Entscheidungsdatum
28.04.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W241 2121304-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zl. 1086985104/180791908, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 07.12.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 26.01.2021 erteilt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 14.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) vom 26.01.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) abgewiesen. Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 26.01.2017 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Rechtlich folgerte das Bundesamt zu Spruchpunkt II. dieses Bescheides, dass sich die Situation in Afghanistan gegenüber den letzten Jahren zwar verbessert habe, die Lage jedoch weder sicher noch stabil sei. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sei in Afghanistan häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz seien im Fall des BF gegeben. So sei er zwar erwerbsfähig und könne daher die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben voraus-gesetzt werden, allerdings sei die Lage in Afghanistan insgesamt als angespannt zu bezeichnen und würden sich keine Hinweise ergeben, dass dem BF eine innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der als verhältnismäßig sicher eingestuften Region Kabul, offenstehe, da er in Afghanistan über keine Verwandten verfüge. Somit habe er in Afghanistan weder familiäre bzw. soziale noch wirtschaftliche Anknüpfungspunkte. Aufgrund des Fehlens eines unterstützenden sozialen bzw. familiären Netzwerks in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände im konkreten Fall könne daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der BF im Fall seiner Rückkehr Gefahr laufen würde, einer Bedrohung seines Lebens oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK unterworfen zu werden.
3. Der BF beantragte am 07.12.2018 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
4. In einer Einvernahme am 07.01.2019 gab der BF an, dass seine Familie in Teheran lebe, mit Ausnahme seiner jüngeren Schwester, die in Graz wohne. Er habe entferntere Verwandte in Afghanistan, zu denen er aber keinen Kontakt habe.
5. In der Folge wurde dem BF mit gegenständlichem Bescheid vom 09.01.2019 der mit Bescheid des BFA vom 26.01.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 07.12.2018 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die mit Bescheid vom 06.12.2016 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Ferner wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG iVm § 55 AsylG wurde dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt V.).
Begründend wurde im angefochtenen Bescheid unter Darlegung näherer Erwägungen zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegend seien und im gegenständlichen Fall gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei. Es könne zwar für das unmittelbare Herkunftsgebiet in der Provinz Maidan Wardak eine reale Gefahr im Sinne einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts erkannt werden, es könne aber nicht festgestellt werden, dass dem BF aktuell keine innerstaatliche Fluchtalternative offenstünde. Es entspreche der Rechtsprechung des VwGH, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei. Nunmehr könnten auch diverse Rückkehrhilfeprogramme in Anspruch genommen werden. Es stehe daher eine IFA in Mazar-e Sharif und Herat offen.
6. Gegen Spruchpunkte I. bis III. dieses Bescheids richtet sich die vorliegende Beschwerde.
7. Die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I. des unter Punkt 2. genannten Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2019, W216 2167293-1, als unbegründet abgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Im Bescheid vom 26.01.2016 wurde ausdrücklich festgestellt, dass Gründe für die Annahme bestehen, dass der BF aufgrund seiner eigenen persönlichen Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr liefe, einer Gefahrensituation im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ausgesetzt zu sein. Die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative wurde aufgrund fehlender sozialer, familiärer und wirtschaftlicher Anknüpfungspunkte ausgeschlossen.
Die gegenständliche Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesamt wurde auf die zwischenzeitlich bestehende innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e-Sharif und Herat gestützt.
Der BF verfügt über keine familiären, sozialen oder wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Er ist im Iran aufgewachsen, seine Kernfamilie lebt weiterhin dort.
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Si-cherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Maidan Wardak sowie in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2016, wesentlich und nachhaltig verändert haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten am 26.01.2016 stützen sich auf die Aktenlage.
Die Feststellung zu den familiären Verhältnissen des BF beruht auf seinen eigenen Angaben im Verfahren.
Die Feststellung, wonach sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2016 nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen werden (siehe dazu im Detail die rechtliche Beurteilung unten). Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid des BFA vom 26.01.2016 zugrunde gelegten Länderberichte mit jener Berichtslage, die das Bundesamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden Lage im Herkunftsstaat.
