Entscheidungsdatum
05.05.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W183-2213354-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2005 zusammen mit seinen Eltern Iran, ging nach Dubai und kam im Jahr 2010 mit seinem Vater nach Österreich. Bis 2015 hatte er die Rot Weiß Rot Karte. Im Zuge eines Grenzübertritts nach Tschechien wurde der Beschwerdeführer aufgegriffen, weil er keine Reisedokumente bei sich hatte. Am 05.01.2017 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 22.06.2018 und am 06.11.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er den Bahai angehöre und im Falle einer Rückkehr nach Iran wegen des Religionswechsels Verfolgung fürchte. Im Rahmen des Administrativverfahrens legte der Beschwerdeführer neben Personendokumenten auch seinen Ausweis der Bahai vor.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 11.01.2019) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 17.01.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkte I.-V. Beigeschlossen waren ein Unterstützungsschreiben, eine Bestätigung über die Zugehörigkeit zu den Bahai sowie eine Religionsaustrittsbescheinigung betreffend die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich.
4. Mit Schriftsatz vom 22.01.2019 (eingelangt am 25.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 04.05.2020 eine Strafregisterabfrage durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus Teheran, übersiedelte mit seinen Eltern aus beruflichen Gründen des Vaters im Jahr 2005 nach Dubai und im Jahr 2010 mit seinem Vater nach Österreich. Er gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache) und fließend Deutsch. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer hält sich bereits seit 2010 in Österreich auf. Er stellte am 05.01.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund gesetzt.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf, kam jedenfalls in Österreich ab dem Jahr 2010 durch seinen Vater mit den Bahai näher in Kontakt.
In Österreich besuchte der Beschwerdeführer Glaubenskurse und religiöse Veranstaltungen. Er ist seit dem Jahr 2011 offizielles Mitglied der Bahai in Österreich und verfügt über ein Grundwissen zu den Bahai. Der Beschwerdeführer meldete seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
Die Zugehörigkeit zu den Bahai wurde ein wesentlicher Bestandteil der religiösen Identität des Beschwerdeführers. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran Verfolgung durch staatliche Akteure aufgrund einer zumindest unterstellten Zugehörigkeit zu den Bahai droht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt.
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019
* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019
* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019
* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019
Zu den Bahai:
Nicht zu den anerkannten Religionen gehört der Baha'i Glaube, weshalb Baha'i juristisch gesehen unter der iranischen Verfassung und dem Strafgesetzbuch benachteiligt werden können. Die etwa 300.000 Anhänger werden systematisch verfolgt, weil sie Propheten nach Mohammed akzeptieren und damit als abtrünnige Muslime gelten. Die Baha'i haben als religiöse Minderheit den schwierigsten Stand in der Gesellschaft. Dazu kommt, dass die Baha'is wegen des Bestehens ihrer Zentrale in Haifa/Israel von offizieller iranischer Seite besonders misstrauisch beobachtet und oft als israelische Spione angesehen werden. Es gibt häufig Berichte über Verhaftungen von Baha'is. Nach Angaben der iranischen Baha'i-Gemeinschaft wurden im Jahr 2017 84 Baha'i verhaftet. Die Begründung der Verhaftung oder der Gerichtsurteile beinhalten meist "Verbreitung von Propaganda gegen die Islamische Republik" und Gründung von, oder Beteiligung an "Gruppen, die eine Bedrohung für die nationalen Sicherheitsinteressen darstellen". Zudem schüren staatliche Stellen den Hass gegen Baha'is. Gewaltakte gegen Mitglieder werden kaum geahndet (ÖB Teheran 12.2018).
Baha'i sind vom Pensions- und Sozialversicherungssystem ausgeschlossen, Kriminalitätsopfer erhalten keine staatliche Kompensation, und Gewerbescheine werden unter Hinweis auf die Baha'i-Zugehörigkeit verweigert (AA 12.1.2019). Auch bekommen sie keine Personalpapiere ausgehändigt und sind vollkommen staatlicher Willkür ausgeliefert (GIZ 3.2019c).
Baha'i Studenten werden oft nicht zu öffentlichen und privaten Universitäten zugelassen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019, FH 4.2.2019, HRW 17.1.2019). Nach Angaben eines Baha'i Vertreters werden auf lokaler Ebene Unterrichtseinheiten vom BIHE (Baha'i Institute of Higher Education, 2011 als illegal erklärt) abgehalten. Damit gehen zum einem erhebliche Risiken für Studenten und Dozenten einher, und zum anderen werden auf diese Weise erlangte Abschlüsse nicht anerkannt (AA 12.1.2019). Zwischen März und September 2018 wurde 50 Baha'i Universitätsstudenten aufgrund ihres Glaubens das weitere Studium an der Universität verboten (ÖB Teheran 12.2018).
