TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/4 LVwG-2019/23/2577-21

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Veröffentlicht am 04.08.2020
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Entscheidungsdatum

04.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

SPG 1991 §82
SPG 1991 §88
VStG §35

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Maßnahmenbeschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Festnahme des Beschwerdeführers vor der Discothek „CC“, Adresse 2 in Z, dem Anlegen einer Handfessel am Rücken, der Verbringung in die Dienststelle PI Y und der dortigen Anhaltung sowie der Verweigerung unmittelbar notwendiger dringender medizinischer Behandlung am 01.12.2019 durch Polizeibeamte der PI Y und somit als der Landespolizeidirektion Tirol zurechenbare Organe nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde die Kosten gemäß der VwG-Aufwandsersatzverordnung bestehend aus Vorlageaufwand (Euro 57,40), Schriftsatzaufwand (Euro 368,80) und Verhandlungsaufwand (Euro 461,00), insgesamt sohin Euro 887,20 binnen zwei Wochen nach Zustellung des Erkenntnisses zu ersetzen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Am 13.12.2019 langte beim Verwaltungsgericht Tirol die Maßnahmenbeschwerde des AA, vertreten durch RA BB, vom 11.12.2019 ein.

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, er sei wegen der Festnahme vor der Diskothek „CC“, Adresse 2, Z, dem Anlegen einer Handfessel am Rücken, der zwangsweisen Verbringung in die Dienststelle PI Y, der dortigen Anhaltung, sowie der Verweigerung unmittelbar notwendiger dringender medizinischer Behandlung am 01.12.2019 durch Organe der Sicherheitswache im Wirkungsbereich der LPD Tirol in verfassungsgesetzlich sowie in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden:

Der Beschwerdeführer habe sich am 01.12.2019 im Anschluss an eine Weihnachtsfeier in die Diskothek „CC“ in Z begeben. Er habe sich dabei in Begleitung von DD, EE, FF und GG befunden.

In den frühen Morgenstunden des 01.12.2019 habe sich DD, bei welchem es sich um den Neffen des Beschwerdeführers handle, zu einem Mädchen namens JJ begeben, um sich mit diesem zu unterhalten. Plötzlich sei ein junger Mann auf DD zugekommen, habe ihn am Hals erfasst und ihn gefragt, warum er mit dem Mädchen rede.

Der Beschwerdeführer und dessen Bruder, die diesen Vorfall wahrnahmen, hätten sich daraufhin den beiden genähert und den jungen Mann aufgefordert, von DD abzulassen.

Plötzlich und völlig unvermutet habe sich von hinten der Türsteher KK genähert und dem Beschwerdeführer einen heftigen Schlag gegen die Stirn versetzt, wodurch dieser bewusstlos zu Boden gegangen sei. Danach hätten noch weitere Personen auf den bewusstlos am Boden liegenden Beschwerdeführer eingeschlagen.

Das Leben des Beschwerdeführers habe nur dadurch gerettet werden können, indem sich einer seiner Mitarbeiter so über ihn gebeugt habe, dass er von weiteren Schlägen verschont werden habe können. Der Beschwerdeführer habe, immer noch bewusstlos und schwer verletzt von einem seiner Mitarbeiter hinausgetragen werden müssen.

Nachdem der Beschwerdeführer dann sein Bewusstsein wiedererlangt habe, seien Beamte der Polizeidienststelle Y erschienen. Der Beschwerdeführer habe nach Feststellung seiner Identität im blutüberströmten und sichtlich schwer verletzten Zustand versucht, den Polizisten den Hergang zu erklären. Er habe ihnen gezeigt wie er aussehe und habe gefragt, warum sie nichts unternähmen. Nach der Rettung habe er nicht verlangt, allerdings habe er in das Lokal zurückgehen wollen um zu fragen, warum er so geschlagen worden sei. Die Beamten hätten mit ihm gesprochen, er habe sie aber nicht verstanden.

Infolge seien dem Beschwerdeführer dann Handschellen angelegt worden, wobei eine Fixierung am Rücken erfolgt sei. Trotz der sichtbaren schweren Verletzungen sei der Beschwerdeführer in Handschellen gefesselt zur PI Y gebracht worden.

Erst nach mehrfacher Aufforderung sei der lebensbedrohlich verletzte Beschwerdeführer mit der Rettung in die Klinik gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe neben zahlreichen Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper eine Gehirnerschütterung, schwere Kopfverletzungen sowie einen Nasenbeinbruch erlitten.

Aus den dem Landesverwaltungsgericht Tirol seitens der LPD Tirol übermittelten Verwaltungsakten und Dokumentationen bezogen auf die angefochtene Amtshandlung und der am 08.01.2020 beim Landesverwaltungsgericht einlangenden Gegenschrift ergibt sich zusammengefasst, dass die bekämpften Maßnahmen aus Sicht der belangten Behörde zu Recht erfolgt seien – ein Fehlverhalten eines der LPD Tirol zurechenbaren Organs könne nicht erblickt werden.

Am 01.12.2019 um 03:35 Uhr sei die Streife Y 1 (bestehend aus RI LL und Insp MM) in die Adresse 2, Z vor das dortige Lokal „CC“ beordert worden, da es im dortigen Bereich zu einer Körperverletzung gekommen sei.

