TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 W277 2201067-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W277 2201067-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIk!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , wegen XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am XXXX gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

II. Dem Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Er gab an, aus XXXX zu stammen. Zu den Fluchtgründen brachte er vor, dass er bei XXXX gewesen sei. Er habe XXXX verlassen. Sie hätten ihn XXXX wollen, er habe dies aber abgelehnt. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF, von XXXX des Herkunftsstaates zum Tode verurteilt zu werden, da er vor einiger Zeit XXXX angehört habe.

2. Am XXXX wurde das Asylverfahren aufgrund des unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt.

3. Am XXXX wurde der BF XXXX nach illegaler Einreise aus XXXX nach Österreich rücküberstellt und das Verfahren fortgesetzt.

4. Am XXXX brachte der BF eine XXXX ein.

5. Am XXXX wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Er gab im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an, dass er als XXXX in einem Büro am XXXX gearbeitet habe. Er sei zweimal von XXXX angerufen und aufgefordert worden, mit der Arbeit aufzuhören, da er XXXX arbeite und dies verboten sei. Beim zweiten Mal sei er damit bedroht worden, dass er umgebracht werde, falls er nochmals von XXXX angerufen werde (sinngemäß: werden müsse). An einem Tag im Jahre XXXX sei der BF nicht zu Hause gewesen, als XXXX zu ihm nach Hause gekommen wären. Die Mutter des BF habe ihnen gesagt, dass der BF nicht zu Hause sei. Der BF sei wieder arbeiten gegangen. An einem anderen Tag sei er am Weg nach Hause von XXXX mit dem Auto entführt worden. Der BF sei XXXX an einem unbekannten Ort gewesen. Am letzten Tag sei der BF zu XXXX gebracht worden, der ihm gesagt habe, dass er entweder für sie arbeiten könne oder er ihn töten würde. Der BF habe aus Angst gesagt, dass er alles (sinngemäß: was die XXXX verlangt hätte) machen würde. Der BF sei am XXXX freigelassen worden und ihm gesagt worden, dass er tun müsse, was sie (gemeint: XXXX ) ihm sagen würden. XXXX hätten zum BF gesagt, dass man ihm „was“ schicken werde und er dann das „dorthin“ bringen müsse. Dann sei er geflüchtet. In der Zeit zwischen Freilassung und Flucht sei ihm „nichts“ von XXXX geschickt worden. Der BF gehöre zudem XXXX an und sei im Herkunftsstaat unterdrückt worden.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF ein Konvolut an Integrationsunterlagen, einen XXXX seines Vaters, sowie einen XXXX seines Bruders vor.

6. Am XXXX legte der BF eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderberichten vor.

7. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

8. Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

9. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte nach Wiederholung der Fluchtgründe im Wesentlichen vor, dass es keine Widersprüche zwischen Erstbefragung und Einvernahme geben würde, dem BF aufgrund seiner Arbeit am XXXX von XXXX von XXXX eine Tätigkeit für XXXX vorgeworfen werde, der somalische Staat nicht schutzfähig sei und die Mutter des BF dessen Vorbringen bestätigen könne. Der BF habe keine Verwandten in Somalia und Clansolidarität sei kein Garant für Schutz bzw. Überlebenshilfe. Der BF würde in Somalia dadurch weder Unterkunft noch Arbeit finden. Die IDP-Lager seien überfüllt und es würden dort unmenschliche Zustände herrschen. Weiters herrsche Dürre.

Der BF beantragte neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Befragung seiner Mutter als Zeugin.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge: BVwG) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Bescheid des BFA infolge Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

Begründend wurde vorgebracht, dass der BF am XXXX . Die XXXX Frist zur Bescheiderlassung endete daher am XXXX . Das BFA hatte somit mit der erst am XXXX erfolgten Zustellung des Bescheides vom XXXX an den Vertreter des BF den Bescheid nicht fristgerecht nachgeholt und erlassen. Der Bescheid war daher infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet und daher aufzuheben. Die Zuständigkeit zur Sachentscheidung ist auf das BVwG übergegangen und werde mit gesonderter Erledigung ergehen.

11. Am XXXX brachte der BF beim BVwG eine schriftliche Urgenz ein.

12. Das BVwG führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somali durch, an welcher der BF, seine Rechtsvertretung und ein Vertreter des BFA teilnahmen. Der BF wurde ausführlich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihm mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen. Die Mutter des BF wurde als Zeugin befragt. Der BF legte einen Länderbericht zum Clan der XXXX (Beilagen ./A), die Zeugin ihren XXXX (Beilage ./B) und ein handschriftliches Schreiben vor, welches ihre Anschrift XXXX enthielt (Beilage ./C).

13. Mit Schriftsatz vom XXXX wies der BF darauf hin, dass sein Vater in XXXX aus dem BF nicht näher bekannten Gründen XXXX genieße und ihm dadurch aufgrund der möglichen Sippenhaftung ebenfalls Verfolgung drohe. Vorgelegt wurde ein kurzes, XXXX Schreiben des Vaters des BF, welchem im Wesentlichen zu entnehmen ist, dass die Familie früher in Somalia in einem Haus gewohnt habe, welches jedoch nicht der Familie, sondern der entfernten Verwandtschaft gehört habe. Sie hätten aktuell keine Informationen über jenes Haus („ XXXX .“).

14. Mit Schreiben vom XXXX meldete die Landespolizeidirektion XXXX dem BFA, dass der BF am selben Tag wegen XXXX angehalten worden sei.

