Entscheidungsdatum
16.04.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W278 2229119-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (infolge: BF) stellte am 03.12.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG und gab dabei an, er besitze keinen ausländischen Reisepass und habe seinen in Österreich ausgestellten Fremdenpass verloren.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.12.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) dem BF mit, dass aus dem aufliegenden Verwaltungsakt nicht hervorgehe, dass er aktuell nicht in der Lage sei, ein gültiges Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen und er im Zuge der Antragstellung keine Begründung angegeben habe, warum er kein Reisedokument seines Herkunftsstaates erlangen könne. Dazu räumte das BFA dem BF die Möglichkeit einen, binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Der BF ließ die Stellungnahmefrist ungenutzt verstreichen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dem BF sei mit Schreiben vom 09.12.2019 die Möglichkeit eingeräumt worden, Gründe zu nennen, die der Erlangung eines afghanischen Reisedokuments entgegenstehen würden. Dem BF sei das Schreiben zwar nachweislich zugestellt worden, doch habe er die gewährte zweiwöchige Frist ungenutzt verstreichen lassen und habe sohin keinerlei Gründe vorgebracht, weshalb es ihm unmöglich sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 10.02.2020 (beim BFA eingelangt am 11.02.2020) Beschwerde und brachte vor, er habe am 21.01.2020 bei der afghanischen Botschaft vorgesprochen, diese stelle aber keine Bestätigungen mehr aus, weil es Missbrauchsfälle gegeben habe und sei auch der Erhalt einer Zeitbestätigung nicht möglich gewesen. Der BF sei bereits in der Vergangenheit im Besitz eines Fremdenpasses gewesen und habe bei der erstmaligen Antragstellung eine Bestätigung über die Nichtausstellung eines Reisepasses vorgelegt. Er besitze keine Tazkira und sei die Ausstellung einer solchen mangels Verwandter in Afghanistan, die bereit wären für ihn eine zu beantragen, nicht möglich. Zudem missachte die Behörde Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC, weil die Ausstellung eines Fremdenpasses die einzige Möglichkeit darstelle, seine Familienangehörigen in Deutschland und im Iran zu besuchen.
Am 18.02.2020 legte der BF dem BFA zwei Zugtickets für die Strecke von Salzburg nach Wien und zurück sowie ein 24-Stunden-Ticket der Wiener Linien im Original vor.
Mit Beschwerdevorlage vom 25.02.2020 (beim Bundesverwaltungsgericht - infolge: BVwG - eingelangt am 02.03.2020) führte das BFA aus, es sei zwar bekannt, dass die afghanische Botschaft keine Bestätigungen über die nicht erfolgte Ausstellung eines Reisepasses mehr ausstelle, was auch nicht gefordert worden sei. Das BFA habe lediglich eine Begründung verlangt, weshalb der Erhalt des Reisedokuments nicht möglich sei. Die vom BF im Vorverfahren vorgelegte Bestätigung stamme aus dem Jahr 2015, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Inhalt noch aktuell sei. Nicht bekannt sei dem BFA, dass die afghanische Botschaft auch keine Zeitbestätigungen mehr ausstelle, weil solche in anderen Verfahren bisher mehrfach vorgelegt worden seien, weshalb ein solcher Zeitnachweis dem Akt geschwärzt beigelegt werde. Soweit der BF vorgebracht habe, er habe am 21.01.2020 (also eine Woche nach Bescheiderlassung) bei der afghanischen Botschaft vorgesprochen, würden die vorgelegten Zugtickets mit völlig anderen Daten (09.02.2020 für die Strecke Salzburg-Wien bzw. 11.02.2020 für die Strecke Wien-Salzburg) darauf hindeuten, dass er nicht bei der Botschaft vorgesprochen habe bzw. die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses nicht beantragt habe.
