TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/10 L519 2129969-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2019
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Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L519 2129969-2/11E

schriftliche ausfertigung des am 8.4.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch RA. Mag. BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 22.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8.4.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 und 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 8.3.2013 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er in Bangladesch Opfer einer Falschanzeige geworden sei. Er sei beschuldigt, einen gewissen XXXX beleidigt und mit einer Waffe bedroht zu haben. Die Polizei habe dem BF nicht geglaubt, da dessen Vater der Opposition angehört und bei dieser auch Funktionär ist. Der Vater und andere Familienmitglieder seien ebenfalls attackiert worden.

Beim BFA gab der BF zusammengefasst an, er sei aktiv bei der BNP als Bezirksabgeordneter bzw. Assistent/Koordinator tätig gewesen. Er sei fälschlich wegen Körperverletzung, Überfall und Morddrohung angezeigt und auch angeklagt worden. Es existiere auch ein Haftbefehl gegen den BF. Der Anzeiger sei bei der AL aktiv und als Verbrecher bekannt. Dass die Familie und die Wohnanlage des BF mehrmals attackiert wurde, sei auf Dauer eine Belastung für die Familie geworden. Am XXXX 2012 seien der Vater des BF und die ganze Familie ebenfalls zu Unrecht angezeigt worden. In der Wohnanlage des BF habe es häufig Polizeikontrollen gegeben und die Behörden hätten nach dem BF gesucht.

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.6.2016 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.3. Der fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des BVwG vom 17.8.2016 stattgegeben, der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA verwiesen, da der maßgebliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt war.

I.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde neuerlich gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Der BF konnte in Bezug auf seine Fluchtgründe keine individuelle und konkrete Bedrohungssituation, der er ausgesetzt gewesen wäre, glaubhaft schildern:

Bei der Erstbefragung erzählte der BF, dass er in Bangladesch Probleme habe. Er sei in seinem Heimatort von XXXX angezeigt worden, dass er mit seinen Freunden diesen beleidigt und mit einer Waffe angegriffen habe. Das sei nicht die Wahrheit, da der BF gar nicht dort gewesen sei. Die Polizei habe ihm aber nicht geglaubt, da sein Vater der Opposition angehört und auch hoher Parteifunktionär gewesen sei. Der Vater des BF und andere Familienmitglieder seien ebenfalls attackiert worden, auf den Vater wäre auch geschossen worden.

Der BF gab bei der Erstbefragung nicht an, Mitglied der BNP gewesen zu sein und dass sein Vater und seine Brüder untergetaucht wären.

Am 9.6.2015 gab der BF an, dass er aufgrund seiner Sicherheit und der Sicherheit seiner Familie das Land verlassen musste. Er habe befürchtet, dass er sein Leben lassen muss, da viele Mitglieder der BNP einfach verhaftet und verschwunden wären. Aufgrund des Vaters des BF und seiner Position in der Politik habe die AL die gesamte Familie bedroht. Der Vater des BF sei im Distrikt Vorsitzender der BNP.

Der BF sei wegen eines Angriffes auf XXXX wegen Körperverletzung, Überfall und Morddrohung angezeigt worden. Dieser Mann sei bei der AL aktiv und im illegalen Alkoholgeschäft aktiv, was der Vater des BF stoppen wollte. XXXX sei mehrmals an Attacken von AL-Leuten auf den Wohnort des BF beteiligt gewesen. Bei der Erstbefragung hatte der BF noch angegeben, dass ihm vorgeworfen worden sei, XXXX beleidigt und mit einer Waffe bedroht zu haben.

Der BF gab an, aktiv bei der BNP tätig gewesen zu sein. Von 2010 bis 2012 sei er Bezirksabgeordneter gewesen, von 2011 bis zur Ausreise sei er auch Assistent/Koordinator gewesen. Der Vater des BF bzw. die gesamte Familie sei am XXXX 2012 fälschlicherweise vom damaligen Bezirkshauptmann angezeigt worden. Da der BF in dieser Anzeige nicht aufschien, sei er noch extra angezeigt worden.

