Entscheidungsdatum
17.06.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W116 2223969-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, Zl. 1229997409-190494463, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer ist am XXXX im Bundesgebiet geboren und seine Mutter stellte für ihn als gesetzliche Vertreterin am 14.05.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz für ein in Österreich nachgeborenes Kind. Dabei brachte sie keine eigenen Fluchtgründe des Kindes vor, sondern berief sich auf die Fluchtgründe in ihrem Verfahren und beantragte die Gewährung desselben Schutzumfanges wie in ihrem Falle. Diesem Antrag wurden Kopien der Geburtsurkunde vom 02.05.2019, des Mutter-Kind-Passes sowie der Meldebestätigungen betreffend den Beschwerdeführer und seine Mutter beigelegt.
2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
2.1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, zugestellt am 02.09.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.08.2020 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass für ihn durch seine gesetzliche Vertretung keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden seien. Dem Fluchtvorbringen der Mutter, von der Regierung des Assad gesucht worden zu sein, sei die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen. Die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang auf die vorgenommene Beweiswürdigung im verfahrensabschließenden Bescheid seiner Mutter und hielt zusammenfassend fest, dass die von seiner Mutter vorgebrachten Fluchtgründe nicht als asylrelevante Sachverhalte festzustellen seien. Des Weiteren stehe nicht fest, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr Sippenhaftung wegen der Wehrdienstverweigerung seines Onkels drohen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer Repressionen unterliegen würde, da sich sein Onkel dem Wehrdienst entzogen habe, sei nämlich verschwindend gering. Solche seien im Wesentlichen nur für Deserteure bekannt und nur gegen schwerwiegende Fälle. Auch habe das Assad-Regime ausweislich der Länderfeststellungen bereits in der Vergangenheit mehrere Amnestien erlassen. Außerdem unterliege weder die Volksgruppe der Araber noch die sunnitische Konfession zum Entscheidungszeitpunkt einer asylrechtlich relevanten Verfolgung. Im Übrigen sei aus den Länderfeststellungen trotz der äußerst prekären humanitären Lage für Kinder in Syrien nicht ableitbar, dass Kinder aufgrund ihres Alters bzw. ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe der Kinder einer systematischen Verfolgung ausgesetzt wären.
In der Folge wurde festgestellt, dass die allgemeine Sicherheitslage in Syrien noch nicht dergestalt sei, dass eine reale Gefahr eines schweren Schadens, einer Verletzung der Art. 2 und 3 der EMRK sowie der Zusatzprotokolle 6 und 13 zur EMRK oder eine reale Gefahr, im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes ums Leben zu kommen, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Daher werde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt. Des Weiteren liege im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor. Da der Mutter des Beschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.08.2019 zur Zahl 1156342706-190114525 subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, wäre ihm auch aus diesem Grund derselbe Schutz zu gewähren.
2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 30.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 27.09.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Darin wird im Wesentlichen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. In dieser wurde festgehalten, dass die Mutter des Beschwerdeführers zeitgleich eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben habe, zumal die belangte Behörde ihren Asylantrag ebenfalls abgewiesen habe. Der erst wenige Monate alte Beschwerdeführer teile das Schicksal der Entscheidung im Verfahren seiner Mutter, denn gemäß Art. 34 AsylG 2005 sei der Antrag des Beschwerdeführers in selber Weise zu erledigen wie derjenige seiner Mutter. Aus vorstehendem Grund wurde in weiterer Folge das wesentliche Beschwerdevorbringen der Mutter auch als Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers wiedergegeben.
In dieser Hinsicht wurde zunächst ausgeführt, dass die Feststellung, wonach die Mutter des Beschwerdeführers vor dem Generalkonsulat in Istanbul wissentlich falsche Angaben zu ihrem Familienstand gemacht habe, als unrichtig zu bekämpfen sei. Ihre Aussage sei angesichts der erhaltenen falschen Informationen seitens ihrer Schwiegereltern nicht wissentlich falsch gewesen und diesbezügliche Angaben habe sie in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde präzisiert bzw. richtiggestellt.
