TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/21 W204 2133966-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.2020
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Entscheidungsdatum

21.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W204 2133966-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther Schneider über die Beschwerde des XXXX H XXXX , geb. XXXX 1998 , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2018, Zl. 1072077401/181098798, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und III. bis VI. wird stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und dem BF in Stattgebung seines Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine auf zwei Jahre ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.08.2016, Zl. 1072077401/150613862, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Dieser Bescheid wurde nach Erhebung einer Beschwerde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2017 zu W191 2133966-1/5E behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

I.2. Nach dem ergänzenden Ermittlungsverfahren wurde der Antrag des BF mit Bescheid vom 08.06.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Der BF erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, die hinsichtlich des Status des Asylberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2017 zu W191 2133966-2/10E als unbegründet abgewiesen wurde. Der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz Ghazni lasse eine Rückkehr nicht zu. Da der BF in Pakistan aufgewachsen sei und keine Kenntnis der Gegebenheiten, Örtlichkeiten und Lebensgewohnheiten in seiner Heimatprovinz habe, liefe er auch im Rest Afghanistans Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.

I.3. Am 10.09.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, weil die Gründe die zur Zuerkennung geführt hätten, sich nicht geändert hätten.

I.4. Am 16.11.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen und zu seiner Situation in Österreich und zu einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan befragt. Der BF führte dazu aus, dass ihm eine Rückkehr nicht möglich sei, weil in Afghanistan, insbesondere in seiner Heimatprovinz, Krieg herrsche und er keinen familiären Anschluss in den Städten Afghanistans habe.

I.5. Mit Bescheid vom 20.11.2018, dem BF am 26.11.2018 zugestellt, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, die subjektive Lage des BF habe sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geändert. Insbesondere stünden dem BF nunmehr Herat und Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative offen.

I.6. Mit Verfahrensordnung vom 20.11.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.7. Mit Schreiben vom 11.12.20118 erhob der BF durch den im Spruch genannten Vertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter beziehungsweise unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wurde beantragt, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht aberkannt und seinem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung stattgegeben werde; in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung aufzuheben; in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Der BF führte dazu auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, dass sich die Sicherheitslage nicht verbessert habe, wie sich aus mehreren Berichten ergebe.

I.8. Am 12.12.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.9. Am 17.12.2018 legte der BF ein Pflichtschulabschlussprüfungszeugnis vor.

I.10. Am 17.12.2019 langte eine Stellungnahme zu den zuvor übermittelten aktuellen Länderinformationen ein, woraus sich nach Ansicht des BF ergebe, dass die Sicherheitslage in Ghazni eine Rückkehr nach wie vor nicht zulasse. Weiters verwies er auf die Ansicht des UNHCR, wonach eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul aufgrund der dortigen Lage nicht möglich sei. Eine Übersiedlung in die Städte Herat und Mazar-e Sharif sei, wie sich aus in der Stellungnahme auszugsweise zitierten Berichte ergebe, dem BF ebenfalls nicht zumutbar. In Bezug auf seine persönliche Situation führte der BF aus, dass er nunmehr eine Lehrstelle gefunden habe und dort seit September 2019 beschäftigt sei.

I.11. Am 02.03.2020 legte der BF seinen Lehrvertrag vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;

- Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die vom BF vorgelegten Unterlagen und eingebrachten Stellungnahmen;

- Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:

Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er bekennt sich zum schiitischen Islam. Der BF spricht Dari. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.

Der BF wurde in der Provinz Ghazni geboren und hat Afghanistan im Alter von vier Jahren mit seiner Familie verlassen und seitdem bis zur Ausreise nach Europa im Jahr 2015 in Pakistan gewohnt. Dort hat er für acht Jahre eine Schule besucht und zwei Jahre als Tischler gearbeitet. Zudem sammelte er Arbeitserfahrung als Bauarbeiter und als Zeitungsausträger.

Sein Vater ist verstorben, seine Mutter und sein Bruder leben wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Pakistan in der Stadt Quetta.

