TE Dok 2020/5/18 01095/6-DK/19

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Norm

BDG 1979 §46
BDG 1979 §43 Abs1

Schlagworte

Weitergabe eines internen Dokuments, das der Amtsverschwiegenheit unterliegt an einem Kunden;

Text

SPRUCH

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, Senat I hat im Disziplinarverfahren gegen den Beschuldigten (B) nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am 18.05.2020 durch HR Dr. Renate Windbichler als Senatsvorsitzende sowie HR Mag. Anna Holper und OR Mag. Friedrich Mannsberger als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates in Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten, des Disziplinaranwaltes, AL MR Mag. Alfred Hacker, und des Schriftführers, Mag. Andreas Zosis, zu Recht erkannt: B, Beamter des ZA XY, hat am 00.00.2019 im Rahmen seiner Funktion als zollamtliches Kontrollorgan, betreffend des Importes 00 00 für die Fa. C. C.- und P. Handels GesmbH dem Firmenvertreter und Sales Director, die zu diesem Abfertigungsfall als „Streng Vertraulich“ gekennzeichneten Daten des Risikoprofiles, weitergegeben. B hat dadurch die bestehenden erlassmäßig ausgesprochenen Weisungen des BMF, wonach die Weitergabe des Inhaltes eines Risikoprofiles an den Warenempfänger verboten ist, nicht eingehalten und dadurch seine Dienstpflichten gem. § 46 BDG 1979 (Amtsverschwiegenheit) iVm. § 43 Abs. 1 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten) schuldhaft und zwar grob fahrlässig verletzt und somit Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen. Dem Disziplinarbeschuldigten wird gemäß § 126 Abs. 2 iVm. § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 als Disziplinarstrafe ein Verweis erteilt.

Gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 hat der DB keine Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen.

Begründung

I Abkürzungen

AS=Aktenseite des Disziplinaraktes

v=verso (Rückseite des Blattes)

ATI=Kundenteam im ZA

AD=Amtsdirektor

DB=Disziplinarbeschuldigter

B1=Beisitzerin 1

B2=Beisitzerin 2

BDG=Beamten-Dienstrechtsgesetz

BMF=Bundesministerium für Finanzen

BVG=Bundesverfassungsgesetz

DA=Disziplinaranwalt

DK=Disziplinarkommission

EB=Einleitungsbeschluss

MRN=Movement Reference Number (Zollregistrierungsnummer)

MS=Mitgliedstaaten

OHB=Organisationshandbuch

RIF=Risiko-Informations-Formular

StA=Staatsanwaltschaft

StGB=Strafgesetzbuch

StPO=Strafprozessordnung

Vors=Vorsitzende

TUA=Technische Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung

ZA=Zollamt

II Beweismittel

Die in der Folge dargestellten Beweismittel waren Gegenstand der Beweisaufnahme der mündlichen Verhandlungen am 18.05.2020 und sind für die Feststellung des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhaltes zu würdigen:

? Disziplinaranzeige v. 12.08.2019 (AS 2-6)

? Anzeige an die StA v. 07.08.2019 (AS 7-9)

? Stellungnahme des B v. 12.06.2019 (AS 10–12)

? E-Mail v. 06.06.2019 des MR Dr. H. H. (BMF) bzgl. Anforderung eines Berichtes (AS 13)

? E-Mail v. 05.06.2019 des AD K. W. (AS 13-13v)

? Profil-Information 00/00 (AS 14)

? E-Mail des AD J. K. bzgl. Profil Nr. 00/00 (AS 15)

? E-Mail v. 03.06.2019 des Hr. W. M., Sales Director d. Fa. C. C.- und P. Handels GesmbH, bzgl. Anfrage (AS 16)

? Profil Information Nr. 00 (AS 17)

? Auszug aus dem OHB intern (GZ- BMF-280000/0015-IV/2/2010 idF GZ-BMF-280000/0010-I/8/2018 v. 22.01.2018) (AS 18-28)

