeschwerdeführer in der Verhandlung durchwegs auf eine Dolmetscherin angewiesen. Eine Unterhaltung mit dem Erstbeschwerdeführer ohne Dolmetscher war hingegen nur sehr schwer möglich war. Der Beschwerdeführer ging in Österreich der Schwarzarbeit nach (Verhandlungsprotokoll, Seite 8).

Die Feststellung zu den vier strafgerichtlichen Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich und ergibt sich aus den im Akt einliegenden Strafurteilen.

2.3 Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer

Vorweg ist festzustellen, dass das Bundesamt in den zuvor angeführten Bescheiden der gegenständlichen Entscheidung ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zugrunde gelegt hat und dass in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar dargestellt sind.

Da in den gegenständlichen Verfahren die Aussage des Erstbeschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen seine Angaben bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Dazu ist auszuführen, dass von einem Antragsteller ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen ist. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm vorgebrachte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d. h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen. Diesen Anforderungen werden die Angaben des Erstbeschwerdeführers nicht gerecht.

Der belangten Behörde kann vor diesem Hintergrund nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Zusammenschau der Angaben der Beschwerdeführer letztlich davon ausgeht, dass ihnen keine Verfolgung im Sinne der GFK droht, bzw. dass sie nicht glaubhaft machen konnten, dass sie in ihrem Heimatstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt waren bzw. sein könnten.

Dazu wird grundsätzlich festgehalten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht der Beweiswürdigung der belangten Behörde vollinhaltlich anschließt. Die belangte Behörde befand das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers als nicht glaubhaft und zeigte im angefochtenen Bescheid auch eindeutig und fundiert auf, aus welchen Gründen sie ihm die Glaubwürdigkeit versagte und weshalb sie letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aufgrund der aufgetretenen Unstimmigkeiten seiner Schilderungen, zum Schluss gekommen ist, dass das Fluchtvorbringen hinsichtlich der Verfolgungsgründe keine Asylrelevanz aufweist.

Bereits im vorangegangenen Verfahren des Erstbeschwerdeführers - seinem insgesamt schon dritten Antrag unbegründeten auf internationalen Schutz - gelangte das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 31.08.2018, Zl. I 405 2197672-1/6E, zum Ergebnis, dass der Erstbeschwerdeführer kein übereinstimmendes Vorbringen hinsichtlich seiner behaupteten Fluchtgründe erstattet hatte, sondern seine widersprüchlichen, unplausiblen und vor allem vagen Angaben vielmehr den Eindruck erwecken, dass er seine wirtschaftlich motivierte Auseise aus Nigeria durch ein asylrelevantes Vorbringen zu untermauern versuchte.

So hatte der Erstbeschwerdeführer bei der Erstbefragung anlässlich seines ersten Asylantrages vom 27.02.2009, befragt nach seinem Fluchtgrund noch angegeben, dass er in Nigeria von der Polizei gesucht werde, da diese ihm die Teilnahme an Entführungen unterstelle. Im Widerspruch dazu erklärte er bei der Erstbefragung zu seinem Folgeantrag am 09.11.2011, dass sein Vater ermordet worden sei und er nun auch um sein Leben fürchte. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.05.2015 erklärte er wiederum, dass sein Vater entführt worden sei und er befürchte, ebenso entführt zu werden.

In neuerlichem Widerspruch dazu brachte er zu seinem verfahrensgegenständlichen vierten Asylantrag zu seinen Fluchtgründen - auf das Wesentlichste zusammengefasst - vor, dass die Fluchtgründe aus seinem ersten Asylverfahren noch aufrecht seien. Es gebe aber noch ein weiteres Problem, und zwar sei sein Onkel bei einem Brandanschlag ums Leben gekommen. Er habe Angst, dass ihm das gleiche passiere wie seinem Onkel. Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen erklärte er, in seiner Heimat niemanden mehr zu haben. Seine Eltern und seine Schwester seien bei einem Verkehrsunfall verstorben. Er lebe bereits seit 2009 in Österreich und habe hier zwei Kinder. Er wisse nicht, wohin er mit seinem Kind und seiner Familie außerhalb von Österreich ziehen könne und er habe in Nigeria keinen Platz zum Schlafen. Er benötige Arbeit, um zu überleben und seine Familie zu versorgen.

Die Angaben des Erstbeschwerdeführers zu seinem nun behaupteten Fluchtgrund - der Ermordung seines Onkels - waren jedoch derart vage und oberflächlich, dass auch diesen jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen war.

Zusammengefasst verharrte der Erstbeschwerdeführer während seiner Einvernahmen in einer wortkargen Darlegung einiger weniger Eckpunkte einer Schilderung, die Antworten auf die gestellten Fragen waren grundsätzlich kurz angebunden - eine detaillierte oder umfassende Schilderung der Ereignisse war ihm im Zuge seiner Einvernahme nicht möglich. Obwohl der Erstbeschwerdeführer seitens der belangten Behörde aufgefordert wurde, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, wurden die, für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, von ihm lediglich in äußerst knapper Weise und sehr pauschal beantwortet. Trotz mehrmaliger Nachfrage war der Erstbeschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nicht im Stande, konkrete Angaben zu dem behaupteten Ereignis, zum Ablauf der Geschehnisse, zu den Umständen der Ermordung seines Onkels und das in-Brand-Setzen seines Hauses oder zu seiner persönlichen Betroffenheit zu machen.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist jedoch davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist.