Dem BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2017 zu W191 2133966-2/10E der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Zu diesem Zeitpunkt nahm der BF an, dass er Verwandte in Afghanistan habe. Er hatte keinen Kontakt zu diesen und wusste nicht, wo diese leben.

Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz war ihm aufgrund der damaligen Sicherheitslage nicht möglich, weil ihm ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit gedroht hätte und er in der Heimatprovinz über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügte.

Eine Rückkehr und Ansiedlung außerhalb seiner Heimatprovinz war dem BF nicht zumutbar, weil er seit seiner frühen Kindheit nicht in Afghanistan gelebt hatte, sondern in Pakistan aufgewachsen war, und über kein soziales Auffangnetz in Afghanistan verfügte.

Der BF weiß nunmehr, dass in seiner Heimatprovinz ein Onkel und zwei Tanten väterlicherseits sowie zwei Onkel und vier Tanten mütterlicherseits leben. Die Mutter des BF hat Kontakt zu diesen in Afghanistan aufhältigen Verwandten.

Der BF befindet sich seit seiner Einreise durchgehend im Bundesgebiet. Er besuchte mehrere Deutschkurse und beherrscht Deutsch zumindest auf B1-Niveau. Er besuchte die Flüchtlingsübergangsklasse der Handelsakademie, die er am 30.06.2017 abschloss und leistete ehrenamtliche Dolmetschdienste beim Roten Kreuz in der Ambulanz und im Quartier. Er hat die Pflichtschulabschluss-Prüfung bestanden. Der BF hat einen großen Freundeskreis. Seit 16.09.2019 absolviert der BF eine Lehre als Elektrotechniker.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB 13.11.2019, S. 12).

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (LIB 13.11.2019, S. 18).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registrierten, im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).

Taliban: Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 26; S. 29).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).

Haqani-Netzwerk: Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, S. 27).

Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP): Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, S. 27f).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, S. 29).

Al-Qaida: Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).

Balkh:

Die Provinzhauptstadt von Balkh ist Mazar-e Sharif. Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistan und ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Es leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, S. 62). Im Jahr 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 63).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 61; S. 336).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB 13.11.2019, S. 347).

Herat:

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 105). Die Provinz verfügt über 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen erreichbar (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. In der Stadt Herat steigt die Kriminalität und Gesetzlosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 106). Im Jahr 2018 gab es mit 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat einen Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 108f).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB 13.11.2019, S. 336).

Ghazni:

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans. Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken. Im Jahr 2019 leben ca. 1.338.597 Menschen in Ghazni.

Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben.

Die Anzahl der zivilen Opfer ist seit 2017 stark angestiegen. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe, gefolgt von Luftangriffen und gezielten oder vorsätzlichen Morden. In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen, Luftangriffen und Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften. (LIB 13.11.2019, S. 87ff).

Sicherheitsbehörden:

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, S. 249).

Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, S. 251).

Bewegungsfreiheit:

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).

Meldewesen:

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).

Allgemeine Menschenrechtslage:

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, S. 264).

Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, S. 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).

Wirtschaft:

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, S. 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 334f).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als In ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Dürre und Überschwemmungen

Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken (LIB 13.11.2019, S. 337).

Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert. Da sich viele Haushalte noch von der Dürre des Jahres 2018 erholen müssen, gilt die Ernährungslage für viele Haushalte im Zeitraum 10.2019-1.2020, weiterhin als "angespannt" bis "krisenhaft". Es wird erwartet, dass viele Haushalte vor allem in den höher gelegenen Regionen ihre Vorräte vor dem Winter aufbrauchen werden und bei begrenztem Einkommen und Zugang auf Märkte angewiesen sein werden (LIB 13.11.2019, S. 337).

Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen. Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (LIB 13.11.2019, S. 337).

Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, S. 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, S. 362).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, S. 287f).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild (LIB 13.11.2019, S. 290f).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB 13.11.2019, S. 292).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB 13.11.2019, S. 291f).

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - halten an (LIB 13.11.2019, S. 292).

Religionen:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).

Schiiten

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10-19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 13.11.2019, S. 279).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB 13.11.2019, S. 280).