Beim Eintreffen um ca. 03:37 Uhr seien vor dem Lokal drei männliche Personen (der Beschwerdeführer, GG, DD) angetroffen worden, die den Beamten mitgeteilt hätten, dass es im „CC“ zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Türsteher gekommen sei.

Der Beschwerdeführer habe offensichtliche Verletzungen im Gesichts- und Kopfbereich aufgewiesen. Da alle drei Personen offensichtlich unter Alkoholeinfluss gestanden seien, habe sich die Aufnahme des Sachverhaltes schwierig gestaltet. Die Identitäten der beteiligten Personen hätten erst nach mehrfacher Aufforderung zur Ausweisleistung festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer habe schon zu Beginn der Amtshandlung damit begonnen, die Beamten in fremder Sprache anzuschreien und vor ihnen wild herum zu gestikulieren. Er habe dabei mehrfach von seinen Begleitern zurückgehalten werden müssen, nachdem er versucht habe, die Örtlichkeit zu verlassen bzw in den Fließverkehr zu laufen.

Das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber den Beamten sei äußerst aggressiv gewesen, er sein ihnen körperlich nahegekommen, habe sie angeschrien und habe ständig aufgefordert werden müssen, den gebotenen Abstand einzuhalten.

Aufgrund seiner Versuche, die Amtshandlung zu behindern, habe er mehrfach abgemahnt werden müssen. Auch habe er mehrmals aufgefordert werden müssen, bei der Amtshandlung mitzuwirken, da er offensichtlich auch Geschädigter und möglicherweise auch Beschuldigter eines etwaigen Raufhandels gewesen sei. Für die Beamten habe sich der Eindruck ergeben, dass der Beschwerdeführer aber gar nicht an der Feststellung des Sachverhalts interessiert gewesen sei und lieber zurück in das Lokal habe gehen wollen. Sämtliche Versuche seitens der Beamten, deeskalierend und beruhigend auf den Beschwerdeführer einzuwirken, seien fehlgeschlagen.

Nachdem sich der Beschwerdeführer nicht beruhigen habe lassen, sei dieser über die Erstattung einer Anzeige nach § 82 SPG in Kenntnis gesetzt worden und im gleichen Zuge sei ihm auch die Festnahme nach dem VStG angedroht worden, sollte er in der Begehung der strafbaren Handlung verharren.

Nach einer ergangenen vierten Abmahnung habe der Beschwerdeführer schließlich festgenommen werden müssen. Nachdem er in den Streifenwagen verbracht worden sei, hätten sich RI LL und Insp MM zurück zu DD und GG begeben und sich erkundigt, ob diese verletzt worden seien bzw einen Rettungstransport in die Klinik Z benötigen würden. Beide hätten dies verneint.

Da der Beschwerdeführer nach wie vor aggressiv agiert habe und wieder in das Lokal zurückgehen habe wollen, sei ein Zuwarten vor Ort bis zum Eintreffen der Rettung nicht tunlich gewesen. Es sei für die Beamten nicht klar gewesen, ob sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt überhaupt dazu bewegen hätte lassen, in einen Rettungswagen zu steigen. Es sei daher beschlossen worden, ihn zur PI Y zu verbringen, um ihn von dort aus einer medizinischen Behandlung zuführen zu können.

In der PI Y habe sich der Beschwerdeführer dann einigermaßen beruhigt und seien ihm deshalb um 03:51 Uhr die Handfesseln abgenommen worden und die Festnahme um 03:55 Uhr aufgehoben worden. Von den Verletzungen des Beschwerdeführers seien in den Räumlichkeiten der PI Y Lichtbilder angefertigt worden, zeitgleich sei die Rettung angefordert worden, welche den Beschwerdeführer zur weiteren Behandlung in die Klinik Z verbringen habe sollen.

Die Aufhebung der Festnahme sei deshalb nicht gleichzeitig mit der Abnahme der Handfesseln, sondern erst einige Minuten später erfolgt, da RI LL für den Beschwerdeführer verantwortlich gewesen sei und aufgrund dessen Verletzungen dafür sorgen habe müssen, dass dieser einer ärztlichen Behandlung zugeführt werde.

Um 03:55 Uhr sei die Rettung schließlich eingetroffen und habe den Beschwerdeführer ohne Aufschub in die Klinik überstellt.

Während des Geschehens vor dem Lokal „CC“ sei noch eine zweite Polizeistreife, nämlich aus der X, vor Ort gewesen.

Am 03.02.2020 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, die beiden handelnden Beamten RI LL und Insp MM sowie weiters die Zeugen DD, GG und QQ teilnahmen.

Der Zeuge DD gab ihm Rahmen seiner Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 03.02.2020 zusammengefasst zu Protokoll, er habe nach dem Vorfall im „CC“ seinen Vater angerufen, damit dieser komme. Kurz nach seinem Vater sei dann auch die Polizei eingetroffen. Als die Polizisten gekommen seien, hätten sie als erstes ihn gefragt, was los gewesen sei. Er habe es ihnen erklärt und sie seien dann zu seinem Onkel, dem Beschwerdeführer gegangen. Dieser habe ihnen nicht gesagt, was passiert sei. Er sei verletzt und aufgeregt gewesen und habe es nicht genau gewusst.

