Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/20/0607Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, in der Beschwerdesache des M in Graz, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, Glacisstraße 69,
1. über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Ergänzung der zur hg. Zl. 97/20/0225 protokollierten Beschwerde sowie
2. über die Beschwerde des M gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juni 1996, Zl. 4.349.403/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung,
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
II. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Zur Wiedereinsetzung:
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers wurde im wesentlichen damit begründet, mit Beschluß vom 10. Juli 1997 habe der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zur Behebung von Mängeln zurückgestellt, damit 1. der angefochtene Verwaltungsakt nach Datum und Geschäftszahl bezeichnet und
2. der Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung wiedergegeben werde. Die zurückgestellte Beschwerde sei auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde.
Mit Schriftsatz vom 6. Juni 1997 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen ergänzenden Schriftsatz verfaßt und darin die monierten Mängel behoben. Es sei jedoch von seiten der Kanzlei übersehen worden, daß zusätzlich zu diesem Ergänzungsschriftsatz auch die zurückgestellte Beschwerde wieder vorzulegen gewesen sei. Die bearbeitende Sekretärin sei davon ausgegangen, daß es sich bei den an den Beschwerdevertreter zurückgestellten Ausfertigungen der (Ur)Beschwerde um "Überreichungsrubriken" oder "zu viele Durchschläge" gehandelt habe. Der ergänzende Schriftsatz vom 6. Juni 1997 sei daher ohne die Ausfertigungen der Ur-Beschwerde wiederum abgefertigt worden, woran den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe. Auch sei dem bestellten Verfahrenshelfer bzw. dessen Sekretärin nur ein minimaler Grad des Versehens unterlaufen, weil der Beschwerdevertreter jeden Termin der Sekretärin genauestens überprüfe, jeden Schriftsatz genauestens korrigiere, es jedoch nahezu unmöglich sei, bei der Postabfertigung jedes Kuvert, bevor es zugeklebt werde, auf dessen Vollständigkeit durchzusehen. Bei der diesen Fall bearbeitenden Sekretärin, Sonja O., handle es sich um eine seit Jahren in Rechtsanwaltsdiensten stehende und fehlerfrei arbeitende Fachkraft, der ein Fehler dieser Art bis dato noch nicht passiert sei.
Dem Wiedereinsetzungsantrag waren sowohl eine eidesstättige Erklärung der Rechtsanwaltssekretärin Sonja O. als auch die erforderlichen Ausfertigungen der Ur-Beschwerde beigeschlossen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Versehen einer Kanzleiangestellten ist für einen Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Einhaltung der Frist zur Mängelbehebung verhindert, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Eine Verletzung dieser Überwachungspflicht durch ein Organisationsverschulden liegt dann nicht vor, wenn sich der Fehler nach Übergabe der versandfertig gemachten Poststücke an die Kanzleileiterin und vor deren tatsächlicher Expedierung ereignet.
Gemäß § 46 VwGG war dem Wiedereinsetzungsantrag daher stattzugeben.
II.
Zur Beschwerde:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste am 15. Mai 1996 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. Mai 1996 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 22. Mai 1996 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er an, er gehöre der Bevölkerungsgruppe der Bethe in Bong County an, nicht jedoch einer politischen oder sonstigen Partei. Er habe Liberia verlassen, weil er gezwungen worden sei, im Krieg zu kämpfen. Er hätte für Johnson kämpfen sollen. An Details könne er sich nicht mehr erinnern, insbesondere wann das gewesen sei. Er sei "zu jung" gewesen und habe sich geweigert, am Krieg teilzunehmen. Die Anhänger des Johnson seien in die Wohnung seines Vaters gekommen, um ihn zu rekrutieren. Trotz Widerstandes habe man ihn mit Gewalt mitgenommen und in eine Art Gefängnis gebracht, in dem er geschlagen worden sei. Dann seien Amerikaner gekommen und es sei ihm gelungen, wegzulaufen und mit dem Flugzeug außer Landes zu gelangen. Das Gefängnis habe sich in der Stadt Gbarnga befunden. Er könne nicht sagen, wie lange er sich in diesem Gefängnis aufgehalten habe, "vielleicht einige Wochen". Die Flucht sei ihm geglückt, weil es ihm in der Nacht bei einem Training gelungen sei, sich hinauszuschleichen. Am Morgen sei dann das Flugzeug gekommen.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 23. Mai 1996 den Asylantrag mit der Begründung ab, daß die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Fluchtweg nicht glaubwürdig seien und er überdies vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen sei.
