TE Vwgh Erkenntnis 1989/12/12 89/05/0185

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Veröffentlicht am 12.12.1989
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Index

Baurecht - OÖ
L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Oberösterreich
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich
L82000 Bauordnung
L82004 Bauordnung Oberösterreich
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §10 Abs1
AVG §8
BauO OÖ 1976 §1
BauO OÖ 1976 §41 Abs4 litd
BauRallg
VwGG §21 Abs1
VwGG §24 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGG §62 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. Eckhard Tasler, Rechtsanwalt in Linz, Klosterstraße 3/5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. August 1989, Zl. BauR-010321/2-1989 Le/Ja, betreffend baubehördliche Auftragsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) H Baugesellschaft m.b.H. in S, 2) A Baugesellschaft m.b.H. in W, beide vertreten durch Dr. Sepp Voitl, Rechtsanwalt in Wels, Kaiser-Josef-Platz 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 11.070,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Mai 1989 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde den mitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Auftrag, den begonnenen Bau der Bitumenmischanlage auf den Grundstücken Nr. 735/2 und Nr. 739, KG X, einzustellen und die bereits konsenslos errichteten Baulichkeiten zu beseitigen. Begründend vertrat die Baubehörde erster Instanz die Auffassung, daß die Errichtung einer Produktionsstätte für die Herstellung von Bitumenmischgut nach der OÖ Bauordnung einer baubehördlichen Bewilligung bedürfe. Das Argument, es handle sich um eine Baustelleneinrichtung, könne hier nicht geltend gemacht werden, weil das Ausmaß, die Auswirkungen und Beeinträchtigungen der Baumaßnahmen über den Begriff einer Baustelleneinrichtung weit hinausgingen. Wenn es sich bei einer solchen Produktionsstätte mit der zu erwartenden gravierenden Auswirkung auf die Umgebung um eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige Maßnahme handle, dann würde es sich hier um einen ganz krassen Mißstand in der OÖ Bauordnung handeln. „Es würde in der Praxis eine ganz grobe Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber sehr vielen kleinlichen Bestimmungen der O.Ö. Bauordnung bedeuten, die jeder Logik und jedem Rechtsempfinden widersprechen würde.“

Die dagegen von den Mitbeteiligten erhobene Berufung wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde mit Beschluß vom 4. Juli 1989 als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde vertrat mit näherer Begründung die Auffassung, daß das Bauvorhaben nach § 41 Abs. 1 lit. b der OÖ Bauordnung bewilligungspflichtig sei. Als Baustelleneinrichtung im Sinne des § 41 Abs. 4 lit. d der OÖ Bauordnung qualifizierte der Gemeinderat das Bauvorhaben deshalb nicht, weil es sich nach dieser Gesetzesstelle nur um Baueinstelleneinrichtungen für Bauvorhaben bzw. Baumaßnahmen handle, welche der OÖ Bauordnung unterlägen.

Den in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid des Gemeinderates vom 5. Juli 1989 bekämpften die Mitbeteiligten mittels Vorstellung an die OÖ Landesregierung. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 10. August 1989 gab die OÖ Landesregierung der Vorstellung Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Auffassung, daß die Gemeindebehörden die Frage der baubehördlichen Bewilligungspflicht der Mischgutanlage falsch gelöst hätten. § 41 Abs. 1 der OÖ Bauordnung zähle alle jene Bauvorhaben taxativ auf, die vor ihrer Ausführung einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen. Anlagen der vorliegenden Art seien hier nicht ausdrücklich genannt. Bei Subsumtion der Anlage unter den Bewilligungstatbestand nach § 41 Abs. 1 lit. b leg. cit. müsse zwingend die Ausnahmebestimmung des § 41 Abs. 4 lit. d des Gesetzes zur Anwendung kommen, weil unbestritten sei, daß es sich bei dieser Mischgutanlage um eine Baustelleneinrichtung zum Zwecke der Errichtung einer Autobahn handle. Wenn also diese Baustelleneinrichtung als bewilligungspflichtiger sonstiger Bau eingestuft werde, müsse gleichzeitig der Ausnahmetatbestand Baustelleneinrichtung für die Dauer der Bauausführung angewandt werden, wodurch die Bewilligungspflicht ausgesetzt würde. Dies habe zur Folge, daß für die Dauer der Bauausführung eine Bewilligungspflicht der Anlage nicht gegeben sei. Der Auftrag zur Baueinstellung und zur Beseitigung der bereits errichteten Anlage beruhe daher auf einer falschen rechtlichen Beurteilung. Damit seien die mitbeteiligten Parteien durch die Erlassung der baupolizeilichen Aufträge in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden. Auch die von der Berufungsbehörde genannten Argumente, wonach die Ausnahmeregelung für Baustelleneinrichtungen lediglich für Bauvorhaben nach der OÖ Bauordnung gelte, seien als verfehlt zu beurteilen. Einerseits sei eine entsprechende Einschränkung dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen und andererseits fehle auch jede sachliche Rechtfertigung dafür. Wenn man nämlich die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung mit der vom Gemeinderat gebotenen Begründung verneinen würde, müßte konsequenterweise auch die Ansicht vertreten werden, daß eine Bewilligungspflicht nach der Bauordnung überhaupt nicht gegeben sein könne; schließlich habe sich die Berufungsbehörde mit der Auffassung der Mitbeteiligten nicht auseinandergesetzt, daß sie gar nicht Adressaten des baupolizeilichen Bescheides sein dürften, weil sie lediglich Bauführer, nicht aber Bauherr bzw. Auftraggeber seien. Auch von dieser Seite her sei eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens gegeben.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die beschwerdeführende Gemeinde, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß ihrem § 1 Abs. 1 regelt die OÖ Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, das Bauwesen im Land Oberösterreich. Soweit durch Bestimmungen dieses Gesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird, kommt nach § 1 Abs. 2 leg. cit. diesen Bestimmungen keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung zu.

