Entscheidungsdatum
21.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L518 2217610-1/19E
L518 2217605-1/17E
L518 2217607-1/17E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 13.05.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , von XXXX , geb. XXXX , von XXXX , geb. XXXX , alle StA. Georgien, die minderjährige Beschwerdeführerin gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2019, Zl. 751776907-190236795, Zl. 1221825201-190236839, Zl. 1221824803-190236871, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.05.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP3" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 07.03.2019 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.
Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und Eltern der minderjährigen bP 3.
Mit Verfahrensanordnungen vom 11.03.2019 wurde ausgesprochen, dass die bP einer Meldeverpflichtung nach § 15 a AsylG unterliegen und wurden den bP zudem mitgeteilt, dass es sich in ihren Fällen um beschleunigte Verfahren handelt.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 Folgendes vor:
"Am XXXX .2004 wurde meine erste Frau XXXX und meine Tochter XXXX in unserem eigenen Haus in XXXX umgebracht. Ich war nicht zu Hause, zwei Männer sind nachts bei uns reingestürmt. Sie waren zu zweit, ein Polizist, XXXX und sein Chauffeur, XXXX . Es ging um Blutrache, der Bruder des Polizists wurde von anderen Männer umgebracht und er hat mich verdächtigt, ich war es aber nicht. Die Männer wurden festgenommen und verurteilt und haben beide lebenslänglich bekommen. Aber die neue Regierung plant die Sache erneut zu untersuchen und diese zwei Männer haben auch mit anderen kriminellen Männern Morde begangen, und zwei andere von dieser Gruppe befinden sich auf freiem Fuß. Ich bekomme Drohungen mit dem Leben, auch persönlich am Telefon. Ich wurde auch in meinem eigenen Taxi geschlagen und bedroht, ich habe Angst um meine neue Familie. Sie drohen, dass sie meine neue Frau und meine Tochter auch umbringen."
Zudem gab die bP 1 an, dass diese beiden Männer noch immer "Leute" in den "offiziellen Strukturen" hätten und man dort zusammen halte. Er habe keinen Reisepass gehabt, sondern nur einen Identitätsausweis. Er und die bP 2 und 3 wären schlepperunterstützt mit einem LKW nach Österreich gekommen.
Vor der belangten Behörde führte die bP 1 vorweg aus, doch einen Reisepass gehabt, diesen jedoch weggeworfen zu haben. Die Familie sei mit dem Flugzeug legal nach Barcelona geflogen und von dort mit dem Bus nach Österreich gereist. Zum Fluchtgrund führte sie aus:
LA: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?
VP: Ja natürlich. Meine Familie, meine Frau und meine Tochter wurden in meinem eigenen Haus von Polizeimitarbeitern umgebracht. Der Polizist, der Mörder war mein Nachbar. Im Jahr 1994 oder 1995 haben irgendwelche Männer den Bruder des Polizisten getötet. Genaue Daten weiß ich nicht mehr. Damals hat der Nachbar noch nicht bei der Polizei gearbeitet, als sein Bruder getötet wurde. Dieser Unmensch hat mich verdächtigt, dass ich seinen Bruder getötet hätte. Wir hatten nach diesem Mord von seinem Bruder immer Konflikte und er hat mich immer beschuldigt, dass ich ein Mörder wäre. Er hat dann angefangen bei der Polizei zu arbeiten. Ich habe mitgewirkt wegen des Mordes. Ich war nicht schuldig. Ich bin auch zu Vernehmungen gegangen und es wurde auch festgestellt, dass ich unschuldig war. Am XXXX .2004 sind die Männer bei uns angestürmt und sie haben meine Frau und mein Kind erschossen. Meine Frau wollte flüchten und wurde 6-Mal beschossen und meine Tochter hat auch ein Kugel abbekommen. Es steht genauso in meinen Papieren. Ich habe Beweise da. XXXX hat eine Kugel in die Schläfe bekommen. Anmerkung: Die Partei beginnt zu weinen. Ich leide sehr, wenn ich darüber rede und ich stehe immer vor einem Herzinfarkt.
