Entscheidungsdatum
26.08.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L502 2220333-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2019, FZ. XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste im Jahr 2014 aus seinem Herkunftsstaat kommend legal zu Studienzwecken in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er sich seither aufhält.
2. Mit Bescheid der zuständigen Niederlassungsbehörde vom 15.05.2017 wurde sein Antrag auf Verlängerung seiner - zuletzt bis 09.03.2017 gültigen - Aufenthaltsbewilligung als Studierender wegen verspäteter Antragstellung abgewiesen.
3. Am 12.06.2017 stellte er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz, im Gefolge dessen seine Erstbefragung durchgeführt wurde.
4. Am 06.02.2019 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu diesem Antrag niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme legte er mehrere Beweismittel vor, die als Kopie zum Akt genommen wurden.
5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine 14 tätige freiwillige Ausreisefrist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.
6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 03.06.2019 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
7. Gegen den durch Hinterlegung mit 06.06.2019 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 17.06.2019 Beschwerde in vollem Umfang erhoben.
8. Mit 21.06.2019 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.
9. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die genaue Identität des BF steht fest. Er ist libanesischer Staatsangehöriger, Araber der schiitischen Glaubensrichtung und ledig. Er wurde in der Ukraine geboren, wo er bis zum Alter von ca. 10 Jahren mit seinen Eltern, einem libanesischen und einer ukrainischen Staatsangehörigen, lebte, ehe er mit diesen in den Libanon zog, wo er in der Folge im Süden des Landes in XXXX gemeinsam mit Eltern und zwei Schwestern lebte und dort von 2005 bis 2013 die Grund-, Haupt- und Mittelschule sowie von Oktober 2013 bis Februar 2014 in XXXX ein Semester eines Ingenieurstudiums absolvierte.
Er beantragte im November 2013 von seiner Heimat aus die Zulassung zum Studium an der XXXX , verließ in weiterer Folge den Libanon und reiste legal zu Studienzwecken nach Österreich ein. Von März 2014 bis Juli 2015 absolvierte er einen Vorstudienlehrgang und begann im September 2015 an der XXXX als ordentlicher Hörer das Bachelorstudium XXXX .
Ihm kam bis 09.03.2017 jeweils ein gültiger Aufenthaltstitel als Studierender nach dem NAG zu. Sein jüngster Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung als Studierender vom 10.04.2017 wurde mit Bescheid der BH XXXX vom 15.05.2017 wegen verspäteter Antragstellung rechtskräftig abgewiesen.
Am 12.06.2017 stellte er hierorts einen Antrag auf internationalen Schutz.
Seine Eltern und Geschwister reisten im Jänner 2015 nach Deutschland ein, wo sie am 19.06.2015 Anträge auf internationalen Schutz stellten, auf deren Grundlage ihnen mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15.11.2106 jeweils der Status von subsidiär Schutzberechtigten, jedoch nicht der Status von Asylberechtigten, zuerkannt wurde. Der Vater ist Arzt und nunmehr Mitglied der XXXX Landesärztekammer.
2. Beweiswürdigung:
Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt.
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und die Feststellungen zur Person des BF und zu seinen Angehörigen stehen im Lichte des vorliegenden Akteninhalts als unstrittig fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1. Die Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG folgt konzeptionell dem § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur - soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft - anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme auf die genannten Einschränkungen die im Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2009, Zl. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten, wonach die Behörde an die Beurteilung im Behebungsbescheid gebunden ist. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH, 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Es liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, insbesonders weil
1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat
3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder
4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel zu erkennen sind und
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z. 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtsache abspricht, wobei sie entweder die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war.
Geht das Verwaltungsgericht - in Verkennung der Rechtslage - aber von einer Ergänzungsbedürftigkeit des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes aus, die bei einer zutreffenden Beurteilung der Rechtslage nicht gegeben ist, und hebt dieses Gericht daher den Bescheid der Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG infolge Verkennung der Rechtslage auf, verstößt das Verwaltungsgericht gegen seine in § 28 Abs. 2 VwGVG normierte Pflicht, "in der Sache selbst" zu entscheiden.