15. Das BVwG führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des BF

Der BF ist ein volljähriger, somalischer Staatsangehöriger, XXXX Glaubens und der Volksgruppe der XXXX zugehörig. Er spricht Somali.

Der BF wurde in XXXX , Somalia, geboren und lebte ebendort bis zu seiner Ausreise. Er hat XXXX Jahre die Schule besucht und kann lesen und schreiben.

Er ist im Herkunftsstaat keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen.

Seine Eltern, XXXX Brüder und XXXX Schwester leben in XXXX und sind ebendort XXXX .

Der BF hat keine Familienangehörigen bzw. Verwandtschaft in Somalia. Er hat eine Tante mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits, deren aktueller Aufenthaltsort ihm unbekannt ist. Der BF hat keinen Kontakt zu Personen in Somalia.

Der BF ist ledig, kinderlos und gesund.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF

Der BF wurde in Somalia nicht aufgrund seiner Arbeit als XXXX von XXXX bedroht und entführt. Der BF wurde nicht XXXX .

Der BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Aus den ins Verfahren eingeführten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.09.2019 (in der Folge: LIB) zitierten Länderberichten zur Lage in Somalia ergibt sich Folgendes:

1.3.1. XXXX

XXXX bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM ( XXXX ). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche XXXX ) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an XXXX übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in XXXX gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).

Für XXXX bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ – Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von XXXX in XXXX umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen XXXX Anschläge durchzuführen (LIFOS – Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.42).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass XXXX die Kontrolle über XXXX zurückerlangt XXXX besteht kein Risiko, von XXXX zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus XXXX droht hingegen die Rückkehr von XXXX ( XXXX ).

Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von XXXX nicht die Ideologie von XXXX . Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). XXXX greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch XXXX : Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von XXXX als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).

Auch wenn XXXX von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann XXXX indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der XXXX im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).

Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in XXXX nach wie vor relevant (SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, XXXX ).

1.3.2. XXXX

Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der XXXX vor. So gibt es etwa XXXX keine Zwangsrekrutierungen durch die XXXX (BMLV – Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (16.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation; vgl. BFA 8.2017, S.51; DIS – Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (3.2017): South and Central Somalia Security Situation, XXXX Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016, S.20f).

Üblicherweise richtet die XXXX ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017, S.52), denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit XXXX die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden (DIS 3.2017, S.21). Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der XXXX eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BFA 8.2017, S.54f).

Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht (DIS 3.2017, S.21). Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo XXXX einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BFA 8.2017, S.54f). Stellt eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen der XXXX Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt – so etwa geschehen in Aad (Mudug) und Bananey (Lower Shabelle) (SEMG – Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), S.39).

1.3.3. Bevölkerungsstruktur

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S.5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden.

-         XXXX gliedern sich in die drei Hauptgruppen: XXXX sowie einige kleinere Clans. Die XXXX sind eine Föderation von XXXX : Die XXXX sind der wichtigste Clan XXXX , während XXXX in XXXX leben. Die XXXX sind der wichtigste somalische Clan in XXXX , haben aber auch großen Einfluss in XXXX . Die XXXX sind in XXXX präsent.

-         XXXX leben v.a. in XXXX und haben in und um XXXX großen Einfluss. (SEM 31.5.2017, S.55; vgl. AA 5.3.2019b).

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil-Mirifle stellen je ca. 20-25% der Bevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 5.3.2019b).

1.3.3.1. Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit

Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als „Gast“ ist schwächer, als jene des „Gastgebers“. Im System von „hosts and guests“ sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als „Gäste“. Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S.11f/32f).

1.3.4. Bewegungsfreiheit und Relokation

Die sicherste Art des Reisens in XXXX ist das Fliegen. XXXX kann international XXXX erreicht werden (LI - Landinfo (Norwegen) (28.6.2019): Somalia: Praktiske og sikkerhetsmessige forhold på reise i Sør-Somalia, S.6f).

1.3.5. Wirtschaft und Arbeit

Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 2,3% (UNSC – UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, S.4), 2018 bei ca. 2,8% (UNSC – UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, Abs.22) und wird vom Internationalen Währungsfonds für 2019 und 2020 auf jeweils 3,5% prognostiziert. Das Wachstum hat sich also erholt, die Inflation wurde gebremst und das Handelsdefizit reduziert. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remissen (BLO - Bloomberg (27.2.2019): IMF Sees Somalia’s GDP Growth Accelerating to 3.5% in 2019), die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern (UNSC 21.12.2018, S.4). Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. Mogadischu und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren (BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 – Somalia Country Report, S.5). Auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016, S.23).

Es gibt kein nationales Mindesteinkommen (USDOS 13.3.2019, S. 37). Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016, S.18), auch wenn in Puntland und Teilen Südsomalias – insbesondere Mogadischu – der tertiäre Bildungsbereich boomt (BS 2018, S.32). Der Wirtschaft ist es nicht gelungen, ausreichend Beschäftigung zu schaffen – v.a. für Frauen und Junge (UNSC 21.12.2018, S.47). In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund ab (BS 2018, S.30). Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle – und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greissler anschreiben lassen (RVI – Rift Valley Institute / Majid, Nisar / Abdirahman, Khalif / Hassan, Shamsa (9.2018): Remittances and Vulnerability in Somalia, S.4).

Studien darüber, wie Menschen XXXX ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben sich auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von XXXX . Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel – v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI – Landinfo (Norwegen) (1.4.2016): Somalia – Relevant social and economic conditions upon return XXXX , S.10). NGOs und der Privatsektor bieten den Menschen grundlegende Dienste – vor allem in urbanen Zentren (OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, S.4).