LA: Sie haben in der Erstbefragung angegeben, dass die Täter bereits verurteilt worden sind und sich lebenslang in Haft befinden. Stimmt das?
VP: Ja - lebenslänglich = ohne Frist. Es war eine Bande und die haben auch andere Taten begangen. Ein Mitglied dieser Bande ist bereits wieder auf freiem Fuß. Er war nicht am Mord meiner Familie beteiligt. Er heißt XXXX .
...
Fragen zur Flucht
LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Heimatstaat verlassen? Schildern Sie Ihre Fluchtgründe. Versuchen Sie chronologisch vorzugehen, schildern Sie es so, dass es auch unbeteiligte Personen nachvollziehen können und verzetteln Sie sich nicht zu sehr in Details. Wenn ich etwas näher wissen möchte, frage ich explizit nach.
VP: Ich bin Taxifahrer. Am XXXX sind 2 Männliche Passagiere in mein Taxi eingestiegen und Sie haben mich gebeten, dass ich sie zu XXXX Meer bringen sollte. Ich bin zum angegebenen Ort gefahren. Sie haben mir gesagt, dass ich anhalten müsse, als wir Vorort waren. Ich habe angehalten und die beiden Personen haben verlangt, dass ich auch aussteige. Beide haben mir Polizeiausweise gezeigt und beide haben mich ganz stark geschlagen. Sie haben Dokumente ausgefüllt und sie haben mich dazu gezwungen, dass ich die Papiere unterschreiben solle. Die hatten auch Dokumente in Plastikhüllen. Ich glaube so etwas, wie eine Durchsuchungserlaubnis. Einer der Polizisten hat eine Plastiktasche rausgeholt und Dokumente. Einen Durchsuchungsauftrag rausgeholt. Sie haben mir gesagt, dass dieses Papier schon reichen würde, um mich fertig zu machen. Beide Mörder sind bald draußen und ehe du die Presse einschaltest oder zur Polizei gehst werden wir dich und deine Familie vernichten. Wir werden euch töten. Ich habe gesagt, dass ich damit nicht leben könne, dass die Mörder meiner Familie bald draußen sind. Daraufhin haben sie mich wieder geschlagen. Sie haben mir gesagt, wenn die Männer draußen sind, gehst du nicht zur Polizei und du verhältst dich ruhig sonst passiert etwas.
LA: Wie schwer waren Sie verletzt?
VP: Sie haben mir die Zähne ausgeschlagen. Ich habe Blutergüsse und blaue Flecken gehabt. Ich habe einen Freund er ist Arzt XXXX und ich bin zu ihm ins Spital gegangen. Er ist ein Freund von mir und ich habe ihm erzählt, dass ich eine Rauferei mit Männern hatte. Ich habe ihm nicht die Wahrheit erzählt. Er hat mich untersucht und hat gesagt, dass ich die Zähne rausnehmen lassen müsse. Er hat mir Antibiotika und schmerlindernde Medikamente verordnet. Ich habe das alles eingenommen.
LA: Wann war der Vorfall mit den Polizisten?
VP: Das war am XXXX .2018 Nachgefragt: Ich bin am nächsten Tag ins Krankenhaus gegangen. Ich bin dann am XXXX 2019 ausgereist.
LA: Haben Sie somit all Ihre Gründe für die Asylantragstellung genannt?
VP: Ja, ich habe alles erzählt.
LA: Haben Sie somit all Ihre Gründe für die Asylantragstellung genannt?
VP: Ja, ich habe alles erzählt.
LA: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?
