TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W281 2224577-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W281 2224577-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SERBIEN, vertreten durch: Dr. Peter Philipp Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 12.09.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 12.09.2019, XXXX , wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen die BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist, gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot gegen die BF erlassen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 07.10.2019 brachte die BF unter anderem zusammengefasst vor, dass eine Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot unzulässig wäre und die belangte Behörde nach § 66 ff FPG vorzugehend gehabt hätte, da die BF begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG sei. Ihr Ehemann, ein tschechischer Staatsbürger, habe von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und hätte seit Oktober 2012 immer wieder in Österreich gearbeitet. Der Ausstellung einer Aufenthaltskarte komme nur delatorische Wirkung zu.

Mit der Beschwerde wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

1. eine Einreichbestätigung der MA 35 vom 03.10.2019, aus der hervorgeht, dass XXXX am 03.10.2019 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) gestellt hat

2. ein Versicherungsdatenauszug des XXXX vom 02.10.2019

3. eine Kopie der österreichischen E-Card des XXXX

4. eine Bestätigung des XXXX über die Anmeldung zur Sozialversicherung.

Das BFA legte die Beschwerde samt Verwaltungsakten mit Beschwerdevorlage vom 17.10.2019, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 21.10.2019, vor.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache einer neuen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit Urkundenvorlage vom 02.04.2020 legte die BF ihre serbische Heiratsurkunde vom 12.12.2018, eine Geburtsurkunde der BF, eine Kopie des Reisepasses von XXXX und ein Scheidungsurteil vom 22.08.2007 von XXXX und XXXX , vor.

Mit Schreiben vom 15.04.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht das BFA vor dem Hintergrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen und diesbezüglichen erläuternden Ausführungen zur Stellungnahme auf.

Mit Stellungnahme vom 21.04.2020 gab das BFA an, dass es zum Zeitpunkt seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, dass sich der Ehemann der BF ständig in der Tschechischen Republik aufhalte und auch kein einziger Hinweis darauf gegeben gewesen sei, dass er jemals seine Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Anderenfalls wäre anstelle der Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot ein Aufenthaltsverbot erlassen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist serbische Staatsbürgerin und am XXXX geboren. Ihre Identität steht fest.

Die BF ist im Besitz eines serbischen Reisepasses mit Ausstellungsdatum 12.12.2018, gültig bis 12.12.2028 und eines serbischen Personalausweises mit Ausstellungsdatum 12.12.2018, gültig bis 12.12.2028.

Die BF war nur während ihrer Anhaltung im PAZ von 11.09.2019 bis 19.09.2019 in Österreich gemeldet.

Die BF ist mit dem tschechischen Staatsbürger XXXX seit 11.12.2018 verheiratet.

Der Ehemann der BF weist folgende Versicherungszeiten (Versicherungsnummer: XXXX ) in Österreich auf:

18.10.2012 bis 29.11.2012 als Arbeiter

30.04.2013 bis 08.05.2013 als Arbeiter

29.01.2018 bis 31.01.2018 als geringfügig Beschäftigter kürzer als ein Monat

07.02.2018 bis 16.02.2018 als geringfügig Beschäftigter kürzer als ein Monat

05.03.2018 bis 20.07.2018 als Arbeiter, XXXX

13.08.2018 bis 12.10.2018 als Arbeiter, XXXX

17.10.2018 bis 20.12.2018 als Arbeiter XXXX

17.10.2018 bis 20.12.2018 BUAK-Schwerarbeiterbeschäftigungsgesetz

11.03.2019 bis 14.03.2019 als Arbeiter

18.03.2019 bis 05.04.2019 als Arbeiter XXXX

Ab 02.10.2019 wurde der Ehemann der BF von der XXXX bei der Sozialversicherung angemeldet. Am 03.10.2019 stellte er einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer). Er war immer wieder in Österreich aufhältig um zu arbeiten.

Der Ehemann der BF war von 27.11.2018 bis 12.09.2019, von 01.10.2019 bis dato in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage, insbesondere aus der im Akt befindlichen Kopie eines Reisepasses (AS 143) und eines Personalausweises (AF 139).