Von XXXX sei der BF telefonisch bedroht worden. Dieser habe ihm gedroht, ihn und seine Familie umzubringen, wenn er das Land nicht verlässt. In der Wohnanlage des BF habe es häufig Polizeikontrollen gegeben und die Behörden hätten nach dem BF gesucht. Die Polizei würde den BF bei seiner Mutter und seiner Ehefrau suchen. Weiter führte der BF an, dass er aufgrund der Anzeige nicht einmal einen Anwalt kontaktieren könne, um seine Unschuld zu beweisen. Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar, denn jetzt hat der BF angeblich einen Anwalt, sogar einen Familienanwalt. Am Ende der Einvernahme gab der BF noch an, dass sein Cousin auch Probleme in Bangladesch gehabt habe und es sei ein Wunder, dass er noch lebt. Hier sei anzumerken, dass der BF am Ende der Erstbefragung angab, ein entferntes Familienmitglied sei verschwunden. Er erzählte jedoch nichts von einem Cousin, der mehr ist als ein entfernter Verwandter ist.

Laut Bericht des Vertrauensanwaltes vom 2.5.2016 können die vorgelegten Dokumente als echt qualifiziert werden. Es ist aber aktuell kein Verfahren gegen den BF anhängig. Laut Bericht des Vertrauensanwaltes konnte aber nicht festgestellt werden, dass der BF von der Polizei gesucht wird. Der Fall XXXX 2013 wurde weitergeleitet und ist unter der Nr. XXXX eingestellt.

Der Cousin des BF wurde festgenommen, ist allerdings gegen Kaution wieder freigelassen worden. Der vom BF vorgelegte Zeitungsartikel handelt von seinem Cousin. Der Vater des BF ist BNP-Mitglied und seit vielen Jahren Vorsitzender der XXXX . Dem Bericht zufolge war der BF ebenfalls Angehöriger der BNP und an vielen Aktivitäten im Dorf beteiligt. Aufgrund der Stellung seines Vaters hat es aber niemand gewagt, sich gegen den BF zu stellen. Inwieweit der BF für die BNP aktiv war, konnte nicht eindeutig festgestellt werden. Es ist nicht bekannt, dass der Vater des BF jemals im Ausland war.

Bei Hr. XXXX handelt es sich entgegen den Angaben des BF nur um einen Unterstützer der AL, der eine Beschwerde gegen den BF erhoben hat, da dieser in kriminelle Aktivitäten verwickelt war. Der BF hat zwar Cocktail Bombs gegen dessen Haus geworfen. Laut Bericht des Vertrauensanwaltes konnte aber nicht festgestellt werden, dass der BF von der Polizei gesucht wird. Der Fall XXXX 2013 wurde weitergeleitet und ist unter der Nr. XXXX fortgeführt worden, am XXXX 2014 wurde das Verfahren eingestellt.

Der BF legte Dokumente bzgl. seiner Familie vor. Der FIR bezieht sich auf seinen Cousin, der gegen Kaution freigelassen wurde, ebenso die Zeitungsberichte. Manche lokalen Bewohner gaben an, dass der BF Mitglied der BNP wäre, andere nicht. Auf jeden Fall kann der BF in keiner gehobenen oder sehr bedeutenden Position gewesen sein, sonst würden ihn im Dorf sicherlich alle kennen.

Am 7.6.2016 wurde der BF mit der Anfragebeantwortung konfrontiert. Er stritt ab, dass kein Verfahren mehr gegen ihn läuft und legte ein Schreiben vor, in dem steht, dass gegen den BF ein Verfahren anhängig ist und ein Haftbefehl erlassen worden wäre. Dieses Dokument habe der BF von seinem Rechtsanwalt bekommen. Weiter gab er an, dass die Einstellung eines Verfahrens noch lange nicht bedeutet, dass er nicht verfolgt würde. Bei einer Rückkehr könne man ihm 10 solcher Verfahren anhängen. Der BF stritt auch ab, in Bangladesch strafbare Handlungen begangen zu haben oder Cocktail Bombs auf Hr. XXXX geworfen zu haben. Weiter gab er an, dass er Mitglied der BNP sei und die ganze Ortschaft das wisse.

