TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 W272 1400426-5

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Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W272 1400426-5/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 23. 12. 2019, Zahl 425144009-190648550 zu Recht erkannt.

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid gem. § 28 Abs. 1, 2 und 3 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 08.08.2007 in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer stellten am Tag der Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes Eisenstadt vom 19.02.2008 wurde dieser gem. §§ 33 und 8 AsylG abgewiesen und gleichzeitig der BF nach Russland ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 07.03.2008 in Rechtskraft.

2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20.05.2008 wurde ein auf 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde am 27.05.2008 durch den BF persönlich übernommen. Das Aufenthaltsverbot ist seit 12.06.2008 rechtskräftig.

3. Am 28.05.2008 stellt der BF neuerlich einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes Wien vom 13.06.2008 gem. § 68 AVG zurückgewiesen. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis vom 18.07.2008 durch den Asylgerichtshof stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Wien vom 26.07.2010 wurde der zweite Asylantrag gem. §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen und der BF nach Russland ausgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes abgewiesen. Das Erkenntnis wurde mit 25.01.2011 in II. Instanz rechtskräftig negativ.

5 Der BF wurde verurteilt:

LG Strafsachen Wien 61 HV 45/2008 W vom 18.04.2008, rechtskräftig am 18.04.2008, gem. §§ 15, 127,128 Abs. 1 und 4, 129 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt. Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wurde mit Urteil von LG Strafsachen Wien 413 HV 1/2009I vom 10.06.2009 widerrufen. Das Vollzugsdatum war der 20.08.2017.

LG Strafsachen Wien 413 HV 1/2009I vom 10.06.2009, rechtskräftig am 14.09.2009, gem. §§ 142 Abs. 1 1 und 2 Fall, 143 Abs. 1 Satz 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren, Vollzugsdatum 20.12.2016.

LG Krems an der Donau 016 HV 19/2014v vom 19.09.2014, rechtskräftig am 22.09.2015, gem. §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 StGB und § 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren.

LG Krems an der Donau 036 HV 22/2016k vom 14.06.2016, rechtkräftig am 18.06.2016, gem. §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 1. Fall StGB, § 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten

BG Graz-West 007 U 123/2016k vom 20.10.2016, rechtskräftig am 25.10.2016, gem. § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten.

6. Mit Parteiengehör vom 28.06.2019 wurde der BF darüber informiert, dass beabsichtigt ist gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach Russland und ein Einreiseverbot zu erlassen. Dem BF wurden Fragen gestellt und das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation "Russische Föderation" übermittelt. Der BF übernahm das Schreiben am 03.07.2019 und gab keine Stellungnahme ab.

7. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III). Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI) und keine Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 55 Abs. 4 FPG (Spruchpunkt IV) zuerkannt. Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen die BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

Begründend führte das BFA aus, dass das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG zu prüfen hat, wenn der BF nicht rechtmäßig im Bundegebiet aufhältig ist und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Der BF sei auch nicht gem. §46a Bas. 1 Z 1 oder 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet. Auch sei er kein Opfer an Gewalt, welcher einer einstweiligen Verfügung nach § 382b oder 382e EO erteilt wurde oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weitere Gewalt erforderlich sei. Die Rückkehrentscheidung sei erfolgt, da der BF über keine erlaubte Erwerbstätigkeit verfüge, keinen Versicherungsschutz, keinerlei Beziehungen in Österreich und auch sonst keine Integration habe. Sondern er gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe, die daraufhinweisen, dass der BF kein Interesse an einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Die soziale Integration beschränke sich auf die mit den Mithäftlingen. Eine positive Zukunftsprognose kann nicht getroffen werden, zumal der BF zweimal zu mehr als fünf Jahren Haftstrafe verurteilt wurde und auch in Haft der BF nicht davor zurückschreckte weitere Strafen zu begehen. So habe er drei Strafen in der Justizanstalt gesetzt. Das Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wiege schwerer als die Interessen des BF gem. Art. 8 EMRK. Aus den Vorbringen des BF sei bei Abschiebung in die Russische Föderation, keine Gefährdung gem. Art. 2 oder 3 EMRK gegeben oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt. Auch sei die Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts nicht gefährdet. Der BF habe von seinem Parteiengehör keinen Gebrauch gemacht und ist den aktuellen Länderfeststellungen nicht entgegengetreten. Der BF habe mehrere strafbare Handlungen begangen, welche besonders verwerflich waren. Das Verhalten des BF stellte eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und sei daher auch das unbefristete Einreiseverbot zu erlassen gewesen. Da ein Interesse für die öffentliche Ordnung und Sicherheit an der sofortigen Ausreise des BF bestehe sei auch die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine freiwillige Frist zur Ausreise zu gewähren gewesen.