Nach § 41 Abs. 1 lit. a leg. cit. bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden. Nach lit. b dieser Gesetzesstelle ist die Errichtung sonstiger Bauten über oder unter der Erde, die geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen, bewilligungspflichtig.

§ 41 Abs. 4 BO zählt Ausnahmen von der Bewilligungspflicht gemäß Abs. 1 auf, unter anderem Baustelleneinrichtungen für die Dauer der Bauausführung (lit. d).

In dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß selbst dann, wenn die hier strittige Bitumenmischanlage der baubehördlichen Bewilligungspflicht nach § 41 Abs. 1 BO unterläge, im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 41 Abs. 4 lit. d BO für Baustelleneinrichtungen zu Unrecht baupolizeiliche Aufträge erlassen worden seien, handle es sich doch um eine Baustelleneinrichtung für die Errichtung einer Autobahn. Wenngleich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde darauf hinweist, daß die Bitumenmischanlage nicht nur für die Baustelle der Pyhrn-Autobahn verwendet werde, sondern auch für andere Baustellen, so wird doch der Zusammenhang der Errichtung und des Betriebes dieser Anlage mit dem Bau der Autobahn nicht in Zweifel gezogen. Damit stellt sich die Frage, ob das hier strittige Bauvorhaben nicht als eine Angelegenheit der Bundesstraßen zu beurteilen ist, und aus diesem Grund ein Einschreiten der Gemeindebehörden schon nach § 1 Abs. 2 BO gar nicht zulässig gewesen wäre. Diese verfassungsrechtliche Frage ist im Beschwerdefall jedoch ebensowenig zu beantworten, wie diejenige, ob trotz der nach Art. 10 Abs. 9 B-VG in den Angelegenheiten der Bundesstraßen gegebenen Bundeszuständigkeit nicht dennoch die Bestimmungen der Bauordnung Anwendung finden, weil der oberösterreichische Landesgesetzgeber für die baubehördliche Bewilligungspflicht im § 41 Abs. 4 BO Ausnahmen festgesetzt hat. So sind etwa in lit. d dieser Gesetzesstelle, wie schon erwähnt, Baustelleneinrichtungen für die Dauer der Bauausführung von der Bewilligungspflicht ausgenommen. Zu Recht hat daher die OÖ Landesregierung die Auffassung vertreten, daß dann, wenn die strittigen Baumaßnahmen überhaupt einer Bewilligungspflicht nach § 41 Abs. 1 BO unterliegen, im Hinblick auf die zitierte Ausnahmeregelung das Einschreiten der Gemeindeorgane unzulässig gewesen wäre. Nun läßt zwar schon die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides erkennen, daß hier von einer üblichen Baustelleneinrichtung keine Rede sein kann, sondern es sich vielmehr um eine Produktions- und Lagerstätte großen Ausmaßes handelt, für welche an sich zweifelsfrei die Bewilligungspflicht nach § 41 Abs. 1 lit. a und b BO zu bejahen ist (hinsichtlich lit. a allerdings nur insoweit, als Gebäude errichtet werden sollen). Dennoch ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß der belangten Behörde bei der Auslegung des hier maßgeblichen Begriffes „Baustelleneinrichtungen“ kein Fehler unterlaufen ist, sind doch bei Großbauvorhaben derartige Maßnahmen als Baustelleneinrichtungen üblich. Auch hat der oberösterreichische Landesgesetzgeber bei Festsetzung der Ausnahme nach § 41 Abs. 4 BO nicht erkennen lassen, daß es Fälle von Baustelleneinrichtungen geben soll, für die die Ausnahme keine Anwendung findet. Selbst wenn man den Begriff der Baustelleneinrichtung im Zusammenhang mit einer bestimmten Bauführung sehen müßte, so würde dies nicht zu dem Auslegungsergebnis der Beschwerdeführerin führen, weil nach § 41 Abs. 4 lit. g BO Straßen schlechthin von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind. Dadurch unterscheidet sich etwa die hier maßgebende Rechtslage von jener nach der Stmk. Bauordnung, welche der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1987, Zl. 85/06/0062, BauSlg. Nr. 887, zugrunde lag; in diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Stmk. Landesregierung geteilt, daß eine Heißasphaltmischanlage auch dann der baubehördlichen Bewilligung bedarf, wenn es sich um eine Baustelleneinrichtung handelt. Bei der hier gegebenen Rechtslage ist jedoch für das Vorhaben der mitbeteiligten Parteien schon auf Grund der Regelung des § 41 Abs. 4 lit. d BO die Frage der baubehördlichen Bewilligungspflicht zu verneinen. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fragen unerörtert lassen. Daß auch die Gewerbebehörde und die Naturschutzbehörde das Bauvorhaben der Mitbeteiligten als Baustelleneinrichtung qualifiziert haben, lassen die im Akt erliegenden Bescheide erkennen.

