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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §183 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Stutterheimstraße 16-18, Stg. 2, OG 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. April 2020, Zl. RV/7102907/2016, betreffend Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für 5-12/2014 und 1-3/2015, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in der Baubranche tätig ist.
2 Im Bericht über das Ergebnis einer u.a. Abzugsteuer für den Zeitraum 5/2014 bis 3/2015 betreffenden Außenprüfung vom 28. Oktober 2015 wurde ausgeführt, im Prüfungszeitraum seien Fremdleistungen an zwei (im Bericht näher bezeichnete) slowakische Unternehmen vergeben worden. Die Arbeiten seien durch ausländische Arbeitskräfte erbracht worden, welche von den ausländischen Unternehmen zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden seien. Das Werk, welches geschuldet werde, müsse so präzise umrissen sein, dass der Auftragnehmer seine Leistung theoretisch ohne Rücksprache mit dem Auftraggeber erbringen könne. Wenn das nicht der Fall sei, seien die Arbeiter des Auftragnehmers in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingebunden. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den Leistungen der genannten „Subfirmen“ in wirtschaftlicher Betrachtungsweise um Arbeitskräfteüberlassungen handle. Der Beschäftiger (die Revisionswerberin) sei verpflichtet, bei Zahlung von Gestellungsvergütungen an ausländische Arbeitskräfteüberlasser eine Abzugsteuer von 20% einzubehalten, wenn die Arbeitskräfte in Österreich eingesetzt würden. Schuldner der Abzugsteuer sei der Empfänger der Einkünfte; der Schuldner dieser Einkünfte hafte für die Einhebung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge. Im Bericht wurden sodann die Bemessungsgrundlagen für die Zeiträume 5-12/2014 und für 1-3/2015 gegliedert nach den beiden slowakischen Unternehmen angeführt.
3 Mit „Haftungsbescheid“ vom 28. Oktober 2015 wurde ausgesprochen, dass die Revisionswerberin gemäß § 100 Abs. 2 EStG 1988 als Schuldner der Einkünfte im Sinne von § 99 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der „Abzugsteuer (Körperschaftsteuer)“ hafte. Die Revisionswerberin werde für die Einbehaltung und Abfuhr näher genannter Steuerbeträge in den Zeiträumen 5-12/2014 und 1-3/2015 in Anspruch genommen. Begründend verwies das Finanzamt auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 28. Oktober 2015.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei unvollständig und daher nichtig. Aus dem Bescheidspruch seien weder der angebliche Überlasser der Arbeitskräfte als unmittelbarer Steuerschuldner noch die Baustellen und die angeblich überlassenen Arbeitnehmer, für deren Gestellung die Abzugsteuer bemessen werde, ersichtlich. Dies wäre jedoch zur Überprüfung des Spruches unabdingbar notwendig. In der Sache selbst bestehe kein Grund, die von den beiden slowakischen Unternehmen erbrachten Arbeiten nicht als Fremdleistung im Rahmen eines Werkvertrages, sondern stattdessen als Arbeitskräfteüberlassung zu qualifizieren. Zum Beweis dafür, dass die von einem der beiden slowakischen Unternehmen eingesetzten Arbeiter „nicht als überlassene Arbeitskräfte, sondern als Dienstnehmer“ dieses Unternehmens tätig gewesen seien, wurde die Einvernahme der auf diesen Baustellen tätigen Arbeiter als Zeugen beantragt.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Mai 2016 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Darin wurde insbesondere dargelegt, dass die im Bericht zur Außenprüfung dargelegten Bemessungsgrundlagen anhand der Eingangsrechnungen der Revisionswerberin ermittelt worden seien. Eine Zuordnung zu einzelnen Baustellen und Mitarbeitern sei mangels ausreichender Grundaufzeichnungen durch die Revisionswerberin nicht möglich gewesen. Auf den Eingangsrechnungen seien nur die abgerechneten Zeiteinheiten ersichtlich gewesen. Zum vorgelegten „Werkvertrag“ zwischen der Revisionswerberin und dem slowakischen Unternehmen sei zu bemerken, dass die genaue Beschreibung des bedungenen Erfolges und damit das abgrenzbare eigenständige Werk fehle. Die geschuldete Leistung sei nur gattungsmäßig umschrieben (diverse Bauarbeiten: Verlegen von Baustahl). Die Arbeiter des slowakischen Unternehmens hätten der Unterstützung der Arbeiter der Revisionswerberin gedient; es seien gemischte Teams gebildet worden, die von Vorarbeitern der Revisionswerberin beaufsichtigt worden seien. Die Abrechnung sei auf Basis der geleisteten Stunden erfolgt, das Material sei von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellt worden. Insgesamt sei von einer Arbeitskräftegestellung und nicht von einem Werkvertrag auszugehen. Dem Antrag zur Vernehmung der angeführten Zeugen werde nicht entsprochen, da diese für die Klärung des Sachverhaltes als nicht erheblich angesehen würden. Vom Finanzamt sei nie bestritten worden, dass das slowakische Unternehmen zivilrechtlich Arbeitgeber sei.
