TE Vwgh Beschluss 2020/8/19 Ra 2016/08/0170

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Veröffentlicht am 19.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Steiermärkische Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse), als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2016, G308 2125480-1/7E, betreffend Beitragshaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: R M in K, vertreten durch die Holler & Höfler Rechtsanwälte OG in 8430 Leibnitz, Marburgerstraße 11), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Verwaltungsgericht in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten die - den Ausgangsbescheid vom 16. Oktober 2015 bestätigende - Beschwerdevorentscheidung der (nunmehrigen) Revisionswerberin vom 25. Jänner 2016, mit welcher der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher genannten GmbH gemäß den §§ 67 Abs. 10 iVm. 58 Abs. 5 und 83 ASVG zur Zahlung von uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträgen von € 20.293,61 zuzüglich Verzugszinsen verpflichtet worden war, auf.

Das Verwaltungsgericht begründete die weitläufig ausgeführte Entscheidung zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass der Mitbeteiligte zwar die ihn gegenüber der Revisionswerberin in Ansehung der Beitragsverbindlichkeiten treffende Gleichbehandlungspflicht schuldhaft verletzt habe. Ein Haftungsbetrag im Ausmaß der erfolgten Ungleichbehandlung sei ihm jedoch nicht aufzuerlegen, weil sich bei (nach Ansicht des Verwaltungsgerichts) richtiger Ermittlung des Haftungsbetrags - nach Abzug der im Insolvenzverfahren erlangten Quote und der erfolgten Zahlungen nach dem IESG - eine Überdeckung ergebe.

2.2. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, zu der der Mitbeteiligte nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattete.

In der Zulässigkeitsbegründung der - Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend machenden - Revision wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in mehreren Punkten behauptet. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird jedoch nicht aufgezeigt.

4. Vorweg ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach es im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber obliegt, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird (VwGH 7.12.2016, Ra 2016/22/0092). Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision (ausschließlich) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche Gründe anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (VwGH 7.8.2017, Ra 2015/08/0134). In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist daher konkret auf die gegenständliche Rechtssache bezogen darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0098).

5.1. Die Revisionswerberin macht in der Zulässigkeitsbegründung der Revision eingangs geltend, das Erkenntnis VwGH vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227, sei im Hinblick auf ältere teilweise abweichende Entscheidungen (Hinweis auf VwGH 19.2.1991, 90/08/0016; 19.2.1991, 90/08/0100; 26.1.2005, 2002/08/0213) in Ansehung der „Berechnung der Ungleichbehandlung und der daraus folgenden Haftung“ unklar, in der Auslegung strittig bzw. lasse „mehrere Auslegungen und somit Varianten der Haftungsberechnung bei Ungleichbehandlung“ zu.

5.2. Das Zulässigkeitsvorbringen ist - wie bereits gesagt - daraufhin zu prüfen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG konkret auf die Rechtssache bezogen behauptet wird. Ein bloß pauschales nicht näher konkretisiertes Vorbringen eines Abweichens von der Rechtsprechung bzw. deren unrichtigen Anwendung ist nicht ausreichend (VwGH 27.4.2020, Ra 2016/08/0031); dies selbst dann nicht, wenn es mit dem Zitat vermeintlich gegenteiliger Entscheidungen oder dem Ansprechen eines berührten Themenbereichs einhergeht (vgl. etwa VwGH 15.5.2019, Ra 2016/08/0056; 21.3.2017, Ra 2015/22/0147).

5.3. Vorliegend wird das obige Vorbringen den aufgezeigten Anforderungen an eine gesetzmäßige Ausführung nicht gerecht. Zwar wird eine vermeintlich unklare, mehrdeutige bzw. widersprechende Judikatur und auch ein berührter inhaltlicher Themenkomplex (Ermittlung der Ungleichbehandlung von Beiträgen und diesbezügliche Haftungsberechnung) angesprochen. Die diesbezügliche Argumentation beschränkt sich jedoch auf ein pauschales, nur ganz allgemein gehaltenes, nicht auf den konkreten Fall bezogenes, sondern vielmehr auf eine allgemeine abstrakt pauschale Prüfung abzielendes Vorbringen. Ein solches Vorbringen ist freilich nicht geeignet, eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuwerfen.