Unrichtig sei vor allem auch die Feststellung, dass aufgrund einer aufrechten Ehe der Mutter des Beschwerdeführers kein Familienverfahren mit Bezug auf deren minderjährige Schwester zu führen sei, da die belangte Behörde unzutreffend davon ausgegangen sei, dass die Mutter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Antragstellung vor dem Generalkonsulat in Istanbul am 02.05.2017 verheiratet gewesen wäre. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde ergebe aber eine Überprüfung nach Maßgabe des Ordre-public-Grundsatzes, dass die genannte Ehe nicht anzuerkennen sei. Die belangte Behörde habe übersehen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 des EheG nicht vorliegen würden, weil der Vater des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Eheschlusses nach den getroffenen Feststellungen 17 Jahre alt und daher ebenfalls noch minderjährig gewesen sei. Folglich liege in diesem Fall eine unzulässige Kinderehe vor, welche als grundsätzlich gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung stehend einzustufen sei und gegen die Vorgaben des ordre public verstoße. Deshalb sei bei Beurteilung des Antrags der Mutter des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass sie nicht verheiratet, sondern ledig sei und aus diesem Grund ein Familienverfahren durchzuführen sei.
Darüber hinaus sei die Argumentation der belangten Behörde, dass es sich gegenständlich um eine freiwillig geschlossene Ehe gehandelt habe, nicht richtig. Die Mutter des Beschwerdeführers sei nach ihren Angaben zur Ehe gezwungen worden bzw. habe sie sich zum Eheschluss gezwungen gefühlt, weil sie von ihrem Ehemann schwanger gewesen sei und sich erhebliche Nachteile aufgrund des damit belegten unehelichen Geschlechtsverkehrs erwartet habe. Auch wenn eine Minderjährige die Ansicht vertreten möge, dass es eine Liebesheirat gewesen sei, belege dies keinesfalls die Freiwilligkeit des Eheschlusses im Sinne der herrschenden Rechtsprechung und Rechtslage. Demnach seien Minderjährige in ihrer Persönlichkeitsentwicklung üblicherweise nicht derart weit fortgeschritten, um die Bedeutung der freiwilligen Entscheidung für das Eingehen einer Ehe in allen Punkten hinreichend überblicken und abschätzen zu können.
Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass die Mutter des Beschwerdeführers nicht verheiratet sei bzw. die von ihr geschlossene Ehe nach den Grundsätzen der österreichischen Rechtsordnung nicht anzuerkennen sei, weil es sich dabei um eine Kinderehe handle, welche darüber hinaus von den betroffenen Ehepartnern nicht freiwillig geschlossen worden sei. Der Antrag der Mutter des Beschwerdeführers sei damit als Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 abzuhandeln gewesen. Das Verfahren könne nur dergestalt enden, dass der Mutter des Beschwerdeführers der Status einer Asylberechtigten zuerkannt werde, da sowohl ihren Eltern als auch ihrer Schwester der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden sei. In weitere Folge werde auch dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nach § 34 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen sein. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 02.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf der Grundlage der vorliegenden Akten, insbesondere des von der Mutter des Beschwerdeführers als gesetzliche Vertreterin ausgefüllten und von ihr unterfertigten Antrages auf internationalen Schutz vom 14.05.2019 und der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der Volksgruppe der Araber.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich geboren. Für den neugeborenen Beschwerdeführer stellte seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin am 14.05.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Darin brachte sie keine eigenen Fluchtgründe des Beschwerdeführers vor, sondern berief sich auf die Fluchtgründe in ihrem Verfahren und beantragte die Gewährung desselben Schutzumfanges wie in ihrem Falle.
Der Beschwerdeführer ist der Sohn der syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2223970-1/3E, insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.
Es ist nicht ersichtlich, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit seiner asylberechtigten Mutter in einem anderen Staat möglich wäre.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Mutter und auf die von ihr vorgelegten Dokumente. Die Identität des Beschwerdeführers wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt. Die Feststellung zu seiner Geburt in Österreich ist seiner vorliegenden Geburtsurkunde zu entnehmen.
Der Zeitpunkt der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt. Dass beim Beschwerdeführer keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich insbesondere aus dem Inhalt des am 14.05.2019 gestellten Antrages auf internationalen Schutz.
Die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um den Sohn der XXXX , geboren am XXXX , handelt, gründet sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren und auf die vorgelegte österreichische Geburtsurkunde. Dass der Mutter des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W116 2223970-1.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des einjährigen Beschwerdeführers resultiert aus der fehlenden Deliktsfähigkeit.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt der Verwaltungsakten die Grundlage des bekämpften Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.2.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, wurde für den Beschwerdeführer im Verfahren keine ihn betreffende, auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.
Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren des Beschwerdeführers und seiner Mutter vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Der Mutter des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2223970-1/3E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten insbesondere aufgrund ihrer (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung wegen der Wehrdienstverweigerung ihres Bruders und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 14.05.2019 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienangehöriger Familienverfahren Fluchtgründe FlüchtlingseigenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W116.2223969.1.00Im RIS seit
14.09.2020Zuletzt aktualisiert am
14.09.2020