Entscheidungsdatum
25.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W277 2215274-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Somalias, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Betreffend ihre Fluchtgründen gab sie im Wesentlichen an, dass sie dem Minderheitenclan der XXXX angehöre und kürzlich geheiratet habe. Clanangehörige hätten sie in ihrem Herkunftsstaat entführt und in ein Haus bzw. eine Wohnung gebracht. Sie sei dort monatelang XXXX worden. Sie hätte Kopfverletzungen erlitten, weil man ihr mehrmals auf den Kopf geschlagen hätte. Sie hätte eine (günstige) Gelegenheit genutzt und sei zu ihrem Vater geflüchtet. Der Clan hätte sie jedoch weiterhin belästigt und ihren Vater getötet. Ihr Mann sei geflüchtet und sie wäre anschließend von seinen Clanangehörigen gesucht worden. Ihr Stamm wäre unbewaffnet und abhängig von anderen Clans. Bei einer Rückkehr nach Somalia würde sie bei einer Verweigerung gegen den Clan getötet werden. Da sie einem Minderheitenclan angehöre, würde sie wie ein wildes Tier gejagt werden.
2. Mit Mitteilung vom XXXX brachte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) der BF zur Kenntnis, dass in ihrem Fall in Form einer Anfrage Konsultationen XXXX betreffend die Zuständigkeit geführt werden.
3. Die BF wurde am XXXX beim BFA niederschriftlich einvernommen und gab betreffend ihre Fluchtgründe an, dass sie von Jugendlichen XXXX worden wäre. Diese hätten auch ihren Vater und die Schwägerin getötet. Ihre Mutter hätte ihr gesagt, dass sie das Land verlassen solle. Zudem sei sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Clan der XXXX beleidigt und beschimpft worden.
3.1. Aufgrund von Zweifeln betreffend die Einvernahmefähigkeit der BF wurde die Befragung der BF am XXXX abgebrochen.
3.2. Mit XXXX beauftragte das BFA XXXX zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychologie und beauftragte ihn mit der Erstellung eines Gutachtens betreffend die Ermittlung des Vorliegens einer psychischen Krankheit bei der BF.
3.2.1. Das Gutachten des XXXX hat im Wesentlichen zum Inhalt, dass bei der BF keine Anzeichen für eine psychische Störung vorlägen.
Es zeige sich bei ihr ein unproblematisches, psychisches Zustandsbild, psychische Auffälligkeiten lägen nicht vor, jedoch eine histrionische Persönlichkeitsakzentuierung. Ein klinisch-pathologischer Prozess könne nicht erfasst werden. Die intellektuelle Ausstattung der BF (IQ: 100) sei unter Berücksichtigung der chronobiologischen Daten und des Eindrucks, welcher in der Exploration und in den Befundaufnahmen gewonnen worden wäre, zusammenfassend grob klinisch im durchschnittlichen Bereich (IQ: 85-115) zu verorten. Die von der BF geäußerten Erklärungstatbestände würden starke Diskrepanzen mit dem klinischen Erscheinungsbild, der inneren Logik der Erzählungen und den objektivierten Außenbefunden zeigen.
Bei der psychischen Verfassung der BF sei es unmöglich, dass die BF den Namen der Stadt nicht kenne, in welcher sie jahrelang gelebt habe. Auch sei aufgrund des gegenwärtigen, psychischen Zustands der BF nicht anzunehmen, dass sie seit Jahren nur 2 Stunden (sinngemäß: je Nacht) schlafe. Sie leide an keiner posttraumatischen Belastungsstörung. Dauerhafte, psychopharmakologische Unterstützungen seien nicht gegeben und eine psychotherapeutische Begleitung nicht angebracht.
Bei der BF lägen massive Simulations- und Täuschungsabsichten vor und es sei stark anzunehmen, dass die von der BF beschriebenen, psychologischen Bewusstseinszustände in geeigneten Situationen durch sie simuliert werden und histrionischer Natur seien. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung sei nicht notwendig, weshalb auch keine Medikamente dauerhaft verordnet worden wären.
Es sei von einer Einvernahme- und Geschäftsfähigkeit auszugehen. Bei weiterer Befragung sei auch davon auszugehen, dass die "bekannten" Bewusstseinszustände weiterhin auftreten würden. Diese seien jedoch nicht ursächlich in der Befragung, sondern den damit verbundenen Zielsetzungen der BF im Asylverfahren gelegen.
4. Am XXXX wurde die BF vom BFA niederschriftlich einvernommen und erklärte sich mit der Durchführung einer Sprachanalyse zur Erfassung ihres Herkunftsortes einverstanden.
5. Mit XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde XXXX zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Sprachanalyse bestellt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
5.1. Das Gutachten hat im Wesentlichen zum Inhalt, dass eine Hauptsozialisierung der BF in XXXX mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit läge bei der BF eine Hauptsozialisierung in XXXX vor.
6. Am XXXX wurde die BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen an, dass sie ihre Heimat verlassen habe, weil immer noch Unruhe herrsche und die Gesundheitsversorgung in Somalia nicht so gut wie in Österreich wäre. Sie wisse nicht, wo sich ihre Familie gegenwärtig aufhalte.
7. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde der BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt.
7.1. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
8. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF, vertreten durch XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.
9. Mit Beschwerdevorlage vom XXXX legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
10. Mit Schreiben vom XXXX legte die rechtsfreundliche Vertretung der BF eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vor.
Vorlegt wurde zudem ein Schreiben des Gynäkologen XXXX vom XXXX betreffend einen XXXX , eine Teilnahmebestätigung XXXX betreffend einen XXXX " vom XXXX und eine Teilnahmebestätigung eines Werte- und Orientierungskurses vom XXXX (OZ 6).
Weiters wurde eine Bestätigung betreffend den regelmäßigen Besuch eines Frauencafés beim XXXX seit XXXX (OZ 8) und eine Teilnahmebestätigung der XXXX vom XXXX betreffend den Besuch eines Deutschkurses/ XXXX (OZ 10) vorgelegt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somali durch, an welcher die BF sowie ihre Rechtvertretung teilnahmen. Das BFA verzichtete vorab mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist folglich nicht erschienen. Die BF wurde zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen.
Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:
- Neurologischer Befundbericht XXXX vom XXXX , betreffend die Diagnose: Spannungskopfschmerz und ein Therapievorschlag der Einnahme von XXXX (Beilage ./A),
- ein Bericht der XXXX vom XXXX , betreffend eine ambulante Anwesenheit der BF am XXXX aufgrund von Kopfschmerzen und Schwangerschaftserbrechen (Beilage ./B.) und
-eine Teilnahmebestätigung XXXX vom XXXX (Beilage ./C).
Die BF erweckte in der mündlichen Verhandlung augenscheinlich den Eindruck, verwirrt bzw. geistig abwesend zu sein. Sie konnte sich weder auf die Verhandlungssituation konzentrieren, noch den Fragen folgen. Verständigungsschwierigkeiten lagen nach ihren und auch den Angaben der Dolmetscherin nicht vor.
Es konnte insgesamt auch aufgrund des Gesichtsausdruckes, der Mimik und der im Verhandlungsverlauf zunehmend, undeutlichen Artikulation der BF nicht ausgeschlossen werden, dass die BF unter dem Einfluss bewusstseinsbeeinträchtigender Substanzen stand.
Die BFV stellte einen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens, dem zugestimmt wurde. Die Verhandlung wurde vertagt.
12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX wurde Frau XXXX zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Psychiatrie und Neurologie bestellt. Als Begutachtungstermin wurde der XXXX . festgelegt. Das Gutachten war nach Untersuchung der BF und einer Gesamtbeurteilung der übermittelten Atteste bis XXXX schriftlich zu erstatten. Der Sachverständigen wurde die Beantwortung folgender Fragen aufgetragen:
-Ist die BF aus medizinischer Sicht verhandlungsfähig?
-Liegt eine neurologische Erkrankung vor?
-Wenn ja, kann diese aus einer physischen Gewalteinwirkung auf die BF (beispielsweise Schläge auf den Kopf) resultieren?
oder
-Wenn ja, ist diese angeboren?
-Wenn ja, kann aus dieser neurologischen Erkrankung aus medizinischer Sicht ein Gedächtnisverlust resultieren bzw. ist es denkbar, dass die BF Teile aus ihrer Vergangenheit verdrängt hat und nicht wiedergeben kann?
-Liegt eine mentale Beeinträchtigung vor?
-Wenn ja, ist diese angeboren oder im Verlauf ihres bisherigen Lebens entstanden?
-Ist es medizinisch begründbar, dass im vorliegenden Fall traumatische Geschehnisse in der Vergangenheit eine Verdrängung zur Folge haben können bzw. liegen etwa eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere psychische Störungen vor, welche die BF ihr Leben im Herkunftsstaat vergessen oder verdrängen lassen können?
-Liegt bei der BF eine Depression oder eine andere Erkrankung vor, aus welcher diese unklaren Angaben und der verwirrte Zustand der BF resultieren können?
-Muss die BF regelmäßig Medikamente einnehmen?
- Wenn ja, welche und wie lange?
-Sind Behandlungen erforderlich?
- Wenn ja, welche und wie lange? Ist nach den Behandlungen eine nachhaltige Verbesserung prognostizierbar. Wenn ja, in welchem Zeitraum?
12.1. Die Rechtsvertretung der BF teilte in einem Anruf am Tag des Begutachtungstermins am XXXX mit, dass die BF nicht zur Untersuchung erscheinen werde.
12.2. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , wurde als neuerlicher Begutachtungstermin der XXXX festgelegt und der Sachverständigen, XXXX , aufgetragen, nach Untersuchung und einer Gesamtbeurteilung der übermittelten Atteste, ein schriftliches Gutachten bis zum XXXX zu erstatten.
12.3. Auf wiederholte, fernmündliche Nachfrage bei der Sachverständigen, wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die Erstellung des Gutachtens noch längere Zeit in Anspruch nehmen werde.
12.4. Mit XXXX langte das psychiatrisch-neurologische Gutachten von XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein. Dem Gutachten ist zusammenfassend zu entnehmen, dass die BF an keiner psychischen Krankheit leide, die eine "Verhandlungsunfähigkeit" begründen ließe. Die BF leide nicht an einer neurologischen Erkrankung, deren Ursache eine psychische Gewalteinwirkung (Bsp.: Schläge auf den Kopf) wäre. Es liege keine neurologische Erkrankung vor, die einen Gedächtnisverlust begründen würde. Das Vorliegen einer Depression wurde verneint. Es läge der Verdacht des Vorliegens einer Somatisierungsstörung vor. Sie habe chronische, meist leichte bzw. mittelstarke Spannungskopfschmerzen.
Medizinisch nicht nachvollziehbar sei, dass die BF traumatische vergangene Ereignisse vergessen hätte. Ein Verdrängen des Geschehenen sei jedoch nicht auszuschließen. Unklare Angaben und verwirrt anmutende, durch Belastungssituationen ausgelöste Zustände seien als dissoziative Phänomene einzustufen. Dabei handle es sich um psychogene Reaktionen, die sich durch fehlende Bewusstseinsnähe von Simulation unterscheiden.
Aus psychiatrischer Sicht sei die regelmäßige Einnahme von Medikamenten durch die BF nicht indiziert.
Die BF leide an einer XXXX . Aufgrund ihrer nur XXXX sowie ihrer mangelnden Deutschkenntnisse könne keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungsmethode genannt werden, die eine wesentliche Besserung des Zustandes der BF herbeiführen könnten.
12.5. Mit Schreiben vom XXXX wurde der BF sowie ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und dem BFA das Gutachten vom XXXX übermittelt und eine Frist zur Stellungnahme bis zum XXXX gewährt. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
13. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.
II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person der BF
1.1.1. Die BF ist Staatsangehörige Somalias und sunnitisch-muslimischen Glaubens.
1.1.2. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter.
1.1.3. Die BF ist ledig und hat keine Kinder.
1.1.4. Die BF hat keine Schul- und Berufsausbildung genossen. Sie ist Analphabetin.
1.1.5. Die BF gehört nicht dem Clan der XXXX an.
1.1.6. Die BF stammt nicht aus XXXX . Sie hat vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX gelebt.
1.1.7. Die Mutter und der Bruder der BF leben im Herkunftsstaat. Die BF hat aktuell keinen Kontakt zu ihren Familienangehörigen.