Über (auch staatliche) Medien verbreitete Falschmeldungen stacheln die Bevölkerung weiterhin gegen Baha'is auf und setzen ihre Geschäfte unter wirtschaftlichen Druck. Im April, Juli und Oktober 2017 wurden wieder dutzende von Baha'i geführte Unternehmen von den Behörden geschlossen, nachdem diese aufgrund von Baha'i-Feiertagen geschlossen hatten. 2015 war es zu Friedhofsschändungen gekommen. Über die Jahre wurden auch zahlreiche Mitglieder der Baha'iGemeinde hingerichtet. Die Führungsriege der Baha'i-Gemeinde im Iran sowie die Leitung der Untergrunduniversität "Baha'i Institute for Higher Education" (BIHE) wurden nach Gefängnisstrafen Anfang 2018 freigelassen (ÖB Teheran 12.2018). Im Oktober 2018 saßen nach Angaben der International Bahá'í Community 77 Bahá'í aus Glaubensgründen in iranischen Gefängnissen in Haft, darunter noch ein Mitglied des siebenköpfigen iranischen Vorstandes der Glaubensgemeinschaft (AA 12.1.2019). Human Rights Watch zählt mit November 2018 79 Baha'is in Haft (HRW 17.1.2019).
Die systematischen Angriffe auf die Glaubensgemeinschaft der Baha'i setzen sich fort, dazu zählen willkürliche Festnahmen, lange Haftzeiten, Folter und andere Misshandlungen. Die Behörden ordnen die Schließung von Unternehmen im Besitz von Baha'i an, beschlagnahmen Vermögen von Baha'i und verweigern Anhängern dieser Glaubensgemeinschaft eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Staatliche Stellen schüren regelmäßig Hass und Gewalt gegen die Minderheit, indem sie Baha'i als "ketzerisch" und "schmutzig" verunglimpfen. Die Tatsache, dass zwei Männer, die gestanden hatten, Farhang Amiri wegen seines Baha'i-Glaubens ermordet zu haben, im Juni 2017 gegen Kaution freikamen, bot einmal mehr Anlass zu der Sorge, dass Hassverbrechen gegen Baha'i straffrei bleiben (AI 22.2.2018, vgl. ÖB Teheran 12.2018, AA 12.1.2019).
Quellen:
* - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-dieasyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-1201-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019
* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019
* GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 3.6.2019
* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019
* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019
Die zu Apostasie und Bahai festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV), der Beschwerdeschriftsatz samt Beilagen, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 14. Juni 2019 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten und die Strafregisterabfrage vom 04.05.2020.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente (mehrere Reisepässe) steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer - betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Aufenthaltsorte, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte und auch die vorgelegten Reisepässe seine Aufenthalte dokumentieren. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Für das Bundesverwaltungsgericht steht unzweifelhaft fest, dass der Beschwerdeführer Mitglied der Bahai in Österreich ist. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten Mitgliedsausweis (gültig bis Juni 2028) sowie aus dem Bestätigungsschreiben der geschäftsführenden Sekretärin der Bahai vom 20.11.2018. Weiters wurde das "Anerkenntnis" des Beschwerdeführers, welches vom Geistigen Rat der Bahai in Wien im Jahr 2012 entgegengenommen wurde, vorgelegt.
Unzweifelhaft ist weiteres, dass der Beschwerdeführer aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten ist und eine entsprechende Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien vorlegte. Daran zeigt sich, dass der Beschwerdeführer kein Interesse am Islam hat.
Neben diesen durch Dokumente belegten Fakten spricht auch das Aussageverhalten des Beschwerdeführers eindeutig dafür, dass er sich zu den Bahai bekennt. Vorweg ist grundsätzlich festzuhalten und in der Folge zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Einreise (zusammen mit seinem Vater) nach Österreich im Jahr 2010 um einen 14-jährigen Burschen handelte, der seinem Vater, welcher bereits in Dubai zu den Bahai fand, nachging. Der Beschwerdeführer absolvierte in der Folge in Österreich Bahai-Kurse und praktizierte im Rahmen von Feiern seinen Glauben. Einen Maßstab, wie ihn das Gericht bei Konvertiten, welche sich nach Erreichen der Volljährigkeit und insbesondere nach dem Stellen eines Asylantrags für eine neue Religion entscheiden, anlegt, kann daher im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr weniger gefährdet wäre, weil aufgrund der gesetzten Aktivitäten und der dokumentierten Mitgliedschaft von den iranischen Behörden zumindest eine Konversion unterstellt werden würde. Gleiches gilt auch für den vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannten Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht sehr oft im Bahai Center ist (vgl. AS 189: "ich war das letzte Mal vor einem Jahr im Bahai Center").