Dass der BF nach der Antwort der Staatendiokumentation ein neues Schreiben vorlegte, ist etwas ein zeitlicher Zufall. Plötzlich hat der BF nun auch einen Anwalt, der ihm dieses Dokument sofort besorgte.

Am 18.4.2018 wurde der BF neuerlich einvernommen. Er gab an, dass die Schleppung ca. 10.000,- Euro gekostet habe, während es bei der Erstbefragung noch ca. 6.000,- Euro waren, was eine große Differenz darstelle.

Weiter gab der BF an, mit einem gefälschten Pass von Kalkutta nach Kiew geflogen zu sein. Er habe sich in Indien nicht sicher gefühlt, die AL habe sehr viele Anhänger in Indien. Er sei aus reinem Zufall nach Österreich gekommen, der Schlepper habe das entschieden.

Gegen den Cousin des BF und seinen Vater sowie gegen 2 Onkel und 3 Cousins seien Anzeigen erstattet worden. Dem BF wäre vorgeworfen worden, er habe XXXX geschlagen. Das stimme nicht, in Wahrheit sei ein Cousin des BF geschlagen worden. Dazu sei anzuführen, dass der BF seine Onkel und die anderen Cousins bei den bisherigen Befragungen mit keinem Wort erwähnte, obwohl dieser Vorfall am 7.7.2012 geschehen sei. Am 18.1.2013 habe XXXX behauptet, dass der BF und sein Freund XXXX ihn geschlagen, mit einer Waffe bedroht und ausgeraubt hätten. Dies stimme aber nicht. Bei der Erstbefragung gab der BF noch an, dass er mit Freunden XXXX bedroht haben soll.

Sehr merkwürdig ist, dass der BF seit 2013 keinen Kontakt mehr zu seinem angeblichen Freund haben will. Dies zeigt die Unglaubwürdigkeit des BF, da der Freund das gleiche Problem wie der BF hat und sehr wohl davon ausgegangen werden kann, dass der BF mit ihm in Kontakt bleiben würde, sich mit ihm austauscht und auch wissen will, wie es ihm geht und wo er sich aufhält.

Am 28.1.2013 habe XXXX Anzeige erstattet. Die Mutter des BF habe diesen am selben Tag angerufen und ihm mitgeteilt, dass ihn die Polizei sucht. Der Familienanwalt habe der Mutter des BF gesagt, dass eine Anzeige gegen den BF vorliegt. Bei der Einvernahme im Jahr 2015 hat der BF noch gesagt, dass er keinen Anwalt hat.

Der BF habe sich versteckt, dann seine Mutter angerufen und diese habe dann seinen Vater angerufen. Der Vater des BF müßte zu diesem Zeitpunkt aber bereits untergetaucht sein. Angeblich verstecken sich auch die beiden Onkel und 3 Cousins. Der BF wisse aber nicht, wo.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Familie des BF Probleme hat, weil alle BNP-Mitglieder sind, aber nur die Männer. Die Frauen führen hingegen einen geregelten Alltag. Die Ehefrau des BF konnte ein Studium abschließen. Die Unglaubwürdigkeit des BF zeige sich auch darin, dass auch der Familienanwalt angeblich nicht weiß, wo die männlichen Familienmitglieder sind.

Der Vater des BF hat 2013 Probleme bekommen und sei dann untergetaucht. Es sei verwunderlich, dass der Vater des BF nicht schon wesentlich früher Probleme bekommen hat, wenn er eine so wichtige Position hatte und eine Gefahr für die AL war. Die AL war von 1996 bis 2001 an der Macht und ist es seit 2008 wieder. Der Vater des BF sei seit über 20 Jahren ein bedeutendes Mitglied der BNP und er sei auch bereits 2012 angezeigt worden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Vater des BF dessen Ausreise plante, denn dieser müsste eigentlich bereits untergetaucht sein. Laut Bericht des Vertrauensanwaltes lebt der Vater des BF und ist Bürgermeister von XXXX . Dies steht in Widerspruch dazu, dass der Vater des BF untergetaucht sei.

