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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
BStMG 2002 §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des W N in K, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 11. Dezember 2018, LVwG 30.30-2402/2018-5, betreffend Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz (in der Folge: belangte Behörde) vom 28. August 2018 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) schuldig erkannt. Über ihn wurde gemäß § 20 Abs. 1 BStMG eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weiters wurde er gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren in der Höhe von € 30,-- verpflichtet. Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, am 6. März 2018 um 12.41 Uhr ein näher bezeichnetes Fahrzeug im mautpflichtigen Straßennetz der Autobahn A9 an einem näher bezeichneten Tatort gelenkt zu haben, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet gehabt zu haben.
5 Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers sei über dessen Ersuchen am 26. Juli 2018 die Möglichkeit zur Akteneinsicht in den Verwaltungsstrafakt gegeben worden. In seiner in der Folge abgegebenen Stellungnahme habe sich der Revisionswerber dahingehend gerechtfertigt, dass ihm im Zuge der Registrierung seines KFZ-Kennzeichens ein Missgeschick unterlaufen sei, da er das Kennzeichen nicht wie richtig mit LL-1XYZ, sondern mit LL-XYZ1 angegeben habe. Seitens der Behörde sei dazu auszuführen, dass es eindeutig im Verantwortungsbereich des Revisionswerbers gelegen gewesen sei, im Zuge der Registrierung des Kennzeichens seines Kraftfahrzeuges beim Bezug der digitalen Vignette im Mautsystem der ASFINAG auf die Richtigkeit der eingegebenen Daten zu achten und diese vor dem verbindlichen Kauf nochmals zu kontrollieren, zumal beim Erwerb der digitalen Vignette die zweifache Eingabe des Kennzeichens ohne copy&paste-Möglichkeit zwingend erforderlich sei. Die erfolgte Benützung der Mautstrecke im Sinne des BStMG stehe außer Streit, bei der verhängten Verwaltungsstrafe handle es sich um die Mindeststrafe.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (in der Folge: LVwG) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.), erlegte ihm gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG die Zahlung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren auf (II.) und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (III.).
7 Begründend fasste das LVwG hierzu zunächst das Vorbringen des Revisionswerbers dahingehend zusammen, dass dieser mit dem in Rede stehenden Fahrzeug unbestrittenermaßen eine Mautstrecke benützt habe; ebenso unstrittig sei, dass ihm bei der Registrierung seines KFZ-Kennzeichens beim Erwerb der digitalen Vignette ein „Missgeschick“ passiert sei, indem er dieses nämlich bei der Registrierung nicht richtig angegeben habe. Das Rechtsgut sei nach seinem Vorbringen jedoch nicht beeinträchtigt, da der Preis für die Jahresvignette im vollen Umfang bezahlt worden sei. Es werde der Antrag gestellt, das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG einzustellen bzw. eine Ermahnung zu verhängen, in eventu die verhängte Geldstrafe gemäß § 20 VStG auf die Hälfte zu reduzieren. Seiner Entscheidung legte das LVwG sodann die Feststellungen zugrunde, der Revisionswerber habe das in Rede stehende Fahrzeug zum angelasteten Tatzeitpunkt am angelasteten Tatort im mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, wobei durch das automatische Überwachungssystem festgestellt worden sei, dass am Fahrzeug weder eine gültige Klebevignette angebracht gewesen sei, noch sei für das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Benützung eine gültige digitale Vignette registriert gewesen. Die Verwaltungsübertretung sei von der automatischen Vignettenkontrolle erkannt und im System unter einer näher angeführten Deliktnummer registriert worden. Das Kennzeichen des in Rede stehenden Fahrzeuges sei seit 27. März 2015 auf den Revisionswerber zugelassen; das Kennzeichen, welches der Revisionswerber beim Kauf der digitalen Vignette anstelle des richtigen Kennzeichens eingegeben habe, sei von der Zulassungsbehörde nicht vergeben. Beim Erwerb der digitalen Vignette sei die Eingabe des Kennzeichens zweimal zwingend erforderlich. Am 20. März 2018 sei der Revisionswerber schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden; dieser Aufforderung sei nicht entsprochen worden.
8 Rechtlich folgerte das LVwG nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtsgrundlagen, der Revisionswerber habe den Tatbestand des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG verwirklicht. Mautprellerei stelle ein Ungehorsamsdelikt dar, gemäß § 5 Abs. 1 VStG genüge fahrlässiges Verhalten. Als Lenker des Kraftfahrzeuges hätte sich der Revisionswerber vor Benützung einer mautpflichtigen Straße davon überzeugen müssen, dass an seinem KFZ eine gültige Vignette angebracht sei bzw. für das Fahrzeug eine gültige digitale Vignette registriert sei. Beim Erwerb der digitalen Vignette sei es notwendig, das Kennzeichen zweimal einzugeben, wobei die Mautordnung ausdrücklich darauf hinweise, dass die Daten zu überprüfen seien. Auch noch nach Registrierung und vor Beginn der Gültigkeit sei eine Umregistrierung des Kennzeichens möglich (Verweis auf Punkt 3.5 der Mautordnung). Der Revisionswerber hätte sich durch Nachschau im Zulassungsschein seines KFZ zu versichern gehabt, wie das Kennzeichen seines KFZ konkret laute, bzw. hätte nach Zusendung der Bestellbestätigung diese mit den Daten des Zulassungsscheines zu vergleichen gehabt. Hätte der Revisionswerber diese Überprüfung durchgeführt, wäre ihm aufgefallen, dass er bei Registrierung mehrfach ein falsches Kennzeichen angegeben habe. Es komme nicht darauf an, dass überhaupt eine digitale Vignette erworben worden sei, sondern darauf, dass diese ordnungsgemäß registriert worden sei. Nachdem das Verschulden des Revisionswerbers nicht als gering angesehen werden könne, mangle es an der Voraussetzung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG, die Tat sei dem Revisionswerber in objektiver wie in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Den Milderungsgründen eines Geständnisses sowie der Unbescholtenheit des Revisionswerbers stehe als Erschwerungsgrund der Grad des Verschuldens in Form von grober Fahrlässigkeit gegenüber. Da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwögen, komme ein Vorgehen nach § 20 VStG nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es nicht auf die Anzahl der Milderungsgründe, sondern auf deren Bedeutung im Rahmen des konkreten Sachverhaltes an; im Lichte dessen sei die von der belangten Behörde verhängte gesetzliche Mindeststrafe als tat- und schuldangemessen anzusehen.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihren Zulässigkeitsgründen zusammengefasst vorbringt, es liege ein relevanter Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vor, da das LVwG im Fall der Verlesung des erstinstanzlichen Aktes in der mündlichen Verhandlung festgestellt hätte, dass der Revisionswerber bereits vor der verfahrensgegenständlichen Benutzung der mautpflichtigen Autobahn den vollen Jahresvignettenpreis bezahlt gehabt habe; außerdem sei die Feststellung des LVwG, dass der Revisionswerber zur Ersatzmautzahlung aufgefordert worden sei, nicht erörtert worden, weswegen er keine Möglichkeit gehabt habe, „dazu ein Vorbringen zu erstatten und dies zu widerlegen und die Ersatzmaut (auch nachträglich im Verwaltungsstrafverfahren) zu bezahlen“. Darüber hinaus sei entgegen § 47 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses nicht erfolgt, habe das LVwG zu Unrecht die Verschuldensform grober Fahrlässigkeit angenommen und sei zu Unrecht von der Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 bzw. des § 20 Abs. 1 VStG abgesehen worden.
10 Mit diesem Vorbringen wird für den Revisionsfall keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Das LVwG hat im gegenständlichen Fall eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der Revisionswerber laut Verhandlungsprotokoll nicht selbst anwesend war, jedoch durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter vertreten wurde. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz aufgrund der Tatsache ins Treffen führt, dass das LVwG den Akt nicht verlesen und daher nicht festgestellt hätte, dass der Revisionswerber vor Benutzung der mautpflichtigen Autobahn den Jahresvignettenpreis bereits bezahlt habe, ist dem zu entgegnen, dass der Revisionswerber ein entsprechendes Vorbringen (auch) in seiner Beschwerde an das LVwG erstattet hat und das LVwG von dieser Tatsache im angefochtenen Erkenntnis auch ausgegangen ist, jedoch zutreffend rechtlich gefolgert hat, dass es nicht auf die Zahlung des Vignettenpreises ankommt, sondern darauf, ob das Kennzeichen ordnungsgemäß registriert war (vgl. § 11 Abs. 1 BStMG; vgl. in diesem Sinne zur ordnungsgemäß entrichteten Maut VwGH 23.3.2017, Ra 2016/06/0137, bzw. auch 30.4.2019, Ra 2019/06/0031, jeweils mwN). Dieser rechtlichen Beurteilung tritt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht entgegen. Zu dem Vorbringen, die Feststellung des LVwG, dass der Revisionswerber zur Ersatzmautzahlung aufgefordert worden sei, sei mit ihm nicht erörtert worden, weswegen er keine Möglichkeit gehabt habe, dazu in der Verhandlung ein Vorbringen zu erstatten, ist weiters Folgendes auszuführen: Abgesehen davon, dass dem Revisionswerber aus dem Verwaltungsstrafakt bekannt sein musste, dass sowohl die Verwaltungsstrafbehörde als auch das LVwG von einer schriftlichen Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut an den Revisionswerber und einem fruchtlosen Verstreichen der in § 19 Abs. 4 BStMG normierten Frist ausgingen, kommt es nach der hg. Rechtsprechung nicht darauf an, ob die entsprechende Aufforderung ergangen ist (vgl. etwa VwGH 27.10.2018, Ra 2016/06/0134 oder auch 25.1.2018, Ra 2016/06/0025). Im Zusammenhang mit dem behaupteten Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz ist daher gegenständlich für den Revisionswerber nichts zu gewinnen; vielmehr durfte das angefochtene Erkenntnis schon aufgrund des Sachverhaltes erlassen werden, der bereits der Verwaltungsstrafbehörde vorlag und der dem Revisionswerber bekannt war (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0085).
12 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darüber hinaus vorgebracht wird, es sei entgegen § 47 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses nicht erfolgt, genügt es, darauf hinzuweisen, dass nach dem Verhandlungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem LVwG am 4. Dezember 2018 von den Parteien des Verfahrens auf die Verkündung des Erkenntnisses verzichtet wurde. Hat die Partei aber in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die Verkündung des Erkenntnisses verzichtet, so kann sie durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung in ihren Rechten nicht verletzt sein (vgl. VwGH 26.02.2019, Ra 2018/03/0134, mwN).
13 Soweit die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen schließlich vorträgt, das LVwG habe zu Unrecht von der Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 bzw. des § 20 Abs. 1 VStG abgesehen, wirft sie mit ihrem Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen auf. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt aber in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. für viele etwa VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0096, 05.03.2015, Ra 2015/02/0027 oder auch 8.9.2016, Ra 2016/06/0099, jeweils mwN). Dass die Wertungsfragen der Strafbemessung im angefochtenen Erkenntnis unvertretbar gelöst worden wären, zeigt die Revision nicht auf.
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 12. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060094.L00Im RIS seit
23.09.2020Zuletzt aktualisiert am
23.09.2020