? BB-1000, Arbeitsrichtlinie RIF (GZ BMF-080500/0077-IV/3/2008 v. 07.01.2008) (AS 30-44)

? Schreiben v. 05.09.2019 der StA Y (AS 49)

? EB v. 28.01.2020 (AS 52–61)

? Bezugszettel (AS 72-73)

? Darstellung des BMF über ein Abfertigungshindernis (ETOS-Erledigung 1645/2019) (AS 74-74v)

? Verhandlungsschrift v. 18.05.2020 (AS 75-84)

III Historie

B ist Beamter des ZA XY und dort als Auditor/Analytiker des Kundenteams tätig. Am 07.08.2019 erstattete die Dienstbehörde gegen B an die Disziplinarkommission beim BMF Anzeige (AS 2-6) wegen des Verdachtes der Begehung einer Dienstpflichtverletzung gem. § 46 BDG 1979 (Amtsverschwiegenheit), welche der Dienstbehörde am 12.06.2019 zur Kenntnis gelangte. Darüber hinaus wurde vom ZA ebenfalls am 07.08.2019 in der gegenständlichen causa eine Anzeige gem. § 78 StPO an die Staatsanwaltschaft Y wegen des Verdachtes gem. § 310 Abs. 1 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) übermittelt
(AS 7-9), weil mit dem vom B gesetzten Sachverhalt auch der Verdacht einer strafbaren Handlung nach dem StGB verbunden gewesen ist. Aus diesem Grund wurde B auch verdächtigt, seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt zu haben, wonach der Beamte verpflichtet ist, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Y v. 05.09.2019 wurde das ZA verständigt, dass die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung des B wegen des Vergehens nach § 310 Abs. 1 StGB gem. § 203 Abs. 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von 1 Jahr vorläufig zurückgetreten ist (AS 49). Am 28.01.2020 wurde von der Disziplinarkommission ein EB gegen B wegen des Verdachtes der schuldhaften Verletzung gegen die Dienstpflichten nach § 46 BDG 1979 (Amtsverschwiegenheit) iVm. § 43 Abs. 1 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten) erlassen. Dieser EB erwuchs ohne die Erhebung einer Beschwerde an das BVwG in Rechtskraft.

IV Sachverhalt:

