TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/19 W231 2211899-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W231 2211899-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 20.09.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für zwei Jahre verlängert wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.1. Verfahrensgang:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (künftig BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.06.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz in Österreich.

I.1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (künftig BFA), vom 19.10.2015 wurde dieser Antrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.10.2016 erteilt (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde zunächst verlängert.

I.1.3. Am 20.09.2018 brachte der BF bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

I.1.4. Daraufhin wurde von der belangten Behörde am 29.11.2018 eine Einvernahme des BF durchgeführt.

I.1.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 03.12.2018 erkannte die belangte Behörde den mit Bescheid vom 19.10.2015 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.) und wies den Antrag vom 20.09.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Behörde erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen bemessen (Spruchpunkt VI.).

I.1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht die zulässige, verfahrensgegenständliche Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig erfolgt sei, da sich weder die Lage in Afghanistan und insbesondere nicht die persönliche Situation des BF seit Zuerkennung des Schutzstatus wesentlich geändert habe. Im Falle der Rückkehr des BF nach Afghanistan wäre er der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt.

Mit der Vorlage der Beschwerde verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

I.1.7. Die erkennende Richterin holte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein in Bezug auf die Frage, ob sich bzw. wie sich die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF, Herat, Bezirk Gozara, seit 2015 verändert habe, insbesondere in Bezug auf sicherheitsrelevante Vorfälle, militärische Operationen, zivile Opfer, Präsenz der Taliban. Die Anfragebeantwortung wurde den Parteien am 18.03.2020 im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Eine Stellungnahme des BF dazu lange am 08.04.2020 ein. Die Behörde verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Asylaktes (Verwaltungs- und Gerichtsakt) und des Aktes zum Aberkennungsverfahren einschließlich der Niederschrift über die Einvernahme des BF durch die belangte Behörde am 29.11.2018, sowie des verfahrensgegenständlichen Bescheides und der Beschwerde dagegen werden folgende Feststellungen getroffen:

II.1.1. Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ihm wurde das Geburtsdatum XXXX zugeordnet. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Der BF hat im Heimatland ca. 6 Jahre die Schule besucht und Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft gesammelt.

Der BF wurde in Afghanistan, Provinz Herat, Bezirk Gozare, geboren und hat dort vor seiner Ausreise aus Afghanistan mit seinen Angehörigen gelebt. Seine Angehörigen leben nach wie vor im Heimatort in der Provinz Herat.

In Österreich hat der BF Deutschkurse absolviert und zuletzt die B1-Prüfung abgelegt; seit 01.09.2018 arbeite er in einem Unternehmen.

II.1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.10.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.06.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm jedoch zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Dieser Bescheid ist rechtskräftig.

Zur Person des BF wird festgestellt, dass er Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, afghanischer Staatsangehöriger und 22 Jahre alt sei (Bescheid vom 19.10.2015, Seite 10).

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte sich auf folgende Feststellungen zur Rückkehrsituation des BF (Bescheid vom 19.10.2015, Seite 10):

"Es bestehen aufgrund der allgemeinen humanitären Lage in Afghanistan stichhaltige Gründe für die Annahme, dass Sie im Fall der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 ausgesetzt sind."

Zur Lage im Herkunftsstaat werden Feststellungen zur Politischen Lage, (allgemeinen) Sicherheitslage in Afghanistan, Rechtsschutz/Justizwesen, zu Ethnischen Minderheiten (Tadschiken), Schiiten, Kutchi, Frauen und Kindern getroffen (Bescheid vom 19.10.2015, Seite 10ff).

Beweiswürdigend zur Rückkehrsituation des BF wird ausgeführt (Bescheid vom 19.10.2015, Seite 66), dass sich der festgestellte Sachverhalt aus der Vernehmung des BF in Verbindung mit der allgemeinen Lage in Afghanistan ergebe.

