TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 W254 2211807-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W254 2211807-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Eritrea, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang

1.1. Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz "BF" genannt) ist im Rahmen einer Flüchtlingsrelocation aus Italien nach Österreich eingereist und stellte am XXXX 2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am XXXX 2018 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der BF statt, bei der er angab, am XXXX in XXXX geboren und eritreischer Staatsbürger zu sein, ledig, der Volksgruppe der Tigringa anzugehören und Moslem zu sein. Als Muttersprache führte er Tigringa in Wort und Schrift an. Er habe neun Jahre lang eine Grundschule besucht und zuletzt als Tischlerlehrling gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, Eritrea aufgrund des ihm bevorstehenden Militärdienstes verlassen zu haben. Das Militär habe zuhause nach ihm gefragt, weswegen er immer woanders schlafen habe müssen. Seine Eltern seien dazu verpflichtet gewesen, den BF dem Militär zu übergeben.

1.3. Das am 16.08.2018 einlangende medizinische Sachverständigengutachten kam zum Ergebnis, dass das vom BF angegebene Lebensalter mit dem festgestellten Mindestalter vereinbar sei. Die Differenz betrage XXXX .

1.4. Am 18.10.2018 wurde der BF vor der belangten Behörde im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Darin gab er - soweit hier wesentlich - an, dass eine Pilzerkrankung mittlerweile erledigt sei und es ihm gut gehe und er auch keine Medikamente nehme. Weiters führte er aus, dass sein Nachname zusammengeschrieben gehöre. Seine Mutter lebe nach wie vor gemeinsam mit seinen vier Brüdern und zwei Schwestern in XXXX . Es gehe ihnen gut und stehe er mit ihnen - wenn auch selten - in Kontakt. Sein Vater sei seit fünf bis sechs Jahren in Saudi-Arabien und versorge die Familie mit Geldüberweisungen. Daneben habe der BF mit seinen Geschwistern gearbeitet, um den Lebensunterhalt für die Familie zu erwirtschaften. Er verfüge auch noch über sechs Onkel und eine Tante mütterlicherseits, zu den Geschwistern seines Vaters habe die Familie keinen Kontakt.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er die Schule abgebrochen habe, um in einer Schreinerei zu arbeiten. Aufgrund seines Schulabbruches habe er ein Schreiben von der Verwaltung gekommen. Man werde in Eritrea denunziert, sofern man mit der Schule aufhöre. Dann würden die "Leute von der Verwaltung" kommen. Sie würden wollen, dass man die militärische Ausbildung absolviere. Auch sei seine Mutter bereits belästigt und sei ihr mit Haft gedroht worden, wenn sie den BF nicht "übergeben" würde. Seine Mutter habe ihnen mitgeteilt, dass der BF seit Tagen bereits weg wäre, weswegen der BF immer auswärts habe schlafen müssen. Wenn er sich zum Militär gemeldet hätte, dann wäre er in ein Gefängnis gekommen, hätte dort leiden müssen und militärisch ausgebildet werden müssen. Ob seine zwei älteren Brüder bereits zum Militär gekommen seien, wisse er nicht. Da Telefongespräche abgehört werden würden, könne man solche Fragen nicht am Telefon stellen. Auf Vorhalt, dass der Militärdienst jeden jungen Staatsbürger Eritreas treffen würde, gab der BF an, seiner Pflicht nicht nachgekommen zu sein, weil er in der Schule und in Ausbildung gewesen sei. Ihr Ziel sei nicht das Militär, es gebe viele inhaftierten Menschen, die bis jetzt nicht entlassen worden seien. Der Grund für die Inhaftierung sei unklar. Sein Onkel sei trotz guter Ausbildung immer noch beim Militär.

1.5. Nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens wurde mit dem im Spruch erwähnten Bescheid sowohl der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Eritrea (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Eritrea zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorgebrachte Flucht vor dem drohenden Militärdienst zwar glaubhaft, aber nicht asylrelevant sei. Die Absolvierung des Nationaldienstes sei in Eritrea für alle Staatsbürger verpflichtend. Auch könne nach der Aufnahme von Friedensgesprächen und der Grenzöffnung nicht mehr davon ausgegangen werden, dass jeder Dienstableistende mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich in reale Lebensgefahr geraten könnte. Abschließend wurde ausgeführt, dass für Desertion bzw. das unerlaubte Verlassen des Nationaldienstes keine Todesstrafe vorgesehen sei.

1.6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die im Wege seiner Rechtsvertretung erhobene Beschwerde, welche fristgerecht bei der belangten Behörde am 19.12.2018 einlangte. Darin wird im Wesentlichen unter Anführung diverser Länderberichte ausgeführt, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. aus politischen Gründen asylrelevant verfolgt werde. Er habe Eritrea verlassen, weil er sich nicht dem unbegrenzten und von menschenrechtswidrigen Übergriffen gekennzeichneten Militärdienst unterwerfen habe können. Im Falle einer Rückkehr werde ihm wegen seiner Flucht eine regimefeindliche Haltung vorgeworfen werden. Das werde durch die Länderberichte bestätigt. Die belangte Behörde habe in ihrer minimalistischen Beweiswürdigung ua. die Länderberichte zur Situation in Eritrea, zu den Umständen des Militärdienstes ignoriert. Auch sei eine Beurteilung inwieweit eine Ablehnung des Militärdienstes als politische Handlung betrachtet werde, unterblieben. Schlussendlich wurde ua. die Beauftragung eines landeskundigen Sachverständigen beantragt, der sich mit der aktuellen Situation in Eritrea und den spezifischen vom BF vorgebrachten Punkten befassen solle.