In seiner Funktion als zollamtliches Kontrollorgan wurde am 31.05.2019 B durch den Kontrollmanager die Abfertigung einer Waren- und Dokumentenkontrolle inklusive Muster- und Probenentnahmen für die Fa. S. W.-C., betreffend des Importes MRN 0000 zugewiesen. Nach Öffnen der Anmeldung und des damit verbundenen Risikoprofils im „e-zoll“ Verfahren wurde ihm in der Profil-Information (AS 14) unter dem Titel „Hinweis Detail“ nachstehende Informationen zur Kenntnis gebracht und die entsprechende weitere Vorgangsweise wie folgt vorgeschrieben: [...] „Gesundheitsbehörden ander (Anm.: anderer) MS haben chemische Produkte des Versenders I. L. infolge gesundheitlicher Bedenken nicht freigegeben. Verpflichtende TUA Untersuchung.“ [...] Aus diesem Grund ist auch die Beilage mit dem Titel „Profil Nr. 00 Chem. Produkte ULIN“ als „Streng Vertraulich“ gekennzeichnet (AS 17) und es wurde darin die Gültigkeitsdauer des Profils mit dem Datum 12.12.2018 bis 17.06.2019 angegeben sowie der Risikofaktor mit „8“ angeführt. Infolge dieser Anordnung hat B den Anmelder, die Spedition W.-C. telefonisch kontaktiert und darüber informiert, dass er ein Muster für die TUA von der Zolllieferung zu entnehmen habe. Als Termin für die Durchführung der Kontrolle und Musterentnahme wurde von der Zolldeklarantin der 03.06.2019 vorgeschlagen. Am Montag, dem 03.06.2019, erhielt B vom Sales Director der
Fa. C. C.- und P. Handels GesmbH, Herrn M., einen Anruf. Laut der vom DB am 12.06.2019 abgegebenen Stellungnahme (AS 10-12) habe sich der Firmenvertreter zu den Details und der Notwendigkeit der zollamtlichen Kontrolle und Musterentnahme erkundigt und er bezeichnete die vom ZA angekündigte und geplante Vorgehensweise der durchzuführenden Probenziehung als geschäftsschädigend und willkürlich. Wörtlich führte der DB in der Sachverhaltsdarstellung v. 12.06.2019 aus (AS 10-12): [...] „Am Montag, 3. Juni, ca. 9:30 Uhr, erhielt ich einen Anruf auf meinem Diensthandy. Hr. M., Sales Director bei der C., fragte mich zu Beginn des Gespräches, was mir eigentlich einfällt und was ich mir erlaube, die Sendung nicht freizugeben. Daraufhin erklärte ich ihm, dass eine Musterentnahme für die TUA zwingend durchzuführen ist. Das sehe er nicht ein, dass ein Muster gezogen werden muss, er fertige die Ware laufend ab und es hat noch nie Probleme gegeben und er brauche die Ware so schnell wie möglich, weil er die Ware ja weiterliefern muss. Außerdem ist nach einer Musterentnahme der Rest der 25 kg-Trommel (Wareneinkaufswert ca. 1300 USD) verunreinigt und somit wertlos. Zusätzlich fällt ein unnötiges Lagergeld bei der Spedition an. Auf die Frage von Hrn. M., ob von jeder der 74 Trommeln (Wareneinkaufswert 91.575,00 USD) ein Muster gezogen werden muss, erklärte ich ihm, dass nur von einer Trommel ein Muster entnommen wird, dass aber die Sendung bis zur Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses nicht freigegeben werden darf. Daraufhin fiel er aus allen Wolken und meinte, dass er solange auf keinen Fall warten kann und will jetzt wissen, warum die Sendung nicht freigegeben werden darf, und warum ich so etwas anordne. Mein Verhalten sei geschäftsschädigend und willkürlich. Daraufhin erklärte ich ihm, dass nicht ich die Musterentnahme und Nichtfreigabe der Sendung angeordnet habe, sondern dass es eine schriftliche Anordnung gibt, die zwingend zu befolgen ist. Daraufhin äußerte er wieder seinen Unmut und wollte wissen, nachdem er ja mehrere Chemikalien importiert, ob dieses Procedere jetzt bei allen Abfertigungen durchgeführt werden muss. Diese Vorgangsweise würde den Ruin der Fa. C. bedeuten. Daraufhin habe ich ihm erklärt, dass ich die Hintergründe zu der schriftlichen Anordnung nicht kenne, dass es aber von anderen MS gesundheitliche Bedenken bei chemischen Produkten des Versenders Fa. I. L. gibt, und dass daher eine Freigabe der Sendung nicht erfolgen kann.“ [...] Durch diese Intervention des Sales Directors ist B unter Druck geraten. Das weitere Telefongespräch wird vom B in seiner Stellungnahme (AS 11) wie folgt geschildert: [...] „Auf die neuerliche Frage von Hrn. M., wer für die schriftliche Anordnung verantwortlich ist und aus welchem Grund, konnte ich ihm keine Auskunft geben. Er gab sich aber damit nicht zufrieden und er wollte den Grund für diese Anordnung wissen.“ [...] Aufgrund dessen hat sich B entschlossen, nachdem der Sales Director der Empfängerfirma bereits im Zuge dieses längeren Telefongespräches den Inhalt des Risikoprofiles kannte (AS 14), diese streng vertraulichen Informationen per E-Mail an das Unternehmen zu übermitteln. Die Abfertigung MRN 0000 war nicht die erste Zollabfertigung dieser Art. Es hat bereits zwei vorangegangene Zollabfertigungen gegeben, doch wurden hier vom seinerzeitigen KM–entgegen den Vorgaben im Profil–keine Proben gezogen. Der guten Ordnung halber wird an dieser Stelle noch festgehalten, dass laut Angaben des DB in der Beschuldigtenvernehmung vom 18.05.2020 (AS 79) im Falle der Öffnung mit Musterziehung bei einer 25 Kilo-Trommel dieser Sendung, die gestellte Ware wertlos geworden wäre. Das hätte bedeutet, dass $ 1.100 pro Trommel an Schaden für die Fa. C. C.- und P. Handels GesmbH entstanden wäre.