Die Feststellungen zur Meldung der BF im Bundesgebiet ergeben sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters der Republik vom 12.03.2020.

Die Feststellungen zur Ehe der BF ergeben sich aus der am 02.04.2020 vorgelegten serbischen Heiratsurkunde vom 12.12.2018, die eine Eheschließung mit XXXX am 11.12.2018 ausweist und eine ebenfalls am 02.04.2020 vorgelegten Geburtsurkunde der BF, die unter Pkt. 10 die Eintragung "MAR 11 12 2018 XXXX " ausweist. Die Feststellung, dass der Ehemann der BF tschechischer Staatsbürger ist ergibt sich aus einer mit 02.04.2020 vorgelegten Kopie seines tschechischen Reisepasses.

Die Feststellungen zu den Versicherungszeiten des Ehemannes der BF ergeben sich aus dem mit Beschwerde vorgelegten Versicherungsdatenauszug (AS 367 bis 370).

Die Feststellung, dass der Ehemann der BF ab 02.10.2019 zur Sozialversicherung angemeldet wurde, ergibt sich aus der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlage einer Bestätigung über die Anmeldung zur Sozialversicherung (AS 375). Die Feststellung über den Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) ergibt aus der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlage über die Einreichbestätigung der MA 35 vom 03.10.2019 (AS 365) und einer aktuellen Abfrage im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister vom 24.04.2020. Die Feststellung, dass er in Österreich aufhältig war um zu arbeiten ergeben sich ebenfalls aus der Bestätigung über die Anmeldung zur Sozialversicherung (AS 375) und der Einreichbestätigung der MA 35 vom 03.10.2019 (AS 365).

Die Feststellungen zur Meldung des Ehemanns der BF ergeben sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters der Republik vom 06.04.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Anzuwendende Rechtslage:

3.2.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 27/2020, lauten (auszugsweise):

§ 2 FPG lautet (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

...

11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

...

15. unionsrechtliches Aufenthaltsrecht: das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen sich im Bundesgebiet aufzuhalten;

..."

§ 66 FPG lautet (auszugsweise):

"4. Abschnitt

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige

Ausweisung

§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

..."

§ 67 FPG lautet (auszugsweise):

"Aufenthaltsverbot

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

..."

3.2.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2020, lauten auszugsweise:

§ 2 NAG lautet (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

...

14. unionsrechtliches Aufenthaltsrecht: das auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie gewährte Recht eines EWR-Bürgers und seiner Angehörigen sich im Bundesgebiet für mehr als drei Monate oder auf Dauer aufzuhalten;

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des 4. Hauptstück ("Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht") NAG lauten:

§ 52 NAG lautet (auszugsweise):

"Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern

§ 52.

(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

..."

§ 54 NAG lautet (auszugsweise):

"Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers

§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

..."

§ 55 NAG lautet (auszugsweise):

"Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

..."

3.2.2. Zur Anwendung dieser Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Im vorliegende Fall ist zu prüfen, ob der BF die Eigenschaft als begünstigte Drittstaatsangehörige zukommt. Voraussetzung für die Erlangung dieser Rechtsstellung, bei der dann die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes jedenfalls unzulässig gewesen wären (vgl dazu VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103, Rn. 10, mit dem Hinweis auf VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN), wäre in der vorliegenden Konstellation gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 iVm Z 15 FPG, dass der Ehemann der BF in Österreich sein aufgrund der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77, (Freizügigkeitsrichtlinie) zukommendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hätte (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0162).