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichten Personen, die aus Kenia in Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt sind, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 13.3.2019, S.22f). Eine Arbeit zu finden ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Auch Unternehmensgründer sind auf den Clan angewiesen. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (FIS 5.10.2018, S.22). Männer finden unter anderem auf Baustellen, beim Graben, Steinebrechen, Schuhputzen oder beim Khatverkauf eine Arbeit. Ein Großteil der Tätigkeiten ist sehr anstrengend und mitunter gefährlich. Außerdem wird von Ausbeutung und Unterbezahlung berichtet (OXFAM 6.2018, S.10).

Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016, S.11). In einer Studie von IOM aus dem Jahr 2016 gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM – Internationale Organisation für Migration (2.2016): Youth, Employment and Migration in Mogadishu, Kismayo and Baidoa, S.42f). Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- (SEM 31.5.2017, S.5/32f; vgl. GIGA – Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A) bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus (GIGA 3.7.2018). Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.9/32ff).

Die Arbeitslosenquote ist landesweit hoch (USDOS 13.3.2019, S.23), wobei es zu konkreten Zahlen unterschiedlichste Angaben gibt: Laut einer Quelle liegt die Erwerbsquote (labour force participation) bei Männern bei 58%, bei Frauen bei 37% (UNSC 21.12.2018, S.4). In einer anderen Quelle wird die Arbeitslosenrate für 2016 mit 6,6% angeführt (BS 2018, S.25). Wieder eine andere Quelle nennt für 2012 eine Jugendarbeitslosigkeit von 67% bei 14-29jährigen (DI – Development Initiatives (6.2019): Towards and improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, S.22). Eine weitere Quelle nennt bei 15-24jährigen eine Quote von 48% (OXFAM 6.2018, S.22FN8). Bei einer Studie aus dem Jahr 2016 gaben hingegen nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat; c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von „arbeitslos“ unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016).

Aufgeschlüsselt für Puntland und Süd-/Zentralsomalia ergibt sich aus den UNFPA-Daten, dass dort 44,4% der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeiten. 11,4% gelten als Arbeitssuchende. 44,2% der Bevölkerung sind ökonomisch inaktiv (UNFPA (8.2016b): Economic Characteristics of the Somali People, S.29).

Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle (FIS 5.10.2018, S.22). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr ca. 1,2 (DI 6.2019, S.5), nach anderen Angaben 1,3 (UNSC 15.5.2019, Abs.20) bzw. 1,4 Milliarden US-Dollar in die Heimat (RVI 9.2018, S.1). Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei (BS 2018, S.30) und fördern die Resilienz der Haushalte (DI 6.2019, S.5). Nach einer Angabe empfangen nur 15% der Haushalte Remissen (UNSC 15.5.2019, Abs.20), nach einer anderen Angabe erhalten 40% der Bevölkerung Überweisungen. Städtische Haushalte erhalten viel eher regelmäßige monatliche Remissen, dort sind es 72%. Die durchschnittliche Höhe der monatlichen Überweisungen beträgt 229 US-Dollar (RVI 9.2018, S.1f). IDPs bekommen verhältnismäßig weniger oft Remissen (DI 6.2019, S.28). Auch die Bevölkerung in Südsomalia – und hier v.a. im ländlichen Raum – empfängt verhältnismäßig weniger Geld als jene in Somaliland oder Puntland. Ein Grund dafür ist, dass dort ein höherer Anteil marginalisierter Gruppen und ethnischer Minderheiten beheimatet ist (RVI 9.2018, S.2).

Mindestens 65% der Haushalte, welche Remissen beziehen, erhalten diese regelmäßig (monatlich), der Rest erhält sie anlassbezogen oder im Krisenfall. Remissen können folglich Fluktuationen im Einkommen bzw. gestiegene Ausgaben ausgleichen. Dies ist gerade in Zeiten einer humanitären Krise – etwa jener von 2017 – wichtig. Durch Remissen können Haushalte Quantität und Qualität der für den Haushalt besorgten Lebensmittel verbessern, und ein sehr großer Teil der Überweisungen wird auch für Lebensmittel aufgewendet. Zusätzlich wird in Somalia in Zeiten der Krise auch geteilt. Menschen bitten z.B. andere Personen, von welchen sie wissen, dass diese Remissen erhalten, um Hilfe (RVI 9.2018, S.2f).

UN-HABITAT führt ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche in Somalia, namentlich in Kismayo, Garoowe und Mogadischu durch. 400 jungen Frauen und Männern der Altersgruppe 15-35 sollen Kenntnisse im Bauwesen, Wirtschaft, Gründertum und Soft Skills vermittelt werden (UNHABITAT - UN Human Settlements Programme (16.8.2018): Providing Somali youth hope through job creation). Auch der Bürgermeister von XXXX hat im Feber 2019 ein Projekt gestartet, bei welchem 400 Jugendliche aus Mogadischu, Baidoa und Kismayo eine Berufsausbildung erhalten sollen. Das Projekt wird von UNDP finanziert (AMISOM (28.2.2019): 28 February 2019 - Morning Headlines [Quelle: Goobjoog News], Newsletter per E-Mail).

1.3.6. Grundversorgung / Humanitäre Lage

Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS – Somaliland Standard (12.7.2019): Response plan for impact of poor Gu rains in place to avoid a major crisis in Somalia; vgl. UNOCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.7.2019): Humanitarian Bulletin Somalia, 1-31 July 2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um einen Monat später als normal (FAO – UN Food and Agriculture Organization / SWALIM (19.7.2019): 2019 Gu (March to June) Rainfall Performance and Impacts – Issued 19 July 2019, S.1). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Abs 38ff).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord- und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (FEWS – Famine Early Warning System (31.7.2019): Somalia Key Message Update, July 2019). Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe (UNOCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2019): Humanitarian Bulletin Somalia, 1-31 August 2019, S.1). Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (20.5.2019): Briefing Notes 20. Mai 2019, S.5).