In seiner dagegen gerichteten Berufung verwies der Beschwerdeführer auf die anläßlich seiner Ersteinvernahme gemachten Aussagen, trug jedoch keinen von diesen abweichenden Sachverhalt vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
In der Begründung dieses Bescheides verwies sie zunächst darauf, die Behörde erster Instanz habe das Vorbringen des Beschwerdeführers - als Sachverhaltsgrundlage ihres Bescheides - vollständig wiedergegeben. Die belangte Behörde übernahm diese Darstellung sowie auch die Erwägungen des Bundesasylamtes zur Beweiswürdigung und die "einschlägigen Ausführungen" des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides. Ergänzend dazu führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Unglaubwürdigkeit seiner Angaben sei es sohin dem Beschwerdeführer nicht gelungen, seine Flüchtlingseigenschaft glaubhaft zu machen, sodaß ihm folglich auch kein Asyl habe gewährt werden können. Doch selbst wenn man davon ausgehen hätte können, daß er tatsächlich im Zuge der Bürgerkriegswirrnisse zwangsrekrutiert worden sei, wäre dieser Umstand nicht geeignet gewesen, seine Flüchtlingseigenschaft zu begründen, da die Rekrutierung in keinem Zusammenhang mit rassischen, religiösen, nationalen oder politischen Gründen gestanden sei. Überdies hätten sich diese Vorfälle bereits zu einem nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt ereignet, sodaß daraus geschlossen werden könne, daß die von ihm behauptete Zwangsrekrutierung zu seiner Ausreise in keinem zeitlichen Naheverhältnis mehr gestanden sei. Im übrigen indiziere die Bürgerkriegssituation in seinem Heimatland für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht aber die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Asylwerber angehöre, und anderen Gruppen im Heimatstaat gebe. Im übrigen nahm auch die belangte Behörde Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 in Slowenien an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Da der Beschwerdeführer in der Berufung keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens geltend gemacht hat und weder eine solche noch ein anderer Grund für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens aus der Aktenlage ersichtlich ist, hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung zutreffend gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nur das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde gelegt. Daß die belangte Behörde berechtigt ist, auch im Rahmen ihrer Begründung auf die Gründe des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides zu verweisen, wurde bereits mehrfach in hg. Erkenntnissen dargelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, und die daran anschließende Judikatur). Konkrete Mängel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz macht die sich in allgemeinen Formulierungen erschöpfende Beschwerde nicht geltend. In der Beschwerde werden die Erwägungen zur Beweiswürdigung auch nicht mehr bekämpft. Die belangte Behörde ist (wie die Behörde erster Instanz) primär von der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen, der die von ihm behaupteten Fluchtgründe somit nicht hat glaubhaft machen können. Damit erweist sich aber auch die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung als zutreffend, die Voraussetzungen für eine Asylgewährung wären damit nicht gegeben.
Aber auch die von der belangten Behörde eventualiter ergänzte hypothetische rechtliche Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen erweist sich als zutreffend, da er keinen Zusammenhang zwischen der von ihm behaupteten Gefahr einer Verfolgung durch eine der Bürgerkriegsparteien seines Landes und einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Gründe hergestellt hat. In dem Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (vgl. u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0235, und die dort wiedergegebene Judikatur). Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den von der belangten Behörde zur weiteren Begründung herangezogenen, in der Beschwerde nicht aufgegriffenen Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 einzugehen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997200477.X00Im RIS seit
03.04.2001