Entscheidungsdatum
13.05.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W256 2179015-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25. Oktober 2017, Zl. XXXX :
A)
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes I. gemäß §28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 28. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Dabei führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt Folgendes (wortwörtlich wiedergegeben) aus: "Ich habe mein Land wegen der Al Shabaab verlassen, da mich diese rekrutieren wollten. Ich flüchtete zuerst nach Syrien, und da es dort jetzt Krieg gibt, flüchtete ich weiter. Ich habe Angst um mein Leben."
Der Beschwerdeführer wurde am 14. September 2017 durch ein Organ der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen. Ergänzend brachte er vor, dass er Somalia 2008 verlassen und in weiterer Folge für 2 Jahre in Äthiopien und schließlich in Syrien gelebt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), der Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm dagegen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).
Darin wurde nach Wiedergabe der Einvernahme-Protokolle und des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation Somalia (LIB) - sofern hier wesentlich - begründend ausgeführt, dass insgesamt nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in Somalia einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Das Vorbringen einer Entführung durch die Al Shabaab und eine versuchte Zwangsrekrutierung sei nicht glaubhaft. Jedenfalls sei nicht einzusehen, weshalb der Beschwerdeführer nach seiner Flucht aus Somalia nicht in Äthiopien verblieben, sondern nach 2 Jahren weiter nach Syrien ausgereist sei. Auch habe der Beschwerdeführer zu seiner Fluchtgeschichte unterschiedliche Angaben im Rahmen seiner Befragung getätigt und zwar habe er zu Beginn der Einvernahme angeführt, dass er für zwei Tage und drei Nächte bei Al Shabab gewesen sei, wohingegen er in freier Erzählung lediglich zwei Tage und zwei Nächte bei Al Shabaab verblieben und er in der dritten Nacht geflohen sei.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, indem wichtige Ermittlungsschritte unterlassen worden seien. Der Beschwerdeführer habe sich durch seine Flucht aus dem Ausbildungslager der Zwangsrekrutierung der Al Shabaab entzogen und habe er damit seine politische Haltung gegenüber Al Shabaab zum Ausdruck gebracht. Er sei daher im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung aufgrund einer ihm (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung von Seiten der Al Shabaab ausgesetzt.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
1. Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt nach § 28 Abs. 2 Ziffer 2 voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ra 2014/03/0063, hielt der Verwaltungs-gerichtshof (VwGH) fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2017, Zl. Ra 2016/12/0109, Rz 18ff.). Zusammenfassend schreibt der VwGH in der Ra 2016/09/0009 vom 28. März 2017, wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat (vgl. auch VwGH 20. Oktober 2017. Ra 2016/09/0103), ist eine Zurückweisung nach §28 Abs. 3 VwGVG zulässig.
Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Die belangte Behörde hat zwar eine Einvernahme (auch) zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers vorgenommen, diese beschränkte sich allerdings auf eine allgemeine Befragung ohne durch konkretes Nachfragen gezielt auf das vom Beschwerdeführer eigenständig geschilderte Fluchtvorbringen und damit auf den Einzelfall einzugehen.
Der Beschwerdeführer hat - wie auch bereits im Rahmen seiner Erstbefragung - vorgebracht, ihm drohe aufgrund einer verweigerten Zwangsrekrutierung asylrelevante Verfolgung durch Al Shabaab in Somalia.
Eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit dieser Fluchtgeschichte fand im Zuge der Befragung jedoch nicht statt.
Dementsprechend findet sich auch im angefochtenen Bescheid keine - zumindest nachvollziehbare - Begründung dazu, weshalb die belangte Behörde von der fehlenden Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens ausgeht. Dass der Beschwerdeführer nach seiner Flucht aus Somalia auch Äthiopien nach 2 Jahren verlassen habe und er die Nacht seiner Flucht von Al Shabaab im Zuge seiner Befragung nicht gleichbleibend seinem Aufenthalt bei Al Shabaab hinzugerechnet hat, vermag für sich allein betrachtet jedenfalls kein geeignetes Indiz für die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens darstellen.
Die belangte Behörde hat es daher - entgegen ihrer in § 18 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflicht - gänzlich unterlassen, sich mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgrund eingehend und vor allem geeignet zu befassen. Der Sachverhalt ist somit in einem wesentlichen Punkt umfassend ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb im Hinblick auf diese besonders gravierende Ermittlungslücke eine Zurückverweisung erforderlich und auch gerechtfertigt ist (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/09/0088).
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren angehalten, sich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (geeignet) auseinanderzusetzen, dazu konkrete Ermittlungsschritte, sei es durch gezielte Befragung des Beschwerdeführers, durch Einholung von entsprechenden Länderberichten oder sonstiger sich daraus ergebender weiterer Ermittlungsschritte zu setzen und die diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse einer ernsthaften und nachvollziehbaren Prüfung zu unterziehen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Denn die belangte Behörde ist als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig. Überdies soll eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22).
2. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise bzw. unzureichend ermittelt, entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Fluchtgründe Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W256.2179015.1.00Im RIS seit
11.09.2020Zuletzt aktualisiert am
11.09.2020