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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ARG 1984Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des A L in S, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Julius Raab-Promenade 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. Juni 2020, Zl. LVwG-S-1501/001-2019, betreffend Übertretungen des AZG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. März 2019 wurden über den Revisionswerber 15 Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) gemäß § 28 Abs. 5 und 6 Arbeitszeitgesetz (AZG) verhängt, weil er als Inhaber (Einzelunternehmer) eines Transportunternehmens in seiner Funktion als Arbeitgeber namentlich genannter Fahrer näher bezeichneter Fahrzeuge Vorschriften des AZG und näher bezeichneter Verordnungen der Europäischen Union (betreffend Einsatz-, Tageslenk- und Ruhezeiten sowie Lenkpausen) nicht eingehalten habe.
2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde - die Beschwerde gegen das Straferkenntnis zu vier Spruchpunkten ab, gab ihr jedoch zu elf Spruchpunkten insofern Folge, als es die verhängten Strafen herabsetzte. Zu allen Spruchpunkten ergänzte es die Formulierung „Sie haben nicht dafür gesorgt, dass der Fahrer ... einhält“ bzw. „... nicht überschreitet“. Gleichzeitig sprach es gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverhalt sei unbestritten und die Angaben des Revisionswerbers zum betrieblichen Kontrollsystem seien glaubhaft. Den Revisionswerber treffe ein Verschulden an den näher beschriebenen Übertretungen, da er kein (im Sinne zitierter hg. Rechtsprechung) ausreichend wirksames Kontrollsystem in seinem Betrieb eingerichtet habe.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
7 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0034, mwN).
8 Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe im Beschwerdeverfahren die von seinen Fahrern gesetzten Handlungen nicht bestritten, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht bekämpft. Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst vielmehr vorgebracht, der Revisionswerber sei bestraft worden, weil er „nicht dafür gesorgt“ habe, „dass andere (die bei mir beschäftigten Lenker) geltende Vorschriften einhalten“, obwohl sich eine derartige gesetzliche Anordnung in den Strafbestimmungen des AZG nicht finde. Dem ist zu entgegnen, dass die Verwendung der Formulierung, der Revisionswerber habe „nicht dafür gesorgt“, dass die Bestimmungen eingehalten werden, im Zusammenhalt mit den im Einzelnen in der Folge geschilderten Verfehlungen seine Verantwortlichkeit als Inhaber des Einzelunternehmens und Arbeitgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen und keinen Bedenken begegnen (vgl. etwa VwGH 29.1.2004, 2003/11/0289, mwN).
Es entspricht auch der ständigen hg. Judikatur, dass der Arbeitgeber (der Verantwortliche nach § 9 Abs. 1 VStG) hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften verpflichtet ist, ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, dass sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber (der Verantwortliche nach § 9 Abs. 1 VStG) glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm sein Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. aus vielen etwa VwGH 29.1.2004, 2003/11/0289, oder VwGH 19.9.2016, Ra 2016/11/0112, jeweils mwN). Dass entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts eine solche Glaubhaftmachung erfolgt wäre, wird nicht konkret vorgebracht.
9 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen, in dem das Fehlen von Rechtsprechung zur - allgemeingültigen - Ausgestaltung eines effizienten Kontrollsystems behauptet und kritisiert wird, ist der Revisionswerber auf die ständige hg. Rechtsprechung hinzuweisen, nach der betriebliche Kontrollsysteme einander in der Regel nicht gleichen und daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegen. Eine grundsätzliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 18.9.2019, Ra 2019/11/0083, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dass Derartiges dem Verwaltungsgericht im Revisionsfall vorzuwerfen wäre, wird in den Zulässigkeitsgründen, die sich iZm. dem Kontrollsystem auf allgemein-abstrakte Judikaturkritik beschränken, nicht vorgebracht.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110135.L00Im RIS seit
12.10.2020Zuletzt aktualisiert am
12.10.2020