TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 W148 1422457-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W148 1422457-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX (alias XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, vom 21.01.2019 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 23.05.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX (alias XXXX ) die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 28.12.2020 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.10.2011 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) gestellt.

2. Mit Bescheid vom 24.10.2011 wies das Bundesasylamt den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab und sprach gemäß § 10 Abs.1 Z 2 AsylG 2005 die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.).

3. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.12.2011, Zl. XXXX , die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.12.2012 (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde wurde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt II. ausgeführt, dass es sich bei dem BF zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit mehrjähriger Schulbildung und Berufserfahrung handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF zwar in Afghanistan geboren und aufgewachsen sei, aber zurzeit in Afghanistan über keine hinreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge, zumal sein Vater bereits verstorben sei, seine Mutter und eine Schwester sich in Deutschland befänden und nur die zweite Schwester bisher alleine beim Onkel des BF, mit dem mehrere Meinungsverschiedenheiten bestünden, zurückgeblieben sei. Der BF habe Afghanistan selbst schon vor über fünf Jahren verlassen, nachdem er sich auch vorher schon einige Zeit außerhalb des Landes aufgehalten habe, und habe die letzten Jahre großteils in Griechenland verbracht. Daher wäre er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, allenfalls in Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen. Die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt, stelle sich meist nur unzureichend dar. Eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul, würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und des Fehlens eines unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks in Afghanistan sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan zurzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Im Fall der Rückkehr drohe ihm unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der zurzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

4. Am 08.11.2018 stellte der BF zuletzt einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in Folge: BFA) hat aus diesem Anlass - nach einer mündlichen Einvernahme am 19.12.2018 - dem BF mit Bescheid vom 20.12.2018, Zl. XXXX , den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), seinen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.), einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, die subjektive Lage des BF habe sich geändert, so stehe ihm nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung. Überdies lebten seine Onkel und Tanten in mehreren Provinzen seines Heimatlandes was ihm eine Wiedereingliederung in Afghanistan erleichtern würde, zumal er von diesen finanzielle Unterstützung erwarten könne und Unterstützungsleistungen von UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen könne.

6. Am 21.01.2019 erhob der BF vollumfänglich Beschwerde. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei in Zusammenschau seiner gesamten Lebensumstände nicht zumutbar, da er aufgrund der persönlichen wie auch allgemeinen Situation und der derzeitigen Sicherheitslage unweigerlich in eine ausweglose Situation geraten würde.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person des BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr

1. Der Name des BF ist XXXX , er wurde am XXXX im Dorf XXXX , im Distrikt Char-Dara, in der Provinz Kunduz geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist er Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er spricht auch Urdu, Farsi, Griechisch und Deutsch. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

2. Der BF ist im Dorf XXXX , im Distrikt Char-Dara, in der Provinz Kunduz geboren und im Alter von neun Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen. Nach einem ca. achtjährigen Aufenthalt im Iran ist er nach Afghanistan, nach Kabul, zurückgekehrt. Er hat zwar keine Schule besucht, aber er hat sowohl im Iran als auch in Afghanistan Berufserfahrung gesammelt. Er hat unter anderem in einer Nickelfirma und einer Autowerkstatt gearbeitet, wo er als Autospengler sowie Autolackierer tätig war.

3. Der BF ist nach traditionellem islamischem Ritus verheiratet. Seine Ehefrau und sein Sohn leben als Asylberechtigte in Deutschland. Seine Mutter und seine beiden Schwestern leben ebenfalls in Deutschland. Sein Vater und sein Bruder sind bereits vor vielen Jahren verstorben.

In Afghanistan lebt eine Tante väterlicherseits des BF in Kunduz. Seine übrigen Onkel und Tanten mütterlicherseits leben in verschiedenen Regionen Afghanistans. Zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan hat der BF keinen Kontakt.

4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.12.2011 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte das BFA darauf, dass der BF über keine hinreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge und seine langjährige Abwesenheit vom Herkunftsstaat.

Dem BF wurde auf Grundlage seines letzten Verlängerungsantrags eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.12.2018 erteilt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung wurde als glaubhaft erachtet, dem Antrag wurde "vollinhaltlich" stattgegeben, eine nähere Begründung konnte entfallen. Daraufhin stellte er am 08.11.2018 einen Antrag auf (weitere) Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in seiner Herkunftsprovinz Kunduz, sowie in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.12.2011 und seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 25.11.2016 nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.

