TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 W228 2212600-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W228 2212600-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 1997, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V., und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 17.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 20.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer wurde nach einer Erstbefragung am 20.06.2015 am 03.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid vom 04.11.2015 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 04.11.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Gewährung von subsidiärem Schutz begründete das BFA damit, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Er wäre im Falle einer Rückkehr vorerst vollkommen auf sich allein gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Gegen diesen Bescheid vom 04.11.2015 hat der Beschwerde keine Beschwerde eingebracht und erwuchs der Bescheid daher in Rechtkraft.

Am 05.09.2016 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

Dem vom Beschwerdeführer eingebrachten Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde stattgegeben und wurde ihm mit Bescheid des BFA vom 12.09.2016 eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 04.11.2018 erteilt.

Am 07.07.2018 reiste der Beschwerdeführer in den Iran und hielt sich dort bis 21.07.2018 auf.

Am 17.10.2018 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 30.11.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Dabei gab er an, dass er seit einem Monat Christ sei. Er habe nicht als Moslem geboren werden wollen. In Bulgarien habe ihm ein Freund die Bibel gegeben und habe diese sein Interesse für das Christentum geweckt. Seit etwa einem Monat besuche er nun in Österreich die Kirche. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er in Österreich eine Tochter habe. Er wolle die Mutter seiner Tochter in drei Monaten standesamtlich heiraten. Er werde in der Geburtsurkunde zwar noch nicht als Vater angeführt; er wolle aber die Vaterschaft anerkennen. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass seine Eltern und sein Bruder in Afghanistan getötet worden seien. Dies habe er von seiner Schwägerin erfahren, welche nach dem Tod des Bruders des Beschwerdeführers mit ihren Kindern bei ihrem Vater in Behsud gelebt habe. Er habe seitdem mit seiner Schwägerin keinen Kontakt mehr. Befragt, was der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte, gab er an, dass er nicht wollen würde, dass seine Tochter ohne Vater aufwachse. Außerdem würden Hazara in Afghanistan verfolgt werden. Afghanistan sei nicht sicher und er hätte keine Unterkunft dort.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.12.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 04.11.2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag des Beschwerdeführers vom 17.10.2018 auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führt das BFA hinsichtlich der Aberkennung des subsidiären Schutzes zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, als dem Beschwerdeführer nunmehr einerseits eine IFA in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe und er andererseits auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen könne, die Rückkehrer unterstützen. Überdies könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über keine Verwandtschaft in Afghanistan verfüge, sondern gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer eine eventuelle Verwandtschaft in Afghanistan verheimliche. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf die Unterstützung noch vorhandener Familienangehöriger zurückgreifen könnte. Hinsichtlich seiner vorgebrachten Konversion sei anzumerken, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft sei. Dem Beschwerdeführer könne es als gesundem jungen Mann zugemutet werden, sich in Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufzubauen. Festzuhalten sei zudem, dass der Beschwerdeführer in Österreich mittlerweile Bildung erhalten und Lebenserfahrung gewonnen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vollumfängliche Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus der Provinz Bamyan stamme. Im Oktober 2015 seien die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers aufgrund von Feindschaften ermordet worden. Die Schwägerin des Beschwerdeführers sei wenige Zeit später mit ihren Kindern und Eltern nach Pakistan geflohen. Es sei beim Beschwerdeführer seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu keiner Änderung seiner persönlichen Umstände gekommen. Ebenso wenig habe sich die Lage in Afghanistan verbessert. In weiterer Folge wurde auf Berichte zur allgemeinen Lage in Afghanistan verwiesen und wurde ausgeführt, dass sich zusammenfassend ergebe, dass sich die Lage in Afghanistan und insbesondere in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht derart verbessert habe, dass davon ausgegangen werden könne, dass dem Beschwerdeführer nunmehr eine IFA zur Verfügung stünde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Zudem verfüge er wegen seiner längeren Abwesenheit aus Afghanistan nicht über die nötigen örtlichen bzw. kulturell-gesellschaftlichen Kenntnisse. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher zu Unrecht erfolgt. Abschließend wurde ausgeführt, dass die Rückkehrentscheidung unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe eine Freundin in Österreich, mit der er eine gemeinsame Tochter habe. Beide seien asylberechtigt in Österreich. Die Vaterschaft sei am 10.12.2018 anerkannt worden.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 23.07.2019 wurde eine Verständigung der Behörde von der Anklageerhebung vom 18.07.2019 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 13.01.2020 wurde eine Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 25.02.2020 wurde eine Mitteilung bezüglich Reisebewegungen (Iran von 05.02.2020 bis 15.02.2020) betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX 1997. Er stammt aus der Provinz Bamyan. Er hat seit seinem siebenten Lebensjahr als Hirte gearbeitet. Er hat keine Schule besucht, sondern bei einem Mullah den Koran gelernt.