1.1.8. Die BF leidet an keinen akut, lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie leidet an chronischen Spannungskopfschmerzen.
1.1.9. Die BF ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF
Die BF ist keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Situation in Somalia
1.3.1. Zur Sicherheitslage in XXXX
Der in XXXX etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik; vgl. LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.45). Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt (BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, S.32), und es ist dort auch nach wie vor vergleichsweise friedlich (BS 2018, S.9; vgl. DW - Deutsche Welle (30.11.2018): Somaliland: Return of the migrants). Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, S.1; vgl. LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, S.6), nur das Randgebiet zu Puntland ist umstritten (LIFOS 9.4.2019, S.6), bzw. hat die Regierung dort nicht die volle Kontrolle (FH - Freedom House (5.6.2019a): Freedom in the World 2019 - Somaliland, C1).
Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung). Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Abs.52/71ff; AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, S.4; ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.23). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.94f).
Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.20f). Außerdem konnten mit internationaler Hilfe Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, S.94f). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 4.3.2019, S.16). Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017, S.95). Clan-Konflikte werden v.a. im umstrittenen Grenzgebiet zu Puntland gewaltsam ausgetragen. Die Dürre und damit verbundene Ressourcenkonflikte haben die Gefahr dort noch größer werden lassen (LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.38).
1.3.1.1. Zur Sicherheitslage in Somalia
Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).
Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation).
1.3.2. Zur Bevölkerungsstruktur
In weiten Teilen ist die Bevölkerung Somalias religiös, sprachlich und ethnisch weitgehend homogen (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, S.12). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85% der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, S.33). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6% bis hin zu 33%. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, S.42; vgl. SEM, 31.5.2017, S.12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 4.3.2019, S.12; vgl. SEM 31.5.2017, S.5). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S.5).
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017, S.8). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S.8). Es gibt keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI - Landinfo (Norwegen) (4.4.2016): Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, S.9).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S.5).
1.3.3. Zur medizinischen Versorgung in Somalia
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 4.3.2019, S.21; vgl. FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, S.35). Medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019a): Somalia - Wirtschaft), de facto ist nur eine Primärversorgung verfügbar (FIS 5.10.2018, S.35). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 54 Jahre für Männer und 57 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die Quoten von Mütter- und Säuglingssterblichkeit sind unter den höchsten weltweit (AA 4.3.2019, S.21). Ein Grund für die hohe Zahl bei der Müttersterblichkeit ist die schlechte Verfügbarkeit medizinischer Versorgung. Oft ist das nächste Gesundheitszentrum oder das nächste Spital zu weit entfernt, und die Beförderung dorthin mitunter teuer und gefährlich (FIS 5.10.2018, S.36). Al Shabaab hat die medizinische Versorgung eingeschränkt - etwa durch die Behinderung zivilen Verkehrs, die Vernichtung von Medikamenten und die Schließung von Kliniken (USDOS 13.3.2019, S.16).
Die öffentlichen Krankenhäuser sind mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Zudem behindert die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (AA 4.3.2019, S.21). Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden (FIS 5.10.2018, S.36). Das Keysaney Hospital wird von der Somali Red Crescent Society (SRCS) betrieben. Zusätzlich führt die SRCS Rehabilitationszentren in Hargeysa, Mogadischu und Galkacyo (SRCS - Somali Red Crescent Society (6.2019): Annual Report 2018, S.9). Die Spitäler Medina und Keysaney (Mogadischu) sowie in Kismayo und Baidoa werden vom Roten Kreuz unterstützt (ICRC - International Committee of the Red Cross (27.3.2019): The ICRC is still committed to Somalia). Weitere 32 Kliniken der Somali Red Crescent Society werden ebenfalls unterstützt (ICRC - International Committee of the Red Cross (1.2019): Somalia - Facts & Figures, January - December 2018, S.2).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Schon ein kleiner operativer Eingriff kostet 100 US-Dollar. Am Banadir Hospital in Mogadischu wird eine Ambulanzgebühr von 5-10 US-Dollar eingehoben, die Behandlungsgebühr an anderen Spitälern beläuft sich auf 5-12 US-Dollar. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos. Üblicherweise sind die Kosten für eine Behandlung aber vom Patienten zu tragen (FIS 5.10.2018, S.35f). Insgesamt betreibt die SRCS 75 stationäre und 54 mobile Kliniken und gibt an, damit rund 2 Millionen Menschen abzudecken. Im Jahr 2018 konnten mehr als 1,3 Millionen Patienten behandelt werden. Davon waren 42% Kinder und 39% Frauen. Die häufigsten Behandlungen erfolgten in Zusammenhang mit akuten Atemwegserkrankungen (23,7%), Durchfallerkrankungen (23,7%), Anämie (11,2%), Hautkrankheiten (6,4%), Harnwegsinfektionen (12,3%) und Augeninfektionen (4,4%) (SRCS 6.2019, S.9f).
Psychiatrie: Es gibt nur fünf bei der WHO registrierte Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen und nur drei Psychiater. Diese befinden sich in Berbera, Bossaso, Garoowe, Hargeysa und Mogadischu (WHO - World Health Organization (2019a): Somalia - Mental Health; vgl. TNH - The New Humanitarian (ex-IRIN) (26.6.2019): Inside Somalia's mental health emergency). Von der Regierung gibt es so gut wie keine Unterstützung für diese Einrichtungen, sie sind von Spenden abhängig. Es gibt eine hohe Rate an Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an (TNH 26.6.2019). Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (WHO 2019a). Psychische Probleme werden durch den bestehenden Konflikt und den durch Instabilität, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit verursachten Stress gefördert. Schätzungen zufolge sind 30% der Bevölkerung betroffen (FIS 5.10.2018, S.34).
Verfügbarkeit: Speziellere medizinische Versorgung - etwa Chirurgie - ist nur eingeschränkt verfügbar. In öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. So werden selbst am Banadir Hospital - einem der größten Spitäler des Landes, das über vergleichsweise gutes Personal verfügt und auch Universitätsklinik ist - nur einfache Operationen durchgeführt. Patienten, die auf eine anspruchsvolle Behandlung angewiesen sind, müssen nach Somaliland, Kenia oder Äthiopien ausweichen (FIS 5.10.2018, S.35).