5. Seit 16.07.2018 ist der BF in Österreich als KFZ-Techniker bei einem Unternehmen tätig. Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet hat sich der BF einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Er hat Deutschkurse besucht und kann sich auf Deutsch artikulieren.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

In Österreich ist der BF unbescholten.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Einst als relativ sicher erachtet ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17 % im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16 % aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. In einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, sind Aufständische aktiv.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Mazar-e Sharif ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden. Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz. Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien.

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 225 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 41% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv. Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban. Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle registriert, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 keine sicherheitsrelevanten Ereignisse mit Bezug auf den IS gemeldet wurden.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. In den Jahren 2016-2017 stieg die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

II. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

* Einsichtnahme in den Verwaltungsakt zum Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz und Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, insbesondere in das Erkenntnis vom 28.12.2011, den letzten Verlängerungsbescheid vom 25.11.2016, das Protokoll der niederschriftlichen Einvernahmen vom 19.12.2018 sowie in die Beschwerde vom 21.01.2019;

* Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 13.11.2019;

* Einsichtnahme in die vom BF im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden;

* Einsicht in das Strafregister.

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

1. Die Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zum Herkunftsort beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Dass die Muttersprache des BF Dari ist und er außerdem noch Urdu, Farsi, Griechisch und Deutsch spricht ergibt sich aus seinen Aussagen in der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 19.12.2018.

2. Die Feststellungen zu den Lebensumständen des BF in Afghanistan und im Iran, insbesondere zu seinen Berufserfahrungen, stützen sich auf die Angaben des BF vor dem BFA.

3. Die Feststellungen zu den Lebensumständen seiner Familienangehörigen in Afghanistan und in Deutschland beruhen auf seinen Angaben im Lauf des Verfahrens.

Der BF hat bereits in seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24.10.2011 gesagt, dass er vor seiner ersten Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gemeinsam mit zwei seiner Onkel und einer Tante mütterlicherseits in einem Haus gelebt habe (AS. 87). Außerdem berichtete er, dass sein Onkel väterlicherseits in Kunduz lebe und seine Tante väterlicherseits sowie deren Söhne in Kabul wohnten (AS. 88, 89, 90). Sein Onkel väterlicherseits habe versucht seine Mutter gegen ihren Willen zu ehelichen und auch zu seinen Cousins väterlicherseits habe er kein gutes Verhältnis (AS. 88, 96). In seiner Beschwerde vom 04.11.2011 verwies der BF erneut auf seinen Onkel väterlicherseits in Kunduz, mit dem er Streit gehabt habe, und auf zwei Tanten sowie einen Onkel mütterlicherseits in Afghanistan, zu denen er allerdings keinerlei Kontakt mehr habe (Beschwerde S. 10). In seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA am 19.12.2018 antwortete er nach Angehörigen in Afghanistan befragt, dass eine Tante väterlicherseits in Kunduz lebe. Weiters befänden sich vier Tanten sowie sechs Onkel mütterlicherseits in Afghanistan, in Mazar-e Sharif, Jalalabad, Kabul und Kunduz. Zu seinen in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen habe er keinen Kontakt (Einvernahmeprotokoll S. 4). Daher waren die Ausführungen des BF zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan und dem fehlenden Kontakt zu diesen, während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen konsistent.

Die belangte Behörde stellte in ihrem Bescheid vom 24.10.2011 selbst fest, dass der BF Verwandte in Afghanistan vorgebracht habe (AS. 136). Im Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.11.2011 wurde in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass der BF, seinen eigenen Angaben zufolge zurzeit in Afghanistan über keine ausreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge, zumal sein Vater bereits verstorben sei, seine Mutter und eine Schwester sich in Deutschland befänden und nur die zweite Schwester bisher alleine beim Onkel des BF, mit dem mehrere Meinungsverschiedenheiten bestünden, zurückgeblieben sei .

4. Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Erkenntnisses vom 28.12.2011, die letzte Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 25.11.2016 sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsaktes.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.12.2011 sowie auch seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 25.11.2016 nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung getroffen werden (vgl. dazu näher auch die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen). Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Erkenntnisses vom 28.12.2011 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des BF.

5. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF gründet auf seinen Aussagen in der Einvernahme vor dem BFA am 19.12.2018.

Die Feststellungen, dass der BF arbeitsfähig ist und zu seinen Lebensumständen in Österreich stützen sich auf seine Angaben dazu in der Einvernahme vor dem BFA vom 19.12.2018 und den von ihm dort sowie in seiner Beschwerde vorgelegten Integrationsunterlagen.

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

1. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen ein Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, den EASO-Bericht vom Juni 2019 und den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 versichert hat.

2. Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist. Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Der Asylgerichtshof hat die Zuerkennung des subsidiären Schutzes darauf gestützt, dass der BF in ganz Afghanistan über keine hinreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge. Eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul, wurde vom Asylgerichtshof - unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und des Fehlens eines unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks in Afghanistan sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan - verneint. Nunmehr geht das BFA davon aus, dass dem BF eine Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, obwohl sie selbst darauf hinweist, dass die Situationen in diesen Städten nach wie vor angespannt ist. Hiezu ist weiters zu ergänzen, dass Kabul, Herat und Mazar-e Sharif auch im Jahr 2011 bzw. 2016 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. UNHCR gelangt in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage sogar zur Auffassung, dass eine interne Schutzalternative in der Stadt Kabul im Allgemeinen nicht verfügbar ist. Auch die Sicherheitssituation in Kunduz, der Herkunftsprovinz des BF, hat sich nicht wesentlich und nachhaltig verbessert. Gestützt auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zur Beschwerde:

Mit gegenständlichem Bescheid vom BFA wurde dem BF eine Beschwerdefrist von vier Wochen eingeräumt. Die am 21.01.2019 erhobene und bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangte Beschwerde war rechtzeitig, zulässig und begründet.

Zu Spruchteil A)

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

III.2. Zu Stattgabe der Beschwerde und ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte I. und III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

1. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, geregelt, der wie folgt lautet:

"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. (...)"

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 beruft. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend sind", ergibt sich, dass die Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt wurde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (= Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, Zl. 2007/01/1216).

Es ist Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben daher jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung einer - subsidiären Schutz zuerkennenden - Entscheidung nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274, mwN).

Der VwGH hat bereits erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rz 25). Diese Überlegungen hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Auch der VfGH hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Status-richtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan:

Die ursprüngliche Gewährung des subsidiären Schutzes mit Erkenntnis vom 28.12.2011 begründete der Asylgerichtshof dahingehend, dass es sich bei dem BF zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit mehrjähriger Schulbildung und Berufserfahrung handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF zwar in Afghanistan geboren und aufgewachsen sei, aber zurzeit in Afghanistan über keine hinreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge, zumal sein Vater bereits verstorben sei, seine Mutter und eine Schwester sich in Deutschland befänden und nur die zweite Schwester bisher alleine beim Onkel des BF, mit dem mehrere Meinungsverschiedenheiten bestünden, zurückgeblieben sei. Der BF habe Afghanistan selbst schon vor über fünf Jahren verlassen, nachdem er sich auch vorher schon einige Zeit außerhalb des Landes aufgehalten habe, und habe die letzten Jahre großteils in Griechenland verbracht. Daher wäre er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, allenfalls in Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen. Die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt, stelle sich meist nur unzureichend dar. Eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul, würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und des Fehlens eines unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks in Afghanistan sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan zurzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Im Fall der Rückkehr drohe ihm unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der zurzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA seine Entscheidung damit, dass sich die subjektive Lage des BF geändert habe, da ihm nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe und er auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Überdies lebten seine Onkel und Tanten in mehreren Provinzen seines Heimatlandes, von denen er zumindest finanzielle Unterstützung erwarten könnte. Er habe abgesehen von einer allgemeinen Lebenserfahrung, schon weitere Erfahrungen gesammelt. Wenn es um die Frage nach in Afghanistan bestehenden Netzwerken gehe, sei in seinem Fall auf die Existenz der Verbindungen zu seiner Familie, der Volksgruppe der Paschtunen sowie auf internationale und auch nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer hinzuweisen. Der BF könne den Lebensunterhalt in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif bestreiten, da er über Arbeitserfahrung verfüge und gesund sei.

Im vorliegenden Fall hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass keine in der Person des BF liegenden subjektiven Umstände im Sinne einer wesentlichen Verbesserung seiner persönlichen Lage seit der Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung hervorgekommen sind. Wie sich aus dem letzten rechtskräftigen Verlängerungsbescheid des BFA vom 25.11.2016 ergibt, hielt auch das BFA die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und damit für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach wie vor für gegeben. Da diese Verlängerung rechtskräftig geworden ist, kommt ihr Bindungswirkung zu, und nur nach dieser Entscheidung eintretende Entwicklungen können zu einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen.

Im Hinblick auf die Ausführung der belangten Behörde, wonach dem BF nun eine IFA in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung stehe, sind den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan seit Gewährung des subsidiären Schutzes keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere bezogen auf die Sicherheitslage - zu entnehmen. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, kann nicht von einer wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan ausgegangen werden, sondern hat sich die Situation sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage, als auch hinsichtlich der Versorgungslage tendenziell verschlechtert. Dies gilt insbesondere für die Lage in Kunduz, der Herkunftsprovinz des BF und in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat.