V Rechtslage

§ 43 Abs 1 BDG 1979: Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

§ 46 Abs. 1 BDG 1979: Der Beamte ist über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hat, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Amtsverschwiegenheit).

VI Rechtliche Würdigung

Aus dem vorliegenden Sachverhalt wird durch den Disziplinarsenat als erwiesen festgestellt, dass vom DB sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der beiden Dienstpflichtverletzungen verwirklicht wurde.

Das Amtsgeheimnis ist ein Geheimnis, das sich auf einen bestimmten, nachvollziehbaren Personenkreis von Amtsträgern beschränkt. Zu diesen gehören zweifelsohne die Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung und somit unterliegen sie der Schweigepflicht. Dem Amtsgeheimnis entspricht das Dienstgeheimnis der im Dienstverhältnis Stehenden. In Österreich ist das Amtsgeheimnis seit 1925 im Artikel 20 Abs. 3 BVG verankert und es hat dadurch einen sehr hohen Stellenwert in der Rechtsordnung. Aus dem § 46 BDG 1979, wo das Amtsgeheimnis einer zusätzlichen Regelung zugeführt wurde, geht eindeutig die Verpflichtung für alle Amtsträgerinnen und Amtsträger hervor, dass diese grundsätzlich über alle ihnen aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, wenn an deren Geheimhaltung entweder ein öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse anderer Personen besteht. Erlassmäßig geregelt ist in der Zollverwaltung das Risiko- und Chancenmanagement. Im OHB unter Pkt. 12.20 ist ausgeführt (AS 18); Definition: Durch ein Risikomanagement soll sichergestellt werden, dass Risiken und Chancen identifiziert, bewertet sowie risiko-/chancenbezogene Informationen in systemischer Weise an die zuständigen Personen weitergeleitet werden und somit alle Beteiligten entsprechend (re-)agieren. Ein Risikomanagement umfasst somit die Risikoidentifikation, die Bewertung der Risiken, erforderlichenfalls die Einleitung von Gegenmaßnahmen…sowie die Dokumentation.“ [...] Weiters ist im Pkt. 12.20.2 Profile (elektronische Risikoanalyse) ausgeführt (AS 20-22): Definition: Die elektronische Risikoanalyse unterstützt die Kontrollmanager bei der Entscheidung, ob eine Kontrolle der Zollanmeldung durchzuführen ist. Risiko- und Verfahrensprofile in der elektronischen Risikoanalyse sollen einerseits Verstöße gegen EU-Recht oder nationales Recht verhindern (Risikoprofil) und andererseits gesetzlich vorgeschriebene Kontrollen (Verfahrensprofile) umsetzen, wobei es sich dabei sowohl um Stichprobenkontrollen als auch um zwingend durchzuführende Kontrollmaßnahmen handeln kann. Aufgrund von Verfahrens- bzw. Risikoprofilen werden bestimmte Anmeldungen vom System zur Kontrolle vorgeschlagen.“ [...] Risikofaktor: Profile werden mit Risikofaktoren 1-9 erstellt. Bei Profilen mit Faktor 9 sowie bei Profiltreffern aufgrund einer Mindestkontrollquote werden vom BMF Kontrollhandlungen vorgegeben, die von den Zollorganen zu erfüllen sind. Ein Overrulen ist nicht zulässig. Zur visuellen Unterstützung werden Profile, die zwingend abzuarbeiten sind, in roter Schrift gehalten.“ [...] [...] „Profile mit Risikofaktor 1-8 können overruled werden, dh. Es kann- bei Risikoprofilen unter Berücksichtigung der lokalen Risikoeinschätzung des Zollamtes und bei Verfahrensprofilen unter Berücksichtigung der betroffenen Verfahrensvorschrift-von einer Kontrolle Abstand genommen werden. Bei Profilen mit Risikofaktor 8 ist in solchen Fällen der Grund für die Abstandnahem elektronisch nachvollziehbar zu dokumentieren.“ [...] 12.20.2.2. Verfahrensprofile; Standard: Verfahrensprofile sind Kontrollanordnungen an die Zollämter und deren Organe, um die Einhaltung des Zollrechts und der sonstigen von den Zollorganen im Zuge der Zollabfertigung zu vollziehenden Vorschriften zu gewährleisten. Die Erstellung und Genehmigung erfolgt durch den profilverantwortlichen des BMF.“ [...] Aus der Begründung zum Schluss seiner Stellungnahme, wo der DB ausführt (AS 12): [...] „Abschließend möchte ich bekanntgeben, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass die Weitergabe von Risikoprofilen nicht gestattet ist. Aufgrund des längeren Telefonates mit Hrn. M. und aufgrund der oben angeführten Umstände kannte dieser den Inhalt des Risikoprofils bereits, bevor ich ihm das Risikoprofil per email zukommen ließ. Ungeachtet dessen wäre die Weiterleitung nicht gestattet gewesen und ersuche deshalb um Nachsicht.“ [...] ist in rechtlicher Würdigung der Schluss zu ziehen, dass sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand, die Nichteinhaltung der in Gesetzen, Verordnungen und Erlässen vorgesehene Amtsverschwiegenheit vom DB verwirklicht wurde. Der gravierend objektive Unrechtsgehalt des B angelasteten rechtswidrigen Verhaltens ist aus dem Umstand abzuleiten, dass die Inhalte von Risikoprofilen ohne Zweifel dem Schutzbereich der Amtsverschwiegenheit gem. § 46 BDG 1979 zuzuordnen sind, weil sie als „Streng Vertraulich“ gekennzeichneten Unterlagen ausgewiesen sind. B hat bei der Zollabfertigung MRN 0000 seine dienstlichen Aufgaben in der Funktion eines Kontrollorganes des ZA unter Verletzung der Amtsverschwiegenheit (§ 46 BDG 1979) und unter der Nichtbeachtung der geltenden Rechtslage und der vorhandenen Erlässe mit der für Beamten geforderten Gewissenhaftigkeit (§ 43 Abs. 1 BDG 1979) ausgeführt. Somit ist die Verletzung der Dienstpflicht gem. § 46 BDG 1979 und jene nach § 43 BDG 1979 als erwiesen festgestellt.

VI Verschulden

§ 6 StGB Abs. 1: Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

Abs. 2: Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Abs. 3: Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

Der Disziplinarsenat rechnet dem B bei dem von ihm gesetzten Sachverhalt auch ein Verschulden in Form der groben Fahrlässigkeit zu. Grob fahrlässig handelt, wer das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigt. Das Kriterium der groben Fahrlässigkeit ist deliktspezifisch zu beurteilen und im vorliegenden Fall ergibt sich diese Schuldform sowohl aus der schriftlichen Sachverhaltsdarstellung v. 12.06.2019 als auch aus der Beschuldigtenvernehmung in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2018, bei der B ein umfassendes Geständnis ablegte und zugab, dass es ein Fehler gewesen sei dem Firmenvertreter das Risikoprofil weiterzuleiten. Die DK rechnet demnach dem B ein grob fahrlässiges Verschulden zu, nicht rechtskonform gehandelt zu haben. Er hatte Kenntnis von seinen Dienstpflichten, insbesondere darüber, dass die als „Streng Vertraulich“ gekennzeichneten Unterlagen, nicht an die Parteien in einem Zollverfahren übermittelt werden dürfen. Offensichtlich war er nicht in der Lage dem ausgeübten Druck des Firmenvertreters im Telefonat v. 03.06.2019 Stand zu halten und die zugeteilte Abfertigung den Vorgaben entsprechend umzusetzen. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass Parteien, sollten sie mit der recht- und erlassmäßigen Vorgehensweise eines Bediensteten in Ausübung seiner Tätigkeit nicht einverstanden sein, auch die Möglichkeit besteht sich bei entsprechenden Stellen zu erkundigen bzw. zu beschweren.