2. Feststellungen:
Der BF heißt XXXX , ist am XXXX geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Ihm wurde in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Am 03.12.2019 beantragte der BF die Ausstellung eines Fremdenpasses und begründete dies damit, dass er keinen ausländischen Reisepass besitzt und den in Österreich ausgestellten Fremdenpass verloren hat. Eine Begründung, weshalb es ihm nicht möglich ist, ein afghanisches Reisedokument zu erlangen, unterließ der BF.
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.12.2019 setzte das BFA den BF von der unterbliebenen Begründung im Zusammenhang mit dem Erhalt eines Reisedokuments seines Herkunftsstaates in Kenntnis und gewährte ihm eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme. Das Schreiben wurde dem BF am 12.12.2019 ordnungsgemäß zugestellt. Der BF ließ die eingeräumte Frist ungenutzt verstreichen.
Mit Bescheid vom 14.01.2020 wies das BFA den Antrag des BF im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass er keine Gründe nannte, die dem Erhalt eines afghanischen Reisedokuments entgegenstehen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 10.02.2020 führte der BF aus, dass er am 21.01.2020 bei der afghanischen Botschaft vorsprach. Einen Nachweis darüber legte der BF nicht vor.
Am 18.02.2020 legte der BF dem BFA ein Zugticket für die Strecke von Salzburg nach Wien, datiert mit 09.02.2020, ein Zugticket für die Strecke von Wien nach Salzburg, datiert mit 11.02.2020, sowie ein 24-Stunden-Ticket der Wiener Linien vor.
3. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des BF, seiner Staatsangehörigkeit und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die Begründung seines Antrags ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Antrag vom 03.12.2019 (vgl. AS 1 ff).
Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und dessen ordnungsgemäße Zustellung beruhen auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Schreiben vom 09.12.2019 (vgl. AS 9 ff) sowie dem diesbezüglichen Zustellnachweis (vgl. AS 11), aus dem ersichtlich ist, dass die Zustellung nach einem erfolglosen Zustellversuch am 11.12.2019 durch Hinterlegung erfolgte.
Die Tatsache, dass der BF nicht begründete, weshalb ihm die Erlangung eines afghanischen Reisedokuments nicht möglich ist, ergibt sich einerseits aus dem unausgefüllt gebliebenen Unterpunkt im Antragsformular vom 03.12.2019 (vgl. AS 2), andererseits aus dem Umstand, dass der BF trotz Aufforderung zur Stellungnahme und Einräumung einer entsprechenden Frist nicht reagierte.
Das Datum der Bescheiderlassung und die Begründung der Entscheidung gehen direkt aus dem Bescheid hervor (vgl. AS 13 ff, insbesondere AS 15, 16).
Die Feststellungen zu den vorgelegten Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel ergeben sich aus der Übernahmebestätigung des BFA vom 18.02.2020 (vgl. AS 43) sowie den im Akt erliegenden Originaltickets.
In der Beschwerdeschrift vom 10.02.2020 (vgl. AS 31 ff, insbesondere AS 32, 33) begründete der BF, dass weder der Erhalt einer Zeitbestätigung noch eines Nachweises über die Nichtausstellung eines afghanischen Reisepasses möglich war, weil die afghanische Botschaft infolge angeblicher Missbrauchsfälle hinsichtlich nicht afghanischer Staatsangehöriger keine Bestätigungen mehr ausstellt. Weiters führte der BF aus, ihm ist es deshalb nicht möglich, einen afghanischen Reisepass zu erhalten, weil er keine Original-Tazkira vorlegen kann und keine männlichen Verwandten in Afghanistan hat, die bereit sind, für ihn eine zu beantragen. Schließlich schilderte der BF, dass er bei der erstmaligen Beantragung eines Fremdenpasses eine Bestätigung über die Nichtausstellung des afghanischen Reisepasses vorlegte und sich daran bislang nichts änderte.
Der BF ist den von der Behörde im Bescheid getroffenen Feststellungen in seiner Beschwerde somit nicht substantiiert entgegengetreten und wurde sein in der Beschwerde erstattetes ergänzendes Vorbringen sowie der Inhalt der nach Einbringung der Beschwerde vorgelegten Unterlagen dem festgestellten Sachverhalt zur Gänze zugrunde gelegt.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
4.1. Zur Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses:
Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG 2005 sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag Fremdenpässe auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I 2009/122, Z 73 und 74 (§ 88 Abs. 2 und 2a) wird wie folgt ausgeführt:
"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."
Subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 88 FPG Anmerkung 2, Stand 01.01.2015, rdb.at).
Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab (VwGH 19.11.2003, Zl. 2003/21/0053; mit Hinweis auf E 31.03.2000, Zl. 98/18/0316, sowie zum FrG 1993 E 27.03.1998, Zl. 97/21/0295). Aus den einzelnen Tatbeständen des § 88 FPG ergibt sich, dass nur Fremden, die kein gültiges Reisedokument besitzen, unter den in dieser Gesetzesbestimmung angeführten weiteren Voraussetzungen ein Fremdenpass ausgestellt werden kann (vgl. dazu auch das Erk. des VwGH vom 13.10.2005 zu Zl. 2002/18/0260 noch betreffend § 76 FrG 1997).
Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert freilich die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. Ausgehend davon trifft daher grundsätzlich die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden. Die Pflicht zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes kann jedoch dort eine Grenze finden, wo eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr (allenfalls nach Rechtsbelehrung unter Setzung einer angemessenen Frist) gebotenen Möglichkeit unterlässt. So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit einer Partei zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ("Mitwirkungspflicht") enthebt die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, ebenso wenig wie ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie ihrer Begründungspflicht (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz 86-88 mit Verweis auf VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021).
Im gegenständlichen Fall unterblieb bei der Antragstellung jegliche Begründung, weshalb es dem BF nicht möglich ist, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen, sodass sich das BFA kein ausreichendes Bild über den relevanten Sachverhalt machen konnte. Der BF wurde daher mit Verständigung von der Beweisaufnahme vom 09.12.2019 von der unterbliebenen Begründung in Kenntnis gesetzt und im Rahmen seiner Obliegenheit zur Mitwirkung zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und ihm dazu eine zweiwöchige Frist gewährt. Dem kam der BF nicht nach.
Da der BF sohin nicht nachvollziehbar darlegte, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses für ihn erforderlich ist, weil es ihm nicht möglich ist, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen und er aufgrund der unterbliebenen Stellungnahme die ihm zumutbare Mitwirkung im Verfahren unterlassen hat, ist das BFA in Würdigung dieser Umstände zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG nicht erfüllt sind.
Soweit der BF in der Beschwerde - ergänzend zum bereits im verfahrensgegenständlichen Antrag vorgebrachten Verlust seines Fremdenpasses - ausführt, er sei schon vorher im Besitz eines Fremdenpasses gewesen, habe im vorangegangenen Verfahren einen Nachweis über die Nichtausstellung des afghanischen Reisepasses vorgelegt und habe sich der Sachverhalt seither nicht geändert, ist dem entgegenzuhalten, dass aus der bisher vorgenommenen Ausstellung eines Fremdenpasses kein Rechtsanspruch auf eine Stattgebung weiterer Anträge abgeleitet werden kann. Vielmehr ist aus Anlass eines jeden Antrags von neuem zu prüfen, ob die im Gesetz normierten Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses gegeben sind (vgl. VwGH 19.03.2013, 2011/21/0242).
Zudem führte der BF in der Beschwerde ergänzend aus, er besitze die für die Beschaffung des afghanischen Reisedokuments erforderliche Original-Tazkira nicht und eine Neuausstellung sei - mangels Verwandter in Afghanistan, die bereit wären, für ihn eine solche zu beantragen - nicht möglich. Da dem BF dies schon vor der erstinstanzlichen Entscheidung bekannt war, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, die er nicht nützte und er auch keinerlei Gründe vorbrachte, wonach ihm ein früheres Vorbringen nicht möglich gewesen wäre, verstößt der BF damit gegen das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot. Eine entsprechende Auseinandersetzung konnte daher unterbleiben.