Am gleichen Tag wurde eine Verfahrensanordnung erlassen, in welchem dem BF eine Rechtsberatung zugewiesen wurde.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde, beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, den angefochtenen Bescheid insbesondere die Rückkehrentscheidung und das damit zusammenhängende Einreiseverbot zu Gänze zu beheben, in eventu das Einreiseverbot auf eine verhältnismäßige Dauer zu verkürzen, in eventu aufgrund des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, zur gebotenen Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen. Der BF brachte vor, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei und aus Tschetschenien stamme. Der BF können nicht zurück in die Russische Föderation, da er wegen Vergewaltigung eines Transsexuellen in der JA Stein, Gefahr laufe von seiner eigenen Familie, die aus der Zeitung davon wisse, ermordet zu werden bzw. durch den russischen Staat verfolg zu werden. Die Behörde hätte sich von amts wegen mit der Tragweite einer Abschiebung auseinandersetzen müssen. Die Behörde habe zwar ein Parteiengehör eingeräumt, hätte aber den BF selbst befragen müssen und feststellen müssen, dass dem BF bei einer Abschiebung in die Russische Föderation eine wahrscheinliche Verfolgung durch seine Familie und dem russischen Staat wegen homosexuellen Handlungen drohe bzw. er ausgesetzt sei. Die Handlung sei auch in der Zeitung zu lesen gewesen und der BF aufgrund der Angabe des Vornamens und des Anfangsbuchstaben des Nachnamens eindeutig zu erkennen. Auch sei der BF von einem Mithäftling fast getötet worden. Die Behörde habe schwere Verfahrensfehler begangen und der erlassene Bescheid wäre aufzuheben. Mitvorgelegt wurde eine Teilnahmebestätigung am "Sucht-Modul" im Rahmen der JA Garsten vom 09.05.2019 - 04.07.2019.

9. Das Bundesverwaltungsgericht holte das Gerichtsurteil 231 HV 8/19h ein. Weiters die Besucherliste des BF in der JA Garsten. Weiters wurde das BFA und die beschwerdeführende Partei ersucht, dahingehend eine Stellungnahme abzugeben, ob der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Die Behörde teilte mit Schreiben vom 30.04.2020 mit, dass der BF keinen Folgeantrag gestellt hat. Der BF teilte mit Schreiben vom 25.05.2020 mit, dass er mit der Beschwerde einen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollte. Er legte einen neuen Antrag auf internationalen Schutz vor. Das Gericht wies den BF an, einen solchen Antrag beim zuständigen BFA einzubringen und nicht bei Gericht. Der BF teilte am 03.06.2020 mit einen entsprechenden Antrag beim BFA einzubringen.

10. Das BVwG übermittelte den Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) an das BFA, welches eine Bestätigung der Entgegennahme am 09.10.2020 ho. übermittelte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen:

Der BF ist Angehöriger der russischen Föderation.

Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, des gerichtlichen Vorverfahrens des BF sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gem. § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlag der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht aufliegenden Verwaltungsakten.

Zu Spruchteil A): Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des Bescheides.

§ 50 FPG:

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

§ 51 FPG:

(1) Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots, worüber der Fremde zu verständigen ist, ist auf Antrag des Fremden festzustellen, ob die Abschiebung in einen von ihm bezeichneten Staat, der nicht sein Herkunftsstaat ist, gemäß § 50 unzulässig ist.