IPC-Food-Insecurity-Lagekarten zeigen die Situation im Zeitraum Juli 2018 bis September 2019 mit einer Prognose bis Dezember 2019. Bemerkenswert ist, dass für die Stadtbevölkerung von Mogadischu auf beiden Karten IPC 1 vermerkt ist (FSNAU – Food Security and Nutrition Analysis Unit Somalia / FOA (o.D.): IPC Maps).

Die Stadtbevölkerung ist von IPC 3 oder 4 anteilig weit weniger betroffen als die Menschen in ländlichen Gebieten oder IDPs (FEWS – Famine Early Warning System Network / FSNAU / FAO (2.9.2019b): A Briefing on the Outcome of the 2019 Post Gu Seasonal Food Security and Nutrition Assessment, S.20).

Bei gegebener humanitärer Hilfe gilt für die meisten ländlichen Gebiete im September 2019 IPC 2. In Agrargebieten von Guban (Somaliland), Bay und Bakool sowie in Teilen von Hiiraan, Galgaduud, Lower und Middle Juba gilt IPC 3. Dahingegen haben stabile Lebensmittelpreise und Arbeitsmöglichkeiten in den meisten städtischen Gebieten dazu beigetragen, dass IPC 2 nicht überschritten wurde oder auch nur IPC 1 gilt. Lediglich in Städten in Sool, Sanaag und Hiiraan wird mitunter auch IPC 3 verzeichnet – bedingt durch hohe Lebenskosten und begrenzte Einkommensmöglichkeiten (FEWS – Famine Early Warning System Network / FSNAU (2.9.2019a): Somalia 2019 Post Gu FSNAU FEWS-NET Technical Release).

Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS 2018, S.30), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 4.3.2019, S.20). XXXX muss für jede Dienstleistung bezahlt werden, es gibt keine öffentlichen Leistungen (FIS 5.10.2018, S.22). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2018, S.30). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden (Sub-)Clan (OXFAM 6.2018, S.11f; vgl. BS 2018, S.30, AA 4.3.2019, S.20), erweiterte Familie (BS 2018, S.30; vgl. AA 4.3.2019, S.20) und Remissen aus dem Ausland (BS 2018, S.30). Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S.15).

Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clan-Heimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (DI 6.2019, S.12).

Andererseits liegen keine Informationen vor, wonach es gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter (15-29 Jahre; 14 % der Gesamtbevölkerung Somalias) an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden ( XXXX ).

1.3.7. Rückkehrspezifische Grundversorgung

Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein (ÖB 9.2016, S.17; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.63). Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld XXXX sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig (FIS 5.10.2018, S.22). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ – Miniterie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (10.2017): Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, S.73f).

Außerdem haben Rückkehrer nach XXXX dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (REDSS – Regional Durable Solutions Secretariat / NRC / DRC (3.2017): Durable Solutions Framework, Local Integration Focus – Benadir Region, S.29).

Der Immobilienmarkt XXXX , die Preise sind gestiegen (BS 2018, S.29). Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden (LIFOS 3.7.2019, S.63). Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (AA 4.3.2019, S.20f).

1.3.8. Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, wo somalische Behörden Rückkehrer misshandelt haben (NLMBZ 3.2019, S.52). Die Zahl der von westlichen Staaten zurückgeführten somalischen Staatsangehörigen nimmt stetig zu. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer, nach vorliegenden Erkenntnissen werden Rückkehrer vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt (AA 4.3.2019, S.21). Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern kommen (NLMBZ 3.2019, S.52). Das RMO befragt sie hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 4.3.2019, S.20f).

1.4. Zur Situation des BF im Falle einer Rückkehr

Der BF würde bei einer Rückkehr nach Somalia mangels familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte Gefahr laufen, keine Existenzgrundlage bzw. ein unterstützendes Netzwerk vorzufinden und somit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des BF

2.1.1. Die Identität konnte mangels Vorlage von Dokumenten nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich des Namens und des Geburtsdatums Verfahrensidentität vorliegt.

2.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF sowie seiner somalischen Herkunft gründen sich auf seine insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. seinen Kenntnissen der somalischen Sprache. Es haben sich keine Hinweise ergeben, an seinen Angaben betreffend den Schulbesuch im Herkunftsstaat, und dass er lesen und schreiben kann, zu zweifeln.

2.1.3. Die Feststellungen zum Geburts- und Wohnort im Herkunftsstaat (NSV S. 4), sowie zum aktuellen Aufenthalt und Aufenthaltsstatus der Eltern und Geschwister XXXX (NSV S. 9), dass der Aufenthaltsort der Tante mütterlicherseits und des Onkels väterlicherseits unbekannt ist (NSV S. 10) und er keinen Kontakt zu anderen Personen in Somalia hat (NSV S. 11), stützen sich auf den glaubhaften Angaben des BF sowie seiner, in der mündlichen Verhandlung als Zeugin befragten, Mutter (NSV S. 25). Es ergaben sich keine Hinweise, an seinen Angaben keine Familienangehörigen in Somalia bzw. sonstige Verwandtschaften in XXXX zu haben (NSV S. 11), zu zweifeln.