Der Beschwerdeführer habe den Beamten erklären wollen, warum er verletzt sei und warum er so aussehe und habe wissen wollen, warum die Polizisten nichts unternehmen würden. Er habe sie aber nicht geschupft oder berührt, sei nicht auf sie zugegangen, habe nicht geschrien und nur auf sich selbst gezeigt. Die Beamten hätten ihn dann festgenommen. Auf eine Anzeige hätten sie ihn nicht hingewiesen. Insgesamt seien vier Polizeibeamte anwesend gewesen.

Dass er ärztliche Hilfe brauche, habe der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt erwähnt. Die Verletzungen seien aber sichtbar gewesen.

Der Bruder des Beschwerdeführers GG schilderte in der Verhandlung am 03.02.2020 den Sachverhalt des 01.12.2019 dahingehend, dass der Beschwerdeführer bei der Ankunft der Polizei vor dem Lokal gestanden sei. Es seien vier Polizisten vor Ort gewesen. Die Polizei habe diesen dann gefragt, was passiert sei und der Beschwerdeführer habe wollen, dass die Polizisten mit ins Lokal gehen und erheben würden, was gewesen sei. Die Polizisten hätten zum Beschwerdeführer auch gesagt, er solle nicht so aggressiv sein. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht aggressiv verhalten, er habe nur höflich gefragt, was passiert sei. Er habe auch weder geschrien noch sei er sonst laut gewesen.

GG habe sich damals in einem von Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden.

Der Zeuge QQ, Schwager des Beschwerdeführers gab in der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2020 zu Protokoll, er könne sich an den Abend noch erinnern. Sein Sohn habe ihn angerufen und er sei dann zum „CC“ gekommen. Als er dort angekommen sei, seien der Beschwerdeführer und die anderen schon draußen gewesen. Nach weiteren ungefähr fünf Minuten sei die Polizei gekommen. Er habe vorhin schon zum Beschwerdeführer gesagt, er würde ihn mitnehmen und nachhause fahren. Dieser habe aber entgegnet, er wolle bleiben bis die Polizei komme und der Sachverhalt geklärt sei.

Der Beschwerdeführer habe darauf bestanden, dass die Polizisten in den Club gehen würden und habe betont, er wolle den Ort erst verlassen, wenn der Sachverhalt geklärt sei. Er habe dann den Beschwerdeführer am Oberarm zurückgehalten und die Beamten hätten ihn dann mit einem Stoß gegen die Brust zurückgestoßen, damit sie den Beschwerdeführer frei bekämen. Dann hätten sie ihn festgenommen, ihm Handfesseln angelegt und ihn ins Auto gesetzt. Auf Frage des Zeugen hätten die Beamten entgegnet, sie würden den Beschwerdeführer auf die PI Y bringen und er könne dort in zehn Minuten abgeholt werden.

Er sei dann hinter der Polizei hergefahren und als er fünf Minuten später dort eingeparkt habe, sei die Rettung schon vor Ort gewesen.

Der Beschwerdeführer sei nicht aufgeregt gewesen, er habe nur geklärt haben wollen, warum er so geschlagen worden sei. Mit den Polizisten habe er normal gesprochen.

Die Kleidung des Beschwerdeführers habe zwar überall Blutflecken aufgewiesen und der Beschwerdeführer habe über Kopfschmerzen geklagt, nach einem Arzt oder der Rettung habe er aber nicht gefragt.

Am 12.02.2020 langte ein E-Mail des Stadtpolizeikommandos Z beim Landesverwaltungsgericht Tirol ein, mit dem die Namen der am 01.12.2019 diensthabenden Beamten der PI X mitgeteilt wurden.

Die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde am 25.05.2020 fortgesetzt. Im Rahmen dieser Verhandlung wurden die Zeugen Insp NN (PI Y), Inspin OO (PI X) und Insp PP (PI X) einvernommen.

Inspin OO gab an, sie könne sich an jene Amtshandlung noch erinnern. Die Streife der PI X sei damals als Unterstützungsstreife hinzugerufen worden. Als sie beim „CC“ eingetroffen seien, seien die Kollegen der PI Y bereits vor Ort gewesen. Sie hätten dann die Amtshandlung abgesichert.

Sie wisse noch, dass der Beschwerdeführer damals den Kollegen der PI Y gegenüber aggressiv aufgetreten sei und mehrfach abgemahnt habe werden müssen. Er sei dabei immer wieder auf die Beamten nahe zugegangen und habe herumgefuchtelt. Er habe dann auch in einer ihr unbekannten Sprache herumgeschrien. Ihre Kollegen hätten versucht ihn zu beruhigen und dann hätten sie ihn festgenommen. Nachdem sie ihn ins Auto gesetzt hätten, um ihn zur PI Y zu bringen, sei die Amtshandlung für die Beamten der PI X beendet gewesen.

Es sei für die Beamten nicht klar gewesen, was vorgefallen sei und eigentlich hätten sie dies herausfinden wollen. Es sei aber nicht möglich gewesen, einen Sachverhalt zu klären.

Der Beschwerdeführer sei verletzt gewesen, habe aber das Angebot, die Rettung zu rufen abgelehnt.