Weiter gab der BF an, dass sich seine Brüder seit 2012 verstecken müssten.

Mit seiner Ehefrau steht der BF jeden Tag in Kontakt. Dabei sei sehr merkwürdig, dass der BF scheinbar keine Angst vor einer Abhörung dieser Gespräche hat, die den bengalischen Behörden sicher leicht möglich wäre. Die Polizei geht nicht zur Ehefrau des BF, die derzeit wieder bei ihren Eltern wohnt. Würde der BF tatsächlich von den Behörden gesucht, würden diese wohl alles unternehmen, um den BF zu finden und dabei die ganze Familie kontrollieren. Angeblich dürfte die Polizei nicht wissen, wo sich die Ehefrau des BF aufhält. Diese möchte auch weiterstudieren und habe vor 6 Monaten ihr Management-Studium abgeschlossen. Derzeit sei sie auf Arbeitssuche. Die Polizei würde die Ehefrau des BF wohl ohne Probleme finden, zumal die AL in Bangladesch sehr gut vernetzt ist.

Die Mutter des BF weiss anscheinend nicht, wo sich ihr Mann und die Brüder des BF befinden. Dies sei nicht glaubhaft, weil der Vater des BF tatsächlich mit seiner Frau telefoniert. Die Mutter würde den Aufenthaltsort des Vaters dabei erfahren und wohl auch wissen wollen. Der BF habe seinen Vater angeblich im Mai 2012 das letzte Mal gesehen. In Anbetracht dessen sei noch weniger nachvollziehbar, dass der Vater des BF dessen Reise nach Österreich organisiert haben soll.

Am 18.4.2018 gab der BF an, dass er von 2011 bis 2013 Mitglied der BNP gewesen wäre. Das steht im Widerspruch zum vorgelegten Bestätigungsschreiben, wonach der BF von Dezember 2009 bis Dezember 2012 stellvertretender Vorsitzender bei der Bangladesch Jatiyotabadi Chattro Dal in XXXX im Zweig des Upazilas gewesen wäre. Am 9.6.2015 gab der BF an, dass er von 2010 bis 2012 Bezirksabgeordneter gewesen wäre, von 2011 bis zur Ausreise sei er in der Gemeinde XXXX Assistent/Koorddinator gewesen. Vorher erwähnte der BF auch noch, dass er 2010 nach XXXX gereist sei, weil es in XXXX nicht mehr sicher gewesen sei. Es sei unglaubwürdig, dass der BF dann in XXXX noch eine politische Funktion ausübte. Er machte zur Mitgliedschaft bei der BNP widersprüchliche Angaben.

Auch über die BNP konnte der BF keine genauen Angaben machen, vielmehr tätigte er nur allgemeine und oberflächliche Aussagen. Er konnte nicht ausführlich angeben, weshalb er überhaupt Mitglied dieser Partei wurde. Der BF legte auch eine Mitgliedsbestätigung der BNP XXXX vor, in der steht, dass er seit 2013 Mitglied in diesem Verein sei. Bei den bisherigen Befragungen hat der BF aber nie angegeben, dass er Mitglied der BNP ist. Am 8.6.2015 hatte er noch angegeben, in keinem Verein Mitglied zu sein.

2012 habe XXXX den BF persönlich bedroht und beschimpft. Ein genaues Datum konnte der BF nicht angeben. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung können sich Personen, denen so etwas passiert ist, an solche Dinde aber sehr gut erinnern.

Nicht verständlich sei auch, dass sich der BF nie an staatliche Stellen gewendet hat. Eigentlich gibt es einen Familienanwalt und hatte der BF bei der Erstbefragung auch noch angegeben, dass er sich an die Polizei gewendet habe, diese habe ihm aber nicht geglaubt. Am 9.6.2015 erzählte der BF hingegen, dass er von XXXX telefonisch bedroht worden sei. Dieser habe gesagt, dass er den BF und seine Familie umbringt, falls der BF das Land nicht verlässt. Hier sei wiederum darauf zu verweisen, dass Mutter, Ehefrau und Schwestern des BF in Bangladesch leben. Am 18.4.2018 erzählte der BF nicht mehr, dass er mit dem Tod bedroht worden sei. Wäre er tatsächlich mit dem Tod bedroht worden, hätte das der BF wohl bei der neuerlichen Einvernahme auch angegeben. Es ist etwas Anderes, ob man nur bedroht oder mit dem Tod bedroht wird.

