TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/7 W244 2200358-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2020
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Entscheidungsdatum

07.04.2020

Norm

BDG 1979 §45
BDG 1979 §69
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W244 2200358-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Josef MILCHRAM, Dr. Anton EHM und Mag. Thomas MÖDLAGL, gegen den Bescheid des Leiters des Personalamtes Wien der Österreichischen Post AG vom 25.05.2018, Zl. 300079/18, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheids mit der Maßgabe bestätigt, dass er zu lauten hat:

"Ihr Antrag vom 29.12.2017 auf Fristerstreckung für den Verfall von 56 Stunden Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015 wird mangels Eintritt eines Verfalls gemäß §§ 69 Abs. 3 iVm 45 Abs. 1a BDG 1979 idF BGBl. I 112/2019 als unbegründet abgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 29.12.2017 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer "Fristerstreckung hinsichtlich des Verfalls [s]eines Urlaubs aus dem Jahr 2015" im Ausmaß von 56 Stunden.

Mit Bescheid des Leiters des Personalamtes Wien der Österreichischen Post AG vom 25.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine rechtfertigenden Gründe erkennbar gewesen seien, die noch nicht verbrauchten 56 Urlaubsstunden aus dem Jahr 2015 über die gesetzliche Verfallsfrist hinaus zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt am 05.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte durch die erkennende Richterin am 28.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Sachverhalt und die Rechtsfrage in Anwesenheit eines Behördenvertreters und des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers erörtert wurden. Der Beschwerdeführer erschien nicht persönlich zur mündlichen Verhandlung.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte die mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

Die belangte Behörde beantragte am 03.02.2020 die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist gemäß § 17 PTSG der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen.

Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 22.09.2015 bis 21.10.2016 nicht zum Dienst zugelassen. In der Zeit von 22.10.2016 bis 15.11.2016 befand sich der Beschwerdeführer im Krankenstand. In der Zeit von 16.11.2016 bis 28.01.2018 war der Beschwerdeführer nicht zum Dienst zugelassen. Ab 29.01.2018 versah der Beschwerdeführer wieder Dienst.

Mit Schreiben vom 29.12.2017 beantragte der Beschwerdeführer eine Fristerstreckung für den Verfall von 56 Stunden Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015.

Der Vorgesetzte des Beschwerdeführers wirkte nicht rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich auf die Inanspruchnahme der hier in Rede stehenden 56 Stunden Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015 durch den Beschwerdeführer hin.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen in Übereinstimmung mit den Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung und sind insoweit unstrittig: Der Behördenvertreter gab in der mündlichen Verhandlung explizit an, dass ihm "nicht bekannt [wäre], dass die Behörde aktiv auf den BF zugegangen wäre" (s. S. 3 des Verhandlungsprotokolls). Auch im Übrigen bestätigten die Parteien in der mündlichen Verhandlung die oben getroffenen Feststellungen ausdrücklich (s. S. 3 des Verhandlungsprotokolls).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen; es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des Spruchs des angefochtenen Bescheids mit einer Maßgabe:

3.1.1. Die hier maßgebliche Rechtslage lautet wie folgt:

3.1.1.1. Mit der 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 112/2019, wurden §§ 45 und 69 BDG 1979 wie folgt neu gefasst:

"Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters

§ 45. (1) ...

(1a) Die oder der Vorgesetzte hat im Falle eines drohenden Verfalls des Erholungsurlaubes gemäß § 69 oder eines absehbaren Ausscheidens einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters aus dem Dienststand oder aus dem Dienstverhältnis rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich darauf hinzuwirken, dass ihre oder seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen.

(2) - (4) ..."

"Verfall des Erholungsurlaubes

§ 69. (1) Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt, wenn die Beamtin oder der Beamte den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen, einem der Gründe des § 51 Abs. 2 erster Satz oder aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres ein.

(2) Wurde eine Karenz nach dem MSchG oder VKG in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz hinausgeschoben.

(3) Der Verfall tritt nicht ein, wenn es die oder der Vorgesetzte unterlassen hat, entsprechend dem § 45 Abs. 1a rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes durch die jeweilige Beamtin oder den jeweiligen Beamten hinzuwirken."

3.1.1.2. Die Materialien zur 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 112/2019, IA 46A 27. GP, 15 f, enthalten dazu folgende Erläuterungen:

"Zu Art. 1 Z 5 und 6 (§ 45 Abs. 1 und 1a):

Am 6. November 2018 führte der Europäische Gerichtshof in den Urteilen zu den Rs. C-619/16 und C-684/16 aus, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer die ihr oder ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und den entsprechenden Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub nicht allein schon deshalb verlieren darf, weil sie oder er vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verlust des Anspruchs automatisch und ohne vorherige Prüfung erfolgt, ob sie oder er vom Arbeitgeber z.B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen.