Insp PP, gleichfalls Beamter der PI X, gab zum Vorfall an, dass bei Eintreffen der Streife der PI X die Beamten der PI Y bereits vor Ort gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe ziemlich beeinträchtigt gewirkt und auch eine Verletzung am Kopf aufgewiesen. Die Kollegen hätten versucht, ihn zurückzuhalten und ihn von der Straße fernzuhalten. Es sei so weit gekommen, dass sein Kollege den Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, dass er eine Verwaltungsübertretung begehe. Er habe ihn mehrfach abgemahnt und ihn am Ende dann festgenommen.

Auch nach erfolgter Festnahme habe sich der Beschwerdeführer nicht beruhigt. Nachdem dem Beschwerdeführer die Handfesseln angelegt worden seien und der Beschwerdeführer ins Fahrzeug der PI Y gesetzt worden sei, sei die Amtshandlung für die Beamten der PI X beendet gewesen.

II.      Sachverhalt:

Am 01.12.2019 um ca. 03:35 Uhr wurde die Streife Y 1 (bestehend aus RI LL und Insp MM) in die Adresse 2, Z, aufgrund einer dort angeblich stattgefundenen Körperverletzung vor das dortige Lokal "CC" beordert. Zur Unterstützung wurde auch die Streife der PI X (bestehend aus Inspin OO und Insp PP) angefordert. Um 03:37 traf die Streife Y 1 ein, kurz darauf die Streife der PI X.

Zum Zeitpunkt des Eintreffens befanden sich mehrere Personen vor dem Lokal. Ebenfalls vor dem Lokal trafen die Beamten dann auf den sichtlich verletzten Beschwerdeführer, GG, der sich zu diesem Zeitpunkt in Begleitung mehrerer Personen befand.

Der Beschwerdeführer sowie dessen Kleidung waren blutüberströmt, wobei den Beamten nicht klar war, ob es sich bei dem Blut um Eigenblut des Beschwerdeführers oder um Fremdblut handelte, zudem wies der Beschwerdeführer blutende Wunden im Stirnbereich auf.

Nachdem den Beamten geschildert wurde, dass es innerhalb des Lokals zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, versuchten diese, die Identitäten der anwesenden Personen festzustellen und den Sachverhalt zu erheben.

Aufgrund des Alkoholeinflusses und insbesondere des verbal und körperlich aggressiven und unkooperativenen Verhaltens des Beschwerdeführers gestaltete sich dies jedoch schwierig. Vor allem auch aufgrund des blutüberströmten Erscheinungsbildes machte der Beschwerdeführer einen äußerst bedrohlichen Eindruck auf die Beamten.

Im Zuge der Sachverhaltserhebung vor Ort wurde dem Beschwerdeführer von RI LL eine Wundversorgung durch die Rettung angeboten, dies lehnte der Beschwerdeführer ausdrücklich ab. Der Beschwerdeführer selbst begehrte zu keinem Zeitpunkt eine medizinische Hilfe.

Anstatt an der Erhebung des Sachverhaltes mitzuwirken, beabsichtigte der Beschwerdeführer im Gegenteil wieder ins Lokal zurückzukehren, um die Angelegenheit selbst zu klären. Außerdem musste er auch davon abgehalten werden, in den Fließverkehr zu laufen.

Das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers zeigte sich darin, dass er in einer nicht bekannten Fremdsprache herumschrie, wild mit den Händen und Armen gestikulierte und den Beamten so nahekam, dass diese ihn mehrfach ermahnen mussten, den gebotenen Abstand einzuhalten. RI LL wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass er mit seinem Verhalten eine Verwaltungsübertretung begehe und forderte ihn mehrfach auf, dieses abzustellen.

Nachdem sämtliche Deeskalations- und Beruhigungsversuche der Beamten fehlschlugen und der Beschwerdeführer sich nicht beruhigen ließ, fixierte ihm schließlich - nach Androhung der Festnahme – RI LL die Hände mittels Handfesseln am Rücken.

Der Beschwerdeführer wurde anschließend mit dem Streifenwagen der Streife „Y 1“ zur PI Y verbracht. Dort wurden ihm, nachdem er sich beruhigt hatte, um ca. 03:50 Uhr die Handfesseln abgenommen und seine Verletzungen dokumentiert.

Um 03:55 Uhr wurde die Festnahme aufgehoben und um 03:58 Uhr die Rettung alarmiert. Nach deren Eintreffen um 04:05 Uhr wurde der Beschwerdeführer ohne Aufschub in die Klinik Z transportiert.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers, der Zeugen
RI LL und Insp MM (beide PI Y) sowie der Zeugen DD, GG und QQ in der am 03.02.2020 vor dem Landesverwaltungsgericht stattfindenden öffentlichen mündlichen Verhandlung; durch Einholung einer Auskunft bezüglich etwaig vorhandener Videoaufzeichnungen beim Stadtpolizeikommando Z, die Einholung des Einsatzprotokolls der Leitstelle Tirol bezüglich des angeforderten Rettungsfahrzeugs sowie die Einvernahme der Zeugen Insp NN (PI Y), der Zeugin Inspin OO (PI X), des Zeugen Insp PP (PI X) in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.05.2020, sowie das E-Mail der LPD Tirol vom 09.06.2020 betreffend etwaig vorhandener Videoaufzeichnungen des Geschehens.