6 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Geschäftsführer eines der beiden slowakischen Unternehmen habe dargelegt, dass er sich nur um die Beistellung von Arbeitern gekümmert habe. Es sei zwar bei einem neuen Auftrag jeweils ein neuer Vertrag abgeschlossen worden, der aber nur Folgendes zum Inhalt gehabt habe: Gegenstand des Vertrages sei die Erbringung von vertraglichen Leistungen durch den Auftragnehmer; als Leistungen seien „diverse Bauarbeiten, Verlegen von Baustahl“ angeführt worden; das Honorar für die erbrachten Leistungen betrage 19 € pro Stunde; die Abrechnung erfolge nach Erbringung der Leistungsstunden. Welche Arbeiten wann und wo zu erledigen gewesen seien und wie viele Arbeiter dazu benötigt worden seien, sei vom Vorarbeiter der Revisionswerberin entschieden worden.
9 Bei den Tätigkeiten der ausländischen Arbeitskräfte habe es sich um einfache Hilfstätigkeiten gehandelt. Die Tätigkeiten seien unter der Aufsicht und Leitung eines Vorarbeiters der Revisionswerberin erfolgt. Das für die Tätigkeiten erforderliche Material stamme nicht von den slowakischen Unternehmen. Die Lohnauszahlung sei regelmäßig und bar an den Baustellen durch den Vorarbeiter der Revisionswerberin erfolgt.
10 Die slowakischen Arbeitnehmer seien keine Facharbeiter. Der jeweilige Vorarbeiter der Revisionswerberin sage den Dienstnehmern der slowakischen Unternehmen jeweils, was zu machen sei, und schreibe die Stunden auf. Die Beaufsichtigung erfolge durch den Vorarbeiter der Revisionswerberin. Für die Arbeit der Dienstnehmer der slowakischen Unternehmen werde von diesen keine Garantie gegeben, die Haftung liege bei der Revisionswerberin.
11 Die ausländischen Arbeitskräfte seien organisatorisch in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert gewesen und seien dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstanden. Ein Dienstverhältnis zwischen der Revisionswerberin und den slowakischen Arbeitskräften sei nicht begründet worden.
12 Es sei daher von Arbeitskräftegestellung auszugehen. Das Gestellungsentgelt unterliege gemäß § 99 EStG 1988 in Österreich der Abzugsteuer; die Revisionswerberin hafte für die Einbehaltung und Abfuhr dieser Abgaben.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, der Spruch eines Haftungsbescheides müsse auch den unmittelbaren Abgabenschuldner beinhalten, damit der Haftungspflichtige wisse, für wessen Abgabenschuld er überhaupt als Mitschuldner in Anspruch genommen werde. Der erstinstanzliche Haftungsbescheid habe dies nicht beinhaltet und sei daher aus diesem Grunde unvollständig und nichtig. Das angefochtene Erkenntnis gehe auf diesen Umstand nicht ein. Dies widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf die bei Stoll, BAO-Kommentar, § 224, Seite 2353, zitierte Rechtsprechung). Weiters habe das Bundesfinanzgericht den Beweisanträgen der Revisionswerberin (Einvernahme von Zeugen) nicht entsprochen. Schließlich sei das Bundesfinanzgericht nicht auf die rechtlich relevanten Unterschiede zwischen Arbeitskräfteüberlassung und „Arbeitskräfteübersendung“ im Rahmen eines Werkvertrages eingegangen und habe sich damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt.