Laut Angaben des BF sei XXXX ein lokaler Anführer. Dies steht in Widerspruch zur Anfragebeantwortung, wonach er ein Unterstützer, aber kein Mitglied der AL ist.

Müsste der BF in Bangladesch tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm angeführten Gründen befürchten, hätte er wohl auch bereits bei seinem Aufenthalt in einem der asiatischen Länder oder vor allem in einem der EU angehörenden Durchreiseland einen Asylantrag gestellt. Da der BF dies unterlassen hat, könne ebenfalls geschlossen werden, dass er andere Motive als das der Schutzsuche hatte.

I.4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.5. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei und Verfahrensvorschriften verletzt worden wären. Das BFA habe den Anforderungen des BVwG laut Beschluss vom 17.8.2016 nicht einmal annähernd entsprochen. Es sei nicht ersichtlich, welche der vom BVwG aufgetragenen Ermittlungstätigkeiten vom BFA vorgenommen wurden. Die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt bzw. sich auf die unzureichenden Ermittlungsergebnisse gestützt.

Der Bescheid sei in sich widersprüchlich und aktenwidrig. So sei nicht zutreffend, dass die Identität des BF mangels geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden konnte, obwohl andererseits festgestellt wurde, dass der BF selbst Dokumente vorgelegt hat, unter anderem seine ID-Card und einen Auszug aus dem Geburtenregister. Diese Dokumente wurden auch als echt qualifiziert.

Völlig widersprüchlich sei das Gutachten zur politischen Tätigkeit des BF: So wird einerseits ausgeführt, dass nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob der BF tatsächlich BNP-Mitglied war oder ist. Andererseits wird angegeben, dass der BF laut Recherchen in dessen Heimatort BNP-Angehöriger war und an vielen Aktivitäten im Dorf beteiligt war; ob er tatsächlich politisch tätig war, hätten die befragten Einheimischen nicht beantworten können. Auch die Ausführungen des BFA zur tatsächlichen politischen Tätigkeit seien widersprüchlich.

Fest stehe, dass es ein Strafverfahren gegen den BF gibt. Soweit sich die belangte Behörde auf dessen Einstellung beruft, würde das Verfahren bei einer Rückkehr des BF nach Bangladesch wiederaufgenommen. In diesem Zusammenhang werde auf das korrupte Justizsystem verwiesen. Richter seien nicht als unabhängig zu betrachten, auch die Polizei sei von der Regierungspartei abhängig. Außerdem seien die Haftbedingungen unmenschlich.

Der BF habe dezidiert dargelegt, dass auch sein Vater sowie sein Cousin vom politischen Gegner verfolgt und angezeigt wurden. Der Cousin habe mittlerweile ebenfalls aus Bangladesch flüchten müssen. Die Ausführungen des BFA, dass die Mutter und die Gattin des BF unbehelligt in Bangladesch leben könnten, sei reine Mutmaßung.

Der BF habe sehr wohl detaillierte und übereinstimmende Angaben gemacht, konkrete Widersprüche habe die belangte Behörde nicht aufgezeigt. In der Begründung habe sich das BFA auf die angeblichen Widersprüche gestützt, das Rechercheergebnis sei weitgehend unberücksichtigt geblieben. Überdies seien nicht alle vorgelegten Unterlagen einer Beweiswürdigung unterzogen worden, insbesondere der Haftbefehl.

Die rechtstaatlichen Garantien an einen fairen Prozess seien in Bangladesch nicht gegeben. Aufgrund des Haftbefehls würde der BF bei einer Rückkehr sofort inhaftiert. Der Ausgang des Strafverfahrens sei mehr als ungewiss, da die Gerichte unter politischem Einfluss stehen.