2.1.4. Betreffend einer aktuell möglichen Unterkunft im Herkunftsstaat gab der BF vor dem BVwG an, dass er bis zu seiner Ausreise in einer Mietwohnung gewohnt habe und er zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht wisse, wer nun dort wohne (NSV S. 11). Seine Mutter brachte als Zeugin befragt jedoch vor, dass es sich hierbei um ein Haus gehandelt habe, welches „der Familie“ ihres Mannes gehöre. Sie wisse jedoch nicht, wer nun dort wohne. Als sie geflüchtet sei, hätten die Nachbarn dort gewohnt, um das Haus zu bewachen. Im Falle einer Rückkehr könne sie wieder dort wohnen („Z: Wenn es Frieden gäbe und ich zurückkehre, warum nicht.“, NSV S. 25f). Der BF selbst relativierte daraufhin, dass seine Mutter mit der „Familie“ wohl Clanangehörige gemeint habe. Was den Clanangehörigen gehöre, gehöre jedoch nicht ihm. Er selbst wisse nicht genau, wem das Haus gehöre (NSV S. 26f). Da der BF nach seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben keine in Somalia lebenden Familienangehörigen hat und seine Mutter in ihrer Befragung auch nichts Entgegenlautendes hierzu angab, ist nicht davon auszugehen, dass diese Unterkunft Familienangehörigen des BF gehört, sondern der Erklärung des BF Glauben zu schenken, dass die Unterkunft aktuell im Eigentum von Clanangehörigen steht (NSV S. 26 und OZ 13 sowie die Angaben des BF in AS 107 in Akt I, wonach die Familie über keine Häuser im Herkunftsstaat verfügt). In einer Gesamtbetrachtung der Angaben des BF, der Zeugin und den Angaben des Vaters in der Stellungnahme vom XXXX (OZ 13) kann im Falle einer Rückkehr nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er in jenem Haus wieder Unterkunft nehmen könnte.

2.1.5. Das Vorbringen des BF, als XXXX am XXXX von XXXX gearbeitet zu haben, ist nicht glaubhaft.

Der BF konnte seinen Arbeitsort kaum beschreiben. Seine Angaben waren widersprüchlich.

In der Erstbefragung gab er an, noch nie gearbeitet zu haben (AS 33 in Akt I).

In der Einvernahme beim BFA gab er an, in einem Büro XXXX zu haben (AS 111 in Akt I). Den Namen des Büros, XXXX , kenne er nicht. Das Büro habe keine Adresse. Befragt, wie viele Personen dort normal arbeiten, antwortete er vage: „Viele Leute.“ (AS 113 in Akt I).

In der mündlichen Verhandlung gab der BF im Widerspruch hierzu an, dass er nicht ein Büro, sondern mehrere Büros XXXX (NSV S. 11). Er könne weiters nicht sagen, ob er XXXX gewesen sei (NSV S. 11f). Er wisse nicht, was die Personen in den Büros, XXXX , gearbeitet hätten. Auch wisse er nicht, ob sie XXXX gewesen seien (NSV S. 12f).

Zumal sich der Fluchtgrund des BF im Zeitpunkt der Erstbefragung noch nicht auf seine behauptete Arbeitstätigkeit im XXXX bezog, sondern er dies erst bei der niederschriftlichen Befragung beim BFA angab, ist dies in einer Gesamtbetrachtung aller Angaben des BF unglaubhaft (s. Punkt II.2.2.) Es ist daher davon auszugehen, dass die behauptete Arbeitstätigkeit lediglich der Konstruktion eines Fluchtgrundes diente und der BF im Herkunftsstaat wie zuvor angegeben (AS 33) tatsächlich nie gearbeitet hat und vor seiner Ausreise von seiner damals noch dort lebenden Familie versorgt wurde (AS 107 in Akt I).

2.1.6. Dass der BF ledig (AS 31 in Akt I), kinderlos (AS 35 in Akt I) und gesund (NSV S. 7) ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben. Betreffend seinen gegenwärtigen Familienstand ist dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister auch nichts Entgegenlautendes zu entnehmen.

2.1.7. Die Feststellung, dass der BF strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.1. Die Feststellung, dass der BF in Somalia nicht aufgrund seiner Arbeit als XXXX von XXXX bedroht und entführt wurde und nicht XXXX , ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft ist. Wie unter II.1.1. festgestellt und unter II.2.1.5. gewürdigt, war der BF nicht als XXXX am XXXX von XXXX tätig, sodass schon aus diesem Grund sein Fluchtvorbringen, welches darauf aufbaut, nicht glaubhaft ist.

2.2.2. Aber auch unabhängig davon änderte der BF im Laufe des Verfahrens sein Fluchtvorbringen maßgeblich ab.

In der Erstbefragung gab er zu Protokoll, XXXX gewesen zu sein, XXXX verlassen zu haben und sie XXXX hätten wollen ( XXXX AS 39 in Akt I). Auch zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, XXXX gewesen zu sein XXXX AS 39 in Akt I).

In der Einvernahme beim BFA hingegen brachte er vor, von XXXX gefordert worden zu sein, nicht mehr als XXXX am XXXX von XXXX zu arbeiten. Er sei anschließend entführt worden und aufgefordert worden, für XXXX zu arbeiten. Der BF habe aus Angst eingewilligt. Es sei ihm gesagt worden, dass ihm etwas geschickt werde und er dies dann „dorthin“ bringen müsse (AS 111 in Akt I). Es sei ihm aber bis zu seiner Flucht nichts geschickt worden (AS 115 in Akt I).