18 Die Revision ist nicht zulässig.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe Spruch des Haftungsbescheides (§ 224 BAO; vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/13/0006, mwN).
20 Anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides ist dem Haftungspflichtigen auch Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch zu verschaffen. Dies erfolgt jedoch in der Begründung des Haftungsbescheides (vgl. etwa VwGH 25.7.1990, 88/17/0235), wobei auch ein Hinweis auf ein anderes, dem Haftungspflichtigen bekanntes Schriftstück ausreichen kann (vgl. etwa VwGH 21.9.1990, 87/17/0223). Dass ein Verweis auf einen Prüfungsbericht zulässig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 10.3.2016, 2013/15/0280). (Allfällige) Mängel einer Begründung eines Haftungsbescheides können auch (wirksam) im Rechtsmittelweg saniert werden (vgl. VwGH 21.4.2016, 2013/15/0290, mwN).
21 Im vorliegenden Fall erfolgte im Bescheid des Finanzamts ein Verweis auf den Bericht über die Außenprüfung, aus dem sich ergab, für wessen Abgaben die Revisionswerberin zur Haftung herangezogen wurde. An der Wirksamkeit des Haftungsbescheides bestehen damit keine Zweifel. Eine weitere Konkretisierung (welche Rechnungen und damit welche Leistungen der Vertragspartner der Revisionswerberin Grundlage der Heranziehung zur Haftung waren) wurde in der Beschwerdevorentscheidung vorgenommen.
22 Die Revisionswerberin hatte die Vernehmung von Zeugen zum Beweis dafür beantragt, dass die von einem der slowakischen Unternehmen eingesetzten Arbeiter „nicht als überlassene Arbeitskräfte, sondern als Dienstnehmer“ dieses slowakischen Unternehmens tätig gewesen seien.
23 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt betreffend die Unterlassung der Aufnahme dieses Zeugenbeweises nicht vor. Zum einen hatte bereits das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung dazu ausgeführt, die Vernehmung der Zeugen unterbleibe, da nie in Frage gestellt worden sei, dass als zivilrechtlicher Arbeitgeber das slowakische Unternehmen gedient habe. Im Vorlageantrag erfolgte hiezu keine Stellungnahme. Im Übrigen kommt es auf die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Gesteller und der zur Arbeitsleistung überlassenen Person nicht an (vgl. VwGH 17.7.2019, Ro 2017/13/0007). Zum anderen wird aber im Beweisantrag nicht dargelegt, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch die Beweismittel erwiesen werden sollen (es wird lediglich die intendierte Rechtsfolge - „nicht überlassen“ - angeführt); derartigen Beweisanträgen brauchen die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht nicht zu entsprechen (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/13/0006, mwN).
24 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Gestellung von Arbeitskräften vorliegt, wenn ein Unternehmer (Gesteller) seine Dienstnehmer einem anderen Unternehmer (Gestellungsnehmer) zur Verfügung stellt, ohne dass zwischen dem Gestellungsnehmer und den Arbeitnehmern des Gestellers ein Dienstverhältnis begründet wird. Der Gesteller haftet nicht für die tatsächlichen Leistungen der von ihm gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung (vgl. VwGH 27.9.2000, 96/14/0126, VwSlg. 7545/F; 23.1.2013, 2009/15/0174, VwSlg. 8778/F; vgl. auch Ludwig in Doralt et al., EStG15, § 98 Tz 56). Dass das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, ist nicht erkennbar.
25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130056.L00Im RIS seit
24.09.2020Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020