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF sowie zu seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des BF während des gesamten Verfahrens. Diese Umstände wurden bereits vom Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung vom 09.10.2017 und auch vom BFA dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. In der Beschwerde werden diese Feststellungen noch einmal bestätigt, sodass sie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Ebenso verhält es sich mit den Feststellungen zur Herkunftsprovinz des BF, seinem Umzug nach Pakistan sowie zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung.

II.2.3. Dass und warum dem BF subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, war aufgrund des im Akt einliegenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2017 zu W191 2133966-2/10E festzustellen. Aus diesem ergibt sich auch die Feststellung zu den Aufenthalten seiner Familienangehörigen in Pakistan und seinen Vermutungen zu möglichen Verwandten in Afghanistan zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

II.2.4. Das BFA stellte auf Basis der Aussage des BF (S. 3 EV) fest, dass er nunmehr wisse, wo seine Familienangehörigen in Afghanistan leben und dass seine Mutter Kontakt zu diesen hat. Diese Feststellung wird vom BF in seiner Beschwerde nicht substantiiert bestritten, sondern er behauptet lediglich, er habe keine "näheren Verwandten" in Afghanistan, ohne jedoch zu definieren, was er unter "näheren Verwandten" versteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher keine Zweifel an der bereits vom BFA getroffenen Feststellung zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan, zumal diese auf der eigenen Aussage des BF beruht.

II.2.5. Die Feststellungen zur Lebenssituation des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA, seinen Stellungnahmen vom Dezember 2019 und März 2020 sowie den vorgelegten Dokumenten, an deren Echtheit und Richtigkeit kein vernünftiger Grund zu zweifeln besteht. Es ist auch durchaus plausibel, dass der BF aufgrund seines Schulbesuchs über einen großen Freundeskreis verfügt, wie er auch anlässlich seiner Einvernahme angab.

Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, konnte festgestellt werden, weil der BF während des gesamten Verfahrens weder vorbrachte, unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden, noch legte er Dokumente vor, aus denen ein gegenteiliger Schluss zu ziehen wäre.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

II.2.6. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die dem BF vorgehaltenen und im Akt ersichtlichen Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums nicht wesentlich geändert haben.

Die herangezogenen Länderberichte wurden dem BF im Parteiengehör mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt. In seiner Stellungnahme bestreitet der BF diese Berichte nicht substantiiert, sondern verweist zur Sicherheitslage in Herat und Mazar-e Sharif vielmehr auf Berichte, die sich mit den getroffenen Feststellungen decken. Insbesondere wird darin auch nicht von sicherheitsrelevanten Angriffen auf die Provinzhauptstädte berichtet, sondern nur die geringe Präsenz der Taliban in abgelegenen Distrikten der Provinz erwähnt. Die dem Erkenntnis zugrunde gelegten Feststellungen zur Situation in Zusammenhang mit der Dürre beruhen auf weitaus aktuelleren Quellen als die vom BF zitierte Anfragebeantwortung. Aus diesen geht insbesondere hervor, dass sich die Situation durch Regenfälle und gute klimatische Bedingungen normalisiert hat und keine beziehungsweise nur mehr geringe Auswirkungen spürbar sind. Es sind daher im Verfahren keine Gründe hervorgekommen, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen ergeben würden.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Zu Spruchpunkt I.:

II.3.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (erster Fall) oder nicht mehr (zweiter Fall) vorliegen. Diese Bestimmung verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Es würde nämlich der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen. Der Verlust des subsidiären Schutzstatus unter solchen Umständen steht mit der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Statusrichtlinie, insbesondere mit Art. 18, der die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die Voraussetzungen erfüllen, in Einklang (EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn 44 ff).