Die Freizügigkeitsrichtlinie stellt einen bedeutsamen Rechtsakt zur Erleichterung der Ausübung der unionsrechtlichen Freizügigkeit dar und bewirkt eine erhebliche Vereinheitlichung und Vereinfachung der Aufenthaltsrechte. Die Einreise- und Aufenthaltsrechte aller Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen werden durch die genannte Richtlinie umfassend geregelt (vgl. Calliess/Ruffert, EUV/AEUV4, Artikel 45 AEUV Rn. 81). Die Unionsbürger können sich gemäß Artikel 6 Freizügigkeitsrichtlinie drei Monate in einem Mitgliedstaat aufhalten und brauchen lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Passes zu sein. Bei einem Aufenthalt von über drei Monaten ist das Aufenthaltsrecht jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft: Die Unionsbürger müssen Arbeitnehmer oder Selbständige sein oder aus anderen Quellen als der eigenen Erwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat über ausreichende Existenzmittel für sich und ihre Familienangehörigen verfügen, damit sie keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen, und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen (vgl. Calliess/Ruffert, aaO, Artikel 21 AEUV Rn. 24; vgl. auch VwGH 23.02.2012, 2010/22/0011). Auch wenn sich zuletzt die Judikatur des EuGH zur Freizügigkeit allgemein und insbesondere zur Freizügigkeitsrichtlinie verdichtet hat, liegt bislang noch keine Aussage vor, für welchen Zeitraum etwa das Freizügigkeitsrecht in einem zweiten Mitgliedstaat "mindestens" ausgeübt worden sein muss, um im Falle der Rückwanderung in den eigenen Mitgliedstaat in den Genuss der (abgeleiteten) Freizügigkeitsrechte für begünstigte drittstaatsangehörige Angehörige zu gelangen. Der Gesamtsystematik, der Freizügigkeitsrichtlinie (vgl. deren Artikel 6 und 7) und auch den Umständen der bisher vom EuGH behandelten Fälle folgend müsste eine derartige Mindestaufenthaltsgrenze mit drei Monaten angenommen werden. Mit der Novelle BGBl I 2009/122 wurde die Inanspruchnahme des Aufenthaltsrechts über § 2 Abs. 4 Z 11 FPG in die Legaldefinition übernommen. Darüber hinaus scheint es auch erforderlich, dass ein grenzüberschreitender Bezug (iS einer Anknüpfung an zumindest zwei Mitgliedstaaten) aktuell vorliegen muss. Eine historische (bereits abgeschlossene; keinen Bezug zum derzeitigen Familienleben mit dem Angehörigen habende) Freizügigkeitsinanspruchnahme kann demgemäß nicht ausreichen. Ohne diese logisch erscheinende Einschränkung käme man zu dem - absurden - Ergebnis, dass etwa ein kurzfristiger Urlaub, ein Transit oder eine noch so geringfügige Dienstleistungsinanspruchnahme (etwa die Darreichung eines Cappuccino) in einem anderen Mitgliedstaat ausreichen könnte, um durch diese bereits abgeschlossene "Inanspruchnahme der Freizügigkeit" (im Beispielsfall passive Dienstleistungsfreiheit) ein wesentlich günstigeres Nachzugsrecht für begünstigte drittstaatsangehörige Angehörige zu bewirken (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 2 FPG 2005 Anmerkung 23 (Stand 1.12.2017, rdb.at).

Für die Inanspruchnahme des "Rechts auf Freizügigkeit" (nunmehr "unionsrechtliches Aufenthaltsrecht") genügt es, dass sich der Unionsbürger in Österreich aufhält. Selbst im Fall einer Niederlassung in Österreich von Geburt an (ohne jegliche Reisebewegung) wäre er als Unionsbürger zu bezeichnen, der sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen hat (VwGH 10. 11. 2009, 2008/22/0733).

Schon in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2007, B 1462/06, hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass das - in § 2 Abs. 1 Z 14 NAG definierte - "Recht auf Freizügigkeit" nicht nur das Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen, sondern auch die Ausübung aller Freiheiten nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 18 und 39 ff. EG, nunmehr Artikel 21 und 45 ff. AEUV) umfasst. Das Freizügigkeitsrecht muss hiefür jedoch mit einer gewissen Nachhaltigkeit ausgeübt worden sein (vgl. VwGH 29.9.2011, 2009/21/0386; VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0034).