VP: Ich bin noch nicht fertig. Nach dieser Schlägerei haben mich diese Männer ständig angerufen und mich weiter bedroht und mir gesagt, dass ich entweder so verhalte, wie sie es von mir verlangt haben oder es passiert etwas. Ich war wirklich sehr beunruhigt und ich hatte Angst um mein Leben und das meiner Familie und am 04. Oder 05.01 .22019 habe ich XXXX besucht. Er ist der Staatsanwalt für diese Sache, der diese zwei Männer/Mörder von meiner Familie festgenommen hat. Ich habe über meine Probleme und Drohungen berichtet und ich habe auch erzählt, dass diese zwei Mörder bald draußen sind. Ich habe gefragt, was ich dagegen unternehmen könne. Er hat mir empfohlen, dass ich nichts unternehme und schweige und er hat gesagt, dass man nicht wissen würde was passieren würde wenn die zwei Mörder draußen sind. Du kannst nicht gegendieses System ankämpfen und gewinnen. Es ist besser, wenn du das Land verlässt und dich selbst und deine Familie in Sicherheit bringst. Wir haben dann unsere Wohnung verlassen und sind ins Dorf XXXX gefahren und haben uns dort nach dem Gespräch mit dem Staatsanwalt dort versteckt. Man hat mich trotzdem gefunden, aber es waren andere Männer, die nicht uniformiert waren. Sie sind in unser Dorf gekommen zum Haus meines Schwiegervaters. Sie haben mich rausgeholt und mir gesagt, dass ich mich nicht verstecken könne und keine Chance haben würde. Entweder du hältst deinen Mund, oder du verschwindest, oder wir lassen dich verschwinden. Ich war total verwirrt. Es ging mir sehr schlecht und ich habe nur daran gedacht, dass bald die Mörder meiner Familie draußen sind. Ich habe nur daran gedacht, dass sie bald draußen sind und den Mord an mir in Auftrag geben werden. Sie werden mich und meine neue Familie genauso töten, wie sie es mit meiner ersten Familie gemacht haben. Ich habe daraufhin beschlossen zu flüchten. Ich bin am XXXX 2019 dann ausgereist um uns zu retten. Ich entschuldige mich, dass ich bei der Erstaufnahme gelogen habe. Ich hatte Angst und wollte nur vorsichtig sein. Ich habe endlich eine neue Familie, es hat uns wirtschaftlich an nichts gefehlt. Ich hatte Angst um meine neue Familie, deshalb sind wir jetzt da. Nachdem mich diese Männer im Dezember geschlagen haben, haben wir die Tochter nicht mehr in die Schule geschickt. Wir hatten Angst um ihr Leben. Meine Tochter hat Probleme am Rücken. Sie braucht eine Therapie, Schwimmen, Sport etc. aber nach der Schlägerei und den Drohungen konnte meine Tochter die Schule nicht mehr besuchen, weil wir Angst hatten.
...
LA: Haben Sie nach der erfolgten Übersetzung irgendwelche Einwendungen gegen die Niederschrift!
VP: Ergänzung auf der Seite 7: Ich stieg aus, die Männer waren bewaffnet und haben mir die Waffe an die Schläfe gesetzt.
Die Partei ergänzt weiter und meint weiter dazu, dass er mit dem Griff der Schusswaffe geschlagen wurde und dabei die Zähne ausgeschlagen wurden.
Ich hatte überall auf dem Ganzen Körper Blutergüsse gehabt. Ich habe nach diesem Vorfall die Nierenleiden.
Reste der Zähne sind im Mund verblieben.
Mir wurde dann im Krankenhaus auch eine Salbe verordnet.
LA: Es wurde alles richtig und vollständig protokolliert?
VP: Ja
Nachgefragt gab die bP 1 an, dass sie bereits im Jahr 2006 oder 2007 in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Diesen hätte sie jedoch zurückgezogen, da die Mörder verurteilt wurden. Sie sei dann freiwillig wieder ausgereist. Auch in Deutschland habe sie bereits einmal einen Antrag gestellt, sie sei aber auch von Deutschland aus wieder freiwillig ausgereist.
bP2 - bP3 beriefen sich auf die Gründe der bP1 und auf den gemeinsamen Familienverband.
