TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W251 2117111-2

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W251 2117111-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. 1025811003 - 190493475, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

A)

I. beschlossen:

Das Verfahren betreffend die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 15.10.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Es wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

4. Nach entsprechendem Antrag des Beschwerdeführers wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.04.2017 bis zum 11.05.2019 verlängert.

5. Am 14.03.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein.

Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes am 15.05.2019 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.). Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde ihm entzogen (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde im vollen Umfang aufgrund unrichtiger und unvollständiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragte dem Verlängerungsantrag stattzugeben. Er brachte im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt das Vorbringen des Beschwerdeführers und dessen Aufenthalt in Österreich nicht ausreichend ermittelt habe. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund seiner persönlichen Situation im Falle der Rückkehr eine Gefahr iSd Art. 3 EMRK. Dem Beschwerdeführer sei in eventu ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Umständen zu gewähren, zumal er selbsterhaltungsfähig sei, sich in Österreich gut integriert habe und ein Privat- und Familienleben aufgebaut habe.

8. Das Amt der XXXX Landesregierung teilte mit E-Mail vom 30.08.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 04.09.2019, mit, dass dem Beschwerdeführer der österreichische Daueraufenthalt EU mit Gültigkeitsdauer vom 21.08.2019 bis zum 20.08.2024 erteilt wurde.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I. bis III. zurückzog.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 29.05.2019 den mit Erkenntnis vom 11.05.2016 zuerkannten Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.). Es wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.). Es wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde eine 14tägige Ausreisefrist gesetzt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.12.2019 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Rechtsvertreter nach einer Besprechung mit dem Beschwerdeführer bekannt gab, dass die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. zurückgezogen wird.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Beschwerde des Beschwerdeführers bislang nicht entschieden.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und spricht Dari als Muttersprache (Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.2016).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort zunächst aufgewachsen. Im Alter von ca. fünf Jahren ist der Beschwerdeführer in den Iran übersiedelt (Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.2016).

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 18.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz (Erstbefragung vom 18.07.2014). Er hält sich seitdem durchgehend in Österreich auf (Beilage ./I). Er hielt sich aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2016 und der damit erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie aufgrund der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.04.2017 rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Dem Beschwerdeführer wurde am 21.08.2019 der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" erteilt (Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung vom 30.08.2019 - OZ 3).

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2015 fünf Deutschkurse (Verwaltungsakt 1025811003-1480454 = VwA AS 147-151; AS 199-201). Am 22.06.2015 hat der Beschwerdeführer die Deutschprüfung auf dem Niveau "A2" gut bestanden (VwA AS 203). Er verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache (Verhandlungsprotokoll vom 11.12.2019 = OZ 8, S. 8).

Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2015 am Projekt "Externe Hauptschule ISOP" im Ausmaß von 28 Wochenstunden teilgenommen (VwA AS 327). Er hat im Rahmen des Projekts "Bewegte Begegnungen 2015/16" das 2. Modul Integrationsbotschafter abgeschlossen (VwA AS 329).

Der Beschwerdeführer hat am 22.09.2016 die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden (VwA AS 439). Er hat von 27.02.2017 bis 07.07.2017 hat ein Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches Realgymnasium für Berufstätige im Ausmaß von 22 Wochenstunden besucht (VwA AS 443) und am 10.05.2019 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen (Beilage ./A).

Der Beschwerdeführer hat eine Ausbildung als Übungsleiter für Jugendliche absolviert (Verhandlung Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.2016).

Der Beschwerdeführer ist am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und selbsterhaltungsfähig. Er hat von 28.09.2016 ca. ein Jahr bei XXXX gearbeitet (VwA AS 429-435; OZ 8, S. 6). Seit 14.09.2017 arbeitet der Beschwerdeführer als Lackierhelfer bei XXXX (VwA AS 477-517; Beilage ./B).

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich. Er konnte in Österreich Freundschaften knüpfen (OZ 8, S. 7).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt sowie in die vorgelegten Urkunden und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Aus dem Wortlaut und dem Inhalt der Erklärung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2019 ergibt sich unzweifelhaft, dass der Wille des Beschwerdeführers auf die Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides gerichtet ist. Diese erfolgte nach einer Besprechung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdeführervertreter, sodass der Wille des Beschwerdeführers unzweifelhaft auf Zurückziehung der Beschwerde sowie auf Einstellung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides gerichtet ist.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Verfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- zugehörigkeit, seiner Muttersprache und seiner Geburt und Aufwachsen in Afghanistan und im Iran gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten bisherigen Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, seinen Kursbesuchen, seinen Ausbildungsschritten und Deutschprüfungen sowie zu seinen in Österreich geknüpften Freundschaften) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem und dem Melderegister), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen stützen sich drauf, dass der Beschwerdeführer der Verhandlung auf Deutsch folgen konnte, eine Übersetzung durch die Dolmetscherin nicht notwendig war und er sämtliche Fragen flüssig und sehr gut auf Deutsch beantworten konnte (OZ 8, S. 8).

