Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** K*****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 10.308 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2019, GZ 22 R 319/19v-46, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 16. September 2019, GZ 17 C 632/17b-42, über die Berufung der klagenden Partei abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.194,72 EUR (darin 199,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.291,58 EUR (darin 143,43 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Versicherungsagent. Aufgrund des mit dem Beklagten (als Einzelunternehmer) im Jahr 2011 geschlossenen Partneragenturvertrags war der Kläger berechtigt und verpflichtet, Versicherungsverträge für die U***** Versicherungen AG beim Beklagten als Generalagent einzureichen. Der Kläger erhielt dafür vom Beklagten einen Teil der Provisionen, die die U***** Versicherungen AG dem Beklagten zahlte.
Im Oktober 2013 brachte der Beklagte sein Einzelunternehmen in eine GmbH ein. Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH. Im Februar 2014 schloss der Kläger einen im wesentlichen inhaltsgleichen Partneragenturvertrag mit dieser GmbH ab.
Ende 2015 kam es wegen der Abrechnung von Provisionen zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Der Beklagte erklärte dem Kläger gegenüber im Juni 2016 die fristlose Kündigung. Über Vermittlung des zuständigen Regionalleiters der U***** Versicherungen AG setzten die Streitteile die Zusammenarbeit fort. Der Kläger schloss mit der GmbH einen mit Juli 2016 datierten Partneragenturvertrag. Dieser Vertrag wurde mit Ende August 2017 gekündigt.
Der Kläger erhielt seit Abschluss des ersten Partneragenturvertrags mit dem Beklagten als Einzelunternehmer, somit seit Dezember 2011, für sämtliche von ihm abgeschlossenen Versicherungsverträge, welche noch nicht beendet wurden, Folgeprovisionen ausbezahlt. Auch seit der Kündigung des letzten Vertrags aus 2016 erhält der Kläger weiterhin Folgeprovisionen aus den von ihm seit 2011 abgeschlossenen Verträgen.
Der Kläger begehrte vom Beklagten – gestützt auf einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG, dessen Anerkenntnis und/oder den Abschluss eines Vergleichs – die Zahlung von 10.308 EUR sA. Der seit Dezember 2011 mit dem Beklagten bestehende Partneragenturvertrag habe neben dem im Februar 2014 mit der GmbH abgeschlossenen Partneragenturvertrag weiter bestanden. Im Mai 2016 habe der Beklagte beide Verträge ungerechtfertigt mit sofortiger Wirkung aufgekündigt. Unter Mitwirkung des für den Beklagten auftretenden und zumindest mit Anscheinsvollmacht ausgestatteten Regionalleiters der U***** Versicherungen AG hätten sich die Streitteile darauf geeinigt, dass der Beklagte den vom Regionalleiter errechneten Ausgleichsanspruch aus dem ersten Vertrag bezahlen müsse, der Kläger mit der GmbH einen neuen Vertrag schließe und die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs bis zur Beendigung dieses neuen Vertrags aufgeschoben werde. Diesen im Oktober 2016 abgeschlossenen neuen Vertrag habe die GmbH per Ende August 2017 gekündigt.
Der Beklagte wandte unter anderem seine mangelnde Passivlegitimation ein. Im Jahr 2016 habe kein Vertrag mit ihm, sondern mit der GmbH bestanden; der mit ihm persönlich abgeschlossene Partneragenturvertrag sei einvernehmlich aufgelöst worden. Weder habe der Beklagte den Ausgleichsanspruch anerkannt, noch hätten die Streitteile einen Vergleich über eine Zahlung von 10.308 EUR geschlossen.
Das Erstgericht wies die Klage im ersten Rechtsgang mangels Passivlegitimation des Beklagten ab. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur Verfahrensergänzung auf; die vom Erstgericht bejahte Vertragsübernahme durch die GmbH gehe aus den Feststellungen nicht hervor. Im weiteren Verfahren seien daher ergänzende Feststellungen zur behaupteten Vereinbarung zu treffen und die Vertretungsbefugnis des Regionalleiters zu klären.
Das Erstgericht wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang ab. Die GmbH habe den Kundenstock des Klägers und die Folgeprovisionen aus den Altverträgen 2011 und 2014 in den Vertrag 2016 übernommen und dem Kläger ausbezahlt. Ein zusätzlicher Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG komme nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass der Regionalleiter als Anscheinsbevollmächtigter in Vertretung des Beklagten den Ausgleichsanspruch anerkannt oder einen Vergleich geschlossen habe, gebe es nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und der Klage statt. Der mit dem Beklagten persönlich abgeschlossene Vertrag habe zunächst neben dem mit der GmbH abgeschlossenen Vertrag weiterbestanden. Beide Verträge habe der Beklagte im Juni 2016 mit sofortiger Wirkung aufgekündigt, woraufhin der Kläger rechtzeitig seinen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Beklagten angemeldet habe. Über Vermittlung des Regionalleiters der U***** habe es am 5. 7. 2016 mit Wissen des Beklagten ein Treffen in der Kanzlei des Klagevertreters gegeben, an dem der Beklagte nicht teilgenommen habe. Dass der Regionalleiter weder von der GmbH noch vom Beklagten persönlich mit der Vertretung bei dieser Besprechung beauftragt worden sei, ändere nichts daran, dass das Verhalten des Beklagten, selbst nicht zu dieser Besprechung zu erscheinen, sondern den Regionalleiter verhandeln und sich nachher von ihm über das Ergebnis informieren zu lassen, vom Kläger nur so verstanden werden habe können, dass der Beklagte den Regionalleiter dazu ermächtigt habe, für ihn zu sprechen und in seinem Namen eine Einigung anzustreben. Im Zug dieser Besprechung sei über den Ausgleichsanspruch aus den Eigengeschäften des Klägers gesprochen und auf Basis des Provisionsmanagementsystems der U***** der Betrag von 10.308 EUR errechnet worden. In der nachfolgenden Korrespondenz habe der Klagevertreter der damaligen Rechtsvertreterin des Beklagten, deren Kenntnisstand dem Beklagten zuzurechnen sei, klargestellt, dass der gegen den Beklagten persönlich bestehende Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG von 10.308 EUR von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluss mit der GmbH unberührt bleibe. In der weiteren Besprechung am 16. 9. 2016 habe der Beklagte schließlich eingesehen, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Wenn er bei diesem Gespräch kein Wort gesagt und wiederum den Regionalleiter sprechen habe lassen, so habe auch dieses Verhalten des Beklagten vom Kläger nur dahin gedeutet werden können, dass der Beklagte den Regionalleiter dazu ermächtigt habe, in seinem Namen zu sprechen. Über dieses Gespräch habe die Ehefrau des Klägers dann einen Aktenvermerk angefertigt, wonach sich der Kläger bereit erklärt habe, dass der ihm zustehende Ausgleichsanspruch aus dem Subpartnervertrag 2011 erst mit Ende der Partnerschaft bezahlt werden müsse, und der Beklagte dies stillschweigend akzeptiert habe. Das Verhalten des Beklagten, dass er dem nicht widersprochen und anschließend als Geschäftsführer der GmbH für diesen einen neuen Partneragenturvertrag mit dem Kläger abgeschlossen habe, habe der Kläger nur so verstehen können, dass der Beklagte mit der vom Regionalleiter ausverhandelten Lösung einverstanden gewesen sei und die nachfolgenden Überweisungen nur noch seine Vermittlungstätigkeit für die GmbH beträfen. Der bereits errechnete Ausgleichsanspruch aus dem ursprünglichen, mit dem Beklagten persönlich bestehenden Vertrag sei demnach bis zur Beendigung der Zusammenarbeit mit der GmbH nur gestundet worden. Dem Kläger stehe daher nach Beendigung der Kooperation mit der GmbH der mit 10.308 EUR errechnete und vom Beklagten durch sein Verhalten gebilligte Ausgleichsanspruch zu.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Vereinnahmung des Kundenstocks eines ursprünglich mit dem Einzelunternehmer bestehenden Agenturvertrags in das Vermögen einer GmbH eine Vertragsübernahme bewirken könne, wenn der Provisionsberechtigte die aus der bisherigen Geschäftsbeziehung angefallenen Provisionen bis zur Beendigung der Zusammenarbeit mit der GmbH gestundet und der Vereinnahmung des Kundenstocks durch die GmbH nicht ausdrücklich widersprochen habe.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten wegen Aktenwidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten als unzulässig zurückweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Handelsvertreter (Handelsagent) nach dem Handelsvertretergesetz ist, wer von einem anderen („Unternehmer“) mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt. Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein (§ 1 HVertrG 1993). Nach Beendigung dieses Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit 1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, 2. zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann und 3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (§ 24 Abs 1 HVertrG 1993).
2.1. Gemäß dem im Jahr 2011 geschlossenen Partneragenturvertrag war ursprünglich der Beklagte (als Einzelunternehmer) der Vertragspartner des Klägers und damit Unternehmer iSd §§ 1 und 24 HVertrG 1993. Nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt kam es jedoch im Zug der Einbringung des Einzelunternehmens des Beklagten in eine GmbH zu einer Vertragsübernahme. Die GmbH trat damit an die Stelle des Beklagten.
2.2. Die Vertragsübernahme ist ein eigenes Rechtsinstitut und bewirkt, dass durch einen einheitlichen Akt nicht nur die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird, sondern dass der Vertragsübernehmer an die Stelle einer aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt und deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernimmt, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert werden (RIS-Justiz RS0032623; RS0032653).
2.3. Eine solche Vertragsübernahme erfordert grundsätzlich die Übereinkunft aller Beteiligten, nämlich der verbleibenden, der ausscheidenden und der an ihre Stelle tretenden Partei (RS0032607). Es bedarf also der Mitwirkung der sogenannten Alt-, Neu- und Restpartei (RS0032607 [T1]). Eine wirksame Vertragsübernahme bedarf daher einer Vereinbarung zwischen Überträger und Übernehmer sowie der Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners (vgl RS0032629 [T2]). Die Zustimmung der verbleibenden Partei zum Vertragsübergang kann dabei auch schlüssig erfolgen (RS0032629 [T7]; RS0032607 [T6]). Dabei ist jedoch – wie generell bei schlüssigen Willenserklärungen – ein strenger Maßstab anzulegen; für den Erklärungsempfänger darf kein vernünftiger Grund für Zweifel an einem Rechtsfolgewillen des Erklärenden bestehen. Es sind die gesamten Umstände des Einzelfalls heranzuziehen (vgl RS0013947, RS0014150, RS0109021).
2.4. Im hier zu beurteilenden Fall lag die für eine Vertragsübernahme erforderliche Übereinkunft der Beteiligten vor. Nachdem der Beklagte sein Einzelunternehmen in „seine“ GmbH eingebracht hatte, besprachen die Streitteile, dass der Kläger nunmehr Partner der GmbH sein solle. Dass der Beklagte den Übergang des Rechtsverhältnisses auf die GmbH erreichen wollte, steht ausdrücklich fest. Die schlüssige Zustimmung des Klägers dazu ergibt sich – als rechtliche Beurteilung (vgl RS0109021 [T5, T6]) – aus den weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen des Erstgerichts. Das Einzelunternehmen des Beklagten existierte nach der Einbringung nicht mehr. Vertragspartner der U***** Versicherungen AG war ausschließlich die GmbH. Die Kundenbestände vom Vertrag 2011 gingen auf den Vertrag mit der GmbH über, weshalb der Kläger in weiterer Folge von dieser nicht nur Provisionen aus Neukundenzugängen erhielt, sondern auch Folgeprovisionen aus bereits abgeschlossenen Versicherungsverträgen.
2.5. Zufolge dieser Vertragsübernahme schied der Beklagte persönlich aus dem mit dem Partneragenturvertrag im Jahr 2011 begründeten Vertragsverhältnis aus. Für daraus abgeleitete Ansprüche ist der Beklagte daher entsprechend den von ihm eingenommenen Prozessstandpunkt nicht passiv legitimiert.
2.6. Das Berufungsgericht hat daher schon in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang die Vertragsübernahme zu Unrecht verneint. Aufhebungsbeschlüsse ohne Rechtskraftvorbehalt sind zwar unanfechtbar (RS0043986), doch sind im folgenden Verfahren Revision und Revisionsgründe nicht deswegen beschränkt, weil von einem Rechtskraftvorbehalt nicht Gebrauch gemacht oder – wie hier – kein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof beigesetzt wurde. Der wenngleich rechtskräftige Aufhebungsbeschluss bindet daher nur die Gerichte erster und zweiter Instanz, nicht jedoch den Obersten Gerichtshof (1 Ob 204/03m; RS0119442).
3.1. Der Kläger stützt das Klagebegehren hilfsweise auf ein Anerkenntnis des Beklagten bzw einen in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Vergleich. Die Bezug habenden Willenserklärungen habe ein Stellvertreter namens des Beklagten abgegeben.
3.2. Eine wirksame Stellvertretung setzt die Vertretungsmacht des Stellvertreters voraus. Ein ohne (ausreichende) Vertretungsbefugnis gesetzter Geschäftsakt ist folglich unwirksam (RS0105992). Die Behauptungs- und Beweislast trifft denjenigen, der aus der Stellvertretung Rechte ableitet (RS0053936; RS0020331).
3.3. Das Berufungsgericht vertritt die Rechtsansicht, der Regionalleiter der Versicherung habe den Beklagten wirksam vertreten. Da der Beklagte diesem weder für sich persönlich noch für seine GmbH Vertretungsmacht erteilte, kommt dafür nur eine Anscheinsvollmacht in Betracht. Eine Anscheinsvollmacht (Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RS0019609). Grundvoraussetzungen für die Annahme einer Anscheinsvollmacht sind demnach 1. das Vorliegen eines Vertrauenstatbestands, also eines Sachverhalts, aus dem ein Wille auf Vollmachtserteilung erschlossen werden konnte, 2. der Nachweis, dass dieser Sachverhalt durch ein Verhalten desjenigen zurechenbar veranlasst wurde, in dessen Namen gehandelt wurde, sowie 3. das gutgläubige Vertrauen des Dritten auf den Anschein durch den Dritten, der bei Anwendung gehöriger Aufmerksamkeit also davon ausgehen durfte, dass der als Bevollmächtigter Handelnde tatsächlich eine Vollmacht habe (vgl RS0020331, RS0020145, RS0020251; Bydlinski in KBB6 § 1029 ABGB Rz 6). Anscheinsvollmacht darf daher nur dann angenommen werden, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen der Schluss abgeleitet werden kann, er habe dem Handelnden Vollmacht erteilt. Der die Vertretungsmacht begründende Anschein hat also nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen auszugehen. Der auf diese Weise gesetzte, dem Vertretenen zurechenbare äußere Tatbestand muss das Vertrauen des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht rechtfertigen (RS0019609 [T17]; RS0020145 [T23]; RS0020004). Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls einer strengen Überprüfung zu unterziehen (RS0019609 [T18]; RS0020145 [T24]).
3.4. Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt geht ein derartiger objektiver, dem Beklagten zurechenbarer Anschein nicht hervor. Das Erstgericht stellte fest, dass der Regionalleiter der Partnerversicherung nicht nur weder von der GmbH noch vom Beklagten persönlich mit der Vertretung beauftragt wurde und er derartiges auch nicht behauptet habe. Es stellte auch fest, dass er bei dem ersten von ihm initiierten Treffen in der Kanzlei des Klagevertreters auch nur vermittelnd auftrat. Der Beklagte wusste zwar von dem geplanten Gespräch, er war aber nicht anwesend. Der Regionalleiter teilte dem Beklagten den Inhalt des Gesprächs erst im Nachhinein mit. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen diese Feststellungen den Schluss nicht zu, dass der Beklagte durch sein Verhalten Anlass dazu gab, auf die Erteilung von Vertretungsmacht zu vertrauen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe auch bei der späteren Besprechung am 16. 9. 2016 kein Wort gesagt und wieder den Regionalleiter für sich sprechen lassen, steht mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang. Der ebenfalls festgestellte Inhalt des Aktenvermerks der Ehefrau des Klägers gibt lediglich deren subjektives Verständnis des Gesprächsverlaufs und des Gesprächsinhalts wieder. Wie die Ehefrau des Klägers das Gespräch in Erinnerung behielt und ob sie der Auffassung war, der Beklagte habe die Stundung des Ausgleichsanspruchs stillschweigend akzeptiert, ist für die objektive Beurteilung des Verhaltens des Beklagten ohne Bedeutung.
3.5. Abgesehen von der – mangels auch nur einer Anscheinsvollmacht – fehlenden Vertretungsmacht des Stellvertreters ist den Feststellungen das behauptete Anerkenntnis und der angeblich abgeschlossene Vergleich so nicht zu entnehmen. Es steht also gar nicht fest, dass der vermeintliche Vertreter des Beklagten dem Kläger das Bestehen des Ausgleichsanspruchs aus den Altverträgen trotz Fortsetzung der Zusammenarbeit durch Abschluss eines neuen Vertrags zugesichert hätte. Nach den Feststellungen erörterten die Streitparteien vielmehr zwei Varianten: Die Vertragsfortsetzung ohne Ablösezahlung oder die Vertragsbeendigung mit Ablösezahlung. Es wurde erörtert, „dass es entweder bei der Vertragsbeendigung bleibt und eine Ablösungszahlung geleistet wird oder man den Vertrag weiterführt. Dies würde die Ablösezahlung nichtig machen. Dafür würde der Kläger Folgeprovisionen aus dem alten Vertrag erhalten“. Der Kläger schloss daraufhin mit der GmbH einen neuen Partneragenturvertrag. Die Vertragsparteien einigten sich dabei darauf, „dass der Kundenbestand nicht auf Null gesetzt wird und die Folgeprovisionen der früheren Verträge fortgezahlt werden“. Eine bloße Stundung des an sich zugestandenen Ausgleichsanspruchs könnte sich lediglich aus dem festgestellten Aktenvermerk des Klagevertreters ergeben, der aber wiederum nur die subjektive Sicht des Verfassers wiedergibt. Die in diesem Zusammenhang in der Berufung des Klägers gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens hat das Berufungsgericht zwar ausgehend von seiner durch den Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, aber im Hinblick auf die fehlende Darlegung der Erheblichkeit des Mangels (RS0043049 [T4, T6]; RS0043027 [T10]) im Ergebnis zu Recht verneint.
4.1. Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil im Ergebnis wiederherzustellen.
4.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E129040European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00048.20Z.0721.000Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
26.04.2021