Nicht richtig sei auch, dass der BF keine sozialen Kontakte in Österreich hat. Vielmehr habe er sehr wohl soziale Kontakte, besuche einen Deutschkurs. Er habe auch eine Einstellungszusage und sei Mitglied beim RK. Er sei auch bei der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft.

I.6. Für den 8.4.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, an der der BF mit seinem Rechtsvertreter teilnahm.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Staatsangehörigen von Bangladesch, welcher zur Volksgruppe der Bengalen gehört und sich zum sunnitischen Islam bekennt. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein verheirateter, gesunder, junger, arbeitsfähiger Mann mit einer in Bangladesch- wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF stammt aus XXXX und hat dort 10 Jahre die Grundschule und 2 Jahre das College besucht. Er hat in Bangladesch fallweise im Obstgeschäft seines Vaters in XXXX gearbeitet. Die letzten beiden Jahre vor der Ausreise hat der BF in einem Haus in XXXX , das seiner Familie gehört, gelebt. Die Familie des BF lebt von den Einkünften, die aus der Vermietung dieses Hauses erzielt werden.

In Bangladesch leben nach wie vor zumindest die Mutter, die Ehefrau und 2 Schwestern des BF.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten und bezieht nachwievor Grundversorgung. Der BF hat laut eigener Angabe die A2-Prüfung abgelegt, ein Sprachdiplom konnte er allerdings nicht vorlegen. Der BF ist in Österreich Mitglied bei der Bangladesh Austria Association und beim Roten Kreuz. Weiter ist er Sympathisant der österreichischen BNP. Der BF hat einen Arbeitsvorvertrag vom 13.3.2017 mit der Fa. XXXX . A Anträge des BF auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wurden vom AMS mit Bescheiden vom 26.7.2013 und vom 12.8.2013 abgelehnt.

Der BF hat keine familiären oder relevanten privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Identität des BF steht fest.

Er reiste unrechtmäßig in die Europäische Union und in weiterer Folge in das österreichische Bundesgebiet ein.

Der BF hält sich lediglich aufgrund der Bestimmungen des Asylgesetzes vorübergehend legal in Österreich auf und besteht kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Bangladesch

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch werden folgende Feststellungen getroffen:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

Politische Lage

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People' s Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die "junge Generation" übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt. (HRW 13.12.2018). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

2014 trat die BNP aus Protest gegen Verfahrensfehler bei der Organisation der Wahlen nicht zur Wahl an und forderte die Bevölkerung, ihre eigenen Parteimitglieder und Wähler zu einem Generalstreik (Hartal) auf. Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 12.2018).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL in 176 Bezirken als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016). Die kommenden Kommunalwahlen werden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 stattfinden (bdnews24 3.2.2019). Am ersten Wahltermin wurden in den 78 Upazilas eine geringe Wahlbeteiligung beobachtet. Die Wahl wird von der BNP und einigen anderen Parteien boykottiert (DS 10.3.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019

* bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019

* BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019

* BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019

* DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019

* DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

* DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019

* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019

* Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019

* Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 7.3.2019

* NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019

* ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

* RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

* WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019

Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League und die Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z. B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden Hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong, hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21. Februar 2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität hat ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

* AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

* BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* UKHO - UK Home Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 20.4.2018).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.10.2017). Misstrauen gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitsdiensten hält viele Bürger davon ab, Unterstützung zu suchen oder Verbrechen anzuzeigen. Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 20.4.2018). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 12.2018).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 12.2018).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig "verschwinden". Bei den Opfern handelte es sich zumeist um Anhänger der Opposition. Folter und andere Misshandlungen waren noch immer weit verbreitet, die Behörden gingen entsprechenden Anzeigen jedoch nur selten nach (AI 23.5.2018; siehe auch Abschnitt 6.). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 27.10.2017).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 12.2018):

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt 14 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 12.2018; vgl. RAB o.D.). Ihnen werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z. B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.10.2017). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 12.2018). Trotz Vorwürfen von Verstößen, einschließlich einer Audioaufzeichnung einer außergerichtlichen Hinrichtung durch Mitglieder des RAB, haben die Behörden es versäumt, die Verantwortlichen auszuforschen und zu verfolgen (HRW 17.1.2019).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 12.2018).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 12.2018).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 12.2018).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.10.2017).

Die Zivilbehörden haben eine effektive Kontrolle über das Militär und die Regierung verfügt über die notwendigen Mechanismen, um Missbrauch und Korruption zu ahnden. Allerdings macht sie hiervon immer weniger Gebrauch. Faktisch hat der Sicherheitsapparat ein Eigenleben entwickelt, das kaum mehr von der Regierung kontrolliert wird (AA 27.10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 7.3.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* RAB - Rapid Action Battalion Bangladesh (o.D.): Contact Us, http://www.rab.gov.bd/english/contact-us/, Zugriff 11..2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste (USDOS 20.4.2018). Im Fokus der Kritik bezüglich Folter wie auch extralegaler Tötungen stehen dabei insbesondere die Angehörigen der Rapid Action Battalions (RAB) (ÖB 12.2018). Die Behörden gehen entsprechenden Anzeigen nur selten nach. Das Gesetz zur Verhinderung von Folter und Tod in Gewahrsam (Torture and Custodial Death Prevention Act) aus dem Jahr 2013 wird aufgrund mangelndem politischen Willen und Unkenntnis der Strafvollzugsbehörden unzureichend umgesetzt (AI 23.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Missbrauch durch Sicherheitsbeamte bleibt weitgehend straflos (USDOS 20.4.2018).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Sicherheitsbehörden wenden Bedrohungen, Schläge, Kneecapping [Anm.: Schüsse ins Bein oder Knie] und Elektroschocks sowie manchmal Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe an, um Informationen von mutmaßlichen Aufständischen und Oppositionellen zu erlangen (USDOS 20.4.2018). Zahlreiche Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung erscheinen politisch motiviert und manchmal werden Familienmitglieder von politischen Gegnern zu Opfern (HRW 17.1.2019). Doch auch vulnerable Gruppen und normale Bürger sind von Folter betroffen (OMCT 26.6.2018).

Gemäß der bangladeschischen NGO Odhikar starben im Jahr 2017 13 Personen an den Folgen von Folter; weiters werden für 2017 155 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 86 Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen berichtet (Odhikar 12.1.2018).

Trotz internationaler Verpflichtungen hat Bangladesch bisher keine Schritte zur Etablierung eines effektiven Opfer- und Zeugenschutzes getätigt und auch keine Prozeduren eingeleitet, die es Opfern ermöglicht ihr Beschwerderecht ohne Angst vor Vergeltung wahrzunehmen. Folteropfer und deren Familien werden nach Anzeigen gegen Sicherheitsbeamte häufig bedroht und in vielen Fällen wird ihnen Geld angeboten, damit sie die Beschwerde zurückziehen. In den wenigen Fällen, die vor Gericht gelangen, sind die Opfer mit einem dysfunktionalen und parteiischem Justizsystem konfrontiert (OMCT 26.6.2018). In Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 27.10.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019

* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

* Odhikar (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019

* OMCT - World Organisation Against Torture (26.6.2018): Bangladesh: Torture prevails due to deeply rooted culture of impunity, http://www.omct.org/statements/bangladesh/2018/06/d24943/, Zugriff 6.3.2019

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019

Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.10.2017; vgl. LIFOS 25.2.2019). Der Vorsitzende der Antikorruptionsbehörde, Iqbal Mahmood, wird mit den Worten zitiert, die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass er ratlos sei, wie er sie reduzieren könne (AA 27.10.2017). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2018 den 149. Platz unter 180 untersuchten Staaten, das ist eine Verschlechterung von sechs Plätzen im Vergleich zum Jahr 2017 (143/180) (TI 29.1.2019).

Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 12.2018).

Laut Transparency International haben im Jahr 2015 47 % der befragten Haushalte und 49 % der befragten Unternehmen Bestechungsgeld gezahlt (TI 30.5.2016). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf (AA 27.10.2017).

Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB 12.2018). Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Beamte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 27.10.2017). Im Gegenzug wird der Regierung vorgeworfen, die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung zu nutzen (USDOS 20.4.2018), beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 1.2018).

Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weitverbreiteten Polizeikorruption (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019

* LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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