1.7. Mit Schreiben vom 25.07.2019 wurde ausgeführt, dass sowohl der aktuelle Bericht von Amnesty International über die Verfolgung von Diaspora-Eritreern als auch der aktuelle Bericht des US State Department die anhaltende Repressivität des eritreischen Regimes und die Gefahren im Falle einer Rückkehr des BF aufzeigen würden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen (Sachverhalt):

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens folgende Beweismittel der Beurteilung zugrunde gelegt:

- Der Akt der Behörde, insbesondere darin die Erstbefragung vor der Polizei, die niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde, das Sachverständigengutachten, der Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde

- Sämtliche vorgelegte Beweismittel,

- Einsicht in die Datenbanken (Zentrales Melderegister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregisterauskunft etc.).

2.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:

Der BF ist ein männlicher, volljähriger, lediger, eritreischer Staatsbürger, Moslem und gehört der Volksgruppe der Tigrinya an. Er hat keine Kinder. Die Muttersprache des BF ist Tigrinya (angefochtener Bescheid, Seite 9).

Seine Kernfamilie besteht aus seiner Mutter und seinen vier Brüdern und zwei Schwestern, welche nach wie vor in Eritrea, leben. Sein Vater ist in Saudi-Arabien aufhältig (angefochtener Bescheid, Seite 29 und 32).

Der BF ist arbeitsfähig und leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung (angefochtener Bescheid, Seite 10).

Der BF hat am XXXX 2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt (angefochtener Bescheid, Seite 2).

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (angefochtener Bescheid, Seite 10; Strafregisterauszug vom 05.05.2020).

Der BF hat Eritrea verlassen, um den Militärdienst zu entgehen. In diesem Zusammenhang hielt sich der BF versteckt, um nicht von den Behörden aufgegriffen zu werden. Da sich der BF dadurch dem Militärdienst entzogen hat, droht ihm bei der Rückkehr die Anwendung physischer Gewalt durch eritreische Behörden. Im Falle einer Rückkehr nach Eritrea ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein wird. Da mit derartigen Verfolgungshandlungen im gesamten Staatsgebiet zu rechnen ist, steht dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternativ nicht offen.

2.2 Zur maßgeblichen Situation in Eritrea (nachfolgend Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, vom 13.07.2018, welche bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt wurden):

Zur politischen Lage:

Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land löste sich nach einem Referendum von Äthiopien und wurde 1993 ein eigener Staat (AA 21.11.2016).

Eritrea ist ein in sechs Provinzen aufgeteilter Zentralstaat. Die Verfassung von 1997 ist nie in Kraft getreten (AA 10.2016a). Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom Präsidenten getroffen. Es gibt keine Gewaltenteilung (AA 10.2016a). Das Übergangsparlament besteht aus 150 Abgeordneten, von denen 75 dem Zentralrat der Staatspartei PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) angehören. Weitere 60 Abgeordnete sind ausgewählte Vertreter der Provinzen und 15 Sitze entfallen auf die Vertreter der Auslandseritreer. Das Parlament trat zuletzt 2001 zusammen, nur auf Anforderung des Präsidenten. Es ist damit faktisch inaktiv (AA 10.2016a).

Seit der Unabhängigkeit sind weder Präsidentschafts- noch Parlamentswahlen durchgeführt worden. De facto handelt es sich in Eritrea um eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Befreiungsbewegung "Eritrean People's Liberation Front" (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Lage in Eritrea wird seit Jahren in erster Linie durch den ungelösten Grenzkonflikt mit Äthiopien bestimmt. Folgen sind unter anderem die weitgehende Militarisierung der Gesellschaft und ein Zurückdrängen der Privatwirtschaft durch staatlich gelenkte Wirtschaftsunternehmen (AA 10.2016a; vgl. AA 21.11.2016). Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess in Eritrea zum Stillstand gekommen. Präsident Isaias Afewerki regiert das Land unter Hinweis auf den ungelösten Grenzkonflikt ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der einzigen zugelassenen Partei PFDJ. Das Friedensabkommen von Algier vom 12.12.2000 beendete zwar den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien, die Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern bestehen allerdings unvermindert fort (AA 21.11.2016). Für seine repressiven innenpolitischen Maßnahmen greift Präsident Isaias auf eine "weder Krieg noch Frieden" Politik zurück (HRW 12.1.2017).

Quellen: [...]

Zur Sicherheitslage:

Das deutsche Auswärtige Amt warnt eigene Bürger vor Reisen in die Grenzgebiete zu Äthiopien und Dschibuti (AA 31.1.2017). Die Beziehungen zu Äthiopien bleiben trotz des Friedensabkommens vom 12.12.2000 weiter angespannt (EDA 6.2.2017; vgl. AA 21.11.2016) und haben seit 2012 mehrfach zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze geführt (AA 21.11.2016). Am 12. Juni 2016 kam es in der eritreisch-äthiopischen Grenzregion zu schweren Kämpfen (DS 8.6.2016; vgl. BAMF 13.6.2016). Es ist nicht klar warum die Kämpfe ausgebrochen sind, jedoch befinden sich die Länder in einem "weder Krieg noch Frieden" Zustand. Im Zuge der Feierlichkeiten zur 25jährigen Unabhängigkeit beschuldigte der eritreische Präsident Isaias Afwerki Äthiopien, der Souveränität Eritreas feindlich gegenüber zu stehen. Der äthiopische Premierminister, Hailemariam Desalegn, hatte angekündigt, dass Äthiopien bereit sei, mit militärischen Maßnahmen auf eritreische Provokationen zu reagieren (BBC 13.6.2016).

Quellen: [...]