Vorgelegt wurde von den bP:
* Identitätsausweise
* Sterbe- und Heiratsurkunden hinsichtlich der ersten Familie der bP 1
* Heiratsurkunde bP 1 und bP 2
* Geburtsurkunden
* Fotos
* Taxilizenz
I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Den Beschwerden wurde gem. § 18 (1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.
Festgehalten wurde, dass ihnen gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen wurde, an einem näher angeführten Quartier Unterkunft zu nehmen.
In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1) :
"Absolut nicht glaubhaft sind all jene Ausführungen, die Sie zum Anlass, der Sie zum neuerlichen Verlassen der Heimat bewogen haben soll, im Rahmen Ihres Asylverfahrens darlegten.
Sie sprachen in der Einvernahme davon, dass Polizeibeamte Ihre Frau und Ihr Kind ermordet hätten, da Sie von diesen verdächtigt worden wären, dass Sie den Bruder eines Beamten umgebracht hätten. Es hätte vorgelagerte Konflikte und Beschuldigungen gegeben. Sie hätten bei den Ermittlungen mitgewirkt und wären nicht schuldig gewesen. Sie geben weiter an, dass es sich um eine Bande handeln würde, welche noch weitere Taten begangen hätte. Es erscheint jedenfalls sehr seltsam, dass es sich einerseits um eine Bande und andererseits um Polizeibeamte handeln würde. Es steht jedenfalls fest, dass auch wenn es Beamte der Polizei gewesen wären, diese jedenfalls aufgrund der geschilderten Tat aus dem Polizeidienst entlassen worden wären. Sie berichten weiter, dass Sie als Taxilenker 2 Personen als Fahrgäste zu einem Meer bringen mussten und Sie dort verprügelt worden wären. Die Personen hätten einen Polizeiausweis gezeigt und Sie hätten Papiere unterzeichnen müssen. Die Personen hätten Ihnen auch gesagt, dass die Mörder Ihrer Familie bald entlassen werden würden und Sie weder zur Polizei noch zur Presse gehen sollten, sonst würde Ihre Familie vernichtet werden. Es steht in diesem Zusammenhang jedenfalls fest, dass dieser von Ihnen vorgebrachte Fluchtgeschichte jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen war. Da nicht nachvollzogen werden kann, weshalb die inhaftierten Personen Unterstützung von der Polizei erhalten sollten. Die Täter wären wohl jedenfalls aus dem Polizeidienst entlassen worden, da dies für den öffentlichen Dienst inakzeptabel und jedenfalls nicht tragbar wäre. Es steht jedenfalls fest, dass sich die Geschichte so nicht zugetragen haben kann, da kein Polizist einen Mörder unterstützen würde. Auch erscheint es sehr seltsam, dass Sie ohne Probleme über 10 Jahre in Georgien leben konnten und Sie plötzlich von zwei Polizisten verprügelt werden. Es ist weiter nicht klar, weshalb von Ihnen verlang werden sollte, dass Sie nicht zur Polizei gehen sollten, wenn die Verfahren ohnedies bereits rechtkräftig abgeschlossen wurden und die Täter eine lebenslange Haftstrafe bekommen hätten. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Verfahren neu aufgerollt werden sollte, wenn doch bereits ein Urteil ergangen ist. Sie berichten weiter, dass Sie bei dem zuständigen Staatsanwalt gewesen wären und diesen von den Drohungen und Problemen berichtet hätten und dieser zu Ihnen gesagt hätte, dass Sie nicht gegen dieses System ankämpfen können würden und Sie besser das Land verlassen sollten. Es steht fest, dass Ihnen ein Staatsanwalt sicher nicht diesen Rat gegeben und die berichteten Wortmeldungen jedenfalls nicht gemacht hätte. Es steht vielmehr fest, dass Sie in diesem Abschnitt Ihrer Fluchtgeschichte jedenfalls versuchen den Sachverhalt zu steigern und diesen Ausführungen jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen war. Es ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, weshalb die Täter eine Unterstützung von der Polizei oder gar von einem Staatsanwalt erhalten sollten. Daher war auch an dieser Stelle ersichtlich, dass Sie sich in ihrem neuerlichen Verfahren offensichtlich einer völlig frei erfundenen Fluchtgeschichte bedient haben, der jeder Wahrheitsgehalt zu versagen war.