Psychische Krankheiten: Es gibt zwar mittlerweile einige Institutionen für psychisch Kranke, generell ist die Verfügbarkeit psychiatrischer Versorgung aber sehr beschränkt (FIS 5.10.2018, S.37).
Medikamente: Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. In den primären Gesundheitszentren ländlicher Gebiete kann es bei Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten zu Engpässen kommen (FIS 5.10.2018, S.37). Nach anderen Angaben kommt es in Krankenhäusern allgemein immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderen medizinischen Verbrauchsmaterialien (AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung,).
Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (FIS 5.10.2018, S.37).
1.3.3.1. Zur medizinischen Versorgung in Nordsomalia/Somaliland
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 4.3.2019, S.21), bzw. weist sie zahlreiche Schwächen auf. Die medizinische Versorgung hat sich im Laufe der letzten Jahre aber substantiell verbessert (ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.22). Seit dem Jahr 2010 sind in Hargeysa viele neue Gesundheitseinrichtungen - ganze Spitäler, Zahnarztpraxen, Kliniken - eröffnet worden, viele davon privat (BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM). Trotzdem kommen auf einen Arzt ca. 10.000 Patienten (DW - Deutsche Welle (18.10.2018): Affordable healthcare delivered to your doorstep).
Der Gesundheitssektor ist nur schwach reguliert (ÖB 9.2016, S.22). Den Großteil der medizinischen Versorgung stellen UN, NGOs (ÖB 9.2016, S.22; vgl. BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, S.30) und der private Sektor zur Verfügung (BS 2018, S.30). Letzterer deckt rund 60% der Kapazitäten ab. Die Regierung trägt einen Teil zur Finanzierung der sieben öffentlichen Spitäler (u.a. Hargeysa Group Hospital, Berbera General Hospital) bei. Im somaliländischen Gesundheitssystem gibt es vier Ebenen: Die Primary Health Care Units; die Health Centers; die Referral Health Centers; und die regionalen Spitäler (HRW - Human Rights Watch (25.10.2015): "Chained Like Prisoners" - Abuses Against People with Psychosocial Disabilities in Somaliland). Die Somali Red Crescent Society (SRCS) betreibt mit Unterstützung des IKRK 33 mobile Kliniken, um auch in entlegenen Gebieten eine grundlegende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Seit Juli 2017 ist an jede mobile Klinik auch ein Ernährungsspezialist angeschlossen. Die Dienste dieser Kliniken sind gratis (DEVEX (14.11.2017): Mobile clinics bring stable care to moving populations in Somaliland). Eine andere mobile Möglichkeit für medizinische Versorgung ist Mohco, wobei hier nur die Anfahrtskosten für den Arzt und die Medikation selbst gezahlt werden müssen (DW 18.10.2018).
Das Hargeysa Group Hospital kann in einigen Bereichen spezialisierte medizinische Versorgung bieten, z.B. Dialyse (FIS 5.10.2018, S.35). Medikamente zur Behandlung von Epilepsie sind erhältlich (BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (19.3.2018): Anfragebeantwortung zu Medikamenten zur Behandlung von Epilepsie, S.2f). Es gibt in Somaliland mindestens 1.000 Apotheken, diese sind nicht reguliert (HRW 25.10.2015).
1.3.4. Rückkehrspezifische Grundversorgung
Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, S.5/31f). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein (ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia, S.17; vgl. LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, S.63). Für Rückkehrer ohne Netzwerk oder Geld gestaltet sich die Situation schwierig. Im herausfordernden Umfeld von Mogadischu sind entweder ein funktionierendes Netzwerk oder aber genügend Eigenressourcen notwendig, um ein Auslangen finden zu können. Ein Netzwerk ist z.B. hinsichtlich Arbeitssuche wichtig [siehe Abschnitt 21.1] (FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, S.22). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (10.2017): Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, S.73f).
Unterstützung extern: Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Hinzu kommen Remissen von Verwandten im Ausland. Hingegen erhalten IDPs vergleichsweise weniger Remissen (ReDSS - Regional Durable Solutions Secretariat / NRC / DRC (3.2017): Durable Solutions Framework, Local Integration Focus - Benadir Region, S.29).
Unterkunft: Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen (BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, S.29). Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Diesbezüglich auftretende Probleme können durch ein vorhandenes Netzwerk abgefedert werden (LIFOS 3.7.2019, S.63). Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, S.63; vgl. AA 4.3.2019, S.20; USDOS 13.3.2019, S.22). Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden (AA 4.3.2019, S.20f).
Frauen: Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige - geführt von einem männlichen Verwandten - umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (FIS 5.10.2018, S.23).
1.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr
Die BF würde bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer mangelnden Schul- und Berufsausbildung, des vorliegenden Analphabetismus, der XXXX und mangels Berufserfahrung sowie familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte Gefahr laufen, keine Existenzgrundlage bzw. ein unterstützendes Netzwerk vorzufinden und somit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Person der BF
2.1.1. Die Feststellung bezüglich ihrer somalischen Herkunft und ihres sunnitisch-muslimischen Glaubens ergibt sich aus ihren insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bzw. ihren Kenntnissen in der somalischen Sprache.
2.1.1.1. Die Identität der BF kann mangels Vorlage von Dokumenten und vor dem Hintergrund ihrer hierzu widersprüchlichen Angaben im Verfahren nicht festgestellt werden.
Bei ihrer Festnahme nach XXXX im Bundesgebiet am XXXX gab die BF an, XXXX zu heißen. In ihrer Erstbefragung vor dem BFA gab sie XXXX als ihren Namen an (AS 21). Unter diesem Namen war sie auch im zentralen Melderegister registriert (AS 21, AS 77, AS 135). Da somalische Namen mit dem Buchstaben "X" in die deutsche Sprache oftmals aufgrund des Klanglautes mit dem Buchstaben "H" verschriftlicht werden, und somit XXXX eine andere Schreibweise von XXXX darstellt (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der Folge: NSV S. 11), ist davon auszugehen, dass die phonetische Erfassung des Namens bei der Erstbefragung auch in Bezug auf die abgewandelte Schreibweise XXXX fehlerhaft war.