Vermeint das BFA, dass in Afghanistan komplementäre Auffangmöglichkeiten, etwa in Lagern, existieren, die der BF im Falle einer erfolglosen Suche nach einer Unterkunft in Anspruch nehmen könnte und er, zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes, Unterstützungen des UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen könne, ist auch darin keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Erkenntnis vom 28.12.2011 zu erkennen.

Im damaligen Erkenntnis wurden die Länderfeststellungen des Bundesasylamts in dessen Bescheid vom 24.10.2011, mit Quellen angeführt und diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Bereits im damaligen Bescheid wurde die Feststellung getroffen, dass sich vor allem IOM und UNHCR um die Rückkehrer kümmere. Die afghanische Regierung habe mit UNHCR und verschiedenen Staaten Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland. Diese Abkommen sahen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen vor. Aus den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergibt sich unverändert eine Unterstützung durch nichtstaatliche Organisationen. Zugleich geht daraus hervor, dass sich Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung und eine vorübergehende Unterkunft konzentrieren, wobei Rückkehrer seit dem Jahr 2016 gar nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft erhalten. Eine wesentliche Veränderung der Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Erkenntnis vom 28.12.2011 ist im Hinblick auf - insbesondere - staatliche Unterstützungs- und Versorgungsleistungen somit nicht gegeben. Zudem geht aus der Begründung zum Erkenntnis vom 28.12.2011 hervor, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf unzureichende (staatliche) Unterstützungsleistungen, sondern maßgeblich auf den Umstand gestützt wurde, dass der BF über keine hinreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge und seine langjährige Abwesenheit vom Herkunftsstaat.

Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid ausführt, dass seine Onkel und Tanten in mehreren Provinzen seines Heimatlandes lebten, was ihm eine Wiedereingliederung in Afghanistan erleichtern würde, zumal ihn diese unterstützen könnten, so ist hier keine Änderung gegenüber der Sachverhaltslage bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes erkennbar. Dass sich seine Tanten und Onkel in Afghanistan aufhielten wurde vom BF, seit seiner ersten Einvernahme vor dem BFA am 24.10.2011, im Wesentlichen gleichbleibend vorgebracht (siehe dazu die Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3.). Ebenso konstant war sein Vorbringen zum fehlenden Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan.

Die belangte Behörde hielt in ihrem Bescheid vom 24.10.2011 ausdrücklich fest, dass der BF Verwandte in Afghanistan vorgebracht habe. Der Asylgerichtshof verzichtete auf eine - vom BF beantrage - mündliche Verhandlung und verwies in seinem Erkenntnis vom 28.11.2011 auf seine Angaben in der Einvernahme vom 24.10.2011 und der Beschwerde vom 04.11.2011, wo der BF sich auf den fehlenden Kontakt zu seinen Onkeln und Tanten in Afghanistan berief. Der Asylgerichtshof hat - unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts - in der rechtlichen Begründung erkannt, dass der BF in Afghanistan über keine ausreichenden sozialen oder familiären Netzwerke verfüge, zumal sein Vater bereits verstorben sei, seine Mutter und eine Schwester sich in Deutschland befänden und nur die zweite Schwester bisher alleine beim Onkel des BF, mit dem mehrere Meinungsverschiedenheiten bestünden, zurückgeblieben sei. Nach der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter hat sich also keine Sachverhaltsänderung ergeben. Vielmehr hat das BFA im angefochtenen Bescheid auf Basis eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts - dem Vorhandensein von Familienangehörigen in Afghanistan, zu denen der BF keinen Kontakt hat bzw. mit denen er verfeindet ist - eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw. andere (rechtliche) Schlüsse gezogen als noch in den vorigen Bescheiden.

Die Erläuterungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach es in letzter Zeit vermehrt zu einer freiwilligen Rückkehr vor allem von Flüchtlingen aus Pakistan komme, sodass sich kein Grund feststellen ließe, der die Rückkehr des BF nach Afghanistan unmöglich erscheinen ließe, weichen nicht wesentlich von den, bereits im Bescheid vom 24.10.2011 getroffenen Feststellungen, auf die sich der Asylgerichtshof berief, bezüglich Rückkehrern aus Pakistan ab.

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid, bezüglich der Bestreitung des Lebensunterhalts in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif, auf die Arbeitserfahrung des BF und seine Gesundheit verweist, so verabsäumt es darzulegen, welche konkreten Fähigkeiten und Kenntnisse er zwischenzeitlich durch seine Erwerbstätigkeiten erlangt hat. Der BF hat in Österreich als KFZ-Techniker und Karosseriebautechniker gearbeitet. Diese bzw. ähnliche Arbeitstätigkeiten hat er jedoch schon in Afghanistan ausgeübt, wo er seinen eigenen Angaben zufolge als Autospengler sowie Autolackierer tätig war. Folglich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er in einem bestimmten Fachbereich seine Fähigkeiten entscheidungswesentlich erweitern konnte. Breits im Erkenntnis vom 28.11.2011 wurde ausgeführt, dass der BF über Berufserfahrung verfügt. Eine Änderung der für die Zuerkennung des Schutzstatus maßgeblichen Umstände - im Sinne einer Verbesserung der subjektiven Lage des BF - liegt insoweit nicht vor.

Die Bemerkung im angefochtenen Bescheid, wonach die islamische Glaubensgemeinschaft in aller Welt grundsätzlich bestrebt sei, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, weshalb der BF bei der Neu- oder Wiederansiedlung in Kabul in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen Unterstützung erfahren würde, ist ebenfalls nicht geeignet, eine nachhaltige Verbesserung seiner individuellen Situation aufzuzeigen. Der afghanische Staat hat sich schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF "über islamische Traditionen definiert", dass sich daraus nun eine konkrete Unterstützungsleistung ergibt, wurde von der belangten Behörde nicht substantiiert dargelegt.

Auch bezüglich des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Verweises auf den "Ehrenkodex der Paschtunen" ist nicht ersichtlich, woraus die belangte Behörde diesbezüglich eine nunmehr geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr des BF ableitet, zumal auch insoweit seit Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.12.2011 und seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 25.11.2016 keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist.

Keinerlei Begründungswert kommt der kryptischen Formulierung im angefochtenen Bescheid zu, wonach der BF mit seinem Aufenthalt in Österreich bereits unweigerlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was ihm im Fall einer Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnenen Erfahrungsschatzes zugutekommen werde.

Dass die vom BFA verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts, vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat oder der Person des BF, ist, erhellt nicht zuletzt der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes aus den Jahren 2016/2017/2018 - ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, es sei - im Gegensatz zur Lage im letztmaligen Entscheidungszeitpunkt - nicht mehr davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr familiärer Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten bedürfe, weshalb nun keine derartige Gefährdungslage vorlege, welche gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts nicht mit dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, gleichzusetzen ist. Im Ergebnis hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall eine neue Begründung formuliert, mit der sie den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt hätte, wenn sie aktuell darüber zu entscheiden hätte. Dabei hat die belangte Behörde aber übersehen, dass es über diese Frage schon eine rechtskräftige Entscheidung gibt, an die sie gebunden ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 9 AsylG 2005 vorliegt, was - wie oben dargelegt wurde - zu verneinen ist.

Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.

Im Übrigen wird seitens des erkennenden Verwaltungsgerichtes zwar keineswegs verkannt, dass sich die Rechtsprechung des BVwG zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen auf Grund der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes seit dem Jahr 2016 geändert hat. Dies kann jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters nicht dazu führen, dass ohne tatsächlich veränderter (im Sinne einer verbesserten) Länderberichtslage bzw. ohne maßgebliche Änderung der persönlichen Umstände des BF von nicht mehr vorliegenden Vorrausetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gesprochen werden kann.

Letztlich wird angemerkt, dass auch im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA gleich an mehreren Stellen ausdrücklich festgehalten wird, dass soziale, ethnische und familiäre Netzwerke für einen Rückkehrer unentbehrlich sind und sich insofern keine Änderung ergeben hat.

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen und der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, wonach explizit der Wegfall entscheidungsrelevanter Sachverhaltselemente vorausgesetzt wird, erweist sich der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Zusammenschau mit der Aktenlage und insbesondere der letzten rechtskräftigen Verlängerungsentscheidung des BFA selbst als rechtswidrig.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Dem BF kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Die Behebung des Bescheides im unter Spruchpunkt A) I. genannten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit der Spruchpunkte I. sowie III. bis VI. zu erfolgen, zumal die von der belangten Behörde unter den Punkten III. bis VI. getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

III.3. Zu Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation des BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat oder eine wesentliche Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat hat sich im Vergleich mit der dem Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 28.12.2011 zugrunde gelegten Situation, die zu er Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte, nicht ergeben (vgl. Pkt. III.2.).

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher stattzugeben und kommt dem BF aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Der BF beantragte die verfahrensgegenständliche Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter vor Ablauf der zuletzt mit Verlängerungsbescheid bis 28.12.2018 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung und sohin fristgerecht im Sinne des § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG. Ihm wurde aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits einmal gemäß § 8 Abs. 4 1. Satz AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ist in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W148.1422457.3.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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