TE Bvwg Beschluss 2019/9/27 L527 2211669-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2019
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Entscheidungsdatum

27.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L527 2211669-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2018, Zl. XXXX :

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Ausreise aus dem Iran und illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 23.04.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, er sei mit seiner Religion nicht zufrieden gewesen. Er habe sich seine Religion im Iran nicht selbst aussuchen können. Zweimal sei er mit einem Freund in die Kirche gegangen. Danach haben ihn Muslime mit dem Umbringen bedroht.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) am 22.10.2018 brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor: Während seines Wehrdienstes habe er einen armenischen Christen kennengelernt, durch den er mit dem Christentum in Berührung gekommen sei. Mit ihm habe der Beschwerdeführer auch zweimal eine Hauskirche besucht. An einem Tag, an dem er dienstfrei gehabt habe, habe ein weiterer Kamerad, der auf derselben Dienststelle gearbeitet habe, den Beschwerdeführer angerufen. Der Kamerad habe den Befehl erhalten, den armenischen Christen zum Zweck der Vorführung vor die Sitten- und Religionsbehörde festzunehmen. Der armenische Christ habe dem Kameraden gesagt, dieser solle den Beschwerdeführer warnen; dessen Leben sei in Gefahr. Daraufhin sei der Beschwerdeführer geflohen. In Österreich habe er sich der evangelischen Kirche angeschlossen. Wegen seiner Konversion zum Christentum sei sein Leben ihn Gefahr. Er sei Soldat gewesen und habe das Land verlassen. Deshalb werde man versuchen, ihm ein politisches Motiv unterzujubeln und ihn zu töten. Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme überdies an, er habe in Österreich eine Freundin.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI). Die vom Beschwerdeführer vorgegebene Konversion sei eine Scheinkonversion.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Kopf der Entscheidung angegebenen Namen und wurde am dort angegebenen Tag geboren; seine Identität steht nicht fest. Er ist iranischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. (AS 210, 256) Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte er hier am 23.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 5).

1.2.

1.2.1 Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, er sei mit seiner Religion nicht zufrieden gewesen. Er habe sich seine Religion im Iran nicht selbst aussuchen können. Zweimal sei er mit einem Freund in die Kirche gegangen. Danach haben ihn Muslime mit dem Umbringen bedroht. (AS 13).

In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.10.2018 brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor: Während seines Wehrdienstes habe er einen armenischen Christen kennengelernt, durch den er mit dem Christentum in Berührung gekommen sei. Mit ihm habe der Beschwerdeführer auch zweimal eine Hauskirche besucht. An einem Tag, an dem er dienstfrei gehabt habe, habe ein weiterer Kamerad, der auf derselben Dienststelle gearbeitet habe, den Beschwerdeführer angerufen. Der Kamerad habe den Befehl erhalten, den armenischen Christen zum Zweck der Vorführung vor die Sitten- und Religionsbehörde festzunehmen. Der armenische Christ habe dem Kameraden gesagt, dieser solle den Beschwerdeführer warnen; dessen Leben sei in Gefahr. Daraufhin sei der Beschwerdeführer geflohen. (AS 111 ff) In Österreich habe er sich der evangelischen Kirche angeschlossen (z. B. AS 118). Wegen seiner Konversion zum Christentum sei sein Leben ihn Gefahr (AS 123). Er sei Soldat gewesen und habe das Land verlassen. Deshalb werde man versuchen, ihm ein politisches Motiv unterzujubeln und ihn zu töten (AS 123).

Der Beschwerdeführer legte im behördlichen Verfahren einen auf seinen Namen ausgestellten Taufschein vor, wonach er am XXXX .2017 evangelisch A.B. getauft wurde. Als Durchführende der Taufe scheint XXXX auf. (AS 67) Der Beschwerdeführer legte ferner bereits der Behörde ein von XXXX verfasstes Schreiben vom 13.07.2018 vor (von der Verfasserin als "seelsorgerliche Stellungnahme" bezeichnet). In diesem Schreiben äußert sich die Verfasserin zur "Begründung und Befürwortung des Taufbegehrens", zum Taufkurs und zur "weitere[n] Integration in das Gemeindeleben". (AS 61 ff) In der Einvernahme am 22.10.2018 sagte der Beschwerdeführer ausdrücklich, dass ihn XXXX getauft habe (AS 119).