Zum Rechtsschutz/Justizwesen:

Es gibt keine Gewaltenteilung. Die Justiz ist als Teil des Justizministeriums von diesem abhängig, es gibt Sondergerichte (AA 10.2016a). Die Reform der Justiz geht schleppend voran. Die EU unterstützt die Professionalisierung von "community courts". Die Justiz ist zwar formal unabhängig, tatsächlich aber vor Einmischungen durch die Exekutive nicht geschützt. Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren Militär- und Sondergerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor denen keine Rechtsanwälte zugelassen sind und auch für die Ahndung von Korruptionsfällen und von Kapitaldelikten zuständig sind. Eine Berufung gegen deren Urteile ist nicht möglich. In Verfahren vor diesen Gerichten gibt es keine öffentliche Verhandlung, keinen anwaltlichen Beistand und keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen (AA 21.11.2016).

Anfang 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch und eine neue Zivil- und Strafprozessordnung vorgelegt, die die alten noch geltenden äthiopischen Gesetzbücher ablösten. Es gibt keine Beschränkung des Strafmaßes, obwohl die Todesstrafe tatsächlich nicht ausgesprochen oder zumindest nicht vollstreckt zu werden scheint. Eine Strafverfolgung aus politischen Gründen ist nicht auszuschließen. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich. Umgekehrt werden Häftlinge auch ohne Angabe von Gründen freigelassen (AA 21.11.2016). Rechtsstaatlichkeit und Justiz bleiben schwach und sind somit anfällig dafür, durch informelle und außergerichtliche Formen von Justiz umgangen zu werden (FCO 21.4.2016).

Quellen: [...]

Zu den Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit verantwortlich und die Armee für die äußere Sicherheit. Doch die Regierung setzt manchmal die Streitkräfte, die Reserve, demobilisierte Soldaten oder Miliz dazu ein, um innere und äußere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Agenten des Nationalen Sicherheitsbüros, das dem Präsidentenbüro unterstellt ist, sind für die Verhaftung von Personen verantwortlich, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Streitkräfte haben die Befugnis, Zivilisten anzuhalten und zu verhaften. Generell spielt die Polizei in Fällen der nationalen Sicherheit keine Rolle. Dabei ist bei Sicherheitskräften Straflosigkeit die Norm. Es gibt keine bekannten internen oder externen Mechanismen, um Vergehen von Sicherheitskräften zu untersuchen (USDOS 13.4.2016).

Militär, Polizei und Sicherheitsdienste üben eine fast vollständige Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben aus. Sie verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 21.11.2016).

Quellen: [...]

Folter und unmenschliche Behandlung

Das geltende Strafgesetzbuch verbietet Folter (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Trotzdem wird Folter gegenüber Gefangenen, insbesondere während der Befragung, angewandt. Auch sollen Deserteure, Wehrdienstflüchtige und Wehrdienstverweigerer verschiedener religiöser Gruppen, insbesondere Anhänger der Zeugen Jehovas, physisch und psychisch misshandelt werden. Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Anwendung von Folter zu Sanktionen geführt hätte (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Gefangene, darunter auch Minderjährige, werden unter schlechten Bedingungen in unterirdischen Zellen oder in Schiffscontainern eingesperrt. Sie erhalten weder ausreichend Nahrung noch sauberes Trinkwasser. Schlafgelegenheiten und der Zugang zu sanitären Einrichtungen und Tageslicht sind unzureichend. In einigen Fällen kamen diese Haftbedingungen Folter gleich (AI 24.2.2016).

Zum Wehrdienst und Rekrutierung:

Der obligatorische Nationaldienst ("national service") dauert für Männer und Frauen offiziell 18 Monate (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016, HRW 12.1.2017), kann aber nach wie vor auf unbestimmte Zeit verlängert werden und kommt der Zwangsarbeit gleich. Die Militärdienstleistenden erhalten nur eine geringe Besoldung, mit der sie die Grundbedürfnisse ihrer Familien nicht decken können (AI 24.2.2016; vgl. LI 20.5.2016, EASO 11.6.2015). Im Frühjahr 2016 wurde angekündigt, dass die Gehälter im nationalen Nationaldienst erhöht werden (LI 20.5.2016). Die Dienstverpflichtung kann oftmals über mehrere Jahre andauern (AA 21.11.2016; vgl. LI 20.5.2016) - in einigen Fällen bis zu 20 Jahre lang (AI 24.2.2016).

Aufgrund des Ausnahmezustands werden die Dienstverpflichteten nach der militärischen Grundausbildung z.B. beim Straßen- und Dammbau, in der Landwirtschaft, aber auch in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt. Für Frauen dauert die Dienstpflicht bis zum 27. und für Männer bis zum 50. Lebensjahr (nach anderen Angaben für Frauen bis zum 47. und für Männer bis zum 57. Lebensjahr). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Nationaldienst entlassen (AA 21.11.2016; vgl. LI 24.5.2016). Entgegen der 2014 und 2015 gemachten Ankündigungen haben die eritreischen Behörden den Nationaldienst bisher nicht auf die gesetzlich vorgesehenen 18 Monate beschränkt. Der Dienst ist weiterhin zeitlich unbefristet und dauert meist mehrere Jahre. Die Behörden teilen die Rekruten entweder in eine Armeeeinheit oder in einen zivilen Job ein. Sie haben weder Einfluss auf ihre Einteilung noch eine Möglichkeit, diesen Dienst zu verlassen. Dennoch scheinen sich im Nationaldienst Veränderungen anzubahnen. Dazu gehört die vorgesehene und offenbar teilweise umgesetzte bessere Entlöhnung. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass in den letzten Jahren vermehrt Rekruten in den zivilen Teil des Nationaldiensts eingeteilt wurden anstelle des militärischen Teils. Obwohl es in den letzten Jahren keine größeren Demobilisierungen gegeben hat, gab es in den letzten Jahren offenbar vermehrt Entlassungen aus dem zivilen Nationaldienst. Dennoch gehen die Schätzungen nach wie vor von durchschnittlich fünf bis zehn Jahren Dienst aus. Frauen haben bessere Möglichkeiten, aufgrund von Heirat, Schwangerschaft oder Mutterschaft vom Nationaldienst ganz freigestellt oder nach wenigen Jahren entlassen zu werden. Ihre durchschnittliche Dienstzeit ist deshalb deutlich geringer als bei Männern (SEM 10.8.2016).