Der Beschwerdeführer ist Hazara und schiitischer Moslem. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Im Oktober 2015, als sich der Beschwerdeführer bereits in Österreich aufgehalten hat, wurden die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers ermordet. Die Frau des ermordeten Bruders, sohin die Schwägerin des Beschwerdeführers, lebte zum damaligen Zeitpunkt mit ihren Kindern bei ihrem Vater in Behsud. Wo sich die Schwägerin des Beschwerdeführers nunmehr aufhält, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat keine sonstigen Angehörigen in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist ledig. Er ist Vater einer Tochter, geboren am 14.12.2017 in Neunkirchen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer wurde am 29.11.2019 zu Zl. 13 U 226/19y-10 vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je ? 5,00 (im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) wegen § 125 StGB rechtkräftig verurteilt.

Die individuelle Situation des Beschwerdeführers sowie die humanitäre Lage bzw. die Sicherheits- und Versorgungslage hat sich seit dem 04.11.2015 (Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) nicht nachhaltig und wesentlich verbessert. Vielmehr ist eine Verschlechterung der humanitären bzw. Versorgungslage in Afghanistan eingetreten. Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in Afghanistan, welcher insbesondere auf die hohe Zahl an Rückkehrern aus dem Iran, wo die Infektionsrate stark ansteigend ist, zurückzuführen ist, hat die afghanische Regierung Anfang April einen dreiwöchigen Lockdown verfügt. Schon diese Einschränkungen, führen insbesondere dazu, dass Rückkehrer weniger Zugang zu Arbeit und in der Folge zu einem Arbeitseinkommen haben. Sollten die diesbezüglichen Einschränkungen länger andauern, wird für Rückkehrer die Möglichkeit des Zugangs zu Arbeit und in der Folge zu einem Arbeitseinkommen noch weiter zurückgehen.

Es ist dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Afghanistan befindet sich am Anfang der Ausbreitung der Corona-Pandemie und tausende Menschen flüchten aus dem Iran nach Afghanistan.

Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.

Herat-Stadt:

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt.

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden. Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala. Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt.

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Talibankämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban.

Im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 wurden in der Provinz 145 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 2.095.117 geschätzt.

Zu COVID-19:

Mit Stand 9.4.2020 wurden in Afghanistan 484 COVID-19 Fälle bestätigt (15 Tote, 32 Genesene). Für die relativ geringe Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle werden von afghanisches Seite Kapazitätsprobleme bei COVID-19 Verdachtsfällen eingeräumt, die nicht getestet werden können, was die relativ niedrige Anzahl bestätigter Fälle erklärt.