VII Strafausspruch

§ 93 Abs. 1 BDG 1979: Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

§ 92. Abs. 1 BDG 1979 (Disziplinarstrafen)

1. der Verweis,

    2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges

    3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen

4. die Entlassung.

In Interpretation des § 93 BDG 1979 hat der VwGH zuletzt am 12.11.2013 unter VwGH Zl. 2013/09/0045 wörtlich ausgeführt: „Gem. § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung als Maß für die Höhe der Strafe festgelegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der Strafbemessungsschuld des Strafrechts. Für die Strafbemessung ist daher sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 Blg. Nr. 14 GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der Unrechtsgehalt) wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB-wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt.“ Die zu beurteilenden Dienstpflichtverletzungen beziehen sich auf die Nichteinhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Wie bereits unter Pkt. V und Pkt. VI ausgeführt, hat B ein grob fahrlässiges Verhalten zu verantworten, weil er schuldhaft gehandelt hat. Hinsichtlich der objektiven Schwere der Tat bzw. der Folgen der Tat ist auszuführen, dass die dargestellten Dienstpflichtverletzungen jedenfalls nicht bloß geringfügig sind und auch nicht bloß unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben. Die rechtskonforme und erlassmäßige Verwaltungsausübung von Bediensteten ist nach dem Selbstverständnis der österreichischen Finanzverwaltung eine unbedingte Voraussetzung der Dienstausübung eines Zollbeamten. Somit wäre auch aus Sicht der DK aufgrund der Schwere der Tat (Verschuldensgrad und objektive Schwere) grundsätzlich eine Geldbuße als schuld- und tatangemessen festzusetzen gewesen. Im ggstl. Disziplinarverfahren sind jedoch Umstände zu Tage getreten, die auch die Anwendung einer maßvolleren Sanktionierung rechtfertigen. Nicht zuletzt ist hier das umfassende und reumütige Geständnis des DB als mildernd zu werten, das in die Beurteilung der DK eingeflossen ist. Auch die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit war ein Milderungsgrund. Im Weiteren ist hervorzuheben, dass die vorliegende Fehlleistung nicht durch einen besonders leichtfertigen Umgang mit den Dienstpflichten begründet war oder durch mangelndes Engagement bzw. einer Gleichgültigkeit gegenüber geltenden Vorschriften, sondern durch einen von der Partei aufgebauten erhöhten Druck dem DB gegenüber verursacht wurde. Erschwerend wurde, nachdem die DK in der Verletzung der Amtsverschwiegenheit gemäß § 46 BDG 1979 die schwerwiegendere Dienstpflichtverletzung sieht, die Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 (allgemeine Dienstpflichtverletzung) berücksichtigt. Die DK kommt deshalb zum Ergebnis, dass B in seinem Aufgabenbereich im vorliegenden Fall in Bedrängnis geraten ist und aus dieser-als Notlage empfundenen Situation-nur den Ausweg sah, die entsprechenden für ihn vorgegeben Daten der Partei gegenüber darzulegen. Gem. § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist bei der Festsetzung der Disziplinarstrafe der Umstand zu berücksichtigen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Dazu wurden vom DB in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2020 jene Maßnahmen geschildert, die er anwenden würde, sollte er nochmals mit einer solchen Situation konfrontiert sein. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und im Hinblick auf die persönliche Verantwortung des DB, konnte mit der Erteilung der Disziplinarstrafe des Verweises das Auslangen gefunden werden.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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