Bis zum Zeitpunkt des Eintreffens der Beamten steht der festgestellte relevante Sachverhalt außer Streit.

Sämtliches Vorbringen hinsichtlich des sich zeitlich vorher abspielenden Geschehens innerhalb des Lokals ist für das gegenständliche Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht irrelevant, steht das vorherige Geschehen schließlich nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der vorliegenden Beschwerde wegen der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

Dass der Beschwerdeführer blutüberströmt war und sichtbare Verletzungen aufwies steht ebenso außer Streit und ergibt sich diese Feststellung aus den übereinstimmenden Aussagen sämtlicher Zeugen sowie des Beschwerdeführers selbst.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.02.2020 gab RI LL im Rahmen seiner Aussage zu Protokoll, es sei für ihn nicht klar gewesen ob es sich um Eigen- oder Fremdblut des Beschwerdeführers gehandelt habe. Diese Aussage erscheint glaubwürdig und es ist plausibel, dass die Beamten nicht wissen konnten, um wessen Blut es sich bei dem auf der Kleidung des Beschwerdeführers befindlichen Blut handelte.

Das unkooperative und aggressive Verhalten des Beschwerdeführers ist erwiesen, ergeben sich diese Verhaltensweisen doch eindeutig aus den übereinstimmenden Aussagen von
RI LL, Insp MM, Inspin OO sowie Insp PP. Sämtliche der eben erwähnten Zeugen hinterließen einen äußerst glaubwürdigen Eindruck. Selbst der Zeuge DD räumte ein, dass der Beschwerdeführer „aufgeregt“ war.

Dass der Beschwerdeführer mit seinem blutüberströmten Erscheinungsbild – wobei zudem nicht klar war, ob es sich um Eigen- oder um Fremdblut und somit bei Beschwerdeführer um Opfer oder Täter handelte – einen bedrohlichen Eindruck auf die Beamten machte, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und ist äußerst nachvollziehbar.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mehrfach versuchte die Fahrbahn zu betreten bzw. in den „CC“ zurückzukehren ergeben sich ebenfalls aus den Aussagen sämtlicher anwesender Beamter. Auch die Zeugen GG und QQ sowie der Beschwerdeführer selbst bestätigten, dass dieser wieder in den Club zurückgehen wollte, um die Angelegenheit zu klären.

Dass der Beschwerdeführer vor Durchführung der Festnahme mehrfach ermahnt wurde, ergibt sich wiederum aus den Aussagen von RI LL, Insp MM, Inspin OO sowie Insp PP. Dass RI LL die Festnahme durchführte und die Hände des Beschwerdeführers mittels Handfesseln am Rücken fixierte, steht außer Streit.

Jene Feststellung, wonach der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt nach ärztlicher Hilfe verlangte, ergibt sich aus den Aussagen der handelnden Beamten sowie außerdem des Zeugen DD, der dies im Rahmen seiner Aussage bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.02.2020 bestätigte. Da überdies sogar der Beschwerdeführer selbst anlässlich seiner Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einräumte, dass er zu keinem Zeitpunkt nach der Rettung verlangte, kann hier kein Zweifel bestehen.

Auch die Verbringung auf die PI Y sowie die Feststellungen hinsichtlich des darauffolgenden Transportes in die Klinik Z stehen außer Streit und ergibt sich der Zeitpunkt der Verständigung der Rettung durch die Beamten der PI Y und des Eintreffens der Rettung aus deren Einsatzprotokoll vom 01.12.2019.

IV.      Rechtslage:

Die hier relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes 1991 – SPG 1991 BGBl
Nr 566/1991 idF BGBl Nr 662/1992 lauten:

„§ 82

Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst

(1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

(2) Eine Bestrafung nach Abs. 1 schließt eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus.

§ 88 Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte

(1) Die Landesverwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

(3) Beschwerden gemäß Abs. 1, die sich gegen einen auf dieses Bundesgesetz gestützten Entzug der persönlichen Freiheit richten, können während der Anhaltung bei der Sicherheitsbehörde eingebracht werden, die sie unverzüglich dem Landesverwaltungsgericht zuzuleiten hat.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde beträgt sechs Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat, wenn er aber durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung. Die Beschwerde ist beim Landesverwaltungsgericht einzubringen.“

Die hier relevanten Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetztes 1991 – VStG BGBl
Nr 52/1991 (WV) idF BGBl I Nr 194/1999 (DFB), zuletzt geändert durch BGBl I Nr 58/2018 lauten:

„§ 35

Festnahme

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1.  der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine  Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder

2.  begründeter Verdacht besteht, daß er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen  werde, oder

3.  der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder  sie zu wiederholen sucht.

§ 36

(1) Jeder Festgenommene ist unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Die Behörde hat den Angehaltenen unverzüglich zu vernehmen. Hat er von seinem Recht auf Beiziehung eines Verteidigers Gebrauch gemacht, so ist die Vernehmung bis zum Eintreffen des Verteidigers aufzuschieben, es sei denn, dass damit eine erhebliche Gefährdung der Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln verbunden wäre; eine solche Beschränkung des Rechts auf Beiziehung eines Verteidigers ist schriftlich festzuhalten. Die Anhaltung darf keinesfalls länger als 24 Stunden dauern.

