TE Vwgh Beschluss 2020/8/18 Ra 2020/16/0119

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Veröffentlicht am 18.08.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der F A in W, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 24. April 2020, RV/7104201/2019, betreffend Versagung erhöhter Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 2/20/21/22), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Versagung erhöhter Familienbeihilfe für die Schwester der Revisionswerberin H A, ab September 2012 gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

2        Unter Darstellung des Verfahrensganges traf das Gericht folgende Sachverhaltsfeststellungen:

„Die [Revisionswerberin], F A, geb. , ist die Schwester von H A, geb. 1967.

Die [Revisionswerberin] wurde mit Beschluss des BG Donaustadt vom 23.11.2015, zur Sachwalterin für ihre Schwester bestellt und stellte im eigenen Namen als anspruchsberechtigte, antragstellende Person für diese als ‚Kind‘, und zwar als ‚Pflegekind‘ am 18.09.2017 einen Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend ab September 2012.

H A lebt mit der [Revisionswerberin] im selben Haushalt und wird von ihr gepflegt.

H A wurde im amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom 24.06.2016 eine 80%ige Erwerbsminderung ab Juni 2008 und eine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.

Der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit wurde erst nach dem 21. Lebensjahr bescheinigt.“

Seine Feststellungen begründete das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung stichwortartig damit, die persönlichen Daten seien unstrittig, der Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt sei vorgelegt worden, die Anträge auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe seien aktenkundig und die Daten des ärztlichen Sachverständigengutachtens wiederum unstrittig.

In rechtlicher Hinsicht schloss das Gericht unter Zitierung der angewendeten Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, die Revisionswerberin habe die Familienbeihilfe im eigenen Namen für ihre Schwester beantragt: Sie habe im Antrag auf Familienbeihilfe sowie im Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe sich selbst als anspruchsberechtigte, antragstellende Person bezeichnet und ihre Schwester als Pflegekind. Hätte die Revisionswerberin als Sachwalterin im Namen ihrer Schwester die Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag beantragen wollen, hätte sie dies entsprechend zum Ausdruck bringen müssen. Das belangte Finanzamt habe zu Recht geprüft, ob die Schwester der Revisionswerberin als „Kind“ im Sinn des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 anspruchsbegründend für die Antragstellerin, der Trägerin der mit dem Antrag geltend gemachten Rechte, sei. Dem Finanzamt sei zu folgen, dass die Schwester der Revisionswerberin nicht unter den Begriff des „Kindes“ im § 2 Abs. 3 FLAG falle. Die Schwester der Revisionswerberin sei auch kein Pflegekind. Dazu komme, dass ein Pflegekindschaftsverhältnis nur zu Minderjährigen begründet werden könne, da nach die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, auf die § 2 Abs. 3 lit. d FLAG verweise, auf die Pflege des minderjährigen Kindes abstellten. Bei Personen, die erst im volljährigen Alter in Pflege genommen würden, liege kein Pflegekindschaftsverhältnis vor. Im Zeitpunkt der Bestellung der Revisionswerberin zur Sachwalterin für ihre Schwester sei diese bereits 48 Jahre alt gewesen, sodass ein Pflegekindschaftsverhältnis nicht mehr habe begründet werden können. Ob allenfalls ein Eigenanspruch von H A bestehe, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen.

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, das angefochtene Erkenntnis folge der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.

3        In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin „in einfach gesetzlichen Rechten, insbesondere in meinem Recht auf ordnungsgemäß Verfahrensführung nach den Bestimmungen der §§ 8, 13, 37 und 39 AVG verletzt, zudem hätte für meine Schwester H E die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe nach den Bestimmungen der §§ 2, 6 und 8 FLAG 1967 gewährt werden müssen.“

4        Ihre Zulässigkeit legt die Revision darin dar, noch in der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes sei damit argumentiert worden, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur dann gegeben wäre, wenn bei der Schwester der Revisionswerberin das Unvermögen, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt worden wäre. In keinem Verfahrensabschnitt habe die Revisionswerberin einen Vorhalt dahingehend erhalten, wer nun als Antragsteller angesehen werden müsse bzw. das formal klarzustellen wäre, dass der Anspruch für H A geltend gemacht werde. Die Behörde habe es daher offenbar unterlassen, ausreichend zu klären, wer Partei im Sinn des § 8 AVG sei. Die Unterbehörden hätten das Problem bei der Antragstellung bzw. Aktivlegitimation falsch beurteilt bzw. im Verfahren auf keine Klarstellung hingewirkt, wer nun als Antragsteller zu betrachten sei. Tatsache sei, dass die Revisionswerberin immer formuliert habe, den Antrag „für“ ihre Schwester zu stellen, woraus zu schließen sei, dass ein Anspruch ihrer Schwester auf Gewährung von Familienbeihilfe geltend gemacht werde. Die „belangte Behörde“ habe daher die Parteistellung überraschend zu Lasten der Revisionswerberin gelöst und eine meritorische Behandlung der Rechtssache unterlassen.

5        Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGG die Revision auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7        Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

8        Das Bundesfinanzgericht bestätigte die Versagung von erhöhter Familienbeihilfe im Ergebnis damit, dass es den Antrag der Revisionswerberin auf erhöhte Familienbeihilfe als solchen im eigenen Namen (für deren Schwester) auslegte und nicht als solchen der Revisionswerberin als Sachwalterin in Vertretung der Schwester, der allenfalls ein Eigenanspruch zukäme.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (etwa VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0084, 29.6.2017, Ra 2017/16/0088, 11.10.2018, Ra 2018/16/0154, 29.4.2019, Ra 2019/16/0085, 29.5.2019, Ra 2019/16/0096, 25.6.2019, Ra 2019/16/0115, 27.11.2019, Ra 2019/16/0179, 30.1.2020, Ra 2020/16/0002, 7.5.2020, Ra 2020/16/0037, und 25.5.2020, Ra 2020/16/0031).

10       Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass der Revisionswerberin selbst kein Anspruch auf Familienbeihilfe zukommt. Mit ihrer Rüge, die Behörden hätten ihren Antrag auf Familienbeihilfe, aber auch alle anderen Prozesserklärungen im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu Unrecht als solche der Revisionswerberin im eigenen Namen ausgelegt, zeigt die Revision insbesondere in Anbetracht der Sachverhaltsfeststellungen, die die Revision nicht bekämpft, und der eingehenden Erwägungen zur Auslegung der Erklärungen der Revisionswerberin keine krasse Fehlbeurteilung der Zurechnungsfrage und damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

11       Auch legt die Revision nicht dar, was die Revisionswerberin den Erwägungen des Gerichts entgegengehalten hätte, wäre sie dazu gehört worden.

12       Die Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 18. August 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160119.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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