Aller Voraussicht nach, wird COVID-19 Afghanistan aufgrund mehrerer Faktoren besonders hart treffen: einerseits die schlechte Gesundheit, unter der viele Afghanen auch zu normalen Zeiten leiden - ansteckende Krankheiten wie Typhus oder Tuberkulose sind virulent; die Kinder- und Müttersterblichkeit ist eine der höchsten der Welt; auch sind viele Kinder in den Provinzen unterernährt, was sie anfällig für Infekte macht. Nach jahrzehntelangem Krieg gibt es Hunderttausende, die durch Verletzungen dauerhafte Schäden davongetragen haben. Unter Berufung auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), prognostiziert das afghanische Gesundheitsministerium: 16 Millionen von mehr als 30 Millionen Einwohnern könnten an COVID-19 erkranken. Im schlimmsten Fall müssten 700.000 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert werden; 220.000 davon müssten möglicherweise auf Intensivstationen behandelt werden - von diesen könnten 110.000 Menschen an den Folgen von COVID-19 sterben. Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung. In der Provinz Herat, die die höchste Anzahl an bestätigten COVID-19-Fällen zu verzeichnen hat, wird die Zahl der Beatmungsgeräte auf nur 12 Stück geschätzt. Einer weiteren Quelle zufolge stehen in Herat sogar nur 10 dieser Beatmungsgeräte zur Verfügung.

In der an den Iran angrenzenden Provinz Herat hat sich die Anzahl positiver Fälle des COVID-19 unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung - die Provinzdirektion bestätigte dieses Vorbringen und erklärte dies mit langwierigen Beschaffungsprozessen. Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert.

Nach dem Tod eines Arztes aus dem "Amiri Medical Complex" in Kabul aufgrund von COVID-19, wurde die Klinik geschlossen. Neben diesem Arzt wurde eine Reihe von Angestellten desselben Krankenhauses positiv auf COVID-19 getestet. Auch in einem anderen Krankenhaus in Kabul "Rabia Balkhi Maternity Hospital" hat sich ein Arzt mit COVID-19 angesteckt; 15 weitere Beschäftigte befinden sich in Quarantäne.

Am 7.4.2020 wurde in Kandahar ein weiteres Labor eröffnet, um Verdachtsfälle des COVID-19 zu testen. In diesem Labor sollen täglich bis zu 100 Verdachtsfälle innerhalb von 24 Stunden getestet werden. Außerdem sollen auch Verdachtsfälle aus den angrenzenden Provinzen Helmand, Uruzgan und Zabul in dieser Einrichtung getestet werden.

In den letzten Tagen wurde im Westen Kabuls, nach Herat, die höchste Anzahl COVID-19-Infizierter verzeichnet. Sowohl in Kabul als auch in der nah der iranischen Grenze gelegenen Stadt Herat gelten inzwischen Ausgangssperren, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. In der Stadt Kabul dürfen sich nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler-Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen.

Situation in den Grenzregionen und Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan

Die afghanischen Behörden kämpfen um die Kontrolle über diese beispiellosen Rückkehrbewegungen an den seit jeher durchlässigen und oft chaotischen Grenzübergängen (zu den beiden Ländern Pakistan und Iran) zu gewinnen.

Iran

An dem Islam Qala Grenzübergang gibt es auf beiden Seiten keine Quarantänestation. Zwar führen die Provinzbehörden von Herat grundlegende Gesundheitskontrollen durch, jedoch sind sie von der Anzahl an Rückkehrer/innen überfordert. Auch existiert in Herat ein Mangel an COVID-19-Testskits; Ergebnisse dauern für diejenigen, die sich testen lassen, vier oder fünf Tage, bis dahin sind die meisten schon in ihre Dörfer zurückgekehrt. Wie viele Rückkehrer/innen sich mit dem Virus infiziert haben, ist völlig unklar, da sie weder untersucht noch isoliert wurden. Die Internationale Organisation für Migration (IOM), hat Zentren errichtet, um besonders vulnerablen Rückkehrer/innen, humanitäre Hilfe zu gewähren. Personen mit COVID-19-Symptomen werden an die örtlichen Krankenhäuser überstellt - bisher sind zehn bis 15 Personen positiv getestet worden.