Im März 2012 wurde die "People¿s Army" eingeführt, welche als erweiterte Nationalgarde zu verstehen ist (LI 20.5.2016; vgl. UKHO 10.2016) und parallel zur Armee existiert (EASO 11.6.2015). Auslöser dafür waren Vorstöße der äthiopischen Armee auf eritreisches Territorium. Dazu müssen Eritreer zwischen 18 und ca. 70 Jahren, die derzeit nicht im Nationaldienst aktiv sind, eine Waffenausbildung absolvieren und von der Regierung zur Verfügung gestellte Waffen und Uniformen in Empfang nehmen (EASO 11.6.2015). Seit Mai 2012 wurde der Großteil der erwachsenen Bevölkerung mit Sturmgewehren Ak-47 bewaffnet (AA 21.11.2016). Ältere Frauen und Männer werden auch weiterhin zu dieser sogenannten "Volksarmee" eingezogen. Dort sind Aufgaben unter Androhung von Strafen zu verrichten (AI 24.2.2016). Bisher fanden die Rekrutierungen für die Volksarmee vor allem in Asmara und Keren statt (EASO 11.6.2015). Personen, welche dem Aufgebot zur Volksarmee keine Folge leisten, droht der Entzug von Lebensmittelcoupons und Identitätsdokumenten sowie Haftstrafen. Ende 2014 und Anfangs 2015 haben dennoch zahlreiche Personen das Aufgebot zur Volksarmee ignoriert. Berichten zufolge gab es mittlerweile auch Razzien und Verhaftungen gegen solche Dienstverweigerer (EASO 11.6.2015).

Jugendliche, die versuchen, dem Wehrdienst zu entgehen, werden verhaftet. Bei (illegalen) Ausreiseversuchen aufgegriffene Minderjährige werden verhaftet, meist aber nach Hause geschickt. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige kommen in Haft, die auf Antrag häufig in offenem Vollzug abgeleistet werden kann. Sofern die Eltern der Jugendlichen oder andere Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung (AA 21.11.2016). Insgesamt scheinen die eritreischen Behörden und Sicherheitskräfte aber nicht mehr die Kapazitäten zu haben, alle Dienstverweigerer systematisch zuhause aufzusuchen, um sie zu verhaften oder zu rekrutieren. Dennoch kommt dies in Einzelfällen immer noch vor, insbesondere bei Personen, die ein Aufgebot in den militärischen Teil des Nationaldiensts erhalten haben. Üblicherweise gehen die eritreischen Sicherheitskräfte allerdings mit Razzien (Giffas) gegen Dienstverweigerer und Deserteure vor. Dabei umstellen sie einen Stadtteil oder ein Dorf und kontrollieren alle Anwesenden. Wer nicht nachweisen kann, dass er entweder dem Nationaldienst angehört oder seine Dienstpflicht erledigt hat, wird festgehalten. Anschließend werden die Betroffenen meist für einige Monate ohne Verfahren oder Anklage inhaftiert und danach in die militärische Ausbildung überführt (SEM 10.8.2016).

Es gibt Berichte über sexuelle Nötigung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigung gegenüber weiblichen Rekruten (AA 21.11.2016; vgl. UKHO 10.2016, USDOS 13.4.2016). Eine Weigerung führte in manchen Fällen zu Internierung, Misshandlung und Folter, z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze. Eine Schwangerschaft während des Militärdienstes, auch wenn sie das Resultat einer Vergewaltigung oder sexueller Übergriffe durch Vorgesetzte ist, führt zum Ausschluss aus dem Militär (AA 21.11.2016).

Ebenso kommt es vor, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Wehrdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem "national service" entlassen werden. Als Grund nennt die Regierung gute schulische Leistungen. Abiturienten mit guten Noten soll so der rasche Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen ("Colleges") ermöglicht werden (AA 21.11.2016; vgl. LI 20.5.2016). Die Colleges stehen unter gemeinsamer akademischer und militärischer Führung. Absolventen der Colleges werden nach dem Abschluss dem zivilen Nationaldienst zugeteilt, häufig zuerst nach Sawa als Lehrer im zwölften Schuljahr. Andere werden Dorfschulen zugeteilt. Studienabbrecher werden in den Militärdienst eingezogen (EASO 11.6.2015).

Keine Schule in Eritrea, mit Ausnahme des Militärcamps "Sawa", bietet die 12. Schulstufe an (LI 20.5.2016). Seit Sommer 2003 müssen alle Schüler das 12. Schuljahr in einem zentralen Ausbildungslager in Sawa in der Nähe der Grenze zum Sudan ableisten (AA 21.11.2016; vgl. LI 20.5.2016, USDOS 13.4.2016), wo sie auch eine dreimonatige paramilitärische Ausbildung erhalten. Nur in Sawa können sie ihr "Highschool" Abschlusszeugnis erhalten. Die Besten werden danach zum Studium an einem der 19 Colleges zugelassen, die nach der Schließung der Universität Asmara im Sommer 2006 über das Land verstreut eingerichtet wurden. Die Übrigen werden für eine Berufsschulausbildung oder für den Militärdienst herangezogen (AA 21.11.2016; vgl. LI 20.5.2016). Es findet jährlich eine Rekrutierungsrunde- jeweils Ende Juli oder Anfang August - statt. Pro Rekrutierungsrunde werden zwischen 10.000 bis 25.000 Schüler für das 12. Schuljahr aufgeboten (EASO 11.6.2015).