Der Erstbeschwerdeführer berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Diese Feststellung kann insofern getroffen werden, als es aus der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts notorisch ist, dass detailreiche Aussagen mit Realkennzeichen in der Regel für die Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vortrages sprechen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, unter Angabe der eigenen Gefühle und unter spontaner Rückerinnerung an unwesentliche Details und Nebenumstände berichten. Beim Erzählen der eigenen Lebensgeschichte ist zu erwarten, dass der Erzählende nicht nur Handlungsabläufe schildert, sondern sich selbst in die Schilderung einbaut; dass eigene Emotionen, Erlebniswahrnehmung und Verhalten zu erklären versucht werden; dass Dialoge und Interaktionen mit anderen Personen geschildert werden. Dies gilt insbesondere bei derart prägenden Ereignissen, die so gravierend auf die Lebenssituation eines Menschen einwirken, dass dieser sich letztlich veranlasst sieht, sein Heimatland zu verlassen.

Die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Fluchtgeschichte als reine gedankliche Konstruktion erscheinen, der jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung fehlt, sodass davon auszugehen ist, dass diese Geschichte nur zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Für den erkennenden Richter entsteht vielmehr der Eindruck, dass der Erstbeschwerdeführer Nigeria aus rein wirtschaftlichen Beweggründen verlassen hat. Dies findet auch in seinen Angaben vor der belangten Behörde am 06.12.2018 ("LA: Wollen Sie abschließend noch etwas zu den Gründen für Ihre vierte Asylantragstellung vorbringen? VP: Die Gründe für meine vierte Asylantragstellung bestehen darin, dass ich hier ein gutes Leben habe, dass meine Familie in Österreich ist, dass ich schon sehr lange hier bin, seit 10 Jahren und somit hier inzwischen meine Heimat gefunden habe. Mein Kind wurde hier geboren und ich wüsste nicht, wohin ich mit meinem Kind und meiner Familie ziehen sollte außerhalb von Österreich. Ich benötige Arbeit, um zu überleben und meine Familie zu versorgen.") sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 10.12.2019 Deckung (RI: Sie wurden bereits vom Bundesamt zu Ihren Fluchtgründen befragt. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein. Erinnern Sie sich noch an Ihre Angaben und halten Sie diese aufrecht? Oder wollen Sie etwas ergänzen oder berichtigen? BF1: Nein, ich habe meinen Angaben nichts hinzuzufügen und auch nichts zu ändern. RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten? BF1: Ich hätte dort keine Ausbildung, kein Geld, kein Essen, kein Haus und keine Sicherheit. RI: Haben Sie Ihre Zeit in Österreich genützt eine Ausbildung zu machen? BF1: Ich habe versucht, mit meinem Referenten beim BFA zu sprechen, da ich zur Schule gehen wollte. Dieser meinte, aber immer nur nein. RI: Unter der Annahme, dass Sie die von Ihnen geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten nicht hätten, könnten Sie dann wieder in Ihrem Herkunftsstaat leben? BF1: Nein. RI: Geht das etwas detaillierter? BF1: Nein, es gibt dort viel zu viel Probleme und Boko Haram ist auch überall. Es gibt zahllose Probleme.).

Es wird vom Erstbeschwerdeführer auch in seiner Beschwerde kein konkretes Vorbringen, welches über sein Vorbringen im Administrativverfahren hinausgeht erstattet. Er moniert allgemein unrichtige Beweiswürdigung und falsche und unvollständige Sachverhaltserhebung, ohne asylrelevante Tatsachen vorzubringen, bzw. sich konkret mit der Beweiswürdigung auseinanderzusetzen und ohne substantiiert darauf einzugehen, warum das Fluchtvorbringen entgegen der Ansicht der belangten Behörde subjektiv einen asylrechtlichen Tatbestand erfüllen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass der Erstbeschwerdeführer keine individuelle Verfolgung, bzw. asylrelevante Fluchtgründe im Sinne der GFK angegeben hat.

Für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Er stützte sich zur Gänze auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers. Eine entsprechende Erklärung wurde von seiner Mutter als gesetzliche Vertretung in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 26.09.2018 abgegeben.

Die Beschwerdeführer haben daher im Falle einer Rückkehr nach Nigeria keine Verfolgung zu erwarten. Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Erstbeschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig und verfügt über eine Grundschulausbildung sowie über Arbeitserfahrung als Maurer. Eine Arbeitsaufnahme und eigenständige Bestreitung des Lebensunterhaltes seiner Familie wird ihm auch nach einer allfälligen Rückkehr weiterhin möglich sein. Die Beschwerdeführer sind auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

2.4 Zu den Länderfeststellungen

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018b): Nigeria - Kultur und Bildung, Medien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205846, Zugriff 9.11.2018

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,

- AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 12.4.2019

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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