In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab sie erstmals an, XXXX zu heißen (AS 179). Sie gab vor dem BFA jedoch auch an, zwei Vornamen zu haben (AS 179). Ergänzend hierzu führte sie aus, dass ihre Mutter sie XXXX , ihr Vater sie jedoch XXXX genannt hätte und sie jedoch XXXX genannt werden möchte (AS 179).
In der mündlichen Verhandlung gab sie an, zwei Vornamen zu haben und, dass diese XXXX , und XXXX lauten würden (NSV S. 11). Im Widerspruch zu ihren Erläuterungen beim BFA (AS 179) gab sie nunmehr an, dass die Mutter ihr den Namen XXXX und ihr Vater den Namen XXXX gegeben hätte (NSV S. 11).
Im Zentralen Melderegister wird sie gegenwärtig unter dem Namen XXXX geführt.
Da die Identität nicht bewiesen werden konnte, liegt hinsichtlich des Namens XXXX Verfahrensidentität vor.
2.1.2. Das Alter und das Geburtsdatum der BF mangels Vorlage von Dokumenten und vor dem Hintergrund ihrer hierzu widersprüchlichen Angaben im Verfahren nicht festgestellt werden. Im Zuge ihrer Festnahme nach XXXX im Bundesgebiet gab die BF an, am XXXX geboren zu sein (AS 1).
In ihrer Erstbefragung gab die BF den XXXX bzw. das Jahr XXXX als Geburtsdatum an (AS 21). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX führte sie zum einen an, dass sie im XXXX XXXX alt werde, zum anderen jedoch danach befragt, ob sie noch minderjährig sei, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Einvernahme bereits XXXX sei (AS 177, 178, 179). Sie gab aber auch an, nicht zu wissen, wann sie geboren sei (AS 178). Auf Nachfrage woher sie wisse, dass sie XXXX alt sei, führte sie aus, dass ihre Mutter ihr dies in einem Telefonat im XXXX mitgeteilt hätte. Das fernmündliche Gespräch habe stattgefunden, als sie eine Freundin, deren Namen sie nicht kenne, in XXXX besucht und dort ihre Nachbarin aus ihrem Heimatbezirk XXXX namens XXXX getroffen hätte, welche ihre Mutter angerufen habe (AS 177). Unabhängig von dieser außergewöhnlichen Verkettung mehrerer Zufälle ist aufgrund der widersprüchlichen Darstellung des Zustandekommens dieses Telefonats nicht davon auszugehen, dass dieser Vorfall in der geschilderten Weise stattgefunden hat. Es ist daher in einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die BF ihr Alter nicht wahrgemäß angegeben hat.
In der Beschwerde wird als Geburtsdatum der XXXX angeführt (AS 1164). Dieses Datum ist auch einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gab die BF an, ihr Geburtsdatum nicht zu kennen (NSV S. 11).
Da das exakte Geburtsdatums nicht festgestellt werden kann, liegt hinsichtlich des XXXX Verfahrensidentität vor. Unbestritten ist jedoch, dass die BF nunmehr volljährig und im erwerbsfähigen Alter ist.
2.1.3. Die Feststellung, dass die BF ledig ist, ist auf ihre Angabe zu ihrem aktuellen Familienstand zurückzuführen.
Die BF gab sowohl in der Erstbefragung, als auch im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, traditionell verheiratet zu sein (AS 21, AS 29, AS 179). Sie habe ihren Mann geehelicht, als sie XXXX alt gewesen sei (AS 180).
In der mündlichen Verhandlung gab sie an, geschieden zu sein. Dies begründete sie damit, dass sie vor dem Hintergrund ihrer Zwangsverehelichung im Herkunftsstaat, welcher sie aus Angst zugestimmt hätte, im Bundesgebiet einen "Scheich" nach der aktuellen Gültigkeit ihrer Ehe befragt hätte. Dieser hätte daraufhin mittels der mündlichen Erklärung "Fatwa" ausgesprochen, dass die Ehe ungültig sei (NSV S. 12).
Die Angaben einer Zwangsverehelichung sind jedoch widersprüchlich zu ihrer Behauptung vor dem BFA, dass die Familie des Gatten gegen die Verehelichung gewesen wäre und sie die Ehe deshalb bewusst in deren Abwesenheit geschlossen hätten (AS 188).
In einer Gesamtbetrachtung konnte die BF aufgrund der diesbezüglich widersprüchlichen und auch vagen Angaben (AS 21, AS 29, AS 179, AS 188 im Vergleich zu NSV S.12), jedoch nicht glaubhaft machen, dass sie verheiratet war, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich bei den diesbezüglichen Angaben einer (Zwangs-)Verehelichung im Herkunftsstaat im Alter von XXXX um eine Schutzbehauptung handelt.
Es haben sich keine Hinweise ergeben an ihren im Verfahren diesbezüglichen, kontinuierlich gleichbleibenden Angaben, keine Kinder haben, zu zweifeln (AS 24, AS 179 f. sowie NSV S. 12).
2.1.4. Die Feststellung, dass die BF Analphabetin ist und keine schulische Ausbildung genossen hat, gründet sich auf ihren konstant gebliebenen Angaben im Verfahren und der augenscheinlichen Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.
Sowohl in ihrer Erstbefragung (AS 21), als auch in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX (AS 180), als auch in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 23) gab die BF an, dass Analphabetin sei und in ihrem Herkunftsstaat keine Schule besucht haben. Diese Angabe machte sie auch vor der Gutachterin XXXX (S. 7 Gutachten).
Die BF konnte in der mündlichen Verhandlung weder ihren Herkunftsort, noch die Namen ihrer Eltern schreiben und es war unzweifelhaft erkennbar, dass sie hierzu nicht in der Lage war. Es steht daher fest, dass die BF weder das Lesen, noch das Schreiben beherrscht.
Auch dass sie keine Berufsausbildung und Berufserfahrung hat, ist ihren glaubhaften Angaben im Verfahren zu entnehmen (AS 21, AS 178 sowie auch NSV S.23). Dass die BF als XXXX in XXXX gearbeitet habe (Gutachten, AS 389), kann nicht nachvollzogen werden, da die BF zu keinem Zeitpunkt im Verfahren angegeben hat, als XXXX gearbeitet zu haben und beim BFA glaubhaft angab, weder einen Führerschein zu haben, noch Autofahren zu können (AS 179, AS 563).