Pakistan

Die afghanische Regierung ersuchte die pakistanischen Behörden auf, die Grenzübergänge zu öffnen, um afghanischen Rückkehrer/innen, die von der Schließung der pakistanischen Grenzen betroffen waren, eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Die pakistanische Regierung verlautbarte die beiden Hauptgrenzübergänge Torkham und Chaman vier Tage lang (ab Montag 6.4.2020) zu öffnen, um den Menschen eine Rückkehr nach Afghanistan zu ermöglichen. Geplant war außerdem von pakistanischer Seite 1.000 Personen pro Tag nach Afghanistan zulassen. Jedoch sollen in den letzten zwei Tagen 20.000 Personen die Grenze zu Chaman überschritten haben, was die Behörden veranlasst hat, die Bestimmung aufzugeben, nur Personen mit gültigen Papieren die Grenze passieren zu lassen.

Auf afghanischer Seite hatten die Behörden Vorkehrungen getroffen, um 4.000 Afghanen für 14 Tage beim Grenzübergang Torkham unter Quarantäne zu stellen, dort wurden sie aber schnell von der Anzahl an Rückkehrer/innen überwältigt. IOM zufolge, sind in drei Tagen 60.000 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Dies ist die registrierte Anzahl an Menschen, die offizielle Kontrollpunkte passieren - illegale grenzüberschreitende Bewegungen zwischen Afghanistan und Pakistan existieren seit vielen Jahren; diese Anzahl zu verfolgen ist schwierig.

2. Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der Herkunft, der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Sprache, Arbeitsfähigkeit und seinen Lebensumständen sowie hinsichtlich der Ermordung seiner Eltern und seines Bruders stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Angaben des Beschwerdeführers.

Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, wo sich die Schwägerin des Beschwerdeführers nunmehr aufhält, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer zu ihrem Aufenthaltsort keine konkreten Angaben tätigen konnte. So gab er in der Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2018 an, dass er, seitdem sie ihm die Nachricht von der Ermordung seiner Eltern und seines Bruders überbracht habe, keinen Kontakt mehr zu ihr habe. In der Beschwerde wurde zwar ausgeführt, dass die Schwägerin des Beschwerdeführers nunmehr in Pakistan lebe; es wurde in der Beschwerde allerdings nicht näher dargelegt, woher der Beschwerdeführer diese Information nunmehr hat bzw. seit wann er doch wieder in Kontakt mit seiner Schwägerin steht.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine sonstigen Angehörigen in Afghanistan hat, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Ansicht der belangten Behörde, wonach davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine eventuelle Verwandtschaft in Afghanistan verheimliche und daher nicht festgestellt werden könne, dass er über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge, kann nicht gefolgt werden, zumal die diesbezügliche Begründung der Behörde einer sachlichen Rechtfertigung nicht standhält. So führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers, wonach weder seine Mutter noch sein Vater Geschwister gehabt hätten, aufgrund der demografischen Daten für Afghanistan nicht glaubhaft seien. Der Beschwerdeführer habe nicht plausibel erklären können, weshalb seine Eltern Einzelkinder gewesen seien. Der diesbezüglichen Beurteilung der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, zumal es durchaus möglich ist, dass es sich bei der Familie des Beschwerdeführers dahingehend um eine Ausnahme handelt, dass seine Eltern beide tatsächlich Einzelkinder waren und er sohin über keine Verwandten in Afghanistan verfügt.