Aufgrund Ihrer Angaben und der beigebrachten Beweismittel ist es glaubhaft, dass Ihre damalige Ehefrau und Ihr Kind verstoben und möglicherweise tatsächlich Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sind. Es steht jedoch entgegen der Ansicht der Rechtsberatung gleichzeitig fest, dass die georgischen Sicherheitsbehörden sowohl in der Lage als auch willens sind Ihnen bei jeder Art von Übergriffen zu helfen bzw. effektiven Schutz zu gewähren und Ihnen dieser auch jedenfalls zugänglich wäre. Dazu ist anzumerken, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt und jedenfalls keine Hinweise vorliegen, dass der Staat nicht in der Lage wäre Schutz zu geben. Es ist jedenfalls absurd, dass Mörder, welche ein so abscheuliches Verbrechten begangen haben sollen von Polizei und/oder Staatsanwaltschaft unterstützt werden würden. Auch wurde das Verbrechen an Ihrer Familie offensichtlich aufgeklärt und die Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie konnten offensichtlich jedenfalls über eine Zeit von mehr als 10 Jahren ohne jegliche Problemen leben. Auch haben Sie nach dem geschilderten Vorfall mit Ihrer Familie bereits im Jahr 2005 in Österreich und Deutschland um Asyl angesucht. Sie haben diese Länder gemäß Ihren Ausführungen jedoch ohne die Entscheidung abzuwarten wieder freiwillig verlassen und sind in Ihr Heimatland zurückgekehrt. Sie sind also offensichtlich davon überzeugt, dass Ihnen der Staat Schutz und Hilfe bieten und Sie ausreichend schützen kann.
Es ist Ihnen daher abschließend jedenfalls möglich, abgesehen vom nicht vorhandenen Wahrheitsgehalt Ihres neuerlichen Vorbringens, alle Probleme ordnungsgemäß zur Anzeige zu bringen. Es droht Ihnen von staatlicher Seite jedenfalls keine Gefahr und ist daher davon auszugehen, dass Ihnen jegliche Hilfe zuteilwerden würde."
In Bezug auf die weitern bP wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 [1] 1 BFA-VG).
I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP aufgrund ihrer unterstellten politischen Gesinnung asylrelevant verfolgt werden würden. bP 2 und 3 drohe zudem aufgrund der Blutrache eine Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie.
Mit der Beschwerde vorgelegt wurde von den bP:
* Überweisung der bP 3 an einen Facharzt für Orthopädie
* Befund eines FA für Orthopädie sowie Röntgenbefund hinsichtlich bP 3
* Heilbehandlungsverordnung und Terminbestätigung eines Allergietest für bP 3
* Befundbericht eines FA für HNO und Medikamentenverordnung betreffend bP 2
* Überweisung der bP 1 an ein Zahnambulatorium und Laborbefund
I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 17.04.2019 beim BVwG ein.
Nach Einlangen der Beschwerdeakte wurde im Rahmen einer Prüfung des Vorbringens festgestellt, dass den Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen ist (§ 18 Abs. 5 BFA-VG).
Am 24.04.2019 langten medizinische Befunde zur bP 1 ein.
I.6. Für den 13.05.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
In der Stellungnahme vom 06.05.2019 wurde ausgeführt, dass die Länderfeststellungen das Vorbringen der bP bestätigen würden. Zudem könne die bP 1 nicht für die Behandlungskosten der Hepatitis in Georgien aufkommen. Vorgelegt wurden wiederum die medizinischen Befunde.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3, 15b AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 14.05.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Die bP1 und 2 sind junge, grundsätzlich gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP 3 ist durch deren Eltern gesichert.