2.1. Der BF stützte seinen Antrag auf internationalen Schutz in seiner Erstbefragung darauf, dass er zwar den Libanon zu Studienzwecken verlassen habe, aber nach dem Ende der Gültigkeit seines Aufenthaltstitels als Studierender Österreich in seine Heimat verlassen sollte, wo ihm aber seine Ermordung oder Entführung drohen würde, weil - zusammengefasst dargestellt - sein Vater, der im Libanon seine Fähigkeiten als Arzt u.a. für hilfsbedürftige Personen wie Flüchtlinge aus Syrien einsetzte, von einer in Syrien tätigen terroristischen Organisation mit dem Tode bedroht worden sei, nachdem Mitglieder derselben, die von ihm behandelt worden seien, von staatlichen Sicherheitskräften festgenommen worden seien, und er von dieser Organisation daher des Verrats bezichtigt worden sei. Staatlicher Schutz gegen diese Bedrohung sei ihm trotz seines Ersuchens verweigert worden. In seiner Einvernahme ergänzte er dieses Vorbringen dahingehend, dass seine Familie zwar vorerst Schutz erhalten habe, es aber dennoch zu einem Anschlag auf deren Wagen gekommen sei, weshalb diese auch den Libanon verlassen hätten. Er selbst würde als Angehöriger seines Vaters in gleichem Maße wie die übrigen Angehörigen bedroht sein.
Im angefochtenen Bescheid gelangte das BFA u.a. zur Feststellung, dass dem BF im Libanon keine individuelle Verfolgung drohe, insbesondere keine, die aus der früheren Tätigkeit seines Vaters als Arzt im Libanon bis 2015 ausgehend von "aus Syrien eingesickerten Konfliktparteien" resultieren würde. Auch eine individuelle Gefährdung, die - sinngemäß - eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz bedingen würde, sei für den Fall seiner Rückkehr in den Libanon nicht gegeben. Er habe den gg. Antrag auf internationalen Schutz (bloß) eingebracht um seinen inzwischen illegalen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, zumal sein bislang bestehender Aufenthaltstitel als Studierender nicht verlängert wurde.
Begründend führte das BFA im Rahmen seiner Beweiswürdigung aus, dass der BF zum einen in seiner Einvernahme als wesentlich zu qualifizierende Angaben zur Identität der Verfolger seines Vaters bzw. seiner Familie nicht machen konnte, sondern diese erst im Nachhinein schriftlich vorbrachte, und die fehlenden Kenntnisse des BF "eher auf eine allgemeine Bedrohungslage (seines) Vaters schließen" ließen, "da dieser aus Syrien kommende Flüchtlinge versorgt hat und unter diesen auch Rebellen vermutet werden können". Zum anderen sei zwar glaubhaft gewesen, dass sein Vater "in bestimmten Gebieten in der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit ... auch in bedrohliche Situationen geraten sei" bzw. "in einer exponierten Stellung gewesen sei", jedoch sei nicht erkennbar geworden, dass auch der BF selbst von "diesen Bedrohungen durch verschiedene Kämpfer und Rebellen" betroffen gewesen sei. Der vom BF geschilderte Anschlag auf das Fahrzeug seiner Angehörigen sei (bloß) als "private Verfolgung" zu werten gewesen. Im Übrigen sei den Angehörigen des BF in Deutschland (bloß) subsidiärer Schutz zuerkannt worden, woraus zu schließen sei, dass die deutsche Asylbehörde eine individuelle Verfolgung der Familie des BF aus Konventionsgründen nicht feststellen habe können.