Die Feststellung betreffend die Verurteilung ergibt sich aus der Verständigung von einer rechtkräftigen Verurteilung vom 12.12.2019.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA am 30.11.2018, wonach er seit einem Monat die Kirche besuche und daher Christ sei, kann nicht gefolgt werden, zumal einerseits das diesbezügliche Vorbringen in der Einvernahme äußerst vage blieb und er keinerlei konkrete Angaben zu seinem Interesse am Christentum tätigen konnte und er zudem in der Beschwerde - abgesehen von der völlig unsubstantiiert in den Raum gestellten Behauptung, dass er zum Christentum konvertieren wolle - keinerlei konkrete Ausführungen diesbezüglich tätigte.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Vater einer Tochter ist, ergibt sich aus der Mitteilung der Anerkennung der Vaterschaft vom 10.12.2018 sowie aus der Geburtsurkunde vom 10.12.2018.

Die Feststellungen zu dem von der afghanischen Regierung verhängten Lockdown aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus und den damit einhergehenden Folgen hinsichtlich der eingeschränkten Möglichkeit einen Arbeitsplatz zu finden, ergeben sich aus dem Dokument FEWS - March 2020 (https://fews.net/central-asia/afghanistan/key-message-update/march-2020) sowie aus dem Dokument FEWS - Afghanistan Food Security Outlook.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.11.2015 nicht wesentlich und nachhaltig verbessert haben, sondern vielmehr eine Verschlechterung eingetreten ist, ergibt sich daraus, dass sich aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in Afghanistan und der starken Rückkehr von Afghanen über die Grenzen aus dem Iran die Arbeitssituation derart verschlechtert, dass es für den Beschwerdeführer mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, eine Arbeit zu finden.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), der Kurzinformation der Staatendokumentation zu COVID-19 in Afghanistan vom 09.04.2020, dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Zu Spruchpunkt A)

Zu I. Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI.des angefochtenen Bescheides:

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 AsylG geregelt, der wie folgt lautet:

"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(...)"

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 beruft. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würde", ergibt sich, dass die Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt wurde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 und Art. 16 Statusrichtlinie sind verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist. Auch Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie ist in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftssaat kein subsidiärer Schutz mehr gebührt.

Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen.

Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung ist es nicht zulässig, die Aberkennung auszusprechen, wenn sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht geändert hat. Soweit allerdings neue Sachverhaltselemente hinzutreten, sind diese in einer neuen Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 97 ff. unter Verweis auf die zu § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG ergangene Entscheidung VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155). Dabei sind bei der Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 102).

Damit sind Ausgangspunkt der Beurteilung, ob eine maßgebliche Sachverhaltsänderung vorliegt, jene Umstände, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben und nicht die Umstände im Zeitpunkt der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

Das BFA begründete in seinem Bescheid vom 04.11.2015 die Zuerkennung des subsidiären Schutzes damit, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge. Er wäre im Falle einer Rückkehr vorerst vollkommen auf sich allein gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Das BFA begründete im Bescheid vom 04.12.2018 die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, als dem Beschwerdeführer nunmehr einerseits eine IFA in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe und er andererseits auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen könne, die Rückkehrer unterstützen. Überdies könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über keine Verwandtschaft in Afghanistan verfüge, sondern gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer eine eventuelle Verwandtschaft in Afghanistan verheimliche. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf die Unterstützung noch vorhandener Familienangehöriger zurückgreifen könnte. Hinsichtlich seiner vorgebrachten Konversion sei anzumerken, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft sei. Dem Beschwerdeführer könne es als gesundem jungen Mann zugemutet werden, sich in Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufzubauen. Festzuhalten sei zudem, dass der Beschwerdeführer in Österreich mittlerweile Bildung erhalten und Lebenserfahrung gewonnen habe.

Die belangte Behörde stellt in ihren Ausführungen zur maßgeblichen Sachverhaltsänderung darauf ab, dass dem Beschwerdeführer nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe.

Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers lässt sich dem festgestellten Sachverhalt entnehmen, dass der Beschwerdeführer weiterhin keine verwandtschaftlichen Beziehungen oder sonstigen Bindungen in Afghanistan hat. Zum Hinweis der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbaren Fällen erblickt werden kann (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Ein Vergleich der den Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte ergibt, dass der Beschwerdeführer stets volljährig, ledig, gesund und arbeitsfähig war. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, kann dem Argument der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer eine eventuelle Verwandtschaft in Afghanistan verheimliche und daher davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf die Unterstützung noch vorhandener Familienangehöriger zurückgreifen könnte, nicht gefolgt werden, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt. Selbst für den Fall, dass die Schwägerin des Beschwerdeführers noch in Afghanistan leben sollte, ist nicht ersichtlich, ob die Schwägerin im Hinblick auf ihre individuelle Situation tatsächlich in der Lage wäre, den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr zu unterstützen.

Auch der Verweis der belangten Behörde, dass eine Änderung der Lage insofern vorliege, da der Beschwerdeführer Lebenserfahrung in Österreich gewonnen habe, welche ihm bei einer Neuansiedlung in Afghanistan helfen würde, reicht für die Annahme einer wesentlichen Änderung seiner Situation nicht aus. Inwiefern die in den letzten Jahren gesammelte Lebenserfahrung in Österreich die Situation des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr entscheidungswesentlich verbessern würde, wurde von der Behörde nicht dargelegt und konnte auch nicht festgestellt werden. Es ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer erst im November 2018 begonnen hat, in Österreich zu arbeiten und ist nicht ersichtlich, inwieweit diese - vor Bescheiderlassung erst sehr kurzzeitig gesammelte - Arbeitserfahrung, eine verfahrensrelevante Änderung der Lage begründen sollte. Demnach haben die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und sein guter Gesundheitszustand seit Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter keine Änderung erfahren. Festzuhalten ist daher, dass insoweit keine Änderung der für die Zuerkennung des Schutzstatus maßgeblichen Umstände (im Sinne einer Verbesserung der subjektiven Lage des Beschwerdeführers) vorliegt.

Der pauschale Verweis des Bundesamtes, wonach der Beschwerdeführer auf die Unterstützung einer Vielzahl von internationalen Einrichtungen zurückgreifen könnte, ist nicht geeignet, Gegenteiliges aufzuzeigen. So können Rückkehrunterstützungen nur vorübergehend in Anspruch genommen werden, weshalb damit lediglich allfällige Anfangsschwierigkeiten ausgeglichen werden können. Aufgrund des bloß vorübergehenden Charakters vermögen sie sohin keine dauerhafte Veränderung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers zu bewirken.

Hinsichtlich der Sicherheits- bzw. Versorgunglage bzw. der humanitären Lage in Afghanistan, ist es, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer ebenfalls zu keiner erheblichen Änderung, im Sinne einer Verbesserung, in Afghanistan gekommen. Vielmehr ist - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - in der Folge der Ausbreitung des Coronavirus in Afghanistan eine Verschlechterung der Versorgungslage, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden und ein Einkommen zu erwirtschaften, eingetreten. Es ist festzuhalten, dass gerade die aktuelle Situation in Afghanistan weiterhin verschärft wird, zumal die Anzahl an Rückkehrern aufgrund der Corona-Pandemie immer größer wird. Aus den Pandemie- Entwicklungen in den europäischen Ländern ist ersichtlich, dass sich die Situation verschlechtern wird und die Rückkehr in ein "normales" Leben noch Monate dauern wird. Afghanistan befindet sich erst am Beginn der Corona-Pandemie.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung (im Sinne einer Verbesserung) der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Die Behebung des Bescheides im unter Spruchpunkt A) I. genannten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit der Spruchpunkte I. sowie III. bis VI. zu erfolgen, zumal die von der belangten Behörde unter den Punkten III. bis VI. getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

Zu II. Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher stattzugeben und kommt dem Beschwerdeführer weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Aufgrund des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ist in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 2. Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil der gegenständlichen Entscheidung Bedeutung zukommt, die über den Einzelfall hinausgeht.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Berufserfahrung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation individuelle Verhältnisse Pandemie Revision zulässig Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2212600.1.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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