Ein Recht zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und einen Ersatzdienst gibt es nicht; Wehrdienstverweigerung wird mit Umerziehungslageraufenthalten oder mit Gefängnis bestraft. Dies betrifft insbesondere die Zeugen Jehovas. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer und der Fahnenflüchtigen ist steigend. Dem versucht das Regime durch häufige Razzien in den Nachtclubs von Asmara, Keren, Dekemhare und Massawa entgegen zu wirken (AA 21.11.2016). Dennoch ist es möglich, aus gesundheitlichen Gründen vom Wehrdienst befreit zu werden. Laut Gesetz, § 15 des "National Service" heißt es, dass körperlich Behinderte, Blinde und Personen mit schweren psychischen Erkrankungen vom nationalen Dienst befreit werden können. Ärzte führen medizinische Untersuchungen durch, um die Fähigkeit zu beurteilen, aber die Militärbehörden entscheiden endgültig über eine Befreiung (LI 20.5.2016). Alle diese Freistellungen (außer für ehemalige Kämpfer) gelten nur temporär und können jederzeit aufgehoben werden (EASO 11.6.2015).

Quellen: [...]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage bleibt in Eritrea weiterhin beunruhigend (FCO 21.7.2016). Die Ausübung von Grundrechten, wie z.B. Rede- und Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Religionsfreiheit, ist nicht oder nur extrem eingeschränkt möglich (AA 10.2016a). In der am 23.5.1997 von der Nationalversammlung angenommenen Verfassung, die bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in den Artikeln 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt. Sie werden von staatlichen Organen nicht respektiert. Nach nicht nachprüfbaren, aber glaubhaft erscheinenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen und dem US-Außenministerium setzen die Sicherheitskräfte mit Zustimmung der Regierung exzessive Gewalt ein, die oftmals auch zum Tode führt. Dies betrifft häufig Wehrdienstflüchtlinge sowie Personen, die aus religiösen und politischen Gründen inhaftiert werden (AA 21.11.2016).

Eritrea unternahm einige Schritte um die Zusammenarbeit mit der internationalen Menschenrechtsgemeinschaft zu verbessern, verweigert jedoch dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen den Zugang ins Land (FCO 21.7.2016).

Quellen: [...]

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind z.T. unmenschlich hart und lebensbedrohlich. Auch die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in den Gefängnissen und Straflagern sollen völlig unzureichend sein (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 13.4.2016, FH 27.1.2016). Die Länge der Haftstrafe ist oft unbestimmt (HRW 12.1.2017). Es gibt keine unabhängige Kontrolle der Haftanstalten (USDOS 13.4.2016; vgl. FH 27.1.2016).

Es gibt in Eritrea nach wie vor Tausende politische Gefangene, die ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft bleiben (AI 24.2.2016; vgl. FCO 21.7.2016). Unter ihnen befinden sich ehemalige Politiker, Journalisten und Menschen, die ihren Glauben praktizieren und deren Religionsgemeinschaft nicht anerkannt wird. Sie haben weder Zugang zu einem Rechtsbeistand noch dürfen sie Besuch von Angehörigen erhalten. Viele sind bereits seit weit über einem Jahrzehnt inhaftiert. Die Regierung dementierte in vielen Fällen, dass sich die betreffenden Personen in Haft befinden und weigert sich, Angehörigen Informationen über den Aufenthaltsort und den Gesundheitszustand von Gefangenen zu geben oder Todesfälle in Gewahrsam zu bestätigen (AI 24.2.2016).

Quellen: [...]

Todesstrafe

Auch im neuen Strafgesetzbuch von 2015 wurde für einige Delikte die Androhung der Todesstrafe beibehalten. Demnach kann die Todesstrafe beispielsweise bei Hochverrat, Spionage, Kriegsverbrechen, Mord, etc. ausgesprochen werden. Abgeschafft wurde sie durch das neue Strafgesetzbuch u.a. für Fälle von Fahnenflucht, Befehlsverweigerung sowie Feigheit vor dem Feind. Seit der Unabhängigkeit ist nach offiziellen Angaben, die nicht überprüft werden können, aber von Menschenrechtsorganisationen als gegeben übernommen werden, im Rahmen eines de facto-Moratoriums noch kein Todesurteil verhängt und vollstreckt worden. Allerdings berichten Menschenrechtsorganisationen und Anhänger der Opposition von häufigen Todesfällen infolge von Folter und unmenschlichen Haftbedingungen sowie von Erschießungen im Militär (AA 21.11.2016). Art. 300 des Strafgesetzbuchs legt zusätzlich fest, dass eine Desertion in Kriegszeiten eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren bis lebenslänglich mit sich zieht, in schlimmen Fällen sogar die Todesstrafe (UKHO 10.2016; vgl. HRC 8.6.2016).

Quellen: [...]

Rückkehr

Soweit einem Rückkehrer die (bloße) illegale Ausreise, das Umgehen der nationalen Dienstpflicht oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen werden können, muss davon ausgegangen werden, dass die Betroffenen sich bei einer Rückkehr nach Eritrea wegen dieser Delikte zu verantworten haben. Die Bestrafung kann von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen (AA 21.11.2016). Derzeit beträgt die Haftdauer für illegale Ausreise zwischen einigen Monaten und maximal zwei Jahren, abhängig von den Umständen (SEM 10.8.2016).

Die Behandlung von Rückkehrern hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab: Ob sie freiwillig oder mit Zwang nach Eritrea zurückgekehrt sind sowie welchen Nationaldienst-Status sie vor ihrer Ausreise hatten. Zum Umgang der eritreischen Behörden mit zwangsweise zurückgeführten Personen liegen nur vereinzelte Informationen vor, da es in den letzten Jahren nur aus dem Sudan (sowie möglicherweise aus Ägypten) Zwangsrückführungen gab. Im Gegensatz zu freiwilligen Rückkehrern konnten die Zurückgeführten ihren Status bei den Behörden nicht regeln. Alle vorliegenden Informationen deuten darauf hin, dass ähnlich wie bei einer Giffa der Nationaldienst-Status überprüft und anschließend wie bei Aufgriffen im Inland verfahren wird. Dabei ist aber eine Verschärfung der Strafe aufgrund der illegalen Ausreise nicht ausgeschlossen (SEM 10.8.2016).