2.1.5. Dass die BF nicht dem Clan der XXXX angehört, kann aus ihrem mangelnden Wissen zu diesem Clan geschlossen werden.
Die BF gab zwar im Verfahren konstant an, zum Clan der XXXX zu gehören (AS 21, AS 179, NSV S.22) und konnte sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 181) als auch in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 4) die clantypische Berufe Friseur und Handwerker sowie das Schmieden von Töpfen nennen. Weitere Angaben konnte sie jedoch nicht machen. Dass sie sich nicht mehr erinnern könne und ihr ihre Clanzugehörigkeit nicht beigebracht worden wäre (NSV S. 23), sind als Schutzbehauptungen zu werten und vor dem Hintergrund der unter II.1.3. zitierten Länderberichte nicht nachvollziehbar, zumal die Clanzugehörigkeit in ihrem Herkunftsstaat den wichtigsten identitätsstiftenden Faktor für Somalis darstellt und auch bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (s. II.1.3.2.).
Es ist in einer Gesamtbetrachtung daher davon auszugehen, dass die BF nicht dem Clan der XXXX angehört und ihre Clanzugehörigkeit nicht preisgeben möchte.
2.1.6. Die BF konnte im Verfahren keinerlei Informationen zu XXXX und ihrem Leben in XXXX schildern ("Nein, da kenne ich mich nicht aus.", NSV S. 17).
Sie gab zwar an, aus dem Bezirk XXXX zu stammen, konnte jedoch weder Angaben zu dem Bezirk machen, noch beschreiben, welche Bezirke an XXXX angrenzen bzw. Details wie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Moscheen und Märkte ebendort nennen (AS 183). Auch markante Gebäude, Plätze oder sonstige Einrichtungen waren ihr unbekannt. Bei der Frage, welche Clans im Bezirk XXXX die Mehrheit bilden, antwortete sie pauschal, dass alle Clans dort wohnen würden (AS 181).
In der mündlichen Verhandlung gab die BF an, ihren Geburtsort nicht zu kennen. Bei weiterer Befragung gab sie an, in XXXX geboren worden zu sein. Auf weitere Nachfrage gab sie an, nicht zu wissen, in welchem Bezirk von XXXX ihr Geburtsort liege (NSV S. 14).
Auch waren ihre diesbezüglichen Antworten bei untergeordneten Nebenfragen nicht glaubhaft, zumal sie einerseits angab, dass das Elternhaus in XXXX ihrer Mutter gehöre (AS 182), andererseits jedoch behauptete nicht sicher zu sein, ob es nicht gemietet sei (NSV S. 16).
Die einzige Angabe der BF zu XXXX war, dass es dort ein Restaurant in ihrer Wohnnähe gäbe, dass sie selbst nie besucht habe. Ihr Vater hätte ihr davon erzählt und manchmal Speisen von dort gebracht (NSV S. 17). Sie konnte weder die Adresse des Restaurants, noch sonstiges wie beispielsweise Straßennamen in der Umgebung des Restaurants bzw. ihres Wohnortes in XXXX nennen machen (NSV S. 15). Es ist daher davon auszugehen, dass ihr erzählt worden ist, dass es in der Stadt XXXX ein Restaurant gäbe, sie dies jedoch selbst nicht XXXX hat und auch zu keiner Zeit in ihrem Leben in XXXX gewesen ist. Auch waren ihre Angaben, dass sie das Haus nie verlassen habe dürfen und sie bei Verlassen ihres Hauses, nie auf die Straße geschaut hätte, weder glaubhaft noch geeignet dies zu entkräften (NSV S. 17).
Zudem ist dem Gutachten nach erfolgter Sprachanalyse zu entnehmen, dass die BF weder den ortsüblichen Dialekt von XXXX spricht, noch Wörter kennt, die ebendort üblicherweise gebräuchlich sind. Hingegen verwendet sie für den XXXX typische Wörter in ihrem Sprachgebrauch (AS 465). Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass eine Hauptsozialisierung der BF in XXXX mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Hauptsozialisierung der BF in XXXX auszugehen ist.
In der mündlichen Verhandlung hierzu befragt, verstrickte sich die BF in mehrere Widersprüche. So gab sie widersprüchlich zu ihren Angaben beim BFA, aus XXXX zu stammen und mit ihren Eltern seit ihrer Geburt dort gelebt zu haben (AS 563), nunmehr an, dass ihre Mutter mit ihr XXXX gezogen wäre. Einerseits sei dies geschehen, als sie etwa sieben oder acht Jahre alt gewesen wäre, andererseits sei sie jedoch mit ungefähr sechs oder sieben Jahren nach XXXX zurückgekehrt (NSV S. 14). Auf eine weitere Frage, wie lange sie nach ihrer Geburt in XXXX gelebt habe, gab sie an, 13 oder 14 Jahre alt gewesen zu sein, als sie XXXX verlassen habe (NSV S. 15).
Letztlich führte sie an, sich nicht erinnern zu können, wann sie in XXXX gewesen bzw. ob sie damals ein oder zwei Monate alt gewesen wäre. Sie wisse jedoch, dass sie mit sechs oder sieben Jahren mit anderen Kindern in XXXX gespielt hätte.
Auch waren ihre Angaben, dass ihre Eltern den XXXX Dialekt gesprochen hätten, und die BF diesen von Kindern in XXXX erlernt hätte und auch nach ihrer Rückkehr nach XXXX weiterhin gesprochen hätte, vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Schilderungen bezüglich des Herkunftsortes bzw. wann sie wo im Herkunftsstaat gelebt habe, nicht nachvollziehbar. Dies steht auch im Widerspruch zu ihren Angaben, nicht zu wissen, woher ihre Eltern bzw. ob sie aus XXXX stammen (NSV S. 16).
In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass BF in XXXX gelebt hat. Wann bzw. wie lange sie ebendort bzw. aus welchem Ort sie stammt bzw. an welchen Orten sie im Herkunftstaat gelebt hat, kann nicht festgestellt werden.