Der Ehemann der BF ist tschechischer Staatsbürger und war insbesondere in den Jahren 2018 und 2019 immer wieder in Österreich beschäftigt: von 05.03.2018 bis 20.07.2018, somit über vier Monate durchgehend; von 13.08.2018 bis 12.10.2018, somit fast zwei Monate durchgehend; von 17.10.2018 bis 20.12.2018, somit etwa zwei Monate durchgehend: und von 11.03.2019 bis 14.03.2019 sowie von 18.03.2019 bis 05.04.2019. Auch ab 02.10.2019 war der Ehemann der BF wieder in Österreich zur Sozialversicherung gemeldet. Am 03.10.2019 hat er einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) gestellt. Zusätzlich war er seit 27.11.2018 bis dato fast durchgehend in Österreich gemeldet.

Vor diesem Hintergrund und der soeben wiedergegebenen Judikatur geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Ehemann der BF sein "Recht auf Freizügigkeit", folglich also gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 und 15 FPG sein "unionsrechtliches Aufenthaltsrecht" in Österreich in Anspruch genommen hat. Darunter fällt nach der Judikatur nämlich die nachhaltige Ausübung aller Freiheiten nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 18 und 39 ff. EG, nunmehr Artikel 21 und 45 ff. AEUV) und der Aufenthalt in Österreich. Die Nachhaltigkeit der Ausübung ergibt sich insbesondere dadurch, dass der Ehemann der BF nicht bloß für einzelne Tage, sondern immer wieder monateweise, wie es in der Baubranche üblich ist, in Österreich beschäftigt war.

Dies hat zur Folge, dass die BF als begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 anzusehen ist.

Darauf, ob der BF ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, kommt es für das Vorliegen der Eigenschaft als begünstigte Drittstaatsangehörige nicht an (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151 und VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0199, aus denen hervorgeht, dass in solchen Konstellationen die Regelungen des 8. Hauptstücks, 4. Abschnitt des FPG zu prüfen sind und daher das Vorliegen der Eigenschaft als begünstigte Drittstaatsangehörige bejaht wurde):

Eine Aufenthaltskarte nach § 54 NAG 2005 zählt zu den Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. In diesen Fällen ergibt sich das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrechts. Diese Bescheinigung hat bloß deklaratorische Wirkung, ein das Aufenthaltsrecht konstitutiv begründender "Aufenthaltstitel" liegt mit der Aufenthaltskarte nicht vor (vgl. VwGH 16.05.2019, Ro 2019/21/0004; VwGH 26.4.2016, Ra 2015/09/0137). Das in § 55 Abs. 1 iVm den §§ 51, 52 und 54 NAG 2005 genannte Niederlassungsrecht ist unmittelbar im Unionsrecht begründet und wird daher innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur dokumentiert (VwGH 04.06.2009, 2008/18/0763). § 51 NAG setzt Artikel 7 der Freizügigkeitsrichtlinie um, wonach Unionsbürgern unter bestimmten Voraussetzungen ein unmittelbar aus dem Unionsrecht erfließendes Aufenthaltsrecht zukommt, das innerstaatlich nicht verliehen, sondern nur - durch eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG - dokumentiert wird (vgl. VwGH 09.08.2016, Ro 2015/10/0050).

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ist - wie eingangs bereits erwähnt - die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig, es sind (allenfalls) die Voraussetzungen für das Vorliegen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach dem 8. Hauptstück, 4. Abschnitt des FPG zu prüfen.

In dem das BFA gegen die BF eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen hat, belastet sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben.

3.2.3. Zur ersatzlosen Behebung

3.2.3.1. Bei einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 FPG handelt es sich nicht um dieselbe Sache wie eine Ausweisung gemäß § 66 FPG bzw. ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG.

Bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits handelt es sich um unterschiedliche Maßnahmen. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe VwGH 22.05.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet lediglich zum Verlassen des Bundesgebietes, auch die Ausweisung verpflichtet zum Verlassen des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar". Die Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird oder ist, kommt daher nicht in Betracht (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151).