Nach anderen Angaben werden Personen, die nach Eritrea zwangsweise repatriiert werden, dort als schwere Straftäter oder gar als "Verräter" erachtet, da angenommen wird, dass diese das Land illegal verlassen haben. In der Regel werden Rückkehrer also bei ihrer Ankunft verhaftet und befragt. Rückkehrer werden unter besonders harten Bedingungen inhaftiert. Nach ihrer Haftentlassung werden männliche unbegleitete Minderjährige und Männer im wehrpflichtigen Alter zur militärischen Ausbildung geschickt. Frauen und Kinder werden zumeist nach Hause entlassen. Auch die UN-Kommission stellte fest, dass in der Regel Rückkehrer verhaftet, eingesperrt oder bei ihrer Ankunft in Eritrea in den nationalen Dienst eingezogen werden (HRC 5.6.2015; vgl. UKHO 10.2016). Allerdings gibt es auch Beispiele von Asylberechtigten, welche für Besuche oder Reisen kurzfristig nach Eritrea zurückgekehrt sind, ohne behelligt worden zu sein (LI 27.4.2016; vgl. SEM 10.8.2016). Allerdings müssten sie auf staatliche Dienstleistungen verzichten und seien in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (SEM 10.8.2016). Insgesamt gibt es keine ausreichende empirische Basis um festzustellen, dass die alleinige Asylantragstellung zu Reaktionen der eritreischen Behörden führen würde (LI 27.4.2016).

Im Umgang mit freiwilligen Rückkehrern aus der Diaspora bestehen Richtlinien, die vorsehen, dass Diaspora-Eritreer, die ihre Dienstpflicht nicht erfüllt haben, ihren Status bei der eritreischen Behörde regeln und anschließend straffrei nach Eritrea zurückkehren können. Falls sie sich mindestens drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, können sie den "Diaspora-Status" beantragen. Dieser befreit sie von der Pflicht, Nationaldienst zu leisten und Ausreisevisa zu beantragen. Aufgrund der Regelung des Status spielt bei den freiwilligen Rückkehrern der Nationaldienst-Status zumindest unmittelbar nach der Rückkehr keine sehr große Rolle (SEM 10.8.2016). Aus Deutschland reisten zwischen 2011 bis 2013 8 Asylantragsteller freiwillig nach Eritrea zurück (AA 21.11.2016).

Insgesamt scheint die Einstellung der eritreischen Regierung Flüchtlingen gegenüber ambivalent zu sein: Einerseits versucht sie mit drakonischen Maßnahmen (angeblicher Schießbefehl bei Fluchtversuchen, nicht näher bekannte Strafen nach fehlgeschlagenen Fluchtversuchen, Bestrafung von nahen Angehörigen bei erfolgreicher Flucht, Verweigerung von Reisepässen und Ausreisegenehmigungen) zu verhindern, dass Eritreer sich der nationalen Dienstpflicht entziehen. Andererseits scheint die Regierung den Exodus, soweit er sich trotz der drastischen Gegenmaßnahmen nicht verhindern lässt, zu nutzen, um potentielle Regimegegner loszuwerden, die im Lande herrschende Arbeitslosigkeit zu lindern und durch die Einhebung einer 2 prozentigen sogenannten "Aufbausteuer" von im Ausland lebenden Eritreern Deviseneinnahmen zu erzielen. Geflüchtete Eritreer erhalten im Ausland in der Regel problemlos eritreische Pässe, sofern sie die geforderte "Aufbausteuer" entrichten. So ist es gängige Praxis der eritreischen Auslandsvertretungen z. B. im Sudan, Flüchtlingen neue eritreische Ausweispapiere auszustellen, wenn diese ein Reuebekenntnis unterschreiben und die "Aufbausteuer" entrichten. Dieses Verfahren soll auch für Flüchtlinge gelten, die in ihrem Aufenthaltsland Asyl beantragt haben (AA 21.11.2016).

Quellen: [...]

Bewegungsfreiheit

Es gibt innerhalb Eritreas keine Region, in der man sich der Kontrolle durch die Regierung entziehen könnte (AA 21.11.2016). Bewegungen werden sowohl innerhalb als auch nach außerhalb des Landes streng kontrolliert (FH 27.1.2016). Für Auslandsreisen müssen Exit-Visa eingeholt werden. Männern unter 54 Jahren wird üblicherweise die Ausreise verweigert - unabhängig davon, ob sie den Nationaldienst abgeleistet haben. Dies gilt auch für Frauen unter 30 Jahren, es sei denn, sie haben Kinder (USDOS 13.4.2016). Personen, die ohne Genehmigung reisen, können inhaftiert werden. In grenznahen Gebieten gelten Schießbefehle (FH 27.1.2016). Bei (illegalen) Ausreiseversuchen aufgegriffene Minderjährige werden verhaftet, meist aber nach Hause geschickt (AA 21.11.2016).

Quellen: [...]

