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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 26. April 2019, LVwG 30.20-3126/2018-6, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: Mag. K in Graz, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/8), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 4. Dezember 2018 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe am 24. März 2018 mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten PKW zu einem näher bestimmten Zeitpunkt und an einem konkret genannten Ort des Lendplatzes in Graz, einen Gehsteig benützt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten sei. Er habe dadurch § 8 Abs. 4 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von € 55,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt wurde.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, dass am Tatort kein Gehsteig im Sinn des § 8 Abs. 4 StVO vorhanden gewesen sei. Die gegenständliche Fläche sei weder als Gehsteig gewidmet, noch sei sie als Gehsteig ersichtlich gewesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einem Ortsaugenschein - der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und behob das bekämpfte Straferkenntnis. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass sich zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheins auf der Fläche, wo das Fahrzeug des Mitbeteiligten zum Tatzeitpunkt gestanden sei, ein ca. 1 m hoher Betonpoller befinde. Am südwestlichen Ende des Lendplatzes sei beim Schutzweg die Gehsteigkante offensichtlich für Rollstuhlfahrer und für Transporte von Zulieferern des Marktes abgefast. Im Bereich des Gehsteiges sei am nördlichen Ende der Fahrbahn ca. 2 m westlich über die Breite des Gehsteiges hinaus der unmittelbare Bereich des Schutzwegs über eine Länge von ca. 4 m Richtung Norden asphaltiert, wobei unmittelbar im Bereich des Gehsteiges [kleine] „Elte-Betonplatten“ eingelassen seien. Rechts und links davon sei der Bereich gepflastert, wobei sich am westlichen Ende zwei Betonpoller und am östlichen Ende beim Schutzweg ein Betonpoller und ein Lichtmast befänden. In dem folgenden, mit Platten ausgelegten Bereich seien zwei weitere Betonpoller aufgestellt. Nördlich der Gehsteigkante schließe eine asphaltierte Fläche [Abstellort des Fahrzeuges] an, welche sich in Richtung Osten zunehmend bis auf ca. einen halben Meter verenge. In Nordrichtung sei entlang der Bäume ein Rigol errichtet, entlang dessen im rechten Winkel dazu Fahrzeuge abgestellt seien. Dieser Bereich sei mit dem Schild „Parkplatz/Parkordnung“ gekennzeichnet. Ein entsprechendes Schild befinde sich auch auf der östlichen Seite der mit 1m x 1m großen Platten ausgelegten Parkfläche und deren Zufahrt. Im südöstlichen Bereich des Lendplatzes sei die Gehsteigkante gegenüber dem Rigol um ca. 2 cm erhöht. Dort sei ebenso ein Lichtmast eingelassen, mit dem Schild „Halten und Parken verboten, Anfang“ und dahinter sei eine Parkplatzkennzeichnung für einspurige Fahrzeuge erkennbar. Zum Tatzeitpunkt seien die Betonpoller noch nicht aufgestellt gewesen. Die angesprochene asphaltierte Fläche im südlichen Bereich des Platzes, nördlich der eingelassenen Gehsteigkante, verjünge sich im östlichen Bereich auf ca. 10 cm im Bereich des dort befindlichen Abflussgitters.
5 In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sowohl der Standort des Fahrzeuges als auch die gesamte Fläche des näher bezeichneten Platzes, durch Bodenplatten von der Fahrbahn abgegrenzt sei. Dass genau der Standort des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt Teil eines Gehsteiges im Sinn der StVO gewesen sei, könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, zumal die Fläche als Parkplatz gekennzeichnet und eher davon auszugehen sei, dass dieser Teil noch zur Fläche des Parkplatzes gehöre. Deshalb habe der Beschwerde Folge gegeben werden müssen und das Verwaltungsstrafverfahren sei einzustellen gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben sowie dem Antrag, den Ersatz des Aufwandes in gesetzmäßiger Höhe zuzuerkennen. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- oder Abweisung der Revision sowie den Zuspruch der Kosten beantragte.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentlichste zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht weiche von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 10 StVO ab, weil unter einem Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße zu verstehen sei.
9 Aus diesem Grund ist die Revision zulässig und berechtigt.
10 Gemäß § 53 Abs. 1 Z 1a StVO handelt es sich bei dem Verkehrszeichen „Parken“ um ein Hinweiszeichen, welches einen Parkplatz oder einen Parkstreifen kennzeichnet. Im unteren Teil des Zeichens oder auf einer Zusatztafel kann eine besondere Art des Aufstellens der Fahrzeuge für das Parken (Schräg- oder Querparken) angegeben werden (vgl. VwGH 30.6.2006, 2006/17/0022). Ist ein solches Hinweiszeichen aufgestellt, so ergibt sich daraus, dass zufolge ausdrücklicher behördlicher Anordnung das Parken gestattet ist, und zwar auf jener Straßenseite und auf jenem Straßenstück, wo es angebracht ist (vgl. VwGH 23.3.1988, 87/02/0201, VwSlg. 12682 A, mwN).
11 Nach § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gegen diese Anordnung verstößt etwa jemand, der sein Fahrzeug am Gehsteig parkt (vgl. VwGH 8.11.1995, 95/03/0149), hält (vgl. VwGH 25.9.1991, 91/02/0051), es dort abstellt (vgl. VwGH 10.4.1991, 90/03/0162, 0199) oder ihn befährt (vgl. VwGH 18.1.1989, 88/03/0209).
12 Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 10 StVO lässt mit ihrer demonstrativen Aufzählung „durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen“ erkennen, dass ein Gehsteig sowohl durch bauliche Maßnahmen als auch durch das bloße Anbringen von Bodenmarkierungen geschaffen werden kann. Die rechtliche Qualifikation eines Straßenteiles als Gehsteig hängt somit von solchen tatsächlichen Gegebenheiten ab, aus denen sich die Bestimmung für den Fußgängerverkehr und eine Abgrenzung gegenüber der Fahrbahn entsprechend der angeführten demonstrativen Aufzählung ergibt (vgl. VwGH 27.6.1990, 89/03/0230, mwN).
13 Die Bestimmung eines Teiles der Straße für den Fußgängerverkehr richtet sich ausschließlich nach den äußeren Merkmalen, die für jedermann deutlich erkennbar sind (vgl. VwGH 20.1.1986, 85/02/0192, mwN).
14 Die Einstufung eines Straßenteiles als Gehsteig stellt stets eine rechtliche Beurteilung dar, die aufgrund der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat.
15 Nun beschreibt das Verwaltungsgericht den Tatort samt näherer Darlegung der Straßen- und Bodenbeschaffenheit, es verwendet dabei für die Umschreibung der gegenständlichen Fläche stets den Begriff „Gehsteig“ und spricht von der „Gehsteigkante“ sowie von der mit 1m x 1m großen Platten ausgelegten „Parkfläche“. In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses wird hingegen ausgeführt, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, dass die Fläche, auf der das Fahrzeug gestanden sei, Teil des Gehsteiges sei, zumal die weitere Fläche als Parkplatz gekennzeichnet sei.
16 Aus den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass aufgrund der Asphaltierung des Streifens zwischen den 1m x 1m großen Platten des Parkplatzes und der an die Fahrbahn anschließenden Gehsteigkante sowie der Gestaltung des westlichen Bereiches mit Pflastersteinen, eine Abgrenzung der bautechnisch unterschiedlich hergestellten Teile des Lendplatzes klar zu erkennen ist und diese Bereiche zu unterscheiden sind. Darüber hinaus führt dorthin auch ein Schutzweg. Aufgrund der bestimmten äußerlichen Gestaltung des in Rede stehenden Bereiches kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Asphaltstreifen, auf dem das Fahrzeug des Mitbeteiligten abgestellt war, für den Fußgängerverkehr bestimmt ist, weil dieser nach den äußeren Merkmalen für jedermann deutlich als Gehsteig erkennbar ist.
17 Nach der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht würde die Parkfläche bis zur Fahrbahn reichen, sodass Fußgängern - trotz Erkennbarkeit des Asphaltstreifens - ein sicheres Erreichen des Schutzweges nicht gewährleistet wäre.
18 Entgegen der Argumentation des Mitbeteiligten, wonach der Straßenerhalter den Bereich nur deshalb asphaltiert habe, um sich das Zuschneiden der großen Platten zu ersparen, kann dieses vorgebrachte Motiv die festgestellten äußeren Unterscheidungsmerkmale nicht beseitigen.
19 Ausgehend von den vom Verwaltungsgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sohin der Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht gefolgt werden, dass „eher“ von einer Parkfläche auszugehen sei.
20 Bereits aus diesem Grund belastete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. zur ebenfalls vorliegenden Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses, weil das Verwaltungsgericht in seinem Spruch das Straferkenntnis lediglich behoben hat, ohne das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen VwGH 27.9.2019, Ra 2018/02/0234, mwN).
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war (VwGH 29.7.2019, Ra 2019/02/0072, mwN).
Wien, am 26. August 2020
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020118.L00Im RIS seit
09.11.2020Zuletzt aktualisiert am
09.11.2020