(2) Für die Anhaltung gilt § 53c Abs. 1 und 2 sinngemäß; das Erfordernis genügenden Tageslichtes kann jedoch entfallen, sofern ausreichende künstliche Beleuchtung vorhanden ist.

(3) Dem Festgenommenen ist ohne unnötigen Aufschub zu gestatten, einen Angehörigen (§ 36a AVG) oder eine sonstige Person seines Vertrauens zu verständigen und Kontakt mit einem Verteidiger aufzunehmen und diesen zu bevollmächtigen. Einem Festgenommenen, der nicht österreichischer Staatsbürger ist, ist ferner zu gestatten, die konsularische Vertretung seines Heimatstaates unverzüglich von der Festnahme zu verständigen und mit dieser Kontakt aufzunehmen. Bestehen gegen eine Verständigung durch den Festgenommenen selbst Bedenken, so hat die Behörde die Verständigung vorzunehmen.

(4) Der Angehaltene darf von Angehörigen (§ 36a AVG), von seinem Verteidiger sowie von den konsularischen Vertretern seines Heimatstaates besucht werden. Für den Brief- und Besuchsverkehr gilt § 53c Abs. 3 bis 5 sinngemäß.“

V.       Erwägungen:

1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde ist berechtigt, wer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet (Art 132 Abs 2 B-VG).

Nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, nach Art 131 Abs 1 B-VG erkennen über Maßnahmenbeschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder, im vorliegenden Fall das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Der Beschwerdeführer behauptet, durch das Anlegen einer Handfessel am Rücken, die Festnahme, die zwangsweisen Verbringung in die Dienststelle PI Y, die dortige Anhaltung, sowie die Verweigerung unmittelbar notwendiger dringender medizinischer Behandlung am 01.12.2019 durch Organe der Sicherheitswache im Wirkungsbereich der LPD Tirol in verfassungsgesetzlich sowie in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein.

Die den Beschwerdegegenstand bildenden Maßnahmen erfolgten am 01.12.2019, die Beschwerde wurde am 12.12.2019 binnen der sechswöchigen Frist nach § 7 Abs 4 VwGVG per E-Mail beim Landesverwaltungsgericht eingebracht und ist daher rechtzeitig.

2. In der Sache:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht ausschließlich jene Maßnahmen zu beurteilen, die in der Beschwerde ausdrücklich als angefochten bezeichnet werden (vgl VwGH 27.01.2016, Ra 2015/10/0129). Seitens des Beschwerdeführers wird die Festnahme gem § 35 VStG, das Anlegen der Handfesseln sowie die zwangsweise Verbringung zur PI Y, die dortige Anhaltung sowie die behauptete Verweigerung unmittelbar notwendiger dringender medizinischer Behandlung angefochten und bilden diese Handlungen daher den Beschwerdegegenstand.

Eine Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt und Zwangsgewalt liegt nur dann vor, wenn durch Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen nur dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 20.12.2016 Ra 2015/03/0048).

Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine bekämpfbare faktische Amtshandlung vor (VwGH vom 15.11.2000,
Zl 98/01/0452).

Bei RI Insp LL handelt sich um einen Beamten der PI Y und somit um ein der LPD Tirol zurechenbares Verwaltungsorgan, das in Ausübung seines Amtes im Rahmen einer Verwaltungsangelegenheit tätig geworden ist.

Im gegenständlichen Fall ist bezüglich der Festnahme, dem Anlegen einer Handfessel am Rücken sowie der Verbringung in die PI Y und der dortigen Anhaltung zweifellos von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt auszugehen, sind dieses Akte doch naturgemäß mit Zwang verbunden.

Bezüglich der behaupteten Verweigerung ärztlicher Hilfe ist auszuführen, dass – wie auf Sachverhaltsebene festgestellt wurde – der Beschwerdeführer zum einen zu keinem Zeitpunkt nach ärztlicher Hilfe verlangte, weshalb ihm diese auch nicht verweigert werden konnte, und zum anderen wurde von den handelnden Beamten dem Beschwerdeführer schon bei der ersten Sachverhaltsermittlung vor dem Lokal die Beiziehung der Rettung angeboten als auch unmittelbar nach Eintreffen in den Räumlichkeiten der PI Y, ohnehin die Rettung alarmiert und der Transport des Beschwerdeführers in die Klinik Z veranlasst wobei zwischen dem ersten Zusammentreffen der Beamten mit dem Beschwerdeführer vor dem „CC“ und der Alarmierung des Rettungsdienstes von der PI Y aus lediglich 20 – 25 Minuten liegen.

Zur Festnahme:

Gemäß Art 5 Abs 1 EMRK darf die Freiheit einem Menschen nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Mit anderen Worten es muss eine gesetzliche Ermächtigung vorliegen, damit überhaupt eine Person festgenommen werden darf. Die in Art 5 EMRK gewährleistete persönliche Freiheit schützt jedermann vor einem willkürlichen Freiheitsentzug durch den Staat. Als Freiheitsentziehung sind Maßnahmen der staatlichen Gewalt zu verstehen, durch die jemand gegen seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort für eine gewisse Dauer festgehalten wird. Bei der Beurteilung, ob eine Freiheitsentziehung im Sinn des Art 5 leg cit vorliegt, ist auf die konkrete Situation des Betroffenen abzustellen, wobei es dabei nicht auf die Dauer der Freiheitsentziehung ankommt (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention [2003] 177.).

