TE Bvwg Beschluss 2019/9/9 L527 2223088-1

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Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L527 2223088-1/4Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.08.2019, Zl. XXXX

A) Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 14.09.2017 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) mit Bescheid vom 04.10.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abwies (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV).

Am 24.06.2019 stellte der Beschwerdeführer den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, am 04.07.2019 und 17.07.2019 Einvernahmen durch die belangte Behörde. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass er seit seiner Kindheit homosexuell sei. Im Erstverfahren habe er das aus Angst nicht angegeben. Im Falle der Rückkehr nach Pakistan sei sein Leben in Gefahr. Er sei von seiner Familie geschlagen und unter Druck gesetzt worden; Dorfbewohner seien hinter ihm her.

Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde nicht zugelassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.06.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Sie erließ gestützt auf § 53 Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI), und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII), sowie dass dem Beschwerdeführer aufgetragen worden sei, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Die Beschwerde langte am 04.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (Hauptsitz) ein und wurde am 05.09.2019 der Gerichtsabteilung L527 zugewiesen. Dort langte die Beschwerde samt Akt am 06.09.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer begründete seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (vom 24.06.2019) mit seiner behaupteten Homosexualität. Er habe Angst, in Pakistan umgebracht zu werden, weil Homosexuelle dort nicht geduldet werden würden. Es würde ihn weder seine Familie noch die Menschen in seinem Dorf akzeptieren. Seine Familie habe ihn brutal geschlagen und unter Druck gesetzt. Ein Onkel habe ihn mit dem Umbringen bedroht. (AS 10, 81 ff des Verwaltungsverfahrensakts zum zweiten Antrag [VA 2]).

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.06.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Sie erließ gestützt auf § 53 Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI), und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII), sowie dass dem Beschwerdeführer aufgetragen worden sei, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII).

Die Zurückweisung begründete die Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag mit Umständen begründet habe, die bereits vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Erstverfahren bestanden haben. Die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers habe sich zwischenzeitlich nicht entscheidungsrelevant geändert. (AS 296 ff VA 2)

Ob sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei homosexuell, für glaubhaft befinde, legte die belangte Behörde im Bescheid nicht (näher) dar.

1.3. Im Beschwerdeschriftsatz macht der Beschwerdeführer nicht zuletzt geltend, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen über seine Homosexualität und der daraus resultierenden Verfolgung in Pakistan überhaupt nicht auseinandergesetzt habe (AS 343 VA 2).

1.4. Das Bundesverwaltungsgericht stellt aufgrund des im angefochtenen Bescheids herangezogenen Länderinformationsblatts der Staatendokumentation für Pakistan, Gesamtaktualisierung am 16.05.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 09.08.2019, fest, dass Homosexualität im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bei Strafe (im äußersten Fall mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe) verboten ist und Homosexuelle leicht Opfer von Erpressungen durch Polizeibehörden werden können (AS 273 ff VA 2). Ebenfalls aufgrund dieses Länderinformationsblatts, das allerdings insofern im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben wird, stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Verhältnisse in den Gefängnissen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sehr schlecht sind. Die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, sind nicht gewahrt. Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Die medizinische Versorgung und Nahrungsversorgung in den Gefängnissen sind vielfach unzureichend.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten/Unterlagen; vgl. die bei den Feststellungen angegebenen Aktenseiten (AS).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1. Gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1) oder eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2), binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

3.3. Haftbedingungen im Herkunftsstaat können aus verschiedenen Gründen eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen, z. B. wegen Misshandlungen, hygienischer Bedingungen, Überbelegung von Zellen und Gefängnissen. Vgl. mwN Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Aysl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA (2017), 193 ff.

3.4. Im Lichte der getroffenen Feststellungen kann ohne eingehendere Prüfung gegenwärtig nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung - und eine solche wurde mit dem angefochtenen Bescheid für zulässig befunden - eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK mit sich bringen würde. Die für eine abschließende Beurteilung gebotene sorgfältige Prüfung kann im konkreten Fall nicht in der in § 17 Abs 1 BFA-VG statuierten Zeit erfolgen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht (näher) dargelegt hat, ob sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei homosexuell, für glaubhaft befinde. Der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.5. Ungeachtet dessen, ob die Voraussetzungen für den Entfall der mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs 7 BFA-VG vorlagen, konnte das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nach Abs 6a leg cit ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; vgl. die oben zitierte Entscheidung. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2223088.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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