Die bP 2 ist in XXXX geboren und aufgewachsen. Die bP 1 ist in XXXX geboren und aufgewachsen. Dort wurden am XXXX .2004 die erste Frau und Tochter der bP 1 aus dieser Ehe umgebracht. Vor der Ausreise lebte die bP 1 mit der zweiten Frau (bP 2) und der gemeinsamen Tochter (bP 3) in XXXX in einer ihnen gehörenden Wohnung.
Die bP reisten legal mit Reisepass in Österreich ein, warfen diese jedoch weg, da sie Angst vor einer Abschiebung hatten.
Familienangehörige (Mutter und Bruder bP 1, Eltern und zwei Schwestern der bP 2) sowie weitere Verwandte leben nach wie vor in Georgien. Mutter und Schwestern der bP 2 arbeiten, die Mutter der bP 1 bezieht eine Pension. Die bP 2 steht mit ihren Familienangehörigen in wöchentlichem Kontakt.
Nach Abschluss der Schule arbeitete die bP 1 als Taxifahrer. Während der Zeit am Land war die bP 1 auch in der Landwirtschaft tätig, in XXXX arbeitete sie auch in der Bauwirtschaft. Die bP 2 arbeitete nach der Schule bis zur Geburt der Tochter als Kochassistentin.
Die bP 1 leidet an unspezifischen Herzproblemen, Leberzirrhose und Hepatitis B und C. Sie nimmt Schmerzmittel ein.
Die bP 2 leidet zweitweise an Kopfschmerzen und nimmt Schmerztabletten ein und benutzt zeitweise einen Nasenspray.
Die bP 3 leidet an Skoliose (Fehlstellung der Wirbelsäule), ISG-Blockierung (Gelenksblockierung) und Dorsalgie (unspezifische Rückenschmerzen). Sie befand sich aufgrund dieser Erkrankungen bereits in Georgien in Therapie (Schwimmen, Gymnastik. Massagen etc). In Österreich wurden ihr 10 Therapiesitzungen verordnet.
Die bP 3 besucht in Österreich die Schule.
Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben in einem Lager zusammen mit anderen Flüchtlingsfamilien. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit 5 Monaten im Bundesgebiet auf. Sie leben von der Grundversorgung und haben keinen Deutschkurs besucht. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Georgien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 11.12.2018, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor. Gemeinsam mit dem unterlegenen Kandidaten Vashadze und dem im Exil lebenden Ex-Präsidenten Saakashvili forderten sie vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Quellen:
* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 11.12.2018
* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 11.12.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 11.12.2018
* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 11.12.2018
KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).
Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018).
Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).
Quellen:
* Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788, Zugriff 25.6.2018
* GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister, Zugriff 25.6.2018
* RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html, Zugriff 25.6.2018
Politische Lage
Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).
Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).
Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).
Quellen:
* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017): Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018
* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018
* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50, http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).
Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).
Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):
Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).
Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018
* Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018
* GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018
* Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018
* Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018
* Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis, https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).
Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).
Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018
* Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018
* Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018
* JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018
Sicherheitsbehörden
Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).
Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).
Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).
Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).
Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 18.4.2018
* Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding, Zugriff 18.4.2018
* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 17.4.2018
* NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political%20Presentation_ENG_version%20final.pdf, Zugriff 18.4.2018
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 23.5.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 11.12.2017).
Die Analyse der vom Amt des Chefanklägers Georgiens erhaltenen Informationen zeigt, dass die Untersuchung anhängiger Strafverfahren mit Vorfällen angeblicher Misshandlung verzögert und unwirksam ist. Dennoch haben die Behörden keine positiven Anstrengungen unternommen, um einen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch Strafverfolgungsbeamte einzurichten. Nach den Zehnmonatsdaten von 2017 ist im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Beschwerden wegen angeblicher Misshandlungen durch Polizeibeamte während und/oder nach Verhaftungen gestiegen. Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich allerdings die Einschätzung von Vorfällen angeblicher Misshandlung verbessert (PD 10.12.2017).