Gemäß § 35 Z 3 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Gemäß § 82 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht trotz vorangegangener Abmahnung, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält.

Im gegenständlichen Fall verhielt sich der Beschwerdeführer trotz vorausgegangener Abmahnung seitens der Beamten äußerst aggressiv während diese in Wahrnehmung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben versuchten, die Identitäten der anwesenden Personen festzustellen sowie den vorgefallenen Sachverhalt zu erheben und gingen die Beamten daher von der Verwirklichung des Verwaltungsstraftatbestandes des § 82 SPG aus.

Es ist nicht Aufgabe des Landesverwaltungsgerichts, im gegenständlichen Maßnahmenbeschwerdeverfahren das tatsächliche Vorliegen einer Verwaltungsübertretung zu prüfen. So reicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 VStG aus, wenn das Organ die Verübung einer Verwaltungsübertretung mit gutem Grund (und daher vertretbar) annehmen konnte (Fister, § 35, in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] Rz 5 unter Hinweis auf VfSlg 11.426/1987, 11.692/1988; VfGH 20.09.2012, B 1436/10; VwSlg 14.905 A/1998; VwGH 18.6.2008, 2005/11/0048; 13.10.2015, Ra 2015/01/0154).

Auch wenn nicht eindeutig festgestellt werden konnte, ob das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers den Beamten galt, konnte der festnehmende Beamte RI LL aufgrund des Umstandes, dass der – mit seinem blutüberströmten Erscheinungsbild einen äußerst bedrohlichen Eindruck erweckende – Beschwerdeführer den Beamten nahekam und mit den Händen fuchtelte – auch obwohl er den inhaltlichen Gehalt der vom Beschwerdeführer in Fremdsprache geschrienen Worte nicht erfassen konnte – von der Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 SPG durch den Beschwerdeführer ausgehen.

Vor diesem Hintergrund findet die Festnahme des Beschwerdeführers durch RI LL also Deckung im einfachen Gesetz.

Weiter ist der § 35 VStG als Ausführungsbestimmung zum BVG vom 29.11.1988, BGBl 684, über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) verfassungskonform im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art 1 Abs 3 PersFrBVG anzuwenden.

Es bleibt also noch zu prüfen, ob die Festnahme iSd Art 1 Abs 3 zweiter Halbsatz, nicht außer Verhältnis zu dem mit dieser Maßnahme beabsichtigten Zweck stand.

Die Festnahme des Beschwerdeführers zielte darauf ab, die Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers einzuschränken, war doch Ziel der Festnahme, das körperlich aggressive Verhalten des Beschwerdeführers (das Fuchteln mit den Händen, das Nahekommen gegenüber den Beamten) abzustellen.

Die Festnahme muss zur Beendigung der Verwaltungsübertretung geeignet sein, was etwa bei Parkvergehen oder Unterlassungsdelikten nicht der Fall ist (Hengstschläger/Leeb6 Rz 809 [FN 346 mwN]). Die Festnahme des Beschwerdeführers stellte im vorliegenden Fall jedenfalls ein geeignetes Mittel dar, um dessen aggressives Verhalten abzustellen.

Die zuständigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben überdies vor Durchführung einer Festnahme stets auf die Möglichkeit des Ergreifens gelinderer Mittel Bedacht zu nehmen (VwGH 29.1.1968, 1569/66, Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahren 474).

Im gegenständlichen Fall versuchten die einschreitenden Beamten zuvor mehrfach, den Beschwerdeführer zu beruhigen und deeskalierend auf ihn einzuwirken. Auch wurde er seitens der Beamten darauf hingewiesen, dass sein Verhalten eine Verwaltungsübertretung darstellt und wurde er in diesem Zusammenhang mehrfach aufgefordert, das aggressive Verhalten einzustellen.

Die Festnahme stellte – nach dem die Deeskalationsversuche, Ermahnungen und die Androhung der Festnahme durch die Beamten keinerlei Wirkungen zeigten – die einzige verbleibende Möglichkeit und damit das gelindeste Mittel dar, um die Verharrung des Beschwerdeführers in der Fortsetzung des strafbaren Verhaltens zu beenden.

§ 36 VStG regelt die Rechte des Festgenommenen. Gemäß § 36 Abs 1 VStG ist der Festgenommene bei Wegfall des Festnahmegrundes unverzüglich freizulassen. Jede weitere Einschränkung würde sonst einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit darstellen.

Auch dieser Voraussetzung einer rechtmäßigen Festnahme wurde entsprochen, wurde auf der PI Y die Festnahme des Beschwerdeführers dann – sobald sich dieser beruhigt hatte und der Festnahmegrund sohin weggefallen war – um ca. 03:55 Uhr unverzüglich aufgehoben.