2.1.7. Die Feststellung, dass die Mutter und der Bruder im Herkunftsstaat leben, gründet sich auf ihren konstant gebliebenen Angaben im Verfahren (AS 25, AS 179 und 180, NSV S. 19 und 20).
Bezüglich den aktuellen Aufenthaltsort ihrer Mutter gab die BF beim BFA zunächst an, dass sie in XXXX , XXXX , lebe (AS 179, NSV S. 29), dann wiederum nicht zu wissen, wo sich ihre Familie aktuell in Somalia aufhalte (AS 562, 565).
Hinsichtlich ihres Bruders gab sie beim BFA an, dass er in XXXX , XXXX lebe (AS 180). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG hingegen sagte sie, nicht zu wissen, wo er aktuell lebe (NSV S. 20). Es ist daher davon auszugehen, dass sich beide noch im Herkunftsstaat aufhalten.
Bei untergeordneten Nebenfragen zu ihrer Mutter und ihrem Bruder war die BF nicht glaubhaft und verstrickte sich in Widersprüche. So gab sie in ihrer Erstbefragung im XXXX an, dass der Bruder XXXX alt sei (AS 25), vor dem BFA jedoch behauptete sie, dass er XXXX alt sei (AS 178 sowie NSV S. 20). Auch die Angaben betreffend das Alter ihrer Mutter waren widersprüchlich (AS 25, AS 179 sowie NSV S.19).
In ihrer Erstbefragung gab sie zudem an, drei Schwestern zu haben (AS 25) und revidierte diese Aussage beim BFA dahingehend, dass hierbei ein Übersetzungsfehler vorliege und es sich bei den als ihre Schwestern angegebenen Personen um Personen handle, die ihr geholfen hätten (AS 178, NSV S. 20). Da ihre diesbezüglichen Erläuterungen nachvollziehbar waren, ist davon auszugehen, dass die BF keine Schwestern hat.
Dass der Vater der BF ermordet wurde, ist nicht glaubhaft (siehe Punkt II. 2.2.4.).
Auch waren nähere Angaben zu Leben und Hintergrund ihrer Eltern nicht konsistent. So gab sie beim BFA an, dass der Vater ein kleines Geschäft gehabt und Töpfe hergestellt hätte (AS 181). Dann hingegen behauptete sie, dass er Schuhe genäht hätte (NSV S. 19). Beim BFA behauptete sie, dass die Mutter Hausfrau gewesen sei (AS 181), in der mündlichen Verhandlung jedoch, dass sie für eine andere Familie als Haushälterin gearbeitet hätte (NSV S. 20).
Beim BFA sowie auch vor dem BVwG gab die BF an, aktuell keinen Kontakt zu ihrer Familie zu haben (AS 182, NSV S. 21). Beim BFA erklärte sie jedoch auch, dass sie seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet einmal telefonischen Kontakt mit ihrer Mutter gehabt habe (AS 181), wobei das Zustandekommen eines fernmündlichen Gesprächs in der dargestellten Weise nicht glaubhaft war (siehe Punkt II.2.1.2.).
In einer Gesamtbetrachtung ihrer Angaben hat sich kein Zweifel daran ergeben, dass sie gegenwärtig keinen Kontakt zu ihrer Familie im Herkunftsstaat hat, zumal sie auch nicht angeben konnte, wo sich diese aktuell aufhält (NSV S. 20).
2.1.8. Die Feststellung, dass die BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, ergibt sich aus den Angaben der BF (AS 177, AS 560, NSV S. 7) sowie den vorgelegten ärztlichen Befunden. Dem Kurzarztbrief vom XXXX des XXXX ist zu entnehmen, dass die BF aufgrund von Regelschmerzen ebendort operativ behandelt wurde. Mit Arztbrief des XXXX vom XXXX wurde bei der BF ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz, Scabies und eine hypochrome, mikrozytäre Anämie diagnostiziert. Ihr wurde eine zweiwöchige Schmerzmittelkarenz empfohlen.
Der Ambulanzkarte der XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass die BF im Bundesgebiet in einen Streit verwickelt war, gestürzt ist und einen Schlag auf das Knie und Kopf erlitten hat. Einem XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass die BF an psychogenen, nicht epileptischen Anfällen litt.
Nach dem XXXX vom XXXX wurde die BF aufgrund diffuser Schmerzen behandelt, da sie nach einer davor vorgenommenen Zahnextraktion Schmerzen am ganzen Körper hätte.
Einem XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass die BF angäbe, an Ganzkörperschmerzen aufgrund einer Belastungsreaktion nach ihrem negativen Asylbescheid zu leiden. Ein Hinweis auf eine neurologische Akuterkrankung liege nicht vor. Zudem wurde sie aufgrund einer akuten Dorsalgie behandelt, wobei sich ihre Rückenschmerzen nach der Einnahme eines Medikaments verbesserten.
Beilage ./A ist zu entnehmen, dass sie im XXXX unter Spannungskopfschmerzen gelitten hat. Beilage ./B. und dem Schreiben des Gynäkologen XXXX ist zu entnehmen, dass im XXXX ein XXXX durchgeführt worden ist. Dem Gutachten vom XXXX von XXXX ist zu entnehmen, dass die BF unter Spannungskopfschmerzen leidet sowie der Verdacht einer Somatisierungsstörung besteht. Eine psychische Erkrankung, eine neurologische Erkrankung und eine Depression konnten bei der BF ausgeschlossen werden (S. 17 des Gutachtens). Die regelmäßige Einnahme von Medikamenten ist bei der BF nicht indiziert.
Die BF befindet sich aktuell nicht in ärztlicher Behandlung (NSV S. 32).
Insgesamt ist den vorlegten Befunden kein Hinweis zu entnehmen, dass bei der BF eine akut, lebensbedrohliche Krankheit vorliegt.
2.1.9. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.
2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.1. Das Fluchtvorbringen der BF ist insofern nicht glaubhaft, als es an der persönlichen Glaubwürdigkeit und Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung mangelt. Ihre Aussagen im Verfahren bezüglich ihrer Verfolgung, ihren Verfolgern und der Zeitabfolge der Ereignisse sind widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
2.2.2. Die Angaben betreffend ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat sind widersprüchlich.
Die BF gab konstant an, dass die Kosten ihrer Ausreise ca. XXXX betrugen (AS 29, AS 184, NSV S. 23). Sie machte jedoch widersprüchliche Angaben dahingehend, wer ihre Ausreise bezahlt hat.
In ihrer Erstbefragung gab sie zunächst an, die Reise teilweise selbst und teilweise gemeinsam mit einem Schlepper organisiert zu haben (AS 29).
In ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim BFA gab sie jedoch an, dass "Leute", welche die somalische Sprache nicht beherrschen würden, Geld für sie gesammelt hätten. Sie hätte diese Personen nicht gekannt und auch nicht gewusst, woher diese stammen (AS 184). Wie sie sich mit diesen Personen verständigen konnte, ohne ihre Sprache zu sprechen, konnte sie nicht erklären.
In der mündlichen Verhandlung gab sie danach befragt an, dass sie selbst keine finanziellen Mittel gehabt hätte, jedoch "ältere Männer" ihre Ausreise bezahlt hätten, weil sie "so jung" gewesen wäre. Sie hätte diese Männer weder gekannt, noch könne sie sich an deren Clanzugehörigkeit erinnern (NSV S. 23 und 24).
Die BF vermochte es nicht nachvollziehbar zu erklären, wer für ihre Ausreise aufgekommen ist und weshalb Personen, die der BF unbekannt sind, für ihre Ausreise eine derart hohe Summe bezahlen sollten (NSV S. 24). Es ist daher davon auszugehen, dass ihre Angabe einer Begleichung der Ausreisekosten durch ihr unbekannte Personen, nicht der Wahrheit entspricht.
2.2.3. Ihre Angaben, von Männern in XXXX misshandelt worden zu sein und von diesen aktuell verfolgt zu werden, waren nicht glaubhaft.
In ihrer Erstbefragung gab sie zunächst an, in XXXX von unterschiedlichen Personen XXXX worden zu sein (AS 27).
In der mündlichen Verhandlung gab sie an, in XXXX nicht XXXX , sondern von ihr unbekannten Männern geschlagen worden zu sein. Ihr aktueller Asylgrund sei, dass sie von diesen Männern geschlagen werden würde, wenn diese die BF in Somalia "sehen" würden (NSV S. 31, NSV S. 32).
Auch bei Wahrunterstellung, dass diese Vorfälle tatsächlich stattgefunden haben, konnte die BF nicht nachvollziehbar erklären, weshalb diese Männer, welche aus XXXX stammen, aktuell in Somalia sein sollten und sie ebendort suchen und schlagen würden, zumal diese nach ihren Angaben, weder ihren Namen noch ihren Herkunftsort kennen. Auch konnte sie nicht erklären, weshalb diese XXXX Männer in Somalia sie verfolgen oder misshandeln würden.
Eine konkrete asylrelevante Verfolgung von ihr unbekannten, XXXX Männern im gesamten Staatsgebiet Somalias ist diesbezüglich somit auszuschließen.
2.2.4. Die Schilderungen der BF zu dem fluchtauslösenden Ereignis waren widersprüchlich, in jeder geschilderten Variante nicht nachvollziehbar bzw. auch nicht glaubhaft.
In der Erstbefragung schilderte sie als fluchtauslösendes Ereignis, dass sie dem Clan der XXXX angehöre und sie andere Clanangehörige entführt und in der Folge monatelang XXXX und misshandelt hätten, bis ihr die Flucht gelungen sei (AS 29). Weiters hätten sie auch kriminelle Jugendliche eines unbekannten Clans entführt (AS 181). In ihrer Beschwerde gab sie an von einem von einem höherrangigen Clan entführt worden zu sein (AS 1171).
Weiters habe "der Clan" ihren Vater getötet habe (AS 29). Ihre vagen Schilderungen, dass sie sich hinter ihrem Vater versteckt habe und nach der Ermordung ihres Vaters und ihrer Schwägerin in Ohnmacht gefallen sei, waren einer zeitlichen Abfolge nicht schlüssig (AS 183, NSV S. 26). Nach der Ermordung ihres Vaters befragt, konnte die BF keine detaillierten Angaben machen, die auf eine selbst wahrgenommene Situation schließen ließen und gab in weiterer Folge an, sich daran nicht erinnern zu können, da das Ereignis schon lange her sei (NSV S. 19). Vor dem Hintergrund des Gutachtens von XXXX ist ein "Vergessen" solch traumatischer Ereignisse durch die BF medizinisch nicht nachvollziehbar. Ein Verdrängen solcher Ereignisse sei jedoch grundsätzlich möglich (S. 17 des Gutachtens). Im gegenständlichen Fall kann ein Verdrängen einzelner Vorfälle ihres Lebens im Herkunftsstaat nicht gänzlich ausgeschlossen werden. In einer Gesamtbetrachtung aller Angaben der BF ist jedoch nicht von einer Verdrängung ihrer angegebenen, fluchtauslösenden Ereignisse auszugehen, zumal die die Schilderungen in sich nicht schlüssig sind. Ihre Erläuterungen, dass der Vater getötet worden sei, weil mit einer Entführungsabsicht die Herausgabe der BF gefordert worden wäre, nach Ermordung des Vaters an der ohnmächtigen BF aber kein Entführungsinteresse mehr gegeben war, ist nicht nachvollziehbar. Die BF vermochte dies in der mündlichen Verhandlung auch nicht im Ansatz zu erläutern. Ihre weiteren Angaben, nicht zu wissen, ob diese Männer sie entführen wollten, führt die Schilderungen zum Grund der Ermordung ihres Vaters und ihrem darauf basierenden Fluchtgrund ad absurdum (NSV S. 28).
Insgesamt ist die Ermordung des Vaters der BF auf die von der BF dargestellten Weise auszuschließen. Die erstmals beim BFA (AS 183) geschilderte Ermordung ihrer Schwägerin ist nicht glaubhaft und als Steigerung ihrer Fluchtgeschichte zu werten.
2.2.5. Nicht nachvollziehbar ist auch, von welchem Ort zu welchem Zeitpunkt die Flucht der BF begonnen hat.
Sie gab vor dem BFA an, noch acht Monate nach Stattfinden des