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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelhafte Auseinandersetzung mit den Länderberichten des EASO sowie mangelhafte BeweiswürdigungRechtssatz
Aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) ergibt sich, auch wenn es das BVwG unterlässt, das Alter des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise aus Afghanistan festzustellen, dass der Beschwerdeführer Afghanistan im Kindesalter verlassen hat, zumal das BVwG in seinen Feststellungen davon ausgeht, dass der bei seiner Asylantragstellung in Österreich achtzehnjährige Beschwerdeführer sieben bis acht Jahre im Iran und danach auch in der Türkei gearbeitet habe.
Im Hinblick auf Personen, die außerhalb Afghanistans geboren wurden und/oder eine sehr lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, ist insbesondere auf die "Country Guidance" zu Afghanistan des EASO vom Juni 2019 Bedacht zu nehmen. Auf Seite 139 des Berichtes wird Folgendes ausgeführt:
"Afghan nationals who resided outside of the country over a prolonged period of time may lack essential local knowledge necessary for accessing basic subsistence means and basic services. An existing support network could also provide the applicant with such local knowledge. The background of the applicant, including their educational and professional experience and connections, as well as previous experience of living on their own outside Afghanistan, could be relevant considerations.
For applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, IPA may not be reasonable if they do not have a support network which would assist them in accessing means of basic subsistence."
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat als innerstaatliche Fluchtalternative stützt sich das BVwG darauf, dass der junge, arbeitsfähige Beschwerdeführer auch im Iran und in der Türkei seinen Lebensunterhalt verdienen habe können, zudem spreche er Dari und sei "durch seine Mutter" bzw "durch seine Eltern" mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut.
Das BVwG hat jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft beurteilt, dass sein Vater gestorben sei, als er noch ein kleines Kind gewesen sei, und seine Mutter daraufhin zwangsverheiratet worden sei, der neue Ehemann seiner Mutter nicht gewollt habe, dass der Beschwerdeführer bei ihnen lebe, und der Beschwerdeführer daher allein im Haus seines Vaters zurückgeblieben sei. Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Beschwerdeführer "durch seine Mutter" bzw "durch seine Eltern" mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei, ist daher nicht nachvollziehbar.
Insbesondere im Hinblick auf die "Country Guidance" zu Afghanistan des EASO vom Juni 2019 kommt der Beurteilung, ob der Beschwerdeführer mit den gesellschaftlichen Normen Afghanistans vertraut ist, jedoch besondere Bedeutung zu:
"Local knowledge: Having lived in Afghanistan and/or being familiar with the societal norms is an important factor to take into account when assessing the reasonableness of IPA. [...]"
Da das BVwG seine rechtliche Beurteilung in einem entscheidungswesentlichen Punkt - und zwar inwiefern der Beschwerdeführer mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist - nicht nachvollziehbar begründet, hat es das Erkenntnis mit Willkür belastet.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Rückkehrentscheidung, EntscheidungsbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E3937.2019Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020