Entscheidungsdatum
05.08.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L526 2164345-1/14Z
L526 2164351-1/13Z
L526 2164349-1/11Z
L526 2164347-1/11Z
L526 2184951-1/14Z
BESCHLUSS
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , alle vertreten durch Rae Dellasega & Kapferer, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2017, Zahl XXXX beschlossen:
A) Den Beschwerden wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die im Spruch genannten Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 5) brachten am 06.04.2014 bzw. 07.12.2017 (in Österreich geborener BF 5) Anträge auf internationalen Schutz ein. BF 1 und BF 2 sind die Eltern der minderjährigen BF 3 bis 5.
Der BF 1 gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an, dass er ursprünglich aus Syrien stammen würde. Von dort sei er mit seiner Familie aufgrund der Unterdrückung durch die Araber in die Ukraine geflohen. In der Ukraine habe er die BF 2 kennen gelernt. Nach jahrelangem Aufenthalt in der Ukraine hätten sie auch dort Schwierigkeiten bekommen und wären nach Europa geflohen. Aufgrund von Zweifeln an den Angaben insbesondere zur Staatsangehörigkeit wurden mit BF 1 und BF 2 Sprachanalysen im Mai 2016 durchgeführt. Diese Analysen ergaben, dass der sprachliche Hintergrund der BF mit sehr hoher Sicherheit in Armenien und sehr geringer Wahrscheinlichkeit in Syrien liegt.
Die BF seien kurdischer Abstammung und Angehörige der Jesiden.
2. Mit im Spruch genannten Bescheiden wurde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Des Weiteren besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
2. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide des BFA am 11.07.2017 fristgerecht Beschwerde. Hierbei sprachen sich die Beschwerdeführer insbesondere gegen die Aussagekraft bzw. Richtigkeit der durchgeführten Sprachanalysen aus. Zudem stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf aufschiebende Wirkung.
3. Vom BVwG wurde mit Beschlüssen vom 24.07.2017 die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2018 wurden die Rechtssachen der Gerichtsabteilung L523 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.
4. Mit Schreiben vom 19.06.2019 wurden die BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und zur Bekanntgabe von Änderungen sowie zur Vorlage von Beweismitteln insbesondere zur Identität aufgefordert.
5. Mit Stellungnahme vom 11.07.2019 legten die BF diverse Unterlagen zur Integration vor. Ausgeführt wurde, dass die BF an den Identifizierungsversuchen immer mitgewirkt hätten und nunmehr mit ziemlicher Sicherheit feststehe, dass die BF nicht armenische Staatsangehörige sind. Bei einer persönlichen Vorsprache der BF vor der armenischen Botschaft sei dem BFA mitgeteilt worden, dass es sich bei den BF 1 und 2 nicht um armenische Staatsangehörige handelt. Inzwischen sei versucht worden, ukrainische Dokumente für die BF zu besorgen.
6. Mit Mail vom 24.07.2019 wurden von der rechtsfreundlichen Vertretung Ladungen der BF vor das BFA sowie Fragebögen für die Ausstellung von Heimreisezertifikaten betreffend Aserbaidschan vorgelegt. Ausgeführt wurde, dass nunmehr verifiziert werden konnte, dass es sich bei den BF nicht um armenische Staatsangehörige handelt. Die BF würden - trotz fehlender Anknüpfungspunkte zu Aserbaidschan - auch weiterhin im Verfahren mitwirken.
7. Nach Anfrage an das BFA am 05.08.2019 wurden dem BVwG die Mitteilungen der armenischen Botschaft vom Juni 2019 vorgelegt. Demnach hat ein persönliches Gespräch der BF 1 und 2 mit einer armenischen Delegation bei der Botschaft zur Abklärung der armenischen Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung eines Heimreise am 11.06.2019 stattgefunden. Es habe sich ergeben, dass es sich bei den BF nicht um armenische Staatsangehörige handelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.
1. Feststellungen:
Es kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF nach Armenien eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde. Dies vor dem Hintergrund der nunmehr wieder zweifelhaften Staatsangehörigkeit der BF insbesondere im Hinblick auf Armenien.
2. Beweiswürdigung:
Der für die gegenständliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
§ 18 BFA-VG lautet:
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Das Bundesamt hat gem. § 18 Abs 1 Z 3 und 5 BFA-VG den Beschwerden gegen die Entscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die BF über ihre Identität getäuscht hätten und das Vorbringen zur Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätte.
Zwar wurde vorerst die aufschiebende Wirkung nach Einlangen der Akten beim BVwG nicht zuerkannt, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG steht dies aber einer nunmehrigen Zuerkennung nicht entgegen. Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich haben sich nunmehr Umstände ergeben, die der Annahme von Armenien als Herkunftsstaat der BF entgegenstehen.
Vor dem Hintergrund des nunmehrigen Kenntnisstandes sind die Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde, auch unter Heranziehung der mit den volljährigen Beschwerdeführern durchgeführten Sprachanalysen nicht fähig, die Aberkennung der aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 zu tragen. Hinsichtlich Z 5 leg cit wurde bereits im Beschluss vom 24.07.2017 festgehalten, dass die Voraussetzungen nicht gegeben sind, da sich das Tatbestandselement "das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen" sich nach entsprechender herrschender Judikatur gerade nicht quasi "aufdrängt". Auch die Identitätstäuschung der Z 3 leg cit liegt vor dem Hintergrund der Auskunft der Botschaft, dass die BF keine armenischen Staatsangehörigen sind und den Versuchen des BFA, ein Heimreisezertifikat für Aserbaidschan bzw. die Ukraine zu erhalten, nicht vor. Aktuell kann damit nicht davon ausgegangen werden, dass die BF nicht wie behauptet aus Syrien stammen bzw. staatenlos sind und es sich um armenische Staatsangehörige handelt.
Im vorliegenden Fall kann nach derzeitiger Aktenlage nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den angenommenen Herkunftsstaat Armenien keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Familienverfahren Minderjährigkeit StaatsangehörigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L526.2184951.1.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020