Der Europäische Gerichtshof hielt außerdem fest, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, ihren oder seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er sie oder ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun. Damit sichergestellt ist, dass der Urlaub der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, hat der Arbeitgeber rechtzeitig und unmissverständlich mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn sie oder er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraumes oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes verfallen wird (Rz 45 des Urteils C-619/16).

Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber (Rz 46 des Urteils C-619/16). Zwar normierte § 45 Abs. 1 BDG 1979 in der bisherigen Fassung (sowie Verweise auf diesen in Bestimmungen besonderer Dienstrechte, z.B. § 206 RStDG) bereits jetzt schon im Rahmen einer Fürsorgepflicht die ausdrückliche Dienstpflicht der oder des Vorgesetzten, darauf hinzuwirken, dass ihre oder seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen.

In Anbetracht der aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs erscheinen jedoch Klarstellungen erforderlich, die vor allem die Bestimmungen zum Urlaubsverbrauch und -verfall verfahrensrechtlich, insbesondere hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Hinweises auf den Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub oder im Falle des absehbaren Ausscheidens der Beamtin oder des Beamten aus dem Dienststand oder aus dem Dienstverhältnis auf den Verfall des Anspruchs auf die Urlaubsersatzleistung sowie dessen Nachweisbarkeit näher determinieren.

Da den Dienstgeber eine Beweislast trifft, ist er durch die aktuelle Judikatur des Europäischen Gerichtshofs aufgefordert, Verfahren vorzusehen, die ein nachweisliches Hinwirken auf den Urlaubsverbrauch dokumentieren, sei es z.B. durch Aktenvermerke, entsprechende Formulare zur Vorlage an die oder den Bediensteten oder andere geeignete Arten einer nachweisbaren Dokumentation. Dies umfasst die Aufforderung, den Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen und auch die tatsächliche, faktische Möglichkeit der Inanspruchnahme. In diesem Zusammenhang ist die oder der Bedienstete über die ansonsten drohende Konsequenz des Verfalls des Anspruchs auf Erholungsurlaub bzw. auf Urlaubsersatzleistung aufzuklären.

Zu Art. 1 Z 7 (§ 69 samt Überschrift):

Entsprechend der Judikatur des EuGH in den Rs. C-619/16 und C-684/16 tritt ein Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub gem. § 69 Abs. 3 nunmehr nur für jenen Teil des Erholungsurlaubes ein, der trotz rechtzeitigem, unmissverständlichem und nachweislichem Hinwirken durch die Vorgesetzte oder den Vorgesetzten nicht verbraucht wurde.

Die Rechtzeitigkeit der Aufforderung im Sinne des § 45 Abs. 1a wird in der Praxis vom jeweiligen Einzelfall und dem bestehenden Urlaubskontingent abhängen. Jedenfalls muss der Hinweis auf den drohenden Verfall so rechtzeitig erfolgen, dass unter Berücksichtigung der Einteilungen in den Dienstplänen und unter Bedachtnahme auf allfällige Abwesenheiten der Verbrauch der Urlaubskontingente zeitlich und organisatorisch noch im jeweils aktuellen Kalenderjahr möglich ist, ohne dass die Urlaubskontingente gemäß § 69 Abs. 1 mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres gekappt werden würden."

3.1.1.3. Gemäß § 284 Abs. 104 BDG 1979 treten §§ 45 und 69 leg.cit. idF BGBl. I 112/2019 mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

3.1.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:

Vorauszuschicken ist, dass das erkennende Gericht davon ausgeht, dass angesichts der Inkrafttretensbestimmung des § 284 Abs. 104 BDG 1979 die §§ 45 und 69 leg.cit. idF BGBl. I 112/2019 auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind: Es ist nicht erkennbar ist, dass - insbesondere angesichts der Materialien zur 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 112/2019, IA 46A 27. GP, 15 f, die vor dem Hintergrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes von einer bloßen Klarstellung der Rechtslage ausgehen - diese Bestimmungen in der novellierten Fassung nicht auch auf in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte anzuwenden wären.

Die mündliche Verhandlung hat im vorliegenden Fall klar ergeben, dass der Vorgesetzte des Beschwerdeführers nicht rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich darauf hingewirkt hat, dass der Beschwerdeführer die hier gegenständlichen 56 Stunden Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015 in Anspruch nimmt. Aufgrund der oben dargelegten klaren Rechtslage ist daher insoweit kein Verfall eingetreten.

Da kein Verfall des Urlaubsanspruchs eingetreten ist, war auch ein Antrag auf "Fristerstreckung" - allerdings mit vom angefochtenen Bescheid abweichender Begründung - abzuweisen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §§ 69 Abs. 3 und 45 Abs. 1a BDG 1979 idF der 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 112/2019, fehlt.

Schlagworte

Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses Beschwer Fristerstreckungsantrag Klaglosstellung Mitwirkungspflicht mündliche Verhandlung mündliche Verkündung Postbeamter Verfall des Erholungurlaubs Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W244.2200358.1.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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