Dass der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügt, ergibt sich aus dem Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung vom 30.08.2019 sowie daraus, dass er sich in der Verhandlung am 11.12.2019 mit der EU-Daueraufenthaltskarte ausgewiesen hat (OZ 8, S. 1).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 21.04.2020).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Zu Spruchpunkt I.) Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Gemäß § 13 Abs. 7 AVG iVm § 17 VwGVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung war daher in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

§ 28 Abs. 1 VwGVG legt nicht fest, wann das Verfahren einzustellen ist, sodass insoweit auf die diese Frage regelnden Vorschriften abzustellen ist. Bezogen auf nach dem AVG geführte Rechtsmittelverfahren ist davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung dann vorzunehmen ist, wenn das Rechtsmittel rechtswirksam zurückgezogen wurde. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

3.1.2. Ein beim Verwaltungsgericht anhängiges Beschwerdeverfahren ist daher mit Beschluss einzustellen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wird.

3.1.3. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides war das Verfahren in diesem Umfang mit Beschluss einzustellen.

3.2 Zu Spruchpunkt II.). Spruchpunkt IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides

3.2.1. Der Beschwerdeführer hielt sich aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2016 und der damit erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie aufgrund der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.04.2017 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihm wurde am 21.08.2019 der Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" erteilt.

Das Verwaltungsgericht, entscheidet es in der Sache selbst, hat seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten, weshalb allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage zu berücksichtigen sind (vgl. nur etwa VwGH 16.1.2018, Ro 2017/03/0017, mwN).

3.2.2. Personen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügen, kommt nach § 20 Abs. 3 NAG 2005 in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokumentes - ein unbefristetes Niederlassungsrecht zu (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024). Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist in diesem Fall am Maßstab des § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 zu prüfen, wobei sich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auch noch aus § 9 BFA-VG 2014 ergeben (VwGH vom 29.05.2018, Ra 2018/21/0067 mwN).

3.2.3. § 52 und 53 Fremdenpolizeigesetz (FPG) lauten auszugsweise:

"Rückkehrentscheidung

§ 52 ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

...

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

..."

"Einreiseverbot

§ 53 ...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

..."

3.2.3. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Darüber hinaus ist das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 FPG im Verfahren nicht hervorgekommen.

Vielmehr hat der Beschwerdeführer sich sehr gute Deutschkenntnisse angeeignet, ist in Österreich am Arbeitsmarkt integriert und verfügt über freundschaftliche Kontakte.

Es ist im Ermittlungsverfahren somit kein Umstand hervorgekommen, der die Annahme rechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

3.2.4. Da somit bereits gemäß § 52 Abs. 5 FPG die Zulässigkeit für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht gegeben ist, kann eine Prüfung hinsichtlich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-VG 2014 unterbleiben, zumal der VwGH im Erkenntnis vom 29.05.2018, Ra 2018/21/0067 ausgesprochen hat, dass für das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich keine bestimmte "Prüfreihenfolge" besteht.

3.2.5. Im Rückkehrentscheidungsverfahren nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG ist § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 dergestalt teleologisch zu reduzieren, dass die entbehrlichen Aussprüche über die nur vorübergehende oder dauernde Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu unterbleiben haben und die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224). Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für die Konstellation, dass der Fremde über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" und damit über ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügt. Erweist sich demnach eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 - aus welchem Grund auch immer - als unzulässig, besteht dieses Aufenthaltsrecht weiter. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 kommt nicht in Betracht und es hat somit auch eine Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 über die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, die hierfür die Grundlage bilden sollte, zu unterbleiben (VwGH vom 29.05.2018, Ra 2018/21/0067 mwN).

3.2.6. Die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides sind daher ersatzlos - gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung Daueraufenthalt EU (int. Schutzberechtigte) ersatzlose Teilbehebung Rückkehrentscheidung behoben Teileinstellung teilweise Beschwerderückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2117111.2.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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