In der mündlichen Verhandlung schließlich änderte der BF sein Fluchtvorbringen nochmals ab und brachte nun vor, dass XXXX verlangt hätten, dass er für sie arbeite, er dies jedoch abgelehnt habe (NSV S. 14). Wenig später jedoch gab der BF aber an, dass er zugestimmt habe, für XXXX zu arbeiten (NSV S. 16). Er sei jedoch nie ein XXXX gewesen (NSV S. 14). Als er jedoch wieder zur Arbeit gegangen sei, hätte XXXX von ihm verlangt, dass er Sprengstoff mitnehmen und zu seiner Arbeitsstätte bringen solle, damit XXXX dort sterben würden (NSV S. 16).

Somit brachte der BF zunächst vor, XXXX gewesen zu sein, bestritt dies jedoch in der Folge. Ebenso sagte der BF zum einen aus, eingewilligt zu haben, für XXXX zu arbeiten, aber andererseits auch, dies abgelehnt zu haben. Schließlich führte der BF zunächst an, dass ihm nach seiner Freilassung nichts geschickt worden sei, um in der mündlichen Verhandlung anzugeben, dass ihm aufgetragen worden sei, Sprengstoff zu seiner Arbeit mitzunehmen. Der BF änderte sein Fluchtvorbringen somit immer wieder maßgeblich ab, sodass seine unterschiedlichen Ausführungen in sich widersprüchlich waren und diesen kein Glauben geschenkt werden kann.

Soweit der BF in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung erklärte, dass ihm das Protokoll der Erstbefragung nicht rückübersetzt worden sei (AS 105 in Akt I; NSV S. 8), ist dem entgegenzuhalten, dass die Erstbefragung in der Muttersprache des BF unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers durchgeführt wurde (AS 33), der BF zu Beginn und Ende der Befragung angab, diesen Dolmetscher zu verstehen (AS 33f. und AS 41), und er mit seiner Unterschrift bestätigte, dass ihm das Protokoll rückübersetzt wurde (AS 41). Auch die Einwendungen des Rechtsvertreters des BF in der mündlichen Verhandlung, dass XXXX für die Befragung und die Abnahme der Fingerabdrücke sehr kurz gewesen sei (NSV S. 8), vermögen daran nichts zu ändern, zumal diese Dauer für eine Erstbefragung durchaus angemessen scheint und es im Übrigen dem Amtswissen des Gerichts entspricht, dass die Fingerabdrücke nicht im Zuge der Erstbefragung abgenommen werden, sondern dies bereits zuvor geschieht. Eine während der Erstbefragung erfolgte Abnahme von Fingerabdrücken ist dem Protokoll auch nicht zu entnehmen. Schließlich gab der BF noch zu Beginn der mündlichen Verhandlung an, dass das Protokoll der Erstbefragung richtig sei (NSV S. 8 sowie auch AS 105). Es ist daher bei dieser Angabe des BF von einer Schutzbehauptung auszugehen.

2.2.3. Weiters war das Vorbringen des BF auch bei untergeordneten Nebenfragen nur vage und ließen aufgrund der Detaillosigkeit erkennen, dass er nicht selbst erlebte Ereignissen schilderte.

So stellte er in der Einvernahme die Telefonanrufe XXXX nur oberflächlich in den Raum, ohne den Gesprächsinhalt maßgeblich zu konkretisieren (AS 111 in Akt I).

Ebenso konnte er zu dem „Besuch“ von XXXX in seinem Hause keine näheren Angaben machen (AS 111 in Akt I). Auch wenn der BF selbst zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend gewesen wäre, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten, dass er von seiner Mutter über alle Details informiert worden wäre bzw. der BF dieses Gespräch mit seiner Mutter ausführlich besprochen hätte, zumal auch dieser Vorfall seine Flucht ausgelöst habe.

Weiters blieb der BF bei seiner Entführung oberflächlich und gab lediglich an, dass XXXX aus einem Auto ausgestiegen seien, ihm die Augen verbunden hätten, sie XXXX lang gefahren seien und er dann in ein Zimmer gebracht worden sei. Er habe dort geschlafen (AS 111 in Akt I). Jegliche Details hierzu, die eine selbst wahrgenommene Situation annehmen ließen, sparte der BF aus. In der Beschreibung der folgenden XXXX , die der BF festgehalten worden sei, beschränkte er sich auch nach diesbezüglicher Befragung darauf, dass „wir“ – ohne zu konkretisieren, um wen es sich dabei handle – jede Nacht „die Leute“ schreien und weinen gehört hätten (AS 111 in Akt I). Auf Nachfrage waren die diesbezüglichen Ausführungen ebenso vage.

Die Darstellung des folgenden Gesprächs am XXXX , in dem der BF vor die Wahl gestellt worden sei, für XXXX zu arbeiten oder getötet zu werden, lässt ebenso jegliche Details vermissen (AS 111 in Akt I).

Wie der BF nach seiner Freilassung wieder nach Hause gekommen sei, vermochte er nach konkreter Befragung hierzu in der Einvernahme beim BFA nicht zu schildern (AS 111 in Akt I). Auch in der mündlichen Verhandlung konnte er die behaupteten Vorfälle nicht detaillierter beschreiben, sondern blieb vielmehr einsilbig und wortkarg (NSV S. 15f).

Insgesamt ist in einer Gesamtbetrachtung aufgrund der vagen, unkonkreten Angaben, die nicht auf selbst Erlebtes schließen lassen, davon auszugehen, dass es sich bei der behaupteten Entführung durch die XXXX um ein gesteigertes Fluchtvorbringen handelt.