5.4. Ergänzend ist festzuhalten, dass das ausführlich begründete Erkenntnis VwGH 29.1.2014, 2012/08/0227; auch auf die Vorjudikatur eingehend Bedacht nimmt, wird doch - unter anderem - auf die Entscheidung VwGH 26.1.2005, 2002/08/0213, mehrfach Bezug genommen, ohne dass wesentliche Widersprüche zu sehen sind. Was die Entscheidungen VwGH 19.2.1991, 90/08/0016, und 19.2.1991, 90/08/0100, anlangt, so ist zudem anzumerken, dass diese (noch) zu einer älteren Gesetzeslage ergangen sind (vgl. dazu VwGH 12.12.2000, 98/08/0191, 0192), sodass der Vorwurf vermeintlicher Diskrepanzen zur aktuellen Judikatur auch im Hinblick darauf unbegründet ist.

6.1. Die Revisionswerberin führt weiters aus, das Verwaltungsgericht sei zu einer „unvertretbaren Entscheidung“ gelangt, es sei „bei der Bildung des Haftungszeitraumes, des Beurteilungszeitraumes und bei der Berechnung des Haftungsbetrages“ nicht der Judikatur gefolgt, es habe insbesondere die Beitragszahlungsquote „in logisch nicht nachvollziehbarer Weise falsch (zu hoch) berechnet“, es sei auch auf den „Unterschied zwischen Haftungszeitraum und Beurteilungszeitraum“ nicht näher eingegangen und letztlich zu einem „den Tatsachen und auch der Aktenlage widersprechenden falschen Ergebnis“ gelangt.

6.2. Dieses Zulässigkeitsvorbringen wird ebenso den - schon oben näher erörterten (vgl. Punkte 4. und 5.) - Anforderungen an eine gesetzmäßige Ausführung nicht gerecht, weil zwar inhaltliche Themenbereiche angesprochen werden, die Argumentation jedoch auf ein ganz allgemein gehaltenes abstrakt pauschales, nicht näher konkretisiertes und substanziiertes Vorbringen beschränkt ist, das zur Darlegung einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht ausreicht.

7.1. Die Revisionswerberin rügt, das Verwaltungsgericht habe ihr - unter Verletzung des Parteiengehörs - die Replik des Mitbeteiligten vom 28. Juni 2016 nicht zur Kenntnis gebracht. Wäre ihr das Ergebnis der Erhebungen bekannt gemacht oder zudem eine mündliche Verhandlung anberaumt worden, so hätte sie „die falsche Berechnung durch die Behörde“ einwenden können.

7.2. Die (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs bewirkt nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das Verwaltungsgericht bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Rechtsmittelwerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Gericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß aufzuzeigen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Gericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 8.7.2019, Ra 2017/08/0119).

Vorliegend erstattete die Revisionswerberin kein (hinreichend) konkretes Vorbringen im soeben aufgezeigten Sinn und legte damit die Relevanz der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs nicht dar.

7.3. Das Unterbleiben einer - auch nicht beantragten - mündlichen Verhandlung vermag fallbezogen ebenso keinen Verfahrensmangel zu begründen. Die Revisionswerberin zeigt in keiner Weise auf, dass bzw. inwiefern das Verwaltungsgericht seinen in Bezug auf die amtswegige Durchführung einer Verhandlung eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte. Ein - wie hier - bloß pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne die notwendige Herstellung eines konkreten Fallbezugs reicht nicht aus, um dem Verwaltungsgericht insofern ein pflichtwidriges Vorgehen anzulasten (vgl. VwGH 27.8.2018, Ra 2018/22/0136).

8.1. Die Revisionswerberin moniert ferner, das Verwaltungsgericht habe „aufgrund des zu kurzen Haftungszeitraumes auch weitere notwendige Ermittlungsschritte unterlassen“.

8.2. Ein wesentlicher Verfahrensmangel wird auch insoweit nicht aufgezeigt, zumal die Relevanz in keiner Weise dargetan wird. Eine nicht weiter substanziierte Behauptung eines Mangels reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. VwGH 23.10.2017, Ra 2015/08/0135).

9. Insgesamt wird daher in der Zulässigkeitsbegründung der Revision keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

10. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2016080170.L00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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