(2) Bezieht sich ein Antrag gemäß Abs. 1 auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist gemäß den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vorzugehen.

(3) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag darf der Fremde in den Staat gemäß Abs. 1 nicht abgeschoben werden, es sei denn, der Antrag wäre gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Verfahren als gegenstandslos einzustellen.

§ 52 FPG:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

----------

1.-nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.-nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

...

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0234, mit näherer Begründung (Rz 10 bis 13) dargelegt, dass für die gem. § 52 Abs. 9 FPG (von Amts wegen) gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung - wie beim Antragsverfahren nach § 51 Abs. 1 FPG betreffend einen vom Herkunftsstaat verschiedenen "Drittstaat" - der Maßstab des § 50 FPG gilt. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119, klargestellt, dass weder das FPG noch das AsylG 2005 einen eigenständigen Antrag eines Fremden kennen, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat gem. § 50 FPG unzulässig ist. Einem Fremden sei es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin - und ausschließlich - im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen sei. Stelle ein Fremder dennoch einen derartigen Antrag, so gelte er gemäß § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz und es sei gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen. (VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157)

Im Rahmen der Beschwerde brachte der BF vor, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation für ihn die Gefahr einer Verfolgung bedeuten würde. Aus den Länderberichten des BFA und den aktuellen Länderberichten (Pkt 18.4 Homosexuelle), sowie der gerichtlichen Verurteilung des BF aufgrund der Vergewaltigung eines Transsexuellen, hat der BF nicht gänzlich unsubstantiiert vorgebracht, dass bei Rückkehr in die Russische Föderation, es für ihn zu einer insbesondere Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung durch die dortigen staatlichen Behörden kommen würde. Das BVwG hat nunmehr seine Pflicht wahrgenommen (vgl. VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0316) und hat im Rahmen des Parteiengehörs mit dem BF erörtert, ob er ausgehend von dem vorgebrachten Gefährdungsszenario die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz beabsichtige, zumal es nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG ist, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme ein Verfahren durchzuführen, das letztlich der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0228). Das Vorbringen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ist nicht im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahrens einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109, VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Dass der BF bereits zwei rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren durchlaufen hat ergibt keine andere Folge, solange der nunmehrige Feststellungsantrag entsprechend den asylrechtlichen Bestimmungen als Folgeantrag zu behandeln ist (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Die vorgebrachte mögliche Verfolgung wurde in den bisherigen Verfahren noch nicht rechtskräftig abgesprochen.

Durch den gestellten Folgeantrag, und Aufhebung der Rückkehrentscheidung und Einreiseverbotes und da gegen den BF der faktische Abschiebeschutz nicht aufgehoben wurde ist auch der Abspruch betreffend § 57 AsylG aufzuheben.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (vgl. das Erk. des VwGH vom 4.8.2016, Zl. Ra 2016/21/0162). Dies hat in gleicher Weise auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylantrag zu gelten (vgl. das Erk. des VwGH vom 31.8.2017, Zl. Ra 2017/21/0078).

Wie dem gegenständlichen Verwaltungsakt zu entnehmen ist, stellte der BF am 02.06.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Wie oben dargestellt, ist das Verfahren in der gegenständlichen Konstellation, in welcher der BF während des aufrechten Beschwerdeverfahrens über eine Rückkehrentscheidung einen Asylantrag stellt, der Bescheid, der über die Rückkehrentscheidung abspricht, ohne dass über seinen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ersatzlos zu beheben. Daran kann auch die verfahrensgegenständliche Fallkonstellation, nämlich, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch keine Kenntnis von der Antragstellung gehabt hat, nichts ändern.

Im gegenständlichen Verfahren ist die Beschwerde am 10.02.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangt. Ein gesonderter Abspruch über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. inhaltliche Auseinandersetzung mit dem normierten Tatbestand konnte unterbleiben bzw. erübrigte sich aufgrund der getroffenen Entscheidung in der Sache selbst, da der gesamte Bescheid behoben wurde. Der BF ist dadurch im gegenständlichen Verfahren auch nicht in seinen Rechten verletzt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.1400426.5.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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