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie, der im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation zu berücksichtigen ist, lautet: "Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist." Nach Absatz 2 leg.cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Dabei ist es Aufgabe des BFA - beziehungsweise im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichts - offen zu legen, weshalb es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen. Diesem Grundsatz der Amtswegigkeit korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz wurde in der Rechtsprechung im Besonderen festgehalten, dass grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG - diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in §§ 3 und 8 AsylG enthalten sind - glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person liegt grundsätzlich bei dieser, dabei sind aber gleichzeitig die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert ist, in Betracht zu ziehen und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheidet, im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden. Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat geht, ist jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich haben die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liegt an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (vgl. zum Ganzen VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Diese Sichtweise hat - auch vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Regelungen in Art. 19 Abs. 4 Statusrichtlinie - im Aberkennungsverfahren nicht uneingeschränkt Platz zu greifen, hat die Behörde die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz doch bereits geprüft und bejaht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der betroffene Fremde im Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes jeglicher Mitwirkungsverpflichtungen enthoben wäre, was sich auch aus Art. 19 Abs. 4 iVm Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie ergibt. Es ist daher Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben. Vermag die Behörde insoweit ihre Ansicht ordnungsgemäß zu belegen, liegt es am betroffenen Fremden, ein entsprechendes Vorbringen ins Treffen zu führen, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weiterhin vorliegen. Dies gilt vor allem dann, wenn er dies auf andere als die bisher maßgeblichen Gründe stützen möchte. Er hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den (in der Regel) Heimatstaat dort gegebenen Bedrohung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen der Zuerkennungsentscheidung ist es zwar nicht zulässig, die Aberkennung auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG nicht geändert hat. Soweit aber neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Frage der Aberkennung von Bedeutung sein können, ist es der Behörde nicht verwehrt, auch Elemente, die vor Zuerkennung des subsidiären Schutzes beziehungsweise vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung liegen, in die Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen. Eine Änderung der maßgeblichen Umstände wird sich regelmäßig daraus ergeben, dass sich die tatsächlichen Umstände im Herkunftsland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht weder § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG noch Art. 16 Statusrichtlinie vor, dass deren Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Eine Änderung der Sicherheitslage vermag eine Aberkennung des subsidiären Schutzes jedenfalls zu rechtfertigen (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0416). Es kann aber auch eine Änderung des Kenntnisstands der Behörde hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, der Fremde habe eine Verletzung der in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Rechte zu gewärtigen oder er werde einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 Statusrichtlinie erleiden, im Licht der neuen Informationen, die nunmehr zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint. Der EuGH hat zudem - unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie - festgehalten, dass dies jedoch nur gilt, soweit die neuen Informationen, über die der Aufnahmemitgliedstaat verfügt, zu einer Änderung seines Kenntnisstands führen, die hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hinreichend bedeutsam und endgültig sind (vgl. EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn. 49f).

Gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen. Es sind daher nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

II.3.2.2. Im gegenständlichen Fall stützt sich das BFA auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, nämlich, dass die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Es geht zwar, wie bereits das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung mit dem es dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte, nach wie vor davon aus, dass ihm eine Rückkehr in seine volatile Heimatprovinz Ghazni nicht zumutbar sei. Allerdings sei dem BF nach Ansicht des BFA nunmehr die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative möglich und auch zumutbar. Dazu führt es insoweit aus, der BF wisse nunmehr, dass sich Verwandte in Afghanistan befänden, und diese könnten ihn unterstützen.

Damit zeigt das BFA jedoch keine derartige maßgebliche Änderung der Lage in Afghanistan auf, die bereits die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen könnte. Im Wesentlichen ist das Wissen des BF um seine Verwandten nämlich unverändert. Bereits bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vermutete der BF, dass sich Verwandte in Afghanistan aufhielten, er hatte jedoch keinen Kontakt zu diesen und wusste nicht, wo sie leben. Die einzige Änderung, die sich ergeben hat, ist somit, dass der BF von seiner Mutter weiß, dass Verwandte in Afghanistan leben und seine Mutter Kontakt zu diesen in Afghanistan lebenden Verwandten hat. Dagegen kennt der BF diese nach wie vor nicht, hat auch selbst keinen Kontakt zu ihnen und ist insbesondere nicht gesichert, dass diese ihn (zumindest finanziell) unterstützen könnten. Eine maßgebliche Änderung ist für das Bundesverwaltungsgericht daher nicht ersichtlich.