Das aktuelle LIB vom 26.2.2019 zeigt im Hinblick auf den hier relevanten Sachverhalt, insbesondere der Situation von Wehrdienstverweigerern, keine Besserung der Lage im Vergleich zum LIB von 2018 auf, sondern im Gegenteil zeigt es auf, dass der obligatorische Nationaldienst willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann. In einigen Fällen dauert der Nationaldienst schon bis zu 18 Jahre (HRW 17.1.2019) - sodass dieser Dienst Sklaverei-ähnliche Zustände annehmen kann (AA 25.2.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Dieses System der unbefristeten, unfreiwilligen Einberufung kommt Zwangsarbeit gleich (AI 30.7.2018). Nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien hat die Regierung bisher keine langdienenden Nationaldienstleistenden freigestellt (HRW 17.1.2019). Nationaldienstleistende werden seit langem unmenschlich und erniedrigend bestraft, es kommt auch zu Folter (HRW 17.1.2019). Bei geringen Verstößen werden harte Strafen verhängt (AI 30.7.2018) Trotz Ankündigungen der Regierung, den Nationaldienst zu befristeten und die Armee zu verkleinern, gab es bisher keine konkreten Schritte. Etliche Nationaldienstpflichtige sind seit dem historischen Friedensabkommen mit Äthiopien im Juli 2018 und nach der Grenzöffnung nach Äthiopien ausgereist (TG 12.10.2018). Zuvor mussten die Menschen an den Grenzen viel riskieren (AA 25.2.2018; vgl. IRIN 15.11.2018). Nach Abschluss des Friedensabkommen war es möglich, die Grenze auch ohne Pass oder Genehmigung zu überqueren und es musste auch nicht bestätigt werden, ob und wann eine Rückkehr geplant ist (IRIN 15.11.2018).

Das LIB vom 26.02.2019 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstellt und ist der belangten Behörde daher bekannt.

3. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

3.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF:

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen und nicht bestrittenen Feststellungen.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF gründet sich auf die glaubhaften Angaben des BF im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde (OZ 1 AS 233 verso), wonach er gesund sei.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

3.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen).

Die Feststellungen zu den von der BF vorgebrachten Fluchtgründen beruhen auf den glaubwürdigen Angaben der BF gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Der BF konnte nachvollziehbar und schlüssig darlegen, dass er zum Militär hätte eingezogen werden sollen und den Nationaldienst nicht ableisten wollte und sich in diesem Zusammenhang vor den eritreischen Behörden versteckt hielt, indem er auswärts geschlafen hat. Er erstattete sein Vorbringen im Wesentlichen von der Erstbefragung bis zu seiner Beschwerdeschrift im Grundtenor gleichlautend, ohne es zu steigern oder auszuschmücken sowie im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Länderberichten. Auch das BFA ging davon aus, dass dem BF hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu den behaupteten Fluchtgründen Glaubwürdigkeit zukommt, doch erachtete das BFA dieses Fluchtvorbringen als nicht asylrelevant (vgl. Bescheid S. 35).

Aus den Länderfeststellungen geht insbesondere hervor, dass der Militärdienst in Eritrea nach wie vor über die theoretisch vorgesehenen 18 Monate willkürlich auf unbestimmte Zeit verlängert wird und einer Zwangsarbeit gleichkommt. Es ist unbestritten und wurde auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, dass der BF aus Eritrea flüchtete, um dem Wehrdienst zu entgehen (angefochtener Bescheid, Seite 28: "Sie haben zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens übereistimmende und daher glaubhafte Angaben betreffend Ihren Fluchtgrund gemacht. Sie gaben dazu im Wesentlichen an, Ihr Heimatland wegen des Ihnen drohenden Militärdienstes verlassen zu haben, nachdem Sie kurz nach Beginn der 9. Klasse vorzeitig Ihre Schulausbildung abgebrochen hatten. In Ihrem Fall kann kein asylrelevanter Fluchtgrund, bedingt durch Ihre Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, festgestellt werden.").

Das Vorbringen des BF war somit substantiiert, schlüssig und im Lichte der in den Feststellungen zu Eritrea enthaltenen Schilderungen zum Militärdienst in Eritrea auch plausibel.

3.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Eritrea zugrunde gelegt werden konnten. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt A)

4.1.1. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284) und dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0287).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung u.a. dann zur Asylgewährung führen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. VwGH 21.03.2002, 99/20/0401).

Der BF hat Eritrea verlassen, um dem Wehrdienst zu entgehen. Diesen Sachverhalt legte die belangte Behörde auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde; sie sah den Sachverhalt aber mit dem Argument als nicht asylrelevant an, dass der Nationaldienst für alle Staatsbürger verpflichtend sei. Diese Argumentationslinie entspricht der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (verstärkter Senat vom 29.06.1994, Slg Nr. 14.089/A; VwGH 11.10.2000, 2000/01/0326; VwGH 21.08.2001, 98/01/0600), nach der Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion nur dann als asylrechtlich relevant anzusehen war, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenderweise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht.

Nach der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann aber auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2019/19/0009 sowie VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0705 jeweils mwN; vgl. auch zu einem drohenden Verstoß gegen Art. 3 EMRK durch unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen VwGH 25.3.2015, Ra 2014/20/0085).

In ihren Schlussfolgerungen übersieht die belangte Behörde die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, welche (ebenso wie die diesem Erkenntnis zugrundeliegenden) auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.07.2018 beruhen. Den Länderfeststellungen ist nämlich zu entnehmen, dass der Militärdienst in Eritrea nach wie vor über die theoretisch vorgesehenen 18 Monate auf unbestimmte Zeit verlängert wird und einer Zwangsarbeit gleichkommt. Der Nationaldienst in Eritrea dient jedoch nicht in erster Linie nur der Landesverteidigung, sondern werden die Dienstverpflichteten nach der militärischen Grundausbildung zB beim Straßen- und Dammbau, in der Landwirtschaft, aber auch in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt. Ein Recht zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und einen Ersatzdienst gibt es nicht; Wehrdienstverweigerung wird mit Umerziehungslageraufenthalten oder mit Gefängnis bestraft. Jugendliche kommen wegen illegaler Ausreise bzw. dem Versuch, sich dem Nationaldienst zu entziehen, in Haft. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige kommen in Haft, die auf Antrag häufig in offenem Vollzug abgeleistet werden kann. Sofern die Eltern der Jugendlichen oder andere Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung. Auch wenn nicht alle Dienstverweigerer systematisch aufgesucht werden, kommt dies insbesondere bei jenen Personen vor, die ein Aufgebot in den militärischen Teil des Nationaldiensts erhalten haben. Ebenso gehen die eritreischen Sicherheitskräfte mit Razzien gegen Dienstverweigerer und Deserteure vor. Anschließend werden die Betroffenen meist für einige Monate ohne Verfahren oder Anklage inhaftiert und danach in die militärische Ausbildung überführt. Soweit einem Rückkehrer die (bloße) illegale Ausreise, das Umgehen der nationalen Dienstpflicht oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen werden können, kann die Bestrafung von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen. Derzeit beträgt die Haftdauer für "nur eine" illegale Ausreise zwischen einigen Monaten und maximal zwei Jahren. Die Haftbedingungen sind z.T. unmenschlich hart und lebensbedrohlich. Auch die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in den Gefängnissen und Straflagern sollen völlig unzureichend sein.