Zum Anlegen der Handfesseln:

Das Anlegen von Handfesseln im Rahmen einer Amtshandlung ist eine Vorgangsweise, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie "unbedingt“ erforderlich (unabdingbar) ist (Hinweis
VwGH 08.08.2002, 99/11/0327). Eine Fesselung mit Handschellen ist etwa dann nicht gerechtfertigt, wenn auf Grund der näheren Umstände eine konkrete Gefährdung der körperlichen Sicherheit der einschreitenden Behördenorgane nicht ernstlich zu befürchten ist oder es diesen auf eine maßvollere Weise als durch Anlegen von Handfesseln möglich wäre, dem Widerstand einer Person zu begegnen (VwGH 18.05.2010, 2006/11/0086).

Das Anlegen von Handfesseln durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist gerade deshalb vorgesehen, um damit Menschen angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen.

Der Beschwerdeführer war blutüberströmt, verhielt sich aggressiv, fuchtelte mit den Händen und kam den Beamten derart nahe, so dass diese zu Recht von der Gefahr eines Angriffs ausgehen konnten – die Fesselung der Hände des Beschwerdeführers hinter dem Rücken war im gegenständlichen Fall jedenfalls geeignet, den Beschwerdeführer angriffs- und widerstandlos zu machen.

Erforderlich war diese Maßnahme, weil die einschreitenden Beamten zuvor bereits mehrfach versucht hatten, den Beschwerdeführer ohne das Anlegen von Handfesseln zur Abstellung des aggressiven Verhaltens zu bewegen. Erst als der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Abmahnung immer noch aggressiv agierte, den Beamten nahekam und diese zu Recht von der Gefahr eines körperlichen Angriffs ausgingen, wurde die Festnahme ausgesprochen und wurden ihm die Handfesseln hinter dem Körper angelegt.

Die Fesselung der Hände des Beschwerdeführers hinter dem Rücken stellte zum Zeitpunkt der Fesselung auch das gelindeste Mittel dar, um dem aggressiven Verhalten des Beschwerdeführers entgegenzuwirken zumal sich mehrfache verbal ausgesprochene Aufforderungen zur Abstellung des verwaltungsstrafrechtlich relevanten Verhaltens als wirkungslos erwiesen hatten.

Auf der PI Y wurden dem Beschwerdeführer dann – da dieser sich zwischenzeitlich beruhigt hatte – die Handfesseln sogleich abgenommen.

Das Anlegen der Handfesseln war im gegenständlichen Fall angemessen und stand aufgrund des äußerst aggressiven Auftretens des Beschwerdeführers für die Polizeibeamten in der vorliegenden Situation keine gelindere Handlungsalternative mehr zur Verfügung. Auch wurde die Fesselung beendet, sobald der Grund dafür – nämlich wiederum das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers – weggefallen war.

Zur Verbringung auf die PI Y und die dortige Anhaltung:

Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde auch seine Verbringung auf die PI Y und die dortige Anhaltung.

Eingangs ist hierzu festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auf der PI Y lediglich für wenige Minuten bis zu seiner Beruhigung angehalten worden ist (3.55 Uhr), wobei ihm bereits unmittelbar nach dem Eintreffen (3.50 Uhr) die Handfesseln abgenommen worden waren. Nachfolgend wurde um 3.58 Uhr über die Rettungsleitstelle die Erstversorgung des Beschwerdeführers veranlasst.

Zweck der Verbringung auf die PI Y und der dortigen Anhaltung war es, die Situation zu deeskalieren, den Beschwerdeführer zur Einstellung seines aggressiven Verhaltens zu bewegen, seine Verletzungen zu dokumentieren und ihn aufgrund dieser in ärztliche Behandlung zu übergeben.

Nachdem es den Beamten nicht möglich war, den Beschwerdeführer vor Ort zu beruhigen, die Situation zu deeskalieren und für ärztliche Hilfeleistung zu sorgen, waren die Verbringung auf die Polizeidienststelle und die dortige Anhaltung erforderlich.

Vor allem vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mehrfach beabsichtigte, in das Lokal „CC“ zurückzugehen, stellten die Verbringung in die neutralen Räumlichkeiten der PI Y und die dortige Anhaltung ein geeignetes Mittel dar, um deeskalierend auf den Beschwerdeführer einzuwirken, die Aggression aus dessen Verhalten zu nehmen und ihn dazu zu bewegen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Beide Maßnahmen erfolgten demnach auch im Interesse des Beschwerdeführers selbst, sollte doch einerseits zu dessen eigenem Schutz ein Zurückgehen desselben in die Diskothek „CC“ verhindert werden, sowie andererseits dessen Verletzungen für ein allfälliges strafgerichtliches Verfahren dokumentiert und für ärztliche Hilfe gesorgt werden.

Die Verbringung in die PI Y und die dortige Anhaltung durch RI LL und Insp MM sind also im Zuge der rechtmäßigen Festnahme erfolgt und entsprachen dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

Insgesamt ergibt sich daher, dass die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Festnahme;
Handfesseln;
Anhaltung;

Anmerkung

Mit Beschluss vom 24.11.2020, Z E 3186/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 04.08.2020, Z LVwG-2019/23/2577-21, erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 04.08.2020, Z LVwG-2019/23/2577-21, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 09.02.2021, Z Ra 2021/01/0023-5, zurück.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.23.2577.21

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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