Im Übrigen war der fehlende verwandtschaftliche Anschluss für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht entscheidungswesentlich. Vielmehr ging das Bundesverwaltungsgericht damals davon aus, eine Rückkehr in seine Heimatprovinz sei dem BF aufgrund der dortigen volatilen Sicherheitslage nicht möglich. Davon, dass sich bei dieser nichts Entscheidungswesentliches geändert hat, ist auch das BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid ausgegangen. Auch aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass dem BF eine Rückkehr nach Ghazni alleine aufgrund der Sicherheitslage und mangels sicherer Erreichbarkeit nicht möglich ist.

Auch hinsichtlich einer möglichen Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative war der fehlende familiäre Anschluss in Afghanistan nicht entscheidungserheblich, sondern wurde lediglich als zusätzliches Argument angeführt. Ausschlaggebend für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war vielmehr, dass der BF selbst nie in Kabul war, daher dort über keine Ortskenntnisse verfügte und Afghanistan bereits als kleines Kind verlassen hatte sowie seitdem dorthin nicht mehr zurückgekehrt war. Lediglich ergänzend wurde dann der fehlende familiäre Anschluss erwähnt (siehe etwa "der BF verfügt auch über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte in Kabul oder sonstige finanzielle Unterstützung"). Aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung ergibt sich somit, dass das Bundesverwaltungsgericht auch bei einem vorhandenen familiären Anschluss von der Unmöglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgegangen wäre (zur einzelfallbezogenen Auslegung der Gewährungsentscheidung siehe VwGH 29.11.2019, Ra 2019/14/0449).

Selbst wenn man aber davon ausginge, das Bundesverwaltungsgericht wäre bei einem festgestellten familiären Anschluss in Afghanistan zum Schluss gekommen, dem BF wäre der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen, so geht aus den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Erkenntnis vom 09.10.2017 zu W191 2133966-2/10E doch deutlich hervor, dass im Fall des BF nach Ansicht des damals erkennenden Richters für eine Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ein familiärer Anschluss am Ort der Neuansiedlung vorhanden sein müsste. Derartiges liegt jedoch nicht vor, zumal seine festgestellten Verwandten in Ghazni wohnen, wohin ihm eine Rückkehr aber - wie auch das BFA selbst festhielt - aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht möglich ist. In Bezug auf die anderen Landesteile Afghanistans hat sich zur Frage eines familiären oder sozialen Anschlusses daher nichts an der Situation zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus geändert.

Eine Änderung der entscheidungswesentlichen Umstände hat das BFA daher nicht dargetan. Eine solche ist auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, weil der BF seit seiner frühen Kindheit in Pakistan aufgewachsen ist und nach wie vor über keine Ortskenntnisse in Afghanistan bzw. Kabul verfügt und bis auf Ghazni über keinen familiären Anschluss verfügt. Die Situation des BF ist daher seit der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen unverändert. Im Übrigen erachtet EASO für genau diese Gruppe der Afghanen, die lange Zeit im Ausland gelebt haben, eine besonders umfassende Einzelprüfung als notwendig, da diesen andernfalls eine Rückkehr nicht zumutbar sein könnte (siehe auch VfGH 04.03.2020, E 4399/2019; jeweils 12.12.2019, E 236/2019; E 3350/2019; E 3369/2019; 13.02.2020, VwGH13.02.2020, Ra 2019/01/0488; 29.01.2020, Ra 2019/18/0258; 28.01.2020, Ra 2019/18/0204; 30.12.2019, Ra 2019/18/0241; 17.09.2019, Ra 2019/14/0160). Eine derartige Prüfung wurde vom BFA ebenfalls nicht ausreichend durchgeführt. Eine Nachholung durch das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch entbehrlich, da der Beschwerde des BF bereits aufgrund des bisherigen Verfahrensergebnisses stattzugeben war, weil die erforderliche maßgebliche Änderung nicht eingetreten ist. Zu erwähnen ist auch, dass für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich ist, dass die finanzielle und soziale Stellung der Verwandten des Beschwerdeführers derart gut wäre, dass diese den BF von Pakistan oder Ghazni aus über eine ausreichend lange Zeit finanziell in den vom BFA genannten Städten unterstützen und diesem über i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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