Eine solche mit einer Verweigerung des Militärdienstes einhergehende drohende harte Bestrafung kann nicht als legitimes Mittel eines Staates zur Durchsetzung der Wehrpflicht bzw. zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerern verstanden werden. Diese Unverhältnismäßigkeit der Sanktion begründet allerdings - wie oben aufgezeigt - nur dann Asylrelevanz, wenn sie auf der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruht.

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Eritrea ein Recht zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und einen Ersatzdienst nicht kennt. Schon allein damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass allfällige politische oder religiöse Beweggründe von Wehrdienstverweigerern in Eritrea nicht toleriert werden (siehe nochmals VwGH 23.1.2019, Ra 2019/19/0009 sowie VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0705 jeweils mwN).

Es kann daher nicht angezweifelt werden, dass Eritrea Wehrdienstverweigerung als gegen den Staat gerichtet und damit als oppositionelle Gesinnung versteht und insofern übermäßig streng bestraft (siehe VwGH, 27.9.2001, 99/20/0409, wonach schon die übermäßige Strenge einer in den Gesetzen des Herkunftsstaates vorgesehenen Bestrafung als mögliches Indiz dafür gewertet werden kann, dass dem Täter eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde und dies der Grund für die Höhe der Strafdrohung sei).

Angesichts dieser Ausführungen kann der Beurteilung der belangten Behörde, das glaubhafte Fluchtvorbringen des BF sei nicht asylrelevant, nicht gefolgt werden.

Im Fall des BF ist davon auszugehen, dass ihm aufgrund seiner Ausreise und der Wehrdienstverweigerung eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werden würde und er mit einer Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen rechnen müsste, wie den Länderberichten entnommen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher im gegenständlichen Fall der Ansicht, dass der BF sein Heimatland wegen einer oppositionellen politischen Gesinnung als Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK verlassen hat, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine unterstellte politische Gesinnung für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales ausreichend ist (vgl. VwGH 18.07.2002, 2000/20/0108; VwGH 31.01.2002, 99/20/0531; VwGH 21.08.2001, 2000/01/0087).

Der BF konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat insbesondere aufgrund seiner zumindest unterstellten politischen Überzeugung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Zur Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative und eines Ausschlussgrundes:

Der Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Mit dem hier relevanten Prüfmaßstab hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, auseinandergesetzt: § 11 Abs. 1 AsylG 2005 legt als Voraussetzungen für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative fest, dass dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Im gegenständlichen Fall kann nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem BF die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zur Verfügung steht, da es gemäß den oben angeführten Länderfeststellungen in Eritrea keine Region gibt, in der man sich der Kontrolle durch die Regierung entziehen könnte.

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Dem BF war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Asyl auf Zeit:

Festgehalten wird, dass der BF seinen Antrag auf internationalen Schutz am XXXX 2018 und somit nach dem 15.11.2015 gestellt hat, weshalb die Regelungen der §§ 2 Abs 1 Z 15 und 3 Abs 4 Asylgesetz 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg cit anzuwenden sind. Dementsprechend kommt dem BF eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Ein Ausspruch betreffend die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung durch das Verwaltungsgericht hatte jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu unterbleiben (vgl. dazu VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0374).

Aufgrund der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten waren die Spruchpunkt II. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos - gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - zu beheben.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Nach der ersten Fallvariante des § 21 Abs. 7 BFA-VG darf von einer Verhandlung nur abgesehen werden, wenn die Verwaltungsinstanz ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und eine schlüssige Beweiswürdigung vorgenommen hat. Darüber hinaus darf in der Beschwerde nicht zulässigerweise ein neuer Sachverhalt konkret behauptet oder die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft worden sein (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Kommentar zum Asyl-und Fremdenrecht, § 21 BFA-VG, K 19; zusammenfassend VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, siehe sogleich).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und -0018, zusammenfassend ausgeführt, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. auch zuletzt VwGH 27.4.2020, Ro 2019/20/0003).

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erscheint. Die Beschwerde bringt keine neuen wesentlichen Aspekte vor, weshalb kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vorliegt.

Dem angefochtenen Bescheid ist ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Es wurde im Wesentlichen den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie Belehrung des BF über seine Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde somit nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nur einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzogen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist von Tatsachen ausgegangen, die bereits im Bescheid auf unbedenkliche Weise festgestellt wurden. Diese Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung der belangten Behörde immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. Seit der Erhebung der Beschwerde haben sich keine wesentlichen Veränderungen der Lage in Eritrea ergeben. Auch sonst hat sich kein Hinweis ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Zudem waren dem Asylakt sämtliche entscheidungsrelevanten Grundlagen zu entnehmen. Eine mündliche Verhandlung konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

4.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung Flüchtlingseigenschaft Militärdienst Wehrdienstverweigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W254.2211807.1.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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