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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, in der Beschwerdesache des M in Bruck an der Mur, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, Mittergasse 11, wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdefrist, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juni 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, ihm Asyl zu gewähren, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 2. Juli 1997 zugestellt. Mit einem am 16. Oktober 1997 eingelangten Schriftsatz vom 15. Oktober 1997 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der "Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe" zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juni 1997, Zl. 4.346.017/1-III/13/95, und begründete diesen Antrag damit, sein Rechtsvertreter Mag. Leopold Zechner sei seit 1. Februar 1997 als Rechtsanwalt tätig. Es bestehe aufgrund einer getroffenen Vereinbarung eine ständige Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Bajc/Dr. Zach in Bruck, Mittergasse 28. Aufgrund dieser Vereinbarung werde der Antragstellervertreter als ständiger Substitut für oben bezeichnete Rechtsanwaltskanzlei tätig, die auch sämtliche Betriebsmittel für den Antragsteller-Vertreter zur Verfügung stelle. Unter anderem würden Fristen, die den Antragsteller-Vertreter beträfen, im Kalender der Rechtsanwaltskanzlei Bajc/Zach registriert bzw. vorgemerkt, die Mitarbeiter und die Kanzleiräumlichkeiten beigestellt. Der Antragsteller-Vertreter beschäftige selbst noch keine eigenen Kanzleikräfte, sondern es würden ihm üblicherweise wöchentlich wechselnd Kanzleikräfte der Rechtsanwaltskanzlei
Dr. Bajc/Dr. Zach zugeteilt. Bei einer dieser Kanzleikräfte handle es sich um Renate E. Diese habe auch den Aktenvermerk vom 23. Juli 1997 mit der Lebensgefährtin des Asylwerbers aufgenommen. Renate E. sei seit 1. April 1997 für die Rechtsanwälte Dr. Bajc/Dr. Zach tätig und sei am Beginn ihrer Tätigkeit eingeschult worden, insbesondere im Fristen- und Kostenwesen. Dabei sei ihr ausdrücklich erklärt worden, welche Bedeutung die Vormerkung von Fristen, Terminen etc. im Kanzleikalender habe und welche Folgen das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Vormerkung nach sich ziehe. Im gegenständlichen Falle sei jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen die ordnungsgemäße Erfassung der gegenständlichen Frist trotz ausdrücklichen Diktates und Übertragung in den Aktenvermerk vom 25. Juli 1997 unterblieben, weil es Renate E. unterlassen habe, diesen Akt zum Kanzleikalender zu legen und die Frist selbst vorzumerken bzw. in weiterer Folge die Vormerkung überprüfen zu lassen. Die näheren Vorgänge seien nicht mehr erklärlich, sie habe jedoch bereits vorher zahlreiche Fristen bzw. Termine in der geschilderten Art und Weise erfaßt, wobei ihr niemals ein Fehler unterlaufen sei. Den Antragstellervertreter selbst treffe "offensichtlich" kein Verschulden am Unterlassen der ordnungsgemäßen Vormerkung der Frist zur Stellung des Verfahrenshilfeantrages und sei ein allfälliges Verschulden der Kanzleimitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Bajc/Dr. Zach als minderes Versehen im Sinn des § 46 VwGG einzustufen. Der Antragsteller-Vertreter sei lediglich mit der Einräumung der Verfahrenshilfe beauftragt worden, wobei es sich um einen "äußerst einfachen und routinemäßigen Vorgang" handle, der "mit keinem besonderen Erinnerungswert oder einer besonderen Problematik verbunden" sei. Anläßlich einer routinemäßigen Überprüfung des Aktes am 1. Oktober 1997 sei das gegenständliche Versehen aufgefallen. Unter einem holte der Antragsteller die versäumte Handlung insoweit nach, als er beantragte, "ihm die Verfahrenshilfe gemäß § 61 VwGG (§§ 63 ff ZPO) einzuräumen" und legte zum Nachweis für die derzeitigen Einkommensverhältnisse des Asylwerbers einen Bescheid der BH Bruck an der Mur vom 24. Juni 1997 in Kopie vor, nicht jedoch ein Vermögensbekenntnis.
Das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers wurde durch die eidstättige Erklärung der Renate E. glaubhaft gemacht.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei über Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn ihr durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß Abs. 3 zweiter Satz leg. cit ist die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. auch hg. Beschluß vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0163, mit den dortigen Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
Als ein solches unvorhergesehenes Ereignis hat der Antragsteller ein Versehen jener Kanzleibediensteten geltend gemacht, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses im Rahmen ihrer Arbeitsleistung für die Kanzleigemeinschaft Dr. Bajc/Dr. Zach auch Akten für den Antragsteller-Vertreter zur erledigen hatte. Das Verschulden einer geeigneten und ordentlich überwachten Angestellten eines Rechtsanwaltes stellt in der Regel einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. dazu hg. Beschluß vom 16. Juni 1994, Zlen. 94/19/1051, 1052). Allerdings kann ein solches fehlerhaftes Verhalten die Wiedereinsetzung dann nicht rechtfertigen, wenn der Rechtsanwalt (Rechtsvertreter des Asylwerbers) keine zur Vermeidung derartiger Fehlleistungen geeigneten organisatorischen Maßnahmen getroffen hat. Wird daher als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleibediensteten geltend gemacht, so ist durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzulegen, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, daß es dazu trotz einer entsprechend eingerichteten Organisation des Kanzleibetriebes gekommen ist - also ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. hg. Beschluß vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0174). Dem vorliegenden Antrag fehlen nicht nur Ausführungen in dieser Hinsicht völlig, im Gegenteil, es ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung im Wiedereinsetzungsantrag, daß aufgrund der von einer anderen Rechtsanwaltsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Infrastruktur offenkundig auch die Kontrollmechanismen durch den Vertreter des Asylwerbers selbst (und nicht bloß der mit ihm vertraglich verknüpften Rechtsanwaltsgemeinschaft) völlig ungenügend waren.
Aus all diesen Gründen war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 26 VwGG nicht stattzugeben. Bei diesem Ergebnis konnte von einer Verbesserung des mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung nachgeholten Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Anschluß eines vom Asylwerber unterfertigten Vermögensbekenntnisses abgesehen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997200628.X00Im RIS seit
20.11.2000