Seit November 2016 erhielt die Georgian Young Lawyers' Association (GYLA) mindestens 20 Beschwerden wegen Folter und Misshandlung durch die Polizei und fünf durch das Gefängnispersonal. Laut GYLA haben die Behörden die Vorwürfe nicht wirksam untersucht (HRW 18.1.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 6.6.2018
* PD - The Public Defender of Georgia (10.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/uploads/other/4/4957.pdf, Zugriff 18.4.2018
Korruption
Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. Dies kann unter anderem in Form von Bestechungsgeldern, dem Austausch von Insiderinformationen und Einschüchterungen geschehen. Die Durchsetzung von Antikorruptionsmaßnahmen auf hohem Niveau fehlt (FH 1.2018; vgl. GAN 8.2017).
Insgesamt ist es dem Land gelungen, die Korruption zu reduzieren. Die georgischen Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung sind weitgehend im Strafgesetzbuch enthalten, das einen soliden Rechtsrahmen zur Eindämmung der Korruption im Land vorsieht, auch wenn die Durchsetzung, die durch die mangelnde Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden behindert wurde, in einigen Bereichen noch immer fehlt. Defizite bestehen beispielsweise im Justizwesen und im öffentlichen Auftragswesen (GAN 8.2017).
Die Anti-Korruptions-Behörde des Europarates, GRECO, lobte am 17.1.2017 den beträchtlichen Fortschritt bei der Reduzierung der Korruption in Georgien. Insbesondere wurden die Maßnahmen hervorgehoben, wonach öffentliche Vertreter, darunter Parlamentarier, Richter und Staatsanwälte der höheren Ebene ihr Vermögen deklarieren müssen. Laut GRECO sei es wichtig, diese Bestimmungen auf alle Staatsanwälte auszuweiten und diese konstant zu überprüfen. Hinsichtlich der Parlamentsabgeordneten empfiehlt GRECO die Veröffentlichung von Unvereinbarkeitsbestimmungen. Darüber hinaus sollte die Einflussnahme der Regierung und der Parlamentsmehrheit bei der Bestellung des Generalstaatsanwalts und der Aktivitäten des Rates der Staatsanwaltschaft reduziert werden (CoE 17.1.2017).
Am 26.9.2017 verabschiedete die Regierung eine überarbeitete nationale Antikorruptionsstrategie und einen neuen Anti-Korruptions-Aktionsplan für 2017-2018. Seit Januar 2017 hat Georgien ein Überwachungssystem für Vermögenserklärungen von Amtsträgern eingeführt (EC 9.11.2017).
Transparancy International platzierte Georgien in seinem "Corruption Perceptions Index 2017" auf Rang 46 (2016: 44 von 176 Ländern) von 180 Ländern (25.1.2017).
Quellen:
* CoE - Council of Europe (17.1.2017): Georgia should continue reforms to prevent corruption among parliamentarians, judges and prosecutors, says new Council of Europe report [DC004(2017)], https://www.coe.int/en/web/tbilisi/-/georgia-should-continue-reforms-to-prevent-corruption-among-parliamentarians-judges-and-prosecutors-says-new-council-of-europe-report, Zugriff 18.4.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 19.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 18.4.2018
* GAN - The Business Anti-Corruption Portal (8.2017): Georgia Corruption Report, https://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/georgia, Zugriff 18.4.2018
* TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 18.4.2018
NGOs und Menschrechtsaktivisten
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen, und können in Einzelfragen auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 11.12.2017).
Ein wachsendes Netzwerk sog. "Watchdog"-NGOs hat seine Leistungsfähigkeit gesteigert, damit Bürgerrechte mittels Kampagnen vertreten werden. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 1.2018).
Trotz der Schwäche der NGOs in Bezug a