2.2.4. Schließlich war auch bei Wahrunterstellung einer Beschäftigung am Hafen von XXXX das Vorbringen des BF in seiner Gesamtheit nicht nachvollziehbar.

Der BF konnte nicht erklären, weshalb XXXX an XXXX am XXXX von XXXX ein derartiges Interesse haben würden. Der BF hatte nach eigenen Angaben keine Position ebendort inne, sodass XXXX ein nachvollziehbares Interesse daran hätten, ihn telefonisch zu bedrohen, mit seiner Arbeit aufzuhören, und anschließend sogar zu entführen (AS 111 in Akt I). Zumal der BF selbst vorbrachte, dass XXXX „riesig“ sei (NSV S. 12), ist nicht davon auszugehen, dass XXXX schon jeden Arbeitnehmer, der zudem keine direkte Verbindung mit XXXX aufweist, bedrohen würde. Sein Beschwerdevorbringen, dass ein am Hafen Beschäftigter „sehr wohl auch“ als ein für die Regierung Tätiger angesehen werden kann (AS 340 in Akt I), geht ins Leere zumal der BF in seiner Befragung vor dem BVwG angab nicht zu wissen, ob er ein Regierungsmitarbeiter gewesen sei, er sei jedoch von einer Privatperson bezahlt worden (NSV S. 11f.). In der mündlichen Verhandlung waren seine diesbezüglichen Angaben vage und detaillos (NSV S.12).

Der BF konnte auch nicht nachvollziehbar erklären, woher XXXX seine Telefonnummer gehabt hätte. Seine Begründung, dass man von seinem Vornamen auf seine Telefonnummer schließen könnte, ist nicht nachvollziehbar („F: Woher hatten XXXX Ihre Nummer? A: Sie wussten ja meinen ganzen Vornamen.“, AS 111 in Akt I).

Letztlich ist es widersprüchlich, weshalb die XXXX den BF zunächst zur Beendigung seiner Arbeit auffordern würde, um ihn sodann aber wiederum anzuhalten, ebendort weiterhin als XXXX zu arbeiten (AS 111 in Akt I).

Im Übrigen lässt sich die vom BF vorgebrachte XXXX nicht vor dem Hintergrund der unter Punkt II.1.3.2. zitierten Länderberichten objektivieren, wonach XXXX die Gefahr XXXX nicht gegeben ist. Zudem richtet üblicherweise die XXXX auch ein Rekrutierungsgesuch nicht an Einzelpersonen, sondern an den Clan oder an ganze Gemeinden, weshalb seine diesbezüglichen Schilderungen in ihrer Gesamtheit nicht glaubhaft sind.

2.2.5. Eine Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit ist nicht gegeben. Die XXXX zählen zu einem der vier größten Clans Somalias und werden als zu den noblen Clans zugehörig angesehen (II.1.3.3. sowie LIB S. 81 und 83). Der BF gehört somit weder - wie von ihm vor dem BFA behauptet wurde - einem Minderheitenclan an, noch kann den zitierten Länderberichten eine clanspezifische Verfolgung der XXXX in Somalia entnommen werden. Den Länderberichten wurde auch nicht substantiiert entgegengetreten (NSV S. 18). In der mündlichen Verhandlung gab der BF auch an, dass er im Herkunftsstaat nicht aufgrund seiner Clanzugehörigkeit verfolgt werden würde (NSV S. 17). Es handelte sich daher bei seinen Angaben beim BFA bezüglich einer Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit (AS 108f. in Akt I) um ein gesteigertes Fluchtvorbringen.

2.2.6. Andere Fluchtgründe wurden vom BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.

2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Somalia

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem aktuellen LIB vom 17.09.2019. Dieses gründet sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter Punkt 1.3. zitiert.

2.4. Zur Rückkehrsituation des BF

Der BF wurde in XXXX geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Den unter II.1.3.5 zitierten Länderberichten ist zu entnehmen, dass in der Stadt XXXX entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig sind, um ein Auslangen finden zu können. Auch wenn es in XXXX Arbeitsmöglichkeiten gibt, XXXX , werden freie Arbeitsplätze häufig über die Verwandtschaft oder den Clan vergeben. Ein Netzwerk ist folglich insbesondere hinsichtlich Arbeitssuche wichtig (LIB S. 130). Die Möglichkeiten des Einzelnen hängen sehr stark von seinen eigenen und von seinem familiären Hintergrund ab. Den Länderberichten ist weiters zu entnehmen, dass UNHCR vor der nicht- existenten Infrastruktur und mangelnden Einrichtungen für somalische Rückkehrer warnt, sodass auch unter diesem Aspekt der Aufbau einer Existenzgrundlage für einen Rückkehrer ohne soziale und/oder familiäre Kontakte auch in XXXX kaum möglich ist.

Der BF konnte glaubhaft darlegen, dass er über keine Eigenressourcen verfügt (AS 109 in Akt I). Der BF hat keine Berufsausbildung absolviert. Er ist im Herkunftstaat keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen (s. II.2.1.5) und verfügt daher über keine fachspezifische Arbeitserfahrung oder Ausbildung. Vor seiner Ausreise lebte er bei seiner Familie (AS 107 in Akt I), welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt in XXXX aufhältig ist (NSV S. 9). Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat wurde seine Versorgung durch die damals dort wohnhafte Familie gewährleistet (AS 107 in Akt I).

