Entscheidungsdatum
21.08.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L507 2221896-1/3E
L507 2221905-1/2E
L507 2221901-1/2E
L507 2221895-1/2E
L507 2221903-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerden XXXX , alle StA. staatenlos, alle vertreten durch RA Dr. Julia Ecker, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zlen. 10930522017 - 151666675 / BMI-BFA Wien AST, 1093052305 - 151666689 / BMI-BFA Wien AST, 1093053008 - 151666697 / BMI-BFA Wien AST, 1093052904 - 151666719 / BMI-BFA Wien AST und 1093052708 - 151666727 / BMI-BFA Wien AST, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer.
Nach illegaler Einreise in Österreich stellten die Beschwerdeführer am 08.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.11.2015 sowie bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 28.02.2018, 09.04.2018 und 14.11.2018 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er staatenloser Palästinenser und in Tripolis geboren sei. Er sei in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aufgewachsen und dort bis zum 30.09.2014 gemeinsam mit seiner Familie aufhältig gewesen sei, wobei der Erstbeschwerdeführer über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügt habe. Der Erstbeschwerdeführer und seine Familie seien bei UNRWA nicht registriert. In den VAE habe der Erstbeschwerdeführer als freier Journalist und Autor gearbeitet. Aufgrund politischer Aktivitäten sei er von den Behörden der VAE unter Druck gesetzt und festgenommen worden. Im September 2014 seien der Erstbeschwerdeführer und seine Familie von den VAE nach Jordanien abgeschoben worden. In Jordanien sei der Erstbeschwerdeführer sodann sofort festgenommen und für 21 Tage in einem Gefängnis in Amman festgehalten worden. Danach habe der Erstbeschwerdeführer Jordanien verlassen müssen und sei ausgewiesen worden.
Die Zweitbeschwerdeführerin brachte bei der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.11.2015 und bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des BFA am 28.02.2018 und 01.03.2019 vor, dass sie staatenlose Palästinenserin und den Abu Dhabi (VAE) geboren sei. Die Zweitbeschwerdeführerin sei in den VAE aufgewachsen und habe dort bis September 2014 gemeinsam mit ihrer Familie gelebt. Am 30.09.2014 seien die Zweitbeschwerdeführerin und ihre Familie aus den VAE ausgewiesen worden und seien nach Jordanien gereist. Bei der Einreise nach Jordanien sei der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin (der Erstbeschwerdeführer) von den jordanischen Sicherheitsbehörden festgenommen worden und sei sodann für 21 Tage verschwunden gewesen. Nach der Freilassung sei der Erstbeschwerdeführer mit falschen Papieren in die Türkei geflüchtet. 20 oder 25 Tage danach habe auch die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihren Kindern Jordanien verlassen und sei in die Türkei gereist.
2. Mit Bescheiden des BFA vom 30.04.2019 wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Jordanien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß
§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
In den angefochtenen Bescheiden traf das BFA die Feststellungen, dass die Identität der Beschwerdeführer nicht feststehe und die Beschwerdeführer palästinensische Flüchtlinge seien, die nicht unter dem Schutz von UNRWA stünden.
Zum Herkunftsstaat bzw. zum Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes der staatenlosen Beschwerdeführer traf das BFA im angefochtenen Bescheid betreffend den Erstbeschwerdeführer folgende Feststellungen:
"Es konnte festgestellt werden, dass Sie sich zeitweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgehalten haben. Es kann nicht von einem langen Aufenthalt ausgegangen werden.
Zuletzt waren Sie in Jordanien aufhältig, von dort startete Ihre Reisebewegung nach Österreich. Sie waren vom 28.12.2014 bis 17.04.2015 legal in Amann aufhältig. Daher war festzustellen, dass Jordanien das Land Ihres gewöhnlichen Aufenthaltes ist.
Sie können mit einem Reisedokument der Palästinensischen Behörden ohne Visum in Jordanien einreisen. Amann verfügt über einen internationalen Flughafen, welcher von Wien aus direkt erreichbar ist."
Im angefochtenen Bescheid betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurden unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
"Es konnte festgestellt werden, dass Sie sich zeitweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgehalten haben. Es kann nicht von einem langen Aufenthalt ausgegangen werden.
Zuletzt waren Sie in Jordanien aufhältig, von dort startete Ihre Reisebewegung nach Österreich. Sie waren vom 30.08.2015 bis 07.09.2015 legal in Amann aufhältig. Daher war festzustellen, dass Jordanien das Land Ihres gewöhnlichen Aufenthaltes ist. Noch dazu haben Sie starke persönliche Bindungen zu Jordanien, da Ihre Eltern im damaligen Staatsgebiet von Jordanien geboren sind.
Sie können mit einem Reisedokument der Palästinensischen Behörden ohne Visum in Jordanien einreisen. Amann verfügt über einen internationalen Flughafen, welcher von Wien aus direkt erreichbar ist."
Beweiswürdigend führte das BFA im Hinblick auf die Feststellungen betreffend den Herkunftsstaat bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers Folgendes aus:
"Die Feststellung, dass Sie nur zeitweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt haben wurde getroffen, da Sie trotz Ihres angeblich sehr langen Aufenthaltes keinerlei Dokumente wie Aufenthaltsgenehmigungen, Geburtsurkunden der Kinder, Schulzeugnisse, Arbeitsbestätigungen etc. vor[legten], die Ihren längerfristigen Aufenthalt in den Verneigten Arabischen Emiraten hätten belegen können. Auch wenn Sie nachweislich für die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige staatstreue Zeitung al-Khaleej einige Artikel geschrieben haben, so lässt sich dadurch kein Wohnsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten ableiten. Auch haben Sie angegeben fast ausschließlich von zuhause aus gearbeitet zu haben und ist es heute durchaus als Journalist üblich, mobil zu arbeiten."