Aus dem Protokoll der Erstbefragung, wo vermerkt ist "sonst Religion", und in der Folge die Zugehörigkeit zu den Bahai als Rückkehrhindernis genannt wird, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dem muslimischen Glauben zuordenbar ist. Aus seinem Selbstverständnis heraus, ist der Islam nicht Teil seiner religiösen Identität, sondern wurde dies vielmehr das Bahaitum (vgl. etwa die Aussagen "Ich habe den Wechsel zum Bahai Glauben für mich selbst gemacht. Ich bekenne mich zu meinem Gott." AS 81; s. auch AS 187). Des Weiteren versteckt der Beschwerdeführer seinen Glauben nicht (vgl. AS 190).
Dass es sich bei dem Vorbringen, den Bahai anzugehören, um ein rein asyltaktisches Vorgehen handelt, ist nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer schon viele Jahre bevor er den Asylantrag im Jänner 2017 in Österreich stellte, Mitglied der Bahai war (vgl. insb. das Bahai-Anerkenntnis aus dem Jahr 2012; AS 309). Es ist auch stimmig, wenn der Beschwerdeführer angibt, mit 15 Jahren bei den Bahai aufgenommen worden zu sein, weil er im Jahr 2011 15 Jahre alt war und das Anerkenntnis eben aus dem Jahr 2011 stammt. Auch die Aussage im Jahr 2018, er sei seit sieben Jahren Bahai (AS 79), steht damit in Einklang.
Was das Wissen über die Bahai-Religion anbelangt, so ist dieses nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - gerade auch vor dem Hintergrund des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers - hinreichend, um eine tatsächlich erfolgte Ausübung dieser Religion nachvollziehbar zu machen. So weiß der Beschwerdeführer, wo sich das Bahai Zentrum in Wien befindet, dass die Zentrale in Haifa ist, was die wesentlichen Lehren und Feiern in dieser Religion sind; auch nennt er das Symbol der Bahai korrekt. Ein noch tiefer gehendes Detailwissen zu verlangen erscheint überzogen bzw. ist zu berücksichtigen, dass von einer jugendlichen Person, welche durch die familiäre Situation (Vater) in diese Religion hineingewachsen ist, kein übersteigertes Wissen verlangt werden kann. Die Erzählweise des Beschwerdeführers ist vielmehr als authentisch zu werten und spricht gerade ein nicht offenkundig auswendig gelerntes Wissen für die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.
2.2.3. Zur Situation in Iran
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten, von der Staatendokumentation des BFA erstellten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Was die Situation der Bahai in Iran anbelangt, so hat sich seit Erlassung des angefochtenen Bescheides die Situation nicht wesentlich geändert und hat das BFA bereits festgestellt, dass die Bahai systematisch verfolgt sowie aufgrund deren Zentrale in Haifa/Israel als Spione angesehen werden. Gleiches geht aus dem aktuellen Länderinformationsblatt hervor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;"
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260).
3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall findet die oben festgestellte, die den Beschwerdeführer treffende und glaubhaft gemachte Verfolgungsgefahr ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe, weil dem Beschwerdeführer in Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine aktuelle, aus politischen bzw. religiösen Gründen resultierende Verfolgung maßgeblicher Intensität durch staatliche Akteure droht. Der Beschwerdeführer hat sich ernsthaft den Bahai zugewandt. Die persönlich glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers machen eine innere Konversion nachvollziehbar. Durch das offiziell dokumentierte Anerkenntnis durch die Bahai, die Mitgliedschaft und das Praktizieren des Glaubens erfolgte auch eine Konversion nach außen und ist der Glaubenswechsel des Beschwerdeführers öffentlich geworden. Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle einer Rückkehr nach Iran dem Beschwerdeführer eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht. Wie sich aus den Länderberichten ergibt, werden gerade die Bahai, welche grundsätzlich nicht anerkannt sind, systematisch verfolgt. Auch werden sie von den Behörden aufgrund ihres Sitzes in Israel als Spione betrachtet. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist somit eine Verfolgung wegen eines zumindest unterstellten Religionswechsels objektiv plausibel. Auch ist es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, im Falle einer Rückkehr nach Iran den bereits seit vielen Jahren bestehenden Glauben vor den iranischen Behörden zu verleugnen und die Religionsausübung auf das sog. forum internum zu beschränken (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2004/83/EG).
Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht offen, weil sich - wie sich aus den Länderberichten ergibt - die drohende Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt.
Da im Verfahren auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervorkamen und der Beschwerdeführer nicht straffällig wurde, war der Beschwerdeführer gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.2. Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides
Da die Spruchpunkte II. bis VI. des im Spruch bezeichneten Bescheides voraussetzen, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, sind diese ohne weitere Prüfung ersatzlos zu beheben und ist insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2213354.1.00Im RIS seit
11.09.2020Zuletzt aktualisiert am
11.09.2020