1.2.2. Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid fest, ihm Rahmen des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Konversion habe kein ernsthafter innerer Willensentschluss vermittelt werden können, dass er sich vom Islam abgewandt und dem Christentum zugewandt habe. Ein Glaubenswechsel könne insofern nicht festgestellt werden; es müsse von einer Scheinkonversion ausgegangen werden. (AS 210)

Die belangte Behörde vernahm XXXX nicht als Zeugin ein. Dass eine Zeugeneinvernahme aus nicht von der Behörde zu vertretenden Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht zu erkennen.

Im angefochtenen Bescheid führt die Behörde zum Schreiben von XXXX vom 13.07.2018 aus, dass "alleine von der Betitelung her davon auszugehen [sei], dass Vortragsreihen wie ?die Geschichte Israels', ?Aufbau der Bibel' oder ?Christussymbole' eher ein wissensvermittelnder Charakter innewohnt und diese nicht glaubensinhaltlich bzw. theologisch ausgerichtet waren." Die Behörde räumt freilich ein, den Inhalt der einzelnen Vorträge nicht zu kennen. Sie legt nicht dar, inwiefern, anhand welcher Kriterien und mit welchen Konsequenzen im Hinblick auf die Beurteilung einer behaupteten Konversion "wissensvermittelnde" von "glaubensinhaltlich bzw. theologisch ausgerichteten" Kurseinheiten zu differenzieren wären. Die Behörde geht in ihren Ausführungen lediglich auf drei von sieben im Schreiben näher bezeichneten inhaltlichen Schwerpunkten der Kurseinheiten (AS 63) ein (AS 263). Die Behörde äußert im angefochtenen Bescheid ihre Verwunderung darüber, dass zum formalen Taufkurs auch der reguläre Besuch der Gottesdienste bzw. die Teilnahme an Veranstaltungen gezählt werde. Nach Ansicht der Behörde sei die Taufvorbereitung entgegen der Darstellung in besagtem Schreiben nicht an ein von der österreichischen Bischofskonferenz veröffentlichtes Regelwerk angelehnt, weil sich die Vorbereitung über acht Monate und nicht etwa ein Jahr erstreckt habe, nur 15 Stunden gedauert habe und keine hinreichende Dokumentation des Katechumenats in Vorlage gebracht worden sei, obwohl die taufdurchführende Kirche dazu angehalten sei (AS 263). Tatsächlich ist im betreffenden Schreiben davon die Rede, dass die evangelische Kirche "ähnlich" (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht) wie die katholische Kirche festgelegt habe, dass sich ein Taufkurs "etwa" (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht) über ein Jahr erstrecken solle. Im konkreten evangelischen Pfarramt habe man sich entschieden, den Taufkurs analog zum Konfirmationskurs zwischen Oktober und Mai anzubieten (AS 63). Ausweislich des Schreibens war die erste Kurseinheit am 05.07.2016, die letzte vor der Taufe des Beschwerdeführers am 11.05.2017 und nach der Taufe schließlich die allerletzte Einheit am 08.06.2017 (AS 63). Mit den Ausführungen im Schreiben vom 13.07.2018, wonach die Beweggründe des Beschwerdeführers erhoben worden seien, setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auseinander.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Apostasie, Konversion, Proselytismus (AS 238 ff) wird die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion im Iran als Abtrünnigkeit vom Islam gewertet (Apostasie), ist verboten und mit langen Haftstrafe und Todesstrafe bedroht. Dennoch nehmen die Konversionen zum sunnitischen Islam und zum Christentum zu. Zumeist werden Konvertierte allerdings nicht wegen Apostasie bestraft, sondern wegen anderer Delikte, z. B. "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit".

Konkret werden christliche Konvertiten normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass gegen christliche Konvertiten hohe Haftstrafen auch tatsächlich verhängt werden.

Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten folgen (z. B. Missionierung oder Unterricht im Glauben), kann das zu einem Problem führen.