Beweiswürdigende Ausführungen betreffend die Feststellungen über einen legalen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Amman vom 28.12.2014 bis 17.04.2015, sowie darüber, dass der Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erstbeschwerdeführers Jordanien sei, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.
Betreffend die Feststellungen zum Aufenthalt der Zweitbeschwerdeführerin in den VAE führte das BFA im angefochtenen Bescheid betreffend die Zweitbeschwerdeführerin folgendes aus:
"Die Feststellung, dass Sie nur zeitweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt haben wurde getroffen, da Sie trotz Ihres angeblich sehr langen Aufenthaltes keinerlei Dokumente wie Aufenthaltsgenehmigungen, Geburtsurkunden der Kinder, Schulzeugnisse, Arbeitsbestätigungen etc. vor[legten], die Ihren längerfristigen Aufenthalt in den Verneigten Arabischen Emiraten hätten belegen können."
Betreffend die Feststellungen eines legalen Aufenthaltes der Zweitbeschwerdeführerin in Jordanien vom 30.08.2015 bis 07.09.2015, sowie darüber, dass der Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes der Zweitbeschwerdeführerin Jordanien sei, finden sich im angefochtenen Bescheid betreffend die Zweitbeschwerdeführerin keinerlei beweiswürdigende Ausführungen.
3. Gegen diese Bescheide wurden am 04.06.2019 gleichlautende Beschwerden erhoben, wobei unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
3. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Von den Beschwerdeführern wurde im Verfahren vor dem BFA vorgebracht, dass sie staatenlose Palästinenser seien und in den VAE bis zum September 2014 gelebt hätten. Der Erstbeschwerdeführer sei bereits als Säugling in den VAE aufhältig gewesen, sei dort aufgewachsen und habe für die VAE eine Aufenthaltsberechtigung besessen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei in den VAE geboren und dort aufgewachsen. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer seien in den VAE geboren und seien dort aufgewachsen.
In Jordanien seien die Beschwerdeführer lediglich für ein paar Wochen bzw. einige Monate aufhältig gewesen.
Vor diesem Hintergrund kann - nur gestützt auf den Umstand, dass die Beschwerdeführer keinerlei Beweismittel zu ihrem Aufenthalt in den VAE in Vorlage gebracht haben - nicht nachvollziehbar geschlossen werden, dass der gewöhnliche Aufenthalt der staatenlosen Beschwerdeführer Jordanien sei.
Die belangte Behörde hätte vielmehr die Aufgabe gehabt, auf die Vorlage von entsprechenden Dokumenten und Beweismittel betreffend den Aufenthalt der Beschwerdeführer in den VAE im Rahmen des Ermittlungsverfahrens insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführer im Verfahren hinzuwirken.
Vom Bundesverwaltungsgericht kann diesbezüglich nicht nachvollzogen werden, dass es den Beschwerdeführern nicht möglich sei irgendwelche Dokumente betreffend ihren Aufenthalt bzw. ihren Aufenthaltsstatus in den VAE in Vorlage zu bringen, zumal nach wie vor Verwandte bzw. Familienangehörige der Beschwerdeführer in den VAE - ihren Angaben zufolge - leben.
In diesem Zusammenhang hat es die belangte Behörde gänzlich unterlassen, Ermittlungen zum früheren gewöhnlichen Aufenthalt der staatenlosen Beschwerdeführer zu tätigen bzw. die Beschwerdeführer in die Pflicht zu nehmen, am Verfahren aktiv mitzuwirken und entsprechende Dokumente bzw. Beweismittel in Vorlage zu bringen.
Infolge der Unterlassung eindeutiger und konkreter Feststellungen zum früheren gewöhnlichen Aufenthalt der staatenlosen Beschwerdeführer ging die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung des Antrages auf international Schutz davon aus, dass es sich beim Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes der Beschwerdeführer um Jordanien handle, obwohl diese dort lediglich einige Wochen bzw. einige Monate aufhältig gewesen seien.
Nach Ansicht des Bundeswartungsgerichtes sind aber vor dem Hintergrund des
§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Personen, die behaupten staatenlos zu sein, eingehende und umfangreiche Ermittlungen und darauf gestützte eindeutige und konkrete Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Antragsteller notwendig und unbedingt erforderlich, zumal nach
§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG der Herkunftsstaat der Staat ist, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen. Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen.
Da es sich bei den Beschwerdeführern unter Zugrundelegung der von ihnen in Vorlage gebrachten Dokumente und Bestätigungen mit großer Wahrscheinlichkeit um staatenlose Palästinenser handelt, wären auch umfangreiche Ermittlungen zum letzten dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt der Beschwerdeführer durchzuführen gewesen. Gestützt auf das Ergebnis dieser Ermittlungen wären sodann eindeutige Feststellungen zum letzten dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt der Beschwerdeführer zu treffen gewesen.
Zusammengefasst leiden die angefochtenen Bescheide unter diesen Gesichtspunkten unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführer unter dem Aspekt der Gewährung des Status von Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde vorzugehen.
Im fortgesetzten Verfahren wird sich das BFA insbesondere mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob es sich beim Aufenthalt der Beschwerdeführer in den VAE bis September 2014 um einen dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt gehandelt hat, zumal die Beschwerdeführer - wie von ihnen behauptet - dort seit ihrer Geburt gelebt hätten und in den VAE aufgewachsen seien.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen waren.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Familienverfahren gewöhnlicher Aufenthalt Herkunftsstaat Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit staatenlosEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2221901.1.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020