Korrespondierend findet sich in der rechtlichen Beurteilung folgende Begründung für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz (Bescheid vom 19.10.2015, Seite 70):

"In Ihrem Fall ging die Behörde von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus, da aus den Länderberichten der Staatendokumentation des BFA eine aktuelle instabile Lage in Ihrer Herkunftsprovinz erkennbar sei. Wegen des momentanen innerstaatlichen Konflikts in Ihrer Heimat ist Ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, zumal für Sie als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens nicht ausreichend ausgeschlossen werden kann."

II.1.3. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde dem BF zunächst verlängert. Am 19.10.2018 stellte der BF einen Antrag auf weitere Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde (u.a.) die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigen sowie der Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung ausgesprochen.

Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen. Es habe sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt geändert. Der BF könne seinen Lebensunterhalt in Herat bestreiten. Es bestehe auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in der der Stadt Mazar-e-Sharif.

II.1.4. Zur Lage in Afghanistan

Zur Lage in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 - LIB)

Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen anderen gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

Balkh (LIB, Kapitel 3.5, Seite 60ff).

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari.

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird.

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet.

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet.

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi. Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert.

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz. Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden.

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert. Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen.

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter 1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Herat (LIB Kapitel 4.13., Seite 105ff)

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand, Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen (KP 19.5.2019; vgl. KP 17.12.2018). Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet: Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (AAN 11.1.2017; vgl. RUSI 16.3.2016; SAS 2.11.2018). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab. Die Regierungstruppen kämpfen in Herat angeblich nicht gegen die Rasoul-Gruppe, die sich für Friedensgespräche und den Schutz eines großen Pipeline-Projekts der Regierung in der Region einsetzt (SAS 2.11.2018). Innerhalb der Taliban-Hauptfraktion wurde der Schattengouverneur von Herat nach dem Waffenstillstand mit den Regierungstruppen zum Eid al-Fitr-Fest im Juni 2018 durch einen als Hardliner bekannten Taliban aus Kandahar ersetzt (UNSC 13.6.2019).

2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (taz 3.8.2017; Reuters 25.3.2018).

Aufseiten der Regierung ist das 207. Zafar-Corps der ANA für die Sicherheit in der Provinz Herat verantwortlich (USDOD 6.2019; vgl. PAJ 2.1.2019), das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019; vgl. KP 16.12.2018).

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen (KP 16.6.2019; vgl. KP 28.9.2019, KP 29.6.2019, KP 17.6.2019, 21.5.2019). Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (KP 16.6.2019; vgl. AN 23.6.2019). In manchen Fällen wurden bei Drohnenangriffen Talibanaufständische und ihre Führer getötet (AN 23.6.2019; vgl. KP 17.12.2018; KP 25.12.2018). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften (NYTM 12.12.2018; AJ 7.12.2018; AN 30.11.2018; KP 28.4.2018; VoA 13.4.2018). Regierungskräfte führten beispielsweise im Dezember 2018 (KP 17.12.2018) und Januar 2019 Operationen in Shindand durch (KP 26.1.2019). Obe ist neben Shindand ein weiterer unsicherer Distrikt in Herat (TN 8.9.2018). Im Dezember 2018 wurde berichtet, dass die Kontrolle über Obe derzeit nicht statisch ist, sondern sich täglich ändert und sich in einer Pattsituation befindet (AAN 9.12.2018). Im Juni 2019 griffen die Aufständischen beispielsweise mehrere Posten der Polizei im Distrikt an (AT 2.6.2019; vgl. PAJ 13.6.2019) und die Sicherheitskräfte führten zum Beispiel Anfang Juli 2019 in Obe Operationen durch (XI 11.7.2019). Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (KP 5.7.2019; vgl. PAJ 30.6.2019) wie z.B in den Distrikten Adraskan, Fersi, Kushk-i-Kohna, Obe, Rabat Sangi, Shindand und Zawol (PAJ 30.6.2019).

Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (ST 14.12.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 609 konfliktbedingt aus der Provinz Herat vertriebene Personen, von denen die meisten in der Provinz selbst Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 586 aus der Provinz Herat vertriebene Personen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum vom 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 5.482 Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (2.755) aus Ghor stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 6.459 konfliktbedingt Vertriebene in die Provinz Herat, von denen die meisten (4.769) aus Badghis stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (LIB, Kapitel 23).

Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit in Afghanistan Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Die Identität des BF ergibt sich aus seinen im verwaltungsbehördlichen, wie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getätigten gleichbleibenden Angaben dazu, wobei mangels Vorlage von Identitätsdokumenten die Feststellungen zur Identität des BF ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren gelten.

Die Feststellungen zu seiner Geburt und Aufenthalt in Afghanistan, Provinz Herat, Bezirk Gozare, seiner Schulbildung und Berufserfahrung sowie seiner familiären Verhältnisse ergeben sich ebenfalls aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben.

Dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, zeigt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

II.2.2. Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft dieses Bescheides, die Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Inhalt des Verwaltungs- bzw. Gerichtsaktes.

Die Gründe, aus denen die belangte Behörde dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hat, ergeben sich zweifelsfrei aus dem aktenkundigen Bescheid vom 19.10.2015.

II.2.3. Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt Afghanistan sowie der für den Fall des BF eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich hierbei einer ausgewogenen Auswahl verschiedener - im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zitierter - Quellen staatlichen und nichtstaatlichen Ursprungs, um sich so ein möglichst umfassendes Bild über die Lage in Afghanistan machen zu können. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan wird vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Bescheiden regelmäßig zugrunde gelegt. In der Fassung der Gesamtaktualisierung 13.11.2019 wurde es seitens des Gerichts am 19.12.2019 den Parteien zur Stellungnahme übermittelt.

Der BF brachte dazu eine Stellungnahme ein; eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan sei deutlich erkennbar. Von einer Verbesserung der Situation in Afghanistan können keine Rede sein. Die belangte Behörde verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

II.3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8, 9 AsylG 2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

...

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

..."

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

II.3.2. Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid explizit auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezog, und ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei, dass es sich um eine Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 handelt.

Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt nach der Judiaktur des VwGH voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. zB. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (zuletzt etwa VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262).

Diese Voraussetzungen liegen konkret nicht vor:

II.3.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.10.2015 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm jedoch zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde dabei, wie oben dargestellt, auf die Feststellungen der belangten Behörde gestützt und damit begründet, dass aufgrund der allgemeinen humanitären Lage, der instabilen Lage in der Herkunftsprovinz des BF und wegen des momentanen innerstaatlichen Konflikts in Afghanistan stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, der BF wäre im Fall der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 ausgesetzt.

Festzuhalten ist daher vorweg, dass persönliche Umstände des BF - alleine oder in Verbindung mit der Sicherheitslage oder der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan - nicht ausschlaggebend für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes waren. Wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt wird (Seite 7), es hätte sich die subjektive Lage des BF geändert, muss daher auch hervorgestrichen werden, dass sich zu den subjektiven Umständen des BF in Bezug auf die Notwendigkeit der Gewährung von subsidiärem Schutz im Bescheid vom 19.10.2015 auch keine spezifischen Feststellungen oder Begründung findet.

Im angefochtenen Bescheid (Seite 95f) bezieht sich die belangte Behörde auf eine - aktenkundige - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.11.2018, der "klar und deutlich" zu entnehmen sei, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in "der Provinz Herat" im Gegensatz zum Jahr 2015 deutlich verbessert habe, sodass der BF bei einer Rückkehr keine Gefährdungslage mehr zu erwarten habe.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sich im Bescheid vom 19.10.2015 über die Zuerkennung des Schutzstatus keine Feststellungen oder sonstige Ausführungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF finden. Es wird lediglich die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan dargestellt. Auf Basis welcher Informationen die belangte Behörde im Bescheid vom 19.10.2015 zu der Annahme kam, die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des BF, Herat, sei volatil, bleibt daher zunächst unklar. Die belangte Behörde zieht aber im Bescheid über die Zuerkennung generell offenkundig das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung 19.11.2014 heran. Keinesfalls geht daraus hervor, dass Herat 2015 jedenfalls zu den volatilen Provinzen mit einer besonders schlechten Sicherheitslage und besonders hoher Opferzahlen in Afghanistan zählte ("Ende 2011 übernahmen die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Provinz Herat und haben stufenweise den Rest der westlichen Region übernommen. Die Provinz Herat blieb auch aufgrund der relativen Stabilität der Provinzregierung während der Transitionsperiode sicher. Auch nach der Übergabe an die afghanischen Kräfte gab es keine große Veränderung (WPR 15.1.2014).

Die Einschätzung der Sicherheitslage in Herat stellt sich als schwierig dar, denn dieselbe Quelle gibt in einem Zeitraum von einem Monat, unterschiedliche Informationen an. Einerseits, wird die Provinz Herat im Oktober 2014 zu den relativ friedlichen Provinzen im Westen Afghanistans gezählt, in der jedoch in letzter Zeit regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen ihre Aktivitäten in einer Anzahl von Distrikten erhöht haben (Khaama Press 11.10.2014). Andererseits wird im September 2014 berichtet, dass Herat zu den relativ volatilen Provinzen im Westen Afghanistans zählt, in der regierungsfeindliche bewaffnete Rebellengruppen in einer Anzahl von abgelegenen Bezirken aktiv sind (Khaama Press 2.9.2014a)."

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid besonders die gegenüber 2015 verbesserte Sicherheitslage, wie sie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.11.2018 (künftig AB) zum Ausdruck komme, anspricht, kann auch dem nicht gefolgt werden: Zunächst muss festgehalten werden, dass diese Anfragebeantwortung hauptsächlich auf Datensätze zurückgriff, die einen Vergleich 2010-2017 bzw. 2018 auf kleinräumiger Ebene erlaubten (AB, 1). Zusammenfassend findet sich die Aussage, dass sich die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht linear entwickelte. Auch wenn in der Zusammenfassung auch festgehalten wird, dass die meisten Vorfälle im Jahr 2014 bzw. 2015 stattgefunden hätten (AB, 3), und 2016/2017 die Anzahl wieder gesunken sei, finden sich ebenso Aussagen, wonach der Höhepunkt der Vorfälle im Jahr 2012 gelegen sei und nach 2014 wieder gesunken sei (AB, 4). Das ist zB. in Abbildung 1 (AB, 4) ersichtlich, die bei 2015 sogar einen "Tiefpunkt" in der Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle zeigt (vgl. auch Tab 1, AB, 5 mit 52 Vorfällen (Globalincidentmap) 2015) (vgl. auch Abb. 4, und Tab. 7, AB, 17). Auffällig waren zwar viele (rd. 400) Verletzte bei Terroranschlägen in der Stadt Herat in 2015; demgegenüber muss aber auch festgehalten werden, dass es 2015 keinen toten Zivilisten gab (Tab. 2, AB, 6) und dass dies lediglich Herat-Stadt betrifft. Dass dies eine generelle Aussage für die Provinz Herat wäre, kann nicht erkannt werden. Alle Tabellen und Abbildungen auf den Seiten 5ff in der AB betreffen im Übrigen Herat-Stadt und nicht die Provinz Herat. Auch ist aus allen diesen Tabellen nicht ersichtlich, dass Herat-Stadt gerade 2015 zu den besonders volatilen und für Zivilisten besonders gefährlichen Städten zählte.

Aus der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Berichtslage ist zur Provinz Herat ersichtlich, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans gehört, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen, In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen, wenn auch das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger ist. 2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt; 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat.

Insgesamt kann daher weder erkannt werden, dass die Provinz Herat oder Herat-Stadt 2015 zu den besonders volatilen Provinzen bzw. Städten zählte (was weder die belangte Behörde im Bescheid vom 19.10.2015 darlegte, noch sich aus den Länderberichten Afghanistan 2015 oder der AB vom 09.11.2018 eindeutig ergibt), noch, dass sich die Sicherheitslage im Vergleich zu 2015 entscheidungswesentlich verbessert hätte.