Ebenso wenig kann in jedem Fall ausgeschlossen werden, dass ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Welche Konsequenzen Iraner, die im Ausland zum Christentum konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, erwarten, hängt vom konkreten Einzelfall ab (insbesondere von der religiösen und konservativen Einstellung des Umfelds). Die Rückkehr in den Iran ist kein Problem, wenn die betreffende Person den Behörden nicht bereits bekannt war. Außerdem werden konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die Behörden nicht von Interesse sein; bei Konvertiten, die bereits vor ihrer Ausreise den Behörden bekannt waren, ist das anders zu beurteilen. Im Übrigen hängt es auch vom Verhalten des konvertierten Rückkehrers ab, ob die Behörden auf ihn aufmerksam werden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die betreffende Person über ihre Konversion sehr freimütig in den sozialen Medien berichtet. Dann kann es bei der Rückkehr zu Verhaftungen und Befragungen kommen. Die weiteren Konsequenzen hängen wiederum vom Einzelfall ab, namentlich davon, was der Rückkehrer den Behörden erzählt. Harsche Strafen sind zumindest bei missionarischen Tätigkeiten oder anderen Aktivitäten, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, nicht ausgeschlossen. Ansonsten kann eine Veröffentlichung der Konversion in den sozialen Medien die Beobachtung durch die Behörden zur Konsequenz haben, zu einer Verfolgung führt sie jedoch nicht. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um z. B. Nachteile des Islams mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.

Strenger als (bloße) Konversion werden missionarische Tätigkeiten unter Muslimen geahndet; oftmals erfolgt eine Anklage wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen".

Hauskirchen sind im Iran zwar verboten und werden teils überwacht, ihre Anzahl steigt aber. Erlangen Behörden Kenntnis von einer Hauskirche (z. B. durch Nachbarn), wird eine Überwachung veranlasst. Eine dauerhafte flächendeckende Überwachung ist nicht möglich, die Behörden haben jedoch eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. Ein sofortiges Eingreifen ist unwahrscheinlich, weil die Behörden (zunächst) nähere Informationen gewinnen wollen (über die Mitglieder und deren Aktivitäten). Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Im Fokus der Behörden stehen vor allem die Organisatoren von Hauskirchen; ihnen droht, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Sie werden mit dem Ziel festgenommen, die Gemeinschaft zu schwächen. Aber auch einfache Mitglieder von Hauskirchen werden bisweilen verfolgt. Dabei spielt eine Rolle, welchen Aktivitäten das Mitglied nachgeht und ob es im Ausland bekannt ist. Üblicherweise werden Mitglieder bei ihrer ersten Festnahme nach ca. 24 Stunden wieder freigelassen, mitunter unter der Bedingung, sich vom Missionieren fernzuhalten. Leisten sie der Bedingung Folge, hören die Behörden meist auf, Informationen über die betreffenden Personen zu sammeln. Ansonsten riskieren die Mitglieder von Hauskirchen, von den Behörden zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden. Das Ziel ist, die Personen zu schikanieren und einzuschüchtern. In den letzten Jahren gab es jedenfalls mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet.

Die dargestellte Lage betrifft ausnahmslos den gesamten Iran. Regionale oder lokale Ausnahmen, z. B. dergestalt, dass in bestimmten Gebieten des Irans die Konversion vom Islam zum Christentum erlaubt wäre, sind den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

1.2.3. Dass der Beschwerdeführer im Iran desertiert sei, stellt die Behörde im angefochtenen Bescheid fest. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass ihm deshalb eine unverhältnismäßige Bestrafung drohe. (AS 210) Dazu und zum Vorbringen des Beschwerdeführers, man werde versuchen, ihm ein politisches Motiv unterzujubeln und ihn deshalb zu töten, weil er als Soldat das Land verlassen habe (AS 123), führt die Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - in der Beweiswürdigung aus (AS 266): Dass er wegen des Abbruchs des Wehrdienstes getötet werden würde, sei vollkommen überzogen und deshalb nicht glaubhaft. Aus den Feststellungen ergebe sich kein Hinweis auf unverhältnismäßige Strafen für Wehrdienstverweigerer oder Wehrdienstentzieher. Das Strafmaß hänge von näher bezeichneten Umständen der Desertion ab. Die Strafe, die der Beschwerdeführer zu erwarten habe, sei eher am unteren Ende des Ermessensspielraums anzusetzen. Da das österreichische MilStG einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitseinzug für ähnlich gelagerte Fälle vorsehe, könne im Lichte der zugrundeliegenden Länderinformationen jedenfalls nicht von einer unmenschlichen Bestrafung ausgegangen werden.

Den im Bescheid enthaltenen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass Desertion - abhängig von den konkreten Umständen - im Iran mit vielfältigen Sanktionen bedroht ist. Desertion ist strafbar; bei einer Wehrdienstverweigerung von einem Jahr in Friedenszeiten oder zwei Monaten in Kriegszeiten droht ein Strafverfahren vor einem Militärgericht. Mit welchen Strafen die Wehrdienstverweigerung konkret bedroht ist, lässt sich den Länderinformationen nicht entnehmen. Für Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich außerdem der Wehrdienst. Wehrdienstverweigerer haben zudem mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte zu rechnen. (AS 227 f).