In ihrer rechtlichen Beurteilung vermeinte die belangte Behörde zum einen, der BF habe (schon) eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft darlegen können. Zum anderen sei aus den verfügbaren länderkundlichen Informationen nicht abzuleiten gewesen, dass staatliche Institutionen im Libanon im Hinblick auf eine Verfolgung durch private Personen weder schutzfähig noch -willig seien.
2.2. Der belangten Behörde ist vorweg dahingehend beizupflichten, dass der Umstand, dass der BF den gg. Antrag auf internationalen Schutz erst einbrachte, nachdem sein bisheriger Aufenthaltstitel als Studierender nicht mehr verlängert worden war, durchaus Zweifel an der Glaubhaftigkeit der vom BF vorgebrachten Fluchtgründe indizierte. Nicht zuletzt datierte er doch jene Ereignisse, die zur Flucht seiner Angehörigen aus der Heimat geführt haben sollen, in das Jahr 2015 und wurde diesen im Hinblick auf deren 19.06.2015 gestellte Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15.11.2016 jeweils der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, was die begründete, wenn auch von der belangten Behörde nicht aufgeworfene Frage aufdrängt, weshalb er - den Kontakt mit seinen Angehörigen angesichts der Vorlage eines Nachweises ihres Status durch ihn voraussetzend - in Kenntnis und im Lichte dessen nicht ebenso die Zuerkennung von (zumindest) subsidiärem Schutz an ihn schon früher als im Juni 2017 begehrte, bedenkt man, dass er durch diesen Status besser gestellt wäre als durch einen jeweils kurzfristigen und vom Studienerfolg abhängigen Aufenthaltstitel als Studierender.
Die Beweiswürdigung des BFA stellt sich im Hinblick auf die von ihm behaupteten Antragsgründe bzw. Bedrohungsszenarien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat jedoch grundsätzlich als nicht schlüssig dar. Vermeinte es doch zum einen, dass zwar nachvollziehbar geworden sei, dass der Vater des BF "in bestimmten Gebieten in der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit ... auch in bedrohliche Situationen geraten sei" bzw. "in einer exponierten Stellung gewesen sei", und an anderer Stelle seiner Beweiswürdigung, dass "eher auf eine allgemeine Bedrohungslage (des) Vaters" zu schließen gewesen sei, "da dieser aus Syrien kommende Flüchtlinge versorgt hat und unter diesen auch Rebellen vermutet werden können", stellte jedoch zum anderen fest, dass nicht erkennbar geworden sei, dass auch der BF selbst von "diesen Bedrohungen durch verschiedene Kämpfer und Rebellen" (gemeint wohl: die aus Syrien stammen) betroffen gewesen sei.
Unklar blieb dabei schon, ob das BFA nun eine individuelle Bedrohung des Vaters aus genannten Gründen, nämlich durch "Kämpfer und Rebellen", bejahen wollte, was im Hinblick auf eine - offenbar im Gegensatz dazu stehende - fehlende Bedrohung des BF aus diesen Gründen wohl so zu verstehen wäre. Oder ob es lediglich vage eine ganz allgemein geltende Bedrohung des Vaters aufgrund seiner bloßen Stellung als Arzt, der auch Flüchtlinge aus Syrien versorgte, ins Auge fasste, die daher naturgemäß nicht dem BF selbst, der diesen Beruf ja nicht ausübt, gelten würde.
Ungeachtet dieser Unklarheit stellen sich diese Erwägungen der belangten Behörde zur Bedrohung des Vaters insgesamt aber als Mutmaßungen dar, ist doch eine logische Schlußfolgerung dahingehend aus den bloßen Aussagen des BF in seiner Erstbefragung wie auch in seiner Einvernahme ebenso wenig abzuleiten wie sie aus der Beweiswürdigung nachvollziehbar wurde. Darüber hinaus wurde ebenso nicht erkennbar, worauf sie die Feststellung einer (bloß) von "Privaten" ausgehenden Verfolgung der Angehörigen durch den behaupteten Anschlag auf deren Fahrzeug stützte.