Aus den Länderberichten lässt sich nicht ableiten, dass sich die Versorgungslage sowie die Sicherheitslage in Afghanistan seit dem Jahr 2016 wesentlich und nachhaltig verbessert hat. So ergibt sich aus den Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage, dass die Nichtregierungsorganisation INSO im Zeitraum von 2015 bis 2017 einen kontinuierlichen Anstieg der landesweit sicherheitsrelevanten Vorfälle registrierte. Die UN kommt ebenso zu diesem Ergebnis, selbst wenn die Gesamtzahl der registrierten Vorfälle geringer ausfällt als bei INSO. Eine Verbesserung dieser Situation ist dem Länderinformationsblatt auch hinsichtlich des Jahres 2018 nicht zu entnehmen, sondern wird vielmehr festgehalten, dass die Taliban ihre Operationen verstärkten, um ausländische Kräfte zu vertreiben, während der IS versuchte, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Überdies ist eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle registriert worden. Die Situation in Kabul, welche einst als relativ sicher qualifiziert wurde, hat sich verschlechtert, zumal die Stadt nunmehr sowohl von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban als auch von Angriffen des IS betroffen ist. Die Provinz Balkh zählt nach wie vor als eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, wenngleich sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen, in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Ebenso zählt Herat - nach wie vor - zu den relativ friedlichen Provinzen, wobei sich auch hier die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren aufgrund der Präsenz der Taliban verschlechtert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Bei richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG kommt eine Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes im Lichte des Art. 19 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) nur bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der "falschen Darstellung", des "Verschweigens von Tatsachen" oder der "Verwendung gefälschter Dokumente, die für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend" waren, in Betracht (Böckmann-Winkler/Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 9 AsylG 2005, E5). Im gegenständlichen Fall ergeben sich jedoch aus dem angefochtenen Bescheid keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass eines dieser Tatbestandsmerkmale vorliegt. Das BFA konnte in seinen begründenden Ausführungen nicht dartun, dass die Aberkennung im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG zu Recht erfolgt wäre.
Nach dem mit "Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus" übertitelten Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berück-sichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorrübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Diese maßgeblichen Sachverhaltsänderungen können nicht immer (allein) in Änderungen im Herkunftsland, sondern auch entscheidungswesentlich in der persönlichen Situation des Schutzberechtigten gelegen sein. Dabei sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen. Die Beweislast für den Wegfall der Voraussetzungen sowie die Darlegung des substanziell und nachhaltig geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalts trifft aufgrund der Amtswegigkeit des Verfahrens zur Gänze das Bundesamt.
Bei der Beurteilung einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist hinsichtlich der Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts und des Wegfalls der Voraussetzungen aber nicht nur der ursprüngliche (Zuerkennungs-)Bescheid oder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen, sondern auch die Begründung allfälliger bereits erfolgter Verlängerungen des Status. Das Bundesamt ist in diesem Zusammenhang aber nicht bei jeder neuerlichen Verlängerungsprüfung gänzlich frei in seiner Beurteilung des Sachverhalts, sondern an seine bisherigen rechtskräftigen Entscheidungen (und allenfalls solche des Gerichts) gebunden. Insbesondere kann eine Aberkennung von subsidiärem Schutz ohne zusätzliche entscheidungsrelevante Faktoren nicht auf Veränderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (gegenüber jenem bei erstmaliger Zuerkennung) gestützt werden, die - obwohl dem Bundesamt bereits bekannt - bisherigen Verlängerungen des Status nicht entgegengestanden sind.
3.1.2. Maßgeblich ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, welche im gegenständlichen Fall mit Bescheid des BFA vom 26.01.2016 erfolgte.
Rechtlich stützte das BFA die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen auf die persönlichen Umstände des BF sowie auf die angespannte Lage in Afghanistan. Konkret wurde berücksichtigt, dass der BF zwar grundsätzlich als arbeitsfähiger Mann am Erwerbsleben teilnehmen könnte, seine Möglichkeiten zur Teilnahme am Erwerbsleben jedoch durch die eingeschränkte Versorgungslage in Afghanistan geschmälert sei. Er habe überdies keine Verwandten im Herkunftsstaat. Ebenso wurde berücksichtigt, dass der BF vor seine Einreise in Österreich achtzehn Jahre im Iran aufhältig gewesen ist. Da sohin sein Lebensmittelpunkt im Iran gelegen ist, verfügt er über keine familiären, sozialen oder wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Aufgrund des Fehlens eines unterstützenden sozialen Netzwerks steht ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Aufgrund dieser Erwägungen wurde nicht nur eine Rückkehr des BF in seine Herkunftsprovinz, sondern auch das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Provinzen Afghanistans ausgeschlossen.
Soweit die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG damit begründet, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keiner realen Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinne einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre, ist festzuhalten, dass den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan seit Gewährung des subsidiären Schutzes keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere bezogen auf die Lage in der Herkunftsprovinz des BF, Maidan Wardak, sowie in der nach den Ausführungen des Bundesamtes als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Stadt Mazar-e Sharif - zu entnehmen sind. Wie im Zuge der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, geht eine solche Veränderung aus dem vom Bundesamt zur Beurteilung des Sachverhalts herangezogenen Länderinformationsblatt Afghanistan vom 23.11.2018 keineswegs hervor.
Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die individuelle Situation des BF wurde von der belangten Behörde nicht dargetan und geht auch nicht aus der Aktenlage hervor. Die Kernfamilie des BF lebt weiterhin im Iran.
Das BFA führt ferner im angefochtenen Bescheid aus, dass sich auch die allgemeine Lage in Afghanistan entscheidungswesentlich verändert hat. Ein - entsprechende Feststellungen zur Entwicklung der Situation im Herkunftsstaat tragender - Vergleich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage einerseits im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und andererseits zum Zeitpunkt der Aberkennung des Schutzstatus findet sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht, sondern wird die Änderung der Situation vielmehr mit der (Neu)Bewertung durch internationale Organisationen sowie mit der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs begründet. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, kann nicht von einer wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan ausgegangen werden, sondern hat sich die Situation sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage als auch hinsichtlich der Versorgungslage tendenziell verschlechtert.
Ferner lässt auch ein Vergleich der Situation von Rückkehrenden im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 26.01.2016 mit der aktuellen Lage die Annahme einer entscheidungswesentlichen anhaltenden Veränderung nicht zu. So geht aus den Länderberichten im Bescheid vom 26.01.2016 bereits hervor, dass die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan gestiegen ist und die afghanische Regierung (weiter) mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie anderen humanitären Organisationen kooperiert, um intern vertriebenen Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und anderen Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe, auf die sich das Bundesamt in seiner gegenständlichen Entscheidung stützt, bestand bereits im Jahr 2016.
Aus den aktuellen, dem Sachverhalt zugrunde gelegten Länderberichten geht ebenso die Bedeutung sozialer Netzwerke hervor, wenn ausgeführt wird, dass neben Binnenvertriebenen und Flüchtlingen auch Rückkehrende wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögens in Afghanistan besonders gefährdet sind. Trotz der Möglichkeit, Unterstützungsleistungen von internationalen Organisationen oder unter Umständen auch vom afghanischen Staat zu beziehen, scheint demnach das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrenden zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrende existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden.
Zusammengefasst hat sich sohin auch die spezielle Situation von nach Afghanistan Rückkehrenden nicht entscheidungswesentlich geändert. Der pauschale Verweis des Bundesamtes, wonach der BF auf die Unterstützung einer Vielzahl von internationalen Einrichtungen zurückgreifen und überdies finanzielle Rückkehrunterstützungen von UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen könnte, ist nicht geeignet, Gegenteiliges aufzuzeigen. So können Rückkehrunterstützungen nur vorübergehend in Anspruch genommen werden, weshalb damit lediglich allfällige Anfangsschwierigkeiten ausgeglichen werden können. Aufgrund des bloß vorübergehenden Charakters vermögen sie sohin keine dauerhafte Veränderung der individuellen Umstände des BF zu bewirken.
Das Bundesamt hat es sohin verabsäumt, konkret darzulegen, inwiefern sich die Lage für den BF, einem - sowohl im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als auch im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung - gesunden, arbeitsfähigen, volljährigen Mann mit Berufserfahrung, entscheidungswesentlich verändert hat. Vielmehr erfolgte eine neuerliche Beurteilung desselben Sachverhalts. Festzuhalten ist jedoch, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes kann eindeutig abgeleitet werden, dass die nunmehrige Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative keine Sachverhaltsänderung, sondern lediglich eine Änderung rechtlichen Beurteilung darstellt und eine neue Judikatur in vergleichbaren Fällen jedenfalls nicht als maßgeblichen Sachverhaltsänderung zu sehen ist (VwGH vom 24.1.2019, Ro 2018/21/0011, BVwG vom 02.09.2019, W144 1434470-3/3E).
Das BFA hat sohin mit seinen Ausführungen entgegen richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG und § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG eine maßgebliche Änderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Bescheid des BFA vom 26.01.2016 nicht dargetan. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen sohin gegenständlich nicht vor. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides über die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher ersatzlos zu beheben.
3.2. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde - ersatzlos behoben wurde, war auch der weitere, damit verbundene Ausspruch (Spruchpunkt III.) ersatzlos zu beheben, zumal er schon infolge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten seine rechtliche Grundlage verliert.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern.
Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich die Gründe, aufgrund derer dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nachhaltig und wesentlich geändert hätten, wie oben bereits dargelegt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an den BF weiterhin vor. In Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchunkt II. des angefochtenen Bescheides war sohin die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF auf zwei weitere Jahre zu verlängern.
Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 57/2019 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung individuelle Verhältnisse Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Sicherheitslage Verlängerung wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2121304.2.00Im RIS seit
11.09.2020Zuletzt aktualisiert am
11.09.2020