Da sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG und eines Einreiseverbots gemäß § 53 FPG wesentlich von denjenigen nach § 66 FPG für eine Ausweisung bzw. § 67 FPG für ein Aufenthaltsverbot unterscheiden, liegt hinsichtlich der Fragen der Zulässigkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kein entsprechender inhaltlicher Gleichklang vor. Wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals eine Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes treffen würde, würde es eine ihm nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nehmen und ein allfälliges Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belasten.

3.2.3.2. In Lehre und Rsp zu § 66 Abs. 4 AVG war stets anerkannt, dass die Berufungsbehörde auch außerhalb des § 66 Abs. 2 AVG zum Teil nur durch Kassation des Bescheides ein der Rechtslage entsprechendes Ergebnis bewirken konnte (vgl. auch VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003; 28.06.2016, Ra 2015/17/0082; 13.12.2016, Ra 2016/05/0058), weil die Erlassung des Bescheides schon durch die Unterinstanz unzulässig war oder während des Berufungsverfahrens unzulässig geworden ist oder ihn die konkrete Unterbehörde nicht hätte erlassen dürfen. Dementsprechend betonen schon die Erläuterungen zu Art. 130 Abs. 4 B-VG, dass die Entscheidung "in der Sache selbst" auch eine "negative Sachentscheidung, also die ersatzlose Behebung des Bescheides, sein" kann (und machen damit deutlich, wie präzise die Kognitionsbefugnis der VwG bereits auf Verfassungsebene geregelt ist (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG RZ 71 (Stand 15.02.2017, rdb.at) und die dort zitierten Materialien und Literatur).

Davon sind jene ersatzlosen Behebungen zu unterscheiden, bei denen in der Folge überhaupt kein neuerlicher Bescheid ergehen soll (vgl. VwGH 28.06.2016, Ra 2015/17/0082).

Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Bescheid (zB der Entzug einer Bewilligung oder ein verwaltungspolizeilicher Auftrag) von Amts wegen erlassen wurde, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0044; ferner VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029; 25.02.2016, Ra 2015/07/0170). Daher darf die Behörde etwa aufgrund der Rechtskraftwirkung der ersatzlosen Behehebung einer Versetzung - bei unveränderter relevanter Sach- und Rechtslage - die gleiche Personalmaßnahme nicht neuerlich verfügen (VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0044; vgl. auch VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029; VwGH 21.02.2014, 2013/06/0159).

Hat die Unterbehörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, der nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist (VwSlg 6379A/1964) oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 RZ 66 (Stand 1.7.2007, rdb.at) und die dort zitierte Literatur und Judikatur).

Das BFA hätte den Bescheid nicht erlassen dürfen, da die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nicht vorgelegen sind.

3.2.3.3. Im Ergebnis zeigt sich daher, dass der Bescheid ersatzlos zu beheben war.

3.2.4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 2. Fall VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Eine mündliche Verhandlung kann im vorliegenden Fall entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben ist, da die belangte Behörde den Bescheid mangels diesbezüglicher Voraussetzungen nicht hätte erlassen dürfen. Ein Entfall der Verhandlung ist lediglich im Fall der - ersatzlosen (vgl VwGH 24. 2. 2011, 2010/10/0167, zu § 67d Abs 2 Z 1 AVG aF) - Aufhebung (dh nicht auch im Fall der Abänderung) des Bescheids zulässig. Dass im vorliegenden Fall der Bescheid ersatzlos zu beheben war ergibt sich aus den Ausführungen unter Pkt. 3.2.3..

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall nicht von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, dass es für die Inanspruchnahme des "Rechtes auf Freizügigkeit" (nunmehr "unionsrechtliches Aufenthaltsrecht") genügt, dass sich der EWR-Bürger in Österreich aufhält bzw nicht nur das Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen enthält, sondern auch die Ausübung aller Freiheiten nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 18 und 39 ff. EG, nunmehr Artikel 21 und 45 ff. AEUV) umfasst (vgl. zB VfGH 13.10.2007, B 1462/06; VwGH 10. 11. 2009, 2008/22/0733; VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0034).

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W281.2224577.1.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten