TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/12 96/19/3473

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Veröffentlicht am 12.12.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §46;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1971 geborenen BA in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1996, Zl. 306.546/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte über einen am 9. Jänner 1996 ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerk mit Geltungsdauer bis 9. April 1996. Er beantragte am 13. März 1996 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Aus den Antragsbeilagen ist ersichtlich, daß der Beschwerdeführer am 17. Jänner 1994 eine österreichische Staatsbürgerin geehlicht hat.

Am 23. Mai 1996 vernahm die erstinstanzliche Behörde die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers zu den Motiven der Eheschließung ein. Der Beschwerdeführer selbst wurde nach dem Inhalt einer am 23. Mai 1996 errichteten Niederschrift nicht einvernommen, sondern davon in Kenntnis gesetzt, daß sein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung wegen Eingehens einer Scheinehe abgelehnt werde.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. März 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Ehegattin des Antragstellers habe angegeben, daß die mit dem Beschwerdeführer geschlossene Ehe nur deshalb eingegangen worden sei, um dem Beschwerdeführer problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu beschaffen. Der Beschwerdeführer lebe zwar in der Wohnung seiner Ehegattin, jedoch "lediglich als eine Art Untermieter". Eine Lebensgemeinschaft habe "nie stattgefunden", die Ehe sei nie vollzogen worden. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet werde die öffentliche Ordnung gefährden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er insbesondere vor, daß beabsichtigt gewesen sei, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen, was auch tatsächlich geschehen sei. Zum Beweis dieses Vorbringens berief sich der Beschwerdeführer auf seine eigene Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers sowie auf die Einvernahme zweier Zeugen.

Ohne Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens wies die belangte Behörde die gegenständliche Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, aus der niederschriftlichen Einvernahme der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers vom 23. Mai 1996 ergebe sich, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur zum Schein geschlossen habe. Seine Ehegattin habe angegeben, ihn nur geheiratet zu haben, weil er darum gebeten habe und sie ihm habe helfen wollen. Zwar sei der Beschwerdeführer an ihrer Adresse gemeldet worden, jedoch sei es zwischen ihm und seiner Ehegattin weder vor der Eheschließung zu einem geschlechtlichen Verkehr gekommen noch sei die Ehe jemals vollzogen worden. Der Beschwerdeführer lebe als eine Art Untermieter bei seiner Ehegattin. Diese selbst schlafe neben ihrer Mutter, während der Beschwerdeführer in der Küche nächtige. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe ihm ihre Scheidungsgedanken mitgeteilt und wolle die Ehe für nichtig erklären lassen. Der Beschwerdeführer gehe seit 1. September 1994 einer aufrechten Beschäftigung nach. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten dar, welches dazu führe, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden gefährdet werde. Ob der Beschwerdeführer ein derartiges Verhalten gesetzt habe, dürfe die Aufenthaltsbehörde als Vorfrage selbst beurteilen. Mit Ausnahme der Beziehungen zu seiner Ehegattin verfüge der Beschwerdeführer über keine weiteren Bindungen in Österreich. Die öffentlichen Interessen überwögen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 MRK.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Mißachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601, mwN). Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenz ist allerdings die eindeutige (vgl. das eben zitierte hg. Erkenntnis) und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, daß die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern. Für die Entscheidung der Aufenthaltsbehörde über das Vorliegen des dargestellten Grundes für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung ist die Frage, ob ein derartiges Verhalten eines Fremden vorliegt, als Vorfrage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 96/19/1651).

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, die von ihm in der Berufung beantragten Zeugen einzuvernehmen. Hätte die belangte Behörde diesen Beweisanträgen Folge gegeben, so hätten diese Zeugen bestätigen können, daß der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt habe.

Gemäß § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dazu zählt insbesondere die Durchführung des in § 48 ff AVG geregelten Zeugenbeweises. Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, den diesbezüglichen Beweisantrag des Beschwerdeführers zu übergehen.

Mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen zeigt der Beschwerdeführer auch in tauglicher Weise die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf, weil der Versagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht vorläge, wenn der Beschwerdeführer - wie er unter Anführung dieses Zeugenbeweises behauptete - die Absicht hatte, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen.

Ob auch die in der Berufung beantragte Einvernahme des Beschwerdeführers selbst unter Beiziehung eines Dolmetschers geboten gewesen wäre (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 1962, Zl. 34/61, und vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0162) oder ob die dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer offengestandene Möglichkeit, ein entsprechendes Vorbringen in der Berufung zu erstatten, ausreichte, kann hier dahingestellt bleiben. Ginge man aber im Sinne der Vorjudikatur davon aus, daß das Berufungsvorbringen selbst ein der Würdigung der belangten Behörde zu unterziehendes Beweisergebnis ist, wäre diese verpflichtet gewesen, sich mit der Glaubhaftigkeit auch dieses Vorbringens auseinanderzusetzen und sich nicht bloß auf die niederschriftliche Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers zu stützen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die Einbringung der Beschwerdeergänzung in zweifacher Ausfertigung waren insgesamt lediglich S 240,-- an Stempelgebühren beizubringen. Gemäß § 28 Abs. 5 VwGG wäre die Vorlage des zwei Bogen umfassenden angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen. Hiefür wären Stempelgebühren bloß in Höhe von S 60,-- aufgelaufen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Beweismittel Zeugen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996193473.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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