Nach den allgemeinen, nicht spezifisch auf Desertion bezogenen Ausführungen zum Rechtsschutz und Justizwesen im Iran sind Körperstrafen sowie die Todesstrafe in der iranischen Strafrechtspraxis nach wie vor auf der Tagesordnung (AS 217). Folter ist zwar offiziell verboten, Verhörmethoden und Haftbedingungen im Iran schließen in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung aber nicht aus. Außerdem verhängen und vollstrecken die Justizbehörden weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen (AS 223; "Folter und unmenschliche Behandlung"). Die Haftbedingungen im Iran sind auch abseits von Folter, Misshandlungen und Körperstrafen, wovon vor allem politische Häftlinge betroffen sind, problematisch: Überbelegung von Zellen, Unterbringungen von Häftlingen im Freien, gesundheitsschädigende Haftbedingungen, unzureichende Ernährung und medizinische Behandlung, mangelnde Hygiene (AS 230 ff).

Mit welcher Strafe der Beschwerdeführer wegen der von der Behörde festgestellten Desertion im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat konkret zu rechnen hätte bzw. wie sich die Bedingungen einer allfälligen Haftstrafe darstellen würden, hat die belangte Behörde weder ermittelt noch festgestellt.

1.3.

1.3.1. In der Einvernahme am 22.10.2018 erwähnte der Beschwerdeführer eine "Partnerin bzw. Freundin" zu haben (AS 106, vgl. auch AS 120). Er bekräftigte dies im Beschwerdeschriftsatz (AS 323) und legte u. a. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister vor, wonach er und seine mutmaßliche Freundin seit XXXX 2017 unter denselben Adressen gemeldet sind (Hauptwohnsitz; AS 333 ff).

1.3.2. Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer in einer Partnerschaft lebe (AS 210). Ihre Feststellungen zum Privat- und Familienleben stützt die Behörde auf die "diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren und hinsichtlich Grundversorgung, Unbescholtenheit, Erwerbstätigkeit sowie besuchten Kursen auf die, im Akt einliegenden, Beweismittel oder Registeranfragen." (AS 267) In ihren rechtlichen Ausführungen zur Rückkehrentscheidung (AS 281 ff) geht die Behörde nicht konkret auf die Partnerschaft, in der der Beschwerdeführer lebe, ein. Die belangte Behörde hat es gänzlich unterlassen, zur vom Beschwerdeführer vorgebrachten Partnerschaft Ermittlungen anzustellen. Sie hat weder den Beschwerdeführer (näher) dazu befragt (etwa zu den persönlichen Daten der Partnerin, ihrem Aufenthaltsstatus in Österreich, zur Dauer der Beziehung, zu einem etwaigen gemeinsamen Haushalt etc.) noch auch nur versucht, die Partnerin als Zeugin einzuvernehmen.

1.4. Das Bundesverwaltungsgericht musste bereits mehrmals feststellen, dass die belangte Behörde notwendige und bisweilen aufwendige Ermittlungen unterlassen hat. Dies betrifft nicht zuletzt die Einvernahme von Personen als Zeugen in verschiedenen Konstellationen, insbesondere, aber keineswegs ausschließlich, zur Beurteilung eines vom jeweiligen Beschwerdeführer behaupteten Glaubenswechsels. Angesichts dessen liegt der Schluss nahe, dass die Zeugeneinvernahme als im jeweiligen Fall gebotene Ermittlungsmaßnahme von der belangten Behörde mit der Intention unterlassen wird, dass sie das Bundesverwaltungsgericht vornimmt.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht kann die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen als die belangte Behörde. Es wäre keineswegs mit einer Kostenersparnis - und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen unter 1.1. bis 1.3. waren auf Grundlage des von der belangten Behörde vorgelegten Akts zu treffen, und zwar insbesondere auf Grundlage der unbedenklichen Urkunde (§ 14 f AVG) der Niederschrift der Erstbefragung (AS 5 ff) sowie der Niederschrift der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 103 ff), des Schreibens von XXXX vom 13.07.2018 (AS 59 ff), des Taufscheins (AS 67), des angefochtenen Bescheids (AS 193 ff) sowie des Beschwerdeschriftsatzes samt Beilagen (AS 311 ff). Vgl. auch die bei den Feststellungen angegebenen Aktenseiten (AS). Einwände, dass der Akt unvollständig oder unrichtig wäre, wurden nicht erhoben. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Hinweise aufgefallen, dass der Akt unvollständig oder bedenklich wäre. Dementsprechend konnte das Bundesverwaltungsgericht den Akteninhalt seinen Feststellungen ohne Weiteres zugrunde legen. Dass das Bundesverwaltungsgericht dem verwaltungsbehördlichen Akt nicht entnehmen konnte, dass die belangte Behörde näher bezeichnete Ermittlungen durchgeführt hätte, deutet nicht auf die Unvollständigkeit des Aktes hin, sondern liegt vielmehr daran, dass die Behörde die entsprechenden Ermittlungen tatsächlich nicht vorgenommen hat.

2.2. Die Feststellung, dass die belangte Behörde gebotene Ermittlungen, insbesondere Zeugeneinvernahmen, unterlässt, war im Lichte zahlreicher Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen. Exemplarisch wird verwiesen auf: BVwG 11.01.2019, L527 2180008-1/5E, BVwG 01.03.2018, L512 1430869-2/9E; BVwG 15.02.2018, L509 2181399-1/5E; BVwG 13.02.2015, L516 2013126-1, (jeweils im Zusammenhang mit behaupteter Konversion) sowie BVwG 25.05.2016, L521 2123001-1/8E; BVwG 04.07.2016, L521 2127194-1/4E; BVwG 06.12.2016, L521 2138871-1/8E; BVwG 06.02.2017, L521 2136593-1/3E sowie BVwG 09.10.2017, L521 1415020-3/4E (jeweils anderes Vorbringen als Konversion). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erscheint daher der Schluss berechtigt, dass Zeugeneinvernahmen als grundsätzlich gebotene Verfahrensschritte von der belangten Behörde regelmäßig mit der Intention unterlassen werden, dass diese durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden.

2.4. Schon aus der Tatsache, dass das vom Bundesverwaltungsgericht zu führende Verfahren ein Mehrparteienverfahren ist (vgl. § 18 VwGVG), folgt eindeutig, dass das Bundesverwaltungsgericht die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen könnte als die belangte Behörde. Auch die Feststellung, dass es keineswegs mit einer Kostenersparnis - und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen, ergibt sich daraus. Dass die belangte Behörde - im Unterschied zum Bundesverwaltungsgericht - eine Spezialbehörde für das Fremdenwesen und Asyl (vgl. das BFA-G) ist, mag zwar für sich allein nicht begründen, dass die Voraussetzung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG nicht erfüllt sei, kann jedoch als einer von mehreren Faktoren durchaus Berücksichtigung finden; vgl. VwGH 26.04.2016, VwGH Ro 2015/03/0038.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:

3.1.

3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht. Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs 2 AsylG 2005 auch auf so genannten objektiven oder subjektiven Nachfluchtgründen beruhen.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2. Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend; vgl. VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210; diese Judikatur scheint mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Einklang zu stehen; siehe EuGH 04.10.2018, C-56/17.

Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Apostasie, Konversion, Proselytismus (AS 238 ff; siehe die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts unter 1.2.1) bedeutet der Abfall vom Islam nach dem im Iran vorherrschenden islamischem Verständnis grundsätzlich einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem. Unter weiteren Voraussetzungen und vor allem die konkrete Person des einzelnen Fremden betreffenden Umständen, insbesondere im Zusammenhang mit der individuellen Glaubensüberzeugung und -ausübung, kann ein iranischer Staatsangehöriger wegen des Abfalls vom Islam bzw. einer echten, inneren Konversion zum Christentum bei einer Rückkehr in den Iran tatsächlich dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt sein. Vgl. etwa BVwG 30.08.2019, L527 2180213-1/17E, BVwG 31.05.2019, L527 2183848-1/11E, BVwG 01.02.2019, L527 2165888-1/17E.

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist; vgl. mwN VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455. Allein mit der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens zur Ausreise lässt sich nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien. Für eine solche Einschätzung bedarf es vielmehr einer näheren Auseinandersetzung mit jenen Umständen, die die Konversion konkret betreffen; vgl. mwN VwGH 23.01.2019; Ra 2018/19/0260. Zu den für die Ermittlung der aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung erforderlichen Maßnahmen zählt nicht ausnahmslos (vgl. etwa VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017), aber doch in der Regel die Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel geben können, als Zeugen; vgl. mit Verweis auf eigene Judikatur und die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, z. B. VfGH 27.02.2018, E 2958/2017, VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260.

3.1.3.

3.1.3.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs können eine Wehrdienstverweigerung bzw. eine deshalb drohende Bestrafung und die Furcht vor einer Einberufung - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen, etwa wenn eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird - asylrechtlich relevant sein; vgl. z. B. mwN VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0203, 21.12.2000, 2000/01/0072, 07.11.1995, 94/20/0793.

3.1.3.2. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird; vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137.

Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Gemessen an Art 3 EMRK kann die Rückführung eines Fremden in seinen Herkunftsstaat u. a. wegen - infolge von z. B. Überbelegung, hygienischen Bedingungen, Misshandlungen, Einzelhaft, erniedrigenden Durchsuchungsmethoden - unmenschlicher oder erniedrigender Haftbedingungen unzulässig sein, freilich nur bei ernsthafter Gefahr einer Inhaftnahme im Herkunftsstaat; vgl. mit zahlreichen Verweisen auf die Judikatur des EGMR Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA (2017), 193 ff und z. B. VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, VwGH 17.10.2006, 2005/20/0496.

3.1.4. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, darf diese nur erlassen werden, wenn dies zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. In § 9 Abs 2 BFA-VG werden demonstrativ Kriterien genannt, die bei der entsprechenden Prüfung zu berücksichtigen sind. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 leg cit auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Der Begriff des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK ist weit zu verstehen; er kann neben der Kernfamilie etwa auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215) sowie faktische Familienbindungen umfassen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben.

Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK begründet, stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können; vgl. mwN (u. a. EGMR 02.11.2010, Serife Yigit gegen die Türkei) VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425.

Auf eine nicht dem Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu subsumierende Lebensgemeinschaft/Partnerschaft ist als Aspekt des Privatlebens in der Entscheidung über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung Bedacht zu nehmen. Auch dabei werden, je nach Einzelfall, u. a. zu berücksichtigen sein: Dauer und Intensität der Beziehung, gemeinsamer Haushalt, Aufenthaltsdauer, ob die Beziehung zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, allenfalls die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Fortsetzung im Herkunftsstaat, etc.

3.2.

3.2.1. § 37 iVm § 39 Abs 2 AVG verpflichtet die Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Näher dazu und unter Verweis auf zahlreiche Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 7, 19 ff (Stand 1.7.2005, rdb.at).

§ 18 AsylG verpflichtet die belangte Behörde, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen; vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100.

Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung, dass § 18 AsylG für das Asylverfahren eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen; vgl. mwN VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236.

Auch die Verfassung enthält Vorgaben zum behördlichen Ermittlungsverfahren. So liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, etwa im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes; vgl. VfGH 20.02.2015, E 1278/2014 mwN.

3.2.2. Den Anforderungen an ein vollständiges und mangelfreies Ermittlungsverfahren ist die belangte Behörde im gegenständlichen Fall in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht geworden. Das von der Behörde geführte (Ermittlungs)verfahren ist grob mangelhaft ist; die Behörde hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht (hinreichend) ermittelt:

3.2.2.1. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion zum Christentum unterließ die belangte Behörde die gebotene Einvernahme von XXXX als Zeugin. Die Behörde hätte diese Person einvernehmen müssen, um den behaupteten Religionswechsel adäquat beurteilen zu können, und zwar von Amts wegen, auch ohne einen (förmlichen) Beweisantrag des Beschwerdeführers, zumal der Beschwerdeführer die Person in seiner Einvernahme gegenüber der Behörde namentlich als Pfarrer, der ihn getauft habe, erwähnte (AS 119). Insbesondere zeigen auch die unter 1.2.2. festgestellten beweiswürdigenden Ausführungen der Behörde zum Schreiben von XXXX vom 13.07.2018, dass deren Einvernahme als Zeugin geboten war, etwa um die - aus Sicht der Behörde offenbar relevanten - Fragen z. B. der Dokumentation des Katechumenats, der Dauer der Taufvorbereitung sowie ob den Kurseinheiten eher ein "wissensvermittelnder Charakter" innewohnte oder diese "glaubensinhaltlich bzw. theologisch" ausgerichtet waren, sachgerecht beurteilen zu können. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen kann, worauf die Behörde ihre Auffassung stützt, dass die taufdurchführende Kirche zur Vorlage einer hinreichenden Dokumentation des Katechumenats angehalten gewesen wäre. Im Lichte der unter 3.1.2. