TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/22 W109 2206829-1

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Veröffentlicht am 22.05.2020
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Entscheidungsdatum

22.05.2020

Norm

AVG §13 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs2a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W109 2206829-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 29.08.2018, Zl. XXXX - XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 13 Abs. 3 AVG, 88 Abs. 2a FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit am 06.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schreiben vom 05.10.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG und brachte zwei Passfotos, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2017, Zl. XXXX - XXXX , mit dem ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 10.05.2019 erteilt worden war, eine Stellungnahme, sowie zwei Anfragenbeantwortungen der Staatendokumentation in Vorlage. In seiner Stellungnahme führt der Beschwerdeführer aus, es sei ihm nicht möglich und zumutbar, einen afghanischen Reisepass zu erhalten, da er über keine Tazkira verfüge. Die afghanische Botschaft stellte im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden und Nachweise keinen Reisepass aus. Von Österreich aus könne der Beschwerdeführer keine Tazkira erhalten.

Mit Schreiben vom 08.11.2017, zugestellt am 10.11.2017, forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer auf, binnen vier Wochen eine Bestätigung der Botschaft vorzulegen, dass er kein heimisches Reisedokument erhalten könne. Andernfalls werde sein Antrag zurückgewiesen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.08.2018, zugestellt am 03.09.2018, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.10.2017 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung der Behörde innerhalb der vorgegebenen Frist keinen Nachweis über die Unmöglichkeit, ein Reisedokument des Herkunftsstaates zu erlangen, eingebracht. Die Ausstellung eines Reisedokumentes durch einen anderen Staat sei ein massiver Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates. Deshalb sei für die Ausstellung eines Fremdenpasses ein restriktiver Maßstab anzulegen und gehe das FPG von der Prämisse aus, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung für Reisedokumente wenden müssten. Daher sei der Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen.

3. Am 27.09.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei im Juli 2017 bei der afghanischen Botschaft vorstellig geworden und habe versucht, einen afghanischen Pass zu beantragen. Ihm sei keine Bestätigung ausgestellt worden, da ihm die afghanische Staatsangehörigkeit nicht geglaubt worden sei. Am 08.11.2017 sei dem Beschwerdeführer der Verbesserungsauftrag zugestellt worden, in dieser Zeit habe der Beschwerdeführer ein Praktikum absolviert und an einer Schulung teilgenommen. Deshalb sei es ihm nicht möglich gewesen, die Botschaft ein weiteres Mal aufzusuchen. Vorgelegt wurden zudem eine Praktikumsvereinbarung und eine Teilnahmebestätigung der Schulung. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, eine Einvernahme habe nicht stattgefunden, die individuelle Situation sei nicht ermittelt worden. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses.

Mit Schreiben vom 28.09.2018, eingelangt am 02.10.2018, übermittelte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss des Aktes.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Ihm wurde mit Bescheid vom 08.05.2017, Zl. XXXX - XXXX , gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.05.2019 erteilt.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 05.10.2017, eingelangt am 06.10.2017, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG.

Der vom Beschwerdeführer verwendete amtliche Formularvordruck zur Beantragung der Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte sieht unter der Überschrift "Ergänzende Angaben - Fremdenpass für subsidiär Schutzberechtigte" auf seiner zweiten Seite zur Auswahl vor:

"Ich habe keinen Reisepass meines Herkunftsstaates und kann keinen erlangen, weil:

- In Österreich ist keine Botschaft/Konsulat meines Herkunftsstaates (keine Begründung notwendig)

- Die Borschaft/Konsulat meines Herkunftsstaates stellt mir keinen Reisepass aus

Hinweis: Es ist ein Nachweis notwendig (Bestätigung der Botschaft), ansonsten bitte Gründe angeben

- Ich kann aus sonstigen Gründen keinen Reisepass meines Herkunftsstaates erlangen

Hinweis: Bitte gegebenenfalls sonstige Gründe angeben, warum Sie kein Reisedokument Ihres Herkunftsstaates erlangen können"

Der Beschwerdeführer kreuzte in seinem Antrag keine der Auswahlmöglichkeiten an. Er legtee seinem Antrag eine Stellungnahme bei, in der er im Wesentlichen ausführt, dass er nie ein Identitätsdokument (Tazkira, Heiratsurkunde) besessen habe und von Österreich aus auch keine erlangen könne. Die afghanische Botschaft stelle ihm deshalb keinen Reisepass aus. Außerdem legte er die Anfragenbeantwortungen der Staatendokumentation, Afghanistan zur

- Ausstellung von Tazkiras vom 01.09.2016 und

- Reisepassdokumente in Österreich von 26.06.2017

bei.

Mit Schreiben vom 08.11.2017, zugestellt am 10.11.2017, wurde der Beschwerdeführer unter der Überschrift "Verbesserungsauftrag: fehlende Bestätigung" aufgefordert, eine Bestätigung der Botschaft vorzulegen, dass er kein heimisches Reisedokument erhalten könne. Dafür wurde ihm eine Frist von vier Wochen ab Erhalt des Schreibens gewährt.

Der Beschwerdeführer reagierte nicht auf dieses Schreiben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Sache im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist, wenn die belangte Behörde einen Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen hat, lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/09/0118).

Die Behörde darf nur dann gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen "Mangel" aufweist, das heißt, von den für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges fehlerfreies Anbringen abweicht. Fehlt es an einer derartigen hinreichend deutlichen Anordnung, so kommt dementsprechend bei deren Nichtvorlage weder die Erteilung eines Verbesserungsauftrages noch - nach fruchtlosem Verstreichen der zu Unrecht gesetzten Frist - die Zurückweisung des Anbringens in Frage. Vielmehr kann die unterlassene Beibringung von Unterlagen, welche die Behörde benötigt und die sie sich nicht selbst beschaffen kann, allenfalls - als Verletzung der "Mitwirkungspflicht" - bei der Sachentscheidung Berücksichtigung finden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 [Stand 1.1.2014, rdb.at] Rz 27 m.w.N.).

Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag Fremdenpässe auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Umstand iSd § 88 Abs. 2a FPG, ob der Fremde in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument des Heimatstaates zu beschaffen, eine Erfolgsvoraussetzung dar. Auch die FrPolDV 2005 enthalte keine Bestimmung, die für die Erstattung eines Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses besondere Angaben oder gar die Beibringung irgendwelcher Unterlagen anordne. Auch der für den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses verwendete amtliche Vordruck könne eine Erfolgsvoraussetzung nicht in einen "Mangel" iSd § 13 Abs. 3 AVG umwandeln (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124).

Der verfahrenseinleitende Antrag des Beschwerdeführers litt damit nicht unter einem Mangel iSd § 13 Abs. 3 AVG, weshalb der "Verbesserungsauftrag" der belangten Behörde zu Unrecht erging.

Hat die Behörde zu Unrecht die Mangelhaftigkeit des Anbringens angenommen, so ist der Zurückweisungsbescheid inhaltlich rechtswidrig (VwGH 28.04.2006, 2006/05/0010). Er ist ersatzlos zu beheben (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124).

Der angefochtene Bescheid war daher in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß ersatzlos zu beheben.

3.2. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter anderem entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Gegenständlich war der Sachverhalt unstrittig und nicht ergänzungsbedürftig und ergab sich aus der Aktenlage klar, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben ist.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der unter 3.1. zitierten klaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Fremdenpass mangelhafter Antrag Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit Verbesserungsauftrag Voraussetzungen Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2206829.1.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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