Dies ergibt sich auch nicht aus der vom Gericht eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.02.2020; dort ist zusammenfassend ersichtlich, dass es in der Herkunftsprovinz des BF seit 2015 zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kam; diese stehen auch im Zusammenhang mit dem Zafar-Korps, einem Hauptquartier der afghanischen Nationalarmee. Auch wenn es zu keinen militärischen Operationen im großen Stil kam, gab es mehrere kleine Zwischenfälle.

Ebenso wenig kann vor dem Hintergrund der im Bescheid vom 19.10.2015 auszugsweise zitierten Länderberichte Afghanistan 2015 im Vergleich zu den Informationen im Länderinformationsblatt 13.11.2019 erkannt werden, dass sich die generelle Sicherheitslage in (ganz) Afghanistan entscheidungswesentlich verbessert hätte.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (Seite 96ff) argumentiert, dass 2015 "so gut wie flächendeckend" subsidiärer Schutz gewährt worden sei, nun aber vor dem Hintergrund der einschlägigen Judikatur der Höchstgerichte davon auszugehen sei, dass für junge, gesunde, arbeitsfähige Männer die Lebenssituation in Herat und Mazar-e-Sharif zumutbar sei, und eine IFA in Herat und Mazar-s-Sharif zur Verfügung stehe, wird damit keine entscheidungswesentliche Änderung der Umstände im Sinne der dargestellten Judikatur (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262) aufgezeigt: Der BF war 2015 ebenso jung, gesund und arbeitsfähig, hatte nach eigenen Angaben Schulbildung und Berufserfahrung im Heimatland, sodass hier keine Änderungen eingetreten sind. Ebenso wenig hat sich an den Umständen, dass sich die Eltern des BF in der Herkunftsprovinz aufhalten, die den BF bei einer Rückkehr unterstützen würden, etwas geändert. Auch haben sich die Umstände, dass der BF in einer afghanischen Familie aufgewachsen ist, und die Sprache seines Heimatlandes einwandfrei spricht, seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht neu ergeben.

Es mag zwar zutreffen, dass der BF mehr Lebenserfahrung gesammelt hat und in Österreich seinen Lebensunterhalt bestreitet, doch verfügte der BF bereits 2015 über Schulbildung und Berufserfahrung, und wäre grundsätzlich in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sodass das "mehr" an Lebenserfahrung im konkreten Fall nicht entscheidungswesentlich ins Gewicht fällt. Wenn im angefochtenen Bescheid auf die Möglichkeit der Unterstützung von Rückkehrern hingewiesen wird ist zu sagen, dass die Internationale Organisation für Migration (IOM) bereits 2015 im Rahmen des Projektes RESTART die Rückkehr nach Afghanistan unterstütze und es auch 2015 sonst Rückkehrhilfe auf Basis der österreichischen Gesetze gab (§ 52a BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015), sodass auch diesbezüglich keine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten ist.

Soweit die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 damit begründet, dass der BF bei einer Rückkehr keinerlei realen Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre, ist festzuhalten, dass den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere in den als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht gezogenen Städten Mazar- e Sharif und Herat - seit Gewährung des subsidiären Schutzes zu entnehmen sind.

Somit ist die von der belangten Behörde verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts (hinsichtlich der Person des BF oder der Lage im Herkunftsstaat).

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass auch die belangte Behörde an ihre formal und materiell rechtskräftige Entscheidung vom 19.10.2015 gebunden ist.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem BF kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Da dem BF mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche III. bis VI. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.

II.3.4. Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des BF auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und seine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre zu verlängern ist.

II.3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gem. § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gem. § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Es war im Verfahren insbesondere die Rechtsfrage zu lösen, ob eine durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verortete Änderung der Entscheidungspraxis der Höchstgerichte zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 erfüllen. Der maßgebliche Sachverhalt ist auch aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb insgesamt von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter Pkt. II.3.4. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Lebensunterhalt Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Sicherheitslage Verlängerung wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W231.2211899.1.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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