Seine Angaben, dass er keine Familienangehörigen bzw. Kontakt zu Verwandten hat, welche aktuell in Somalia leben, konnte er glaubhaft darlegen (NSV S.10f.) und ergaben sich auch aus den Aussagen seiner als Zeugin befragten Mutter (NSV S.25). Dass der Aufenthaltsort des Onkels väterlicherseits und der Tante mütterlicherseits des BF im Herkunftstaat ihm und der in der XXXX lebenden Familie unbekannt ist, wurde sowohl von dem BF als auch der Zeugin glaubhaft angegeben (AS 107 in Akt I; NSV S. 11 und 25).

Eine Unterstützung durch den Clan ist nicht denkunmöglich, kann im vorliegenden Fall des BF jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise war der BF minderjährig und hat seither keine Kontakte zu seinem Herkunftsstaat gepflegt. Er hat aktuell keine Kontakte zu Personen oder Angehörigen seines Clans im Somalia. Aus der Befragung der Mutter war erkennbar, dass auch sie gegenwärtig keine, weiteren Informationen bzw. Kontakte zu ihrem Herkunftsort hat („Jetzt weiß ich nicht. (…).“ NSV S. 25). Bei einer Rückkehr müsste der BF die Verbindungen zum Clan der XXXX sowie die Reintegration in diesen nach XXXX Abwesenheit ohne Unterstützung durch Familie, Verwandte oder Freunde in Somalia bewerkstelligen. Nahrung, Kleidung sowie die Finanzierung seiner Miete könnten mangels Vorliegens eines sonstigen funktionierenden sozialen Netzwerks des BF ausschließlich durch seinen Clan gewährleistet werden.

Wie unter II.2.2.5. ausgeführt ist eine Verfolgung des BF aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht gegeben. Die XXXX zählen zu einem der vier größten Clans Somalias und werden als zu den noblen Clans zugehörig angesehen. Vor dem Hintergrund der unter II.1.3. zitierten Länderberichte gerät jedoch ein Clan als „Gast“ aufgrund der Niederlassung auf dem Gebiet eines anderen Clans in die Position einer Minderheit, unabhängig davon, dass er zu den nobleren Clans Somalias zählt. Der Clan der XXXX nimmt somit in XXXX die Position eines „Gasts“ ein, weshalb seine Position auf dem Gebiet des dort dominanten Clans schwächer als jene des „Gastgeber-Clans“ ist. Im System von „hosts and guests“ sind Personen wie der BF, die sich außerhalb ihres Clanterritoriums niederlassen, schlechter gestellt als jene des dort ansässigen Clans (II.1.3.5. sowie LIB S. 87). Es kann vor diesem Hintergrund daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ohne das Vorliegen jeglichen, sozialen oder familiären Netzwerkes, die Unterstützung durch den Clan XXXX im Hinblick auf dessen schwächere Position in XXXX , ausreicht, um die Existenzgrundlage des BF gewährleisten zu können.

Es ist zudem davon auszugehen, dass in dem von dem BF vor der Ausreise bewohnten Haus aktuell andere Personen leben („Als ich geflüchtet bin haben andere Menschen dort gewohnt.“, aus der Befragung der Zeugin, NSV S. 25). Selbst wenn die Möglichkeit gegeben ist, dass er dort eine Unterkunftsmöglichkeit finden wird, ist davon auszugehen, dass er die Miete begleichen müsste (NSV S. 11). Dass dem BF kostenlos eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden würde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen. Vor dem Hintergrund der unter II.1.3.5 zitierten Länderberichte, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Rückkehrer limitiert sind, es seitens der Regierung für Arbeitslose keinerlei Unterstützung gibt und der BF über keine Berufserfahrung verfügt, welche ihm den Einstieg in das Arbeitsleben ebendort erleichtern könnte sowie, dass der BF über kein unterstützendes Netzwerk verfügt, läuft der BF mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr, die Miete und seine Lebenserhaltungskosten nicht bestreiten zu können und sich in ein IDP-Camp begeben zu müssen. Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird und es XXXX zu Vertreibung bzw. Zwangsräumungen von IDPs gekommen ist. An den Vertreibungen waren auch staatliche Sicherheitskräfte beteiligt, die auch Gewalt angewendet haben. IDPs gehören in Somalia generell zu den am meisten gefährdeten Personengruppen. Die Regierung und Regionalbehörden bieten nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung.

Dass die in XXXX lebende Familie des BF (AS 129ff; NSV S. 9; Beilagen ./B und ./C) bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage wäre, den Lebensunterhalt des BF in Somalia finanziell zu unterstützen, ist nicht denkunmöglich, jedoch im hohen Maße unwahrscheinlich, zumal der Vater des BF aktuell den Unterhalt seiner Frau und der drei jüngeren Geschwister des BF in XXXX bestreitet, welche in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX leben (NSV S. 9).

Die prognostizierende Rückkehrsituation ist in einer Gesamtbetrachtung aufgrund der objektiven Berichtslage in Zusammenschau mit den individuellen Umständen des BF zum Entscheidungszeitpunkt dergestalt, dass im Falle einer aktuellen Rückkehr nach XXXX davon auszugehen ist, dass der BF Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Den unter II.1.3.7 zitierten Länderberichten folgend, ist die Situation für Rückkehrer ohne Netzwerk oder finanzielle Eigenmittel schwierig. Die Rückkehrgefährdung des BF ergibt sich folglich aus seiner persönlichen Situation, insbesondere den mangelnden sozialen und familiären Anknüpfungspunkten in Somalia, weshalb die vor dem Hintergrund der Länderberichte erforderlichen lokalen Beziehungen einer rückkehrenden Person im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchteil A)

3.1.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der BF im Herkunfts

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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