TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W241 2167293-2

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W241 2167293-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2019, Zl. 1052409309/180870280, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 13.06.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 07.07.2020 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 24.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) vom 07.07.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) abgewiesen. Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.07.2018 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde aufgrund der Länderfeststellungen zur Heimatregion des BF, Ghazni, davon ausgehe, dass er im Fall der Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten würde. Der BF verfüge nur über eine sechsjährige Berufsausbildung, keine Berufsausbildung und sei minderjährig. Aufgrund dessen sei ihm keine Rückkehr in andere Gebiete Afghanistans, in denen er über kein soziales Netz verfüge, zumutbar. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei dem BF zuzuerkennen, da für ihn als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens bestehe und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht zulässig sei.

3. Der BF beantragte am 13.06.2018 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

4. In einer Einvernahme am 03.10.2018 gab der BF an, dass er sich derzeit im zweiten Lehrjahr zum Maler befinde und die Berufsschule besuche. In Afghanistan lebten noch seine Mutter, seine Schwester und mehrere Onkel, alle in der Provinz Ghazni.

5. Die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I. des unter Punkt 2. genannten Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2019, W216 2167293-1, als unbegründet abgewiesen.

6. In der Folge wurde dem BF mit gegenständlichem Bescheid vom 01.04.2019 der mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 07.07.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), und der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 13.06.2018 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid unter Darlegung näherer Erwägungen zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegend seien und im gegenständlichen Fall gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG abzuerkennen sei. Die Sicherheitslage in Ghazni habe sich zwar seit 2017 nicht verbessert, dem BF sei jedoch eine Rückkehr nach Herat zumutbar. Der BF sei in Österreich ehrenamtlich tätig gewesen, habe eine Deutschprüfung A2 absolviert und sei aktuell Malerlehrling. Er sei mittlerweile selbsterhaltungsfähig und volljährig. Ihm sei daher die Erwirtschaftung des Lebensunterhalts auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in Herat möglich.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.07.2018 erteilt. Festgestellt wurde unter anderem, dass der minderjährige BF über sechsjährige Schulbildung, aber keine Berufserfahrung verfüge. Eine Rückkehr in andere Landesteile außerhalb Ghaznis sei ihm mangels familiärer Anknüpfungspunkte nicht zumutbar. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne festgestellt werden, dass für ihn eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die gegenständliche Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesamt wurde auf die zwischenzeitlich mögliche Rückkehr nach Herat aufgrund der Volljährigkeit, Berufserfahrung und Ausbildung in Österreich gestützt.

Der BF wurde am 01.01.2018 volljährig. Aktuell absolviert er eine Lehre zum Maler. Er war ehrenamtlich in der Altenbetreuung tätig.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Ghazni sowie in Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 wesentlich und nachhaltig verändert haben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten am 07.07.2017 und zur gegenständlichen Aberkennung und stützen sich auf die Aktenlage.

Die Feststellungen zur Person des BF stützen sich auf dessen eigene Angaben im Verfahren.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen werden (vgl. dazu näher auch die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Bei richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG kommt eine Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes im Lichte des Art. 19 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) nur bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der "falschen Darstellung", des "Verschweigens von Tatsachen" oder der "Verwendung gefälschter Dokumente, die für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend" waren, in Betracht (Böckmann-Winkler/Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 9 AsylG 2005, E5). Im gegenständlichen Fall ergeben sich jedoch aus dem angefochtenen Bescheid keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass eines dieser Tatbestandsmerkmale vorliegt. Das BFA konnte in seinen begründenden Ausführungen nicht dartun, dass die Aberkennung im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG zu Recht erfolgt wäre.

Nach dem mit "Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus" übertitelten Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berück-sichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorrübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Diese maßgeblichen Sachverhaltsänderungen können nicht immer (allein) in Änderungen im Herkunftsland, sondern auch entscheidungswesentlich in der persönlichen Situation des Schutzberechtigten gelegen sein. Dabei sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen. Die Beweislast für den Wegfall der Voraussetzungen sowie die Darlegung des substanziell und nachhaltig geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalts trifft aufgrund der Amtswegigkeit des Verfahrens zur Gänze das Bundesamt.

Bei der Beurteilung einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist hinsichtlich der Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts und des Wegfalls der Voraussetzungen aber nicht nur der ursprüngliche (Zuerkennungs-)Bescheid oder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen, sondern auch die Begründung allfälliger bereits erfolgter Verlängerungen des Status. Das Bundesamt ist in diesem Zusammenhang aber nicht bei jeder neuerlichen Verlängerungsprüfung gänzlich frei in seiner Beurteilung des Sachverhalts, sondern an seine bisherigen rechtskräftigen Entscheidungen (und allenfalls solche des Gerichts) gebunden. Insbesondere kann eine Aberkennung von subsidiärem Schutz ohne zusätzliche entscheidungsrelevante Faktoren nicht auf Veränderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (gegenüber jenem bei erstmaliger Zuerkennung) gestützt werden, die - obwohl dem Bundesamt bereits bekannt - bisherigen Verlängerungen des Status nicht entgegengestanden sind.