Im Lichte dieser unschlüssigen Erwägungen zum vom BF behaupteten Sachverhalt sowie mit Blick auf die weitere Erwägung des BFA, dass den nun in Deutschland lebenden Familienangehörigen des BF dort kein Asyl, sondern nur subsidiärer Schutz gewährt wurde, woraus abzuleiten gewesen sei, dass diese auch keine individuelle Verfolgung im Libanon glaubhaft machen konnten, wäre es erforderlich gewesen, dass sich die belangte Behörde im Rahmen von Konsultationen mit dem deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Detail Kenntnis von den gg. Entscheidungen über deren Anträge auf internationalen Schutz verschafft und die dortigen Aussagen der Angehörigen zum behaupteten Flucht auslösenden Geschehen jenen des BF dazu gegenüberstellt. Nicht zuletzt stellt es in Unkenntnis dieser Entscheidungen auch eine bloße Mutmaßung des BFA dar, aus welchen rechtlichen Gründen es nicht einer Asylgewährung an die Angehörigen gekommen ist.
Gleiches trifft folgerichtig auf die Frage zu, aus welchen Gründen den Angehörigen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, zumal das BFA gerade zur Person des BF zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen ist. Das BFA war daher auch diesbezüglich angehalten, die genaueren Gründe für die Zuerkennung dieses Status an seine Angehörigen durch das BAMF zu ermitteln.
Würde man im Übrigen - hier hypothetisch betrachtet - eine bloße Umlegung des Ergebnisses in deren Verfahren vor dem BAMF ohne näheres Wissen um die Gründe für die Zuerkennung dieses Status, wie dies ja auch im Hinblick auf die Nichtzuerkennung von Asyl geschah, in Betracht ziehen, wäre eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz an den BF auf dieser Grundlage indiziert gewesen.
Was letztlich die tragende Erwägung des BFA, der BF habe weder den Namen des Vereins bzw. der NGO, für die sein Vater tätig gewesen sei, noch jenen der Terrororganisation, von der er bedroht worden sei, nennen können, woraus schon auf die fehlende Glaubhaftmachung des behaupteten Bedrohungsszenarios durch den BF zu schließen gewesen sei, war der belangten Behörde anzulasten, dass sie sich, wiewohl der BF beides nachträglich bekanntgab, nicht einmal dazu veranlasst sah, eine Übersetzung dieser Angaben vornehmen zu lassen, dazu weitere Ermittlungen anzustellen und deren Ergebnisse in ihre Entscheidung einfließen zu lassen.
2.3. Angesichts dessen, dass das BFA den maßgeblichen Sachverhalt in Bezug auf die behauptete Verfolgung seines Vaters sowie im Hinblick auf die Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz an seine Angehörigen bloß ansatzweise bzw. gar nicht ermittelte und auf diese Weise auch zu einer unschlüssigen Entscheidungsgrundlage gelangte, lag in der Folge eine so gravierende Ermittlungslücke hinsichtlich der Subsumtion unter die richtige Rechtsgrundlage vor (vgl. VwGH vom 30.09.2014, Ro 2014/22/0021), dass sich das erkennende Gericht zur Behebung der bekämpften Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erlassung eines neuen Bescheides veranlasst sah.
Eine Verlagerung des im Hinblick auf die erwähnten rechtlichen Konsequenzen erforderlichen Ermittlungsverfahrens vor das BVwG war nicht als im Sinne des Gesetzgebers gelegen zu erachten. Im Übrigen würde eine erstmalige Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und Beurteilung der Rechtsfrage durch das BVwG eine (bewusste) Verkürzung des Instanzenzuges bedeuten (vgl. dazu VwGH v. 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; VwGH v. 10.10.2012, Zl. 2012/18/0104). Dass eine unmittelbare Durchführung dieses Ermittlungsverfahrens durch das BVwG "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, war nicht ersichtlich.
3. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
4. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben waren.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Beweiswürdigung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung SchlüssigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2220333.1.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020