Wenn die Beschwerdeführerin auf die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen Immissionen verweist, so kann damit bei der gegebenen Rechtslage keine baubehördliche Bewilligungspflicht begründet werden, was jedoch nicht ausschließt, daß etwa die Gewerbebehörde nach den von ihr anzuwendenden Vorschriften erforderliche Maßnahmen zu ergreifen hat. Die Feststellung, daß ein bestimmtes Bauvorhaben nicht der baubehördlichen Bewilligungspflicht unterliegt, zieht ja noch nicht die Rechtsfolge nach sich, daß die mit der Anlage verbundenen Auswirkungen nicht von anderen Behörden im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches wahrzunehmen sind.

Auch der Hinweis in der Beschwerde, daß die Bitumenmischanlage mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung Grünland im Widerspruch steht, vermag nach der hier gegebenen Rechtslage die von der Baubehörde erlassenen Aufträge nicht zu rechtfertigen (zur kompetenzrechtlichen Problematik vgl. in diesem Zusammenhang auch Hauer, Raumordnungsgesetze der österreichischen Bundesländer, Prugg Verlag, 1984, S. 2 ff).

Zum Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, aus der Beschwerde sei nicht zu erkennen, ob der für die Beschwerdeführerin einschreitende Rechtsanwalt tatsächlich eine „ordnungsgemäße Vollmacht“ vorgelegt habe, ist zu bemerken, daß hier nach dem VwGG kein Mitspracherecht der belangten Behörde besteht. Im übrigen wurde der Beschwerde eine ordnungsgemäße Vollmacht angeschlossen und in dieser auf einen entsprechenden Beschluß des Gemeinderates vom 12. September 1989 verwiesen. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf eine kommentierte Ausgabe der OÖ Gemeindeordnung 1965 die Meinung vertritt, daß der Beschwerdeführung einer Gemeinde vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Beschluß des Gemeinderates zugrunde liegen müsse, teilt der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung nicht, weil nach § 58 Abs. 1 der OÖ Gemeindeordnung 1979 der Bürgermeister die Gemeinde nach außen zu vertreten hat und daher im Außenverhältnis auch zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof namens der Gemeinde berechtigt ist. Eine zusätzlich erforderliche Beschlußfassung durch den Gemeinderat berührt nur das Innenverhältnis (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.147/A, sowie die seither ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa die Erkenntnisse vom 11. Juni 1981, Zl. 684/80, sowie vom 14. April 1988, Zl. 87/06/0026, BauSlg. Nr. 1095).

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den Antrag auf Zuerkennung eines das Schriftsatzaufwandpauschale übersteigenden Betrages.

Wien, am 12. Dezember 1989

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters nachträgliche Vollmachtserteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1989050185.X00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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