Außerdem verwies der BF in seiner Beschwerde darauf, dass er am 21.01.2020 - sohin erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - bei der afghanischen Botschaft vorgesprochen habe und legte dem BFA zum Beweis dafür am 18.02.2020 zwei Zugtickets für die Strecke von Salzburg nach Wien und wieder zurück, datiert mit 09.02.2020 sowie 11.02.2020, vor.
Dazu ist auszuführen, dass die Schilderungen des BF völlig unsubstantiiert sind, weil das in der Beschwerde behauptete Datum der Vorsprache bei der afghanischen Botschaft nicht mit den auf den vorgelegten Zugtickets enthaltenen Daten übereinstimmt.
Soweit der BF die Notwendigkeit der Ausstellung eines Fremdenpasses in der Beschwerde schließlich auf Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC stützt, weil dies die einzige Möglichkeit darstelle, seine Familienangehörigen in Deutschland und im Iran zu besuchen, ist festzuhalten, dass der BF seit längerer Zeit von seiner Familie getrennt lebt. Dem BF ist für die Dauer des Verfahrens zur Erlangung eines Reisdokumentes eine mittelfristige weitere Verlängerung dieser Trennung zumutbar, zumal es dem BF jederzeit freisteht, erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses zu stellen. Der BF hat weder dargelegt, dass es ihm während dieser Zeit nicht möglich wäre, den Kontakt mit seiner Familie in der auch bisher von Österreich aus geführten Form fortzuführen, noch, dass es eine unmittelbare Notwendigkeit für ihn gäbe, unmittelbar seine Familie in Deutschland oder im Iran zu besuchen. Durch die Verweigerung der Ausstellung des Reisepasses wird somit nicht in unzulässiger Weise in besonders durch Art. 8 EMRK/Art. 7 GRC geschützte Rechte eingegriffen.
Die Beschwerde gegen die Nichtausstellung eines Fremdenpasses ist daher als unbegründet abzuweisen.
4.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. Cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt, und einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, (2010, C 83/02) entgegensteht.
Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person das Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Nach Art. 25 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, steht im Einklang mit Art. 47. Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.
Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt der belangten Behörde die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Entfall einer mündlichen Beschwerdeverhandlung ausgesprochen, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind (siehe jüngst VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0090):
"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0410, mwN)."
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes und vollständiges Ermittlungsverfahren vorausgegangen und wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, sein Vorbringen näher auszuführen und etwaige bestehende Unterlagen oder Beweismittel vorzulegen. Das völlig unsubstantiierte Vorbringen zur Vorsprache bei der afghanischen Botschaft konnte ebenso außer Betracht bleiben, wie die Ausführungen zur fehlenden Original-Tazkira, die - wie bereits erwähnt (vgl. Punkt 4.1.) - gegen das Neuerungsverbot verstoßen. Der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist daher unzweifelhaft aus dem Akteninhalt nachvollziehbar und wurde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. Das BVwG gelangt - wie aufgezeigt - zu denselben Feststellungen wie die Behörde und teilt deren tragende Erwägungen in der Beweiswürdigung. Der BF ist weder den Feststellungen noch der Beweiswürdigung der Behörde substantiiert entgegengetreten.
Der angefochtene Bescheid wurde am 14.01.2019 erlassen. Dem BF wurde zuvor Gelegenheit gegeben, sein Vorbringen zu konkretisieren, wovon er keinen Gebrauch machte. Der Sachverhalt weist daher nach wie vor die gebotene Aktualität auf.
Da der Sachverhalt somit anhand der Aktenlage geklärt erscheint und der BF in der Beschwerde nicht darlegte, zu welchen Umständen noch Einvernahmen notwendig wären, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil es sich bei der Klärung der Frage, ob eine Partei nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Herkunftsstaates zu verschaffen, um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt, sodass die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0052). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen sowohl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fremdenpass Mitwirkungspflicht Reisedokument VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2229119.1.00Im RIS seit
11.09.2020Zuletzt aktualisiert am
11.09.2020