Index
E1ENorm
AVG §38Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache des E E G in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 24. September 2019, Zl. LVwG-2018/14/2443-7, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Revisionswerber der sechsfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt. Über ihn wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von jeweils 3.000 € (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Außerdem wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt (Spruchpunkt II.). Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
2 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision.
3 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 27. April 2020 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?“
4 Da im vorliegenden Revisionsverfahren aufgrund der angelasteten Übertretungen des GSpG vom Verwaltungsgericht im Instanzenzug Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie die Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG und ein Kostenbeitrag gemäß § 64 VStG verhängt wurden, kommt der Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Auch im vorliegenden Revisionsverfahren ist zunächst zu klären, ob oder allenfalls welche Teile dieser gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der vom EuGH zu präzisierenden Auslegung des Unionsrechts unanwendbar zu bleiben haben. Die Voraussetzungen des nach § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG liegen daher vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, das Revisionsverfahren auszusetzen (vgl. VwGH 24.6.2020, Ra 2020/17/0012).
Wien, am 18. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160198.L00Im RIS seit
14.05.2021Zuletzt aktualisiert am
22.02.2022