3.1.2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan:

Im gegenständlichen Fall ist die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid BFA vom 07.07.2017 erfolgt. Rechtlich hat das BFA die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen auf die persönlichen Umstände des BF sowie auf die angespannte Lage in Afghanistan gestützt. Konkret ist berücksichtigt worden, dass der BF minderjährig gewesen ist, über keine Berufsausbildung verfügte und außerhalb der Herkunftsprovinz Ghazni über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt hat. Aufgrund dieser Erwägungen ist nicht nur eine Rückkehr des BF in seine Herkunftsprovinz, sondern auch das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Provinzen Afghanistans ausgeschlossen worden.

Die demnach entscheidungswesentlichen Umstände haben seit der Zuerkennung des Schutzstatus keine Veränderung erfahren:

Die belangte Behörde stützte sich bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 07.07.2017 nicht konkret auf die damalige Minderjährigkeit des BF und auch nicht auf eine einzelne Stadt, sondern auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans. Der BF ist nunmehr volljährig und hat dadurch, dass er in Österreich Bildungsangebote wahrgenommen hat, zweifellos Lebenserfahrung gewinnen können. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im zugrundeliegenden Fall jedoch nicht allein aufgrund der Minderjährigkeit und der sich daraus ergebenden spezifischen Vulnerabilität des BF gewährt, sondern weil der BF über keine sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan außerhalb Ghaznis und nur über geringe Schulbildung und keine Berufsausbildung verfügte. Ein Vergleich der den Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte ergibt, dass die Familie des BF (seine Mutter und seine Schwester) nach wie vor in Ghazni lebt und der BF außerhalb Ghaznis über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass der BF auf ein tragfähiges Netzwerk zurückgreifen könnte, welches ihn im Fall seiner Rückkehr, etwa durch finanzielle Leistungen, nachhaltig unterstützen würde, sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Wenn das Bundesamt ausführt, der BF habe aufgrund seiner in Österreich gesammelten Berufserfahrung bessere Chancen am afghanischen Arbeitsmarkt, verabsäumt es darzulegen, welche konkreten Fähigkeiten und Kenntnisse der BF seit Zuerkennung des Schutzstatus erlangt hat. Eine nachhaltige Verbesserung seiner Situation aufgrund seiner gewonnen Berufserfahrung ist gegenständlich nicht anzunehmen, da der BF nach wie vor über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, sondern sich im zweiten Lehrjahr befindet. Es wurde auch nicht dargelegt, inwiefern seine ehrenamtliche Tätigkeit in der Altenbetreuung oder seine Deutschkenntnisse dem BF den Einstieg in den afghanischen Arbeitsmarkt erleichtern könnten.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit des BF und sein guter Gesundheitszustand seit Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter keine Änderung erfahren haben.

Auch die in der Berufsschule und Lehre erlangte Bildung vermag für sich alleine betrachtet keine wesentliche Verbesserung seiner Situation im Fall der Rückkehr zu begründen, zumal diese lediglich die - nicht abgeschlossene - praktische Ausbildung ergänzt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der BF laut eigenen Angaben nur über grundlegende Schreib- und Lesekompetenzen in der Sprache Dari verfügt. Der Besuch der Berufsschule in Österreich kann dieses Defizit nicht ausgleichen, da er im Zuge des Schulbesuchs - wie aus dem vorgelegten Zeugnis ersichtlich - zwar seine Englisch- und Deutschkenntnisse vertiefen konnte, in der Sprache Dari oder einer sonstigen Landessprache Afghanistans jedoch keinen Unterricht erhalten hat.

Das Bundesamt hat es sohin verabsäumt, konkret darzulegen, inwiefern sich die Lage für den BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. seit der letzten Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung entscheidungswesentlich verändert hat. Vielmehr erfolgte eine neuerliche Beurteilung desselben Sachverhalts. Festzuhalten ist jedoch, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maß-geblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist.

Das BFA hat sohin mit seinen Ausführungen entgegen richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG und § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG eine maßgebliche Änderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Bescheid des BFA vom 07.07.2017 geführt haben, nicht dargetan. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen sohin gegenständlich nicht vor. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides über die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher ersatzlos zu beheben.

3.2. Zu den Spruchpunkten II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides:

Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde - ersatzlos behoben wurde, waren auch die weiteren, damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte II., IV., V., VI. und VII.) ersatzlos zu beheben, zumal sie schon infolge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern.

Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich die Gründe, aufgrund derer dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nachhaltig und wesentlich geändert hätten, wie oben bereits dargelegt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an den BF weiterhin vor. In Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchunkt III. des angefochtenen Bescheides war sohin die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF auf zwei weitere Jahre zu verlängern.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 57/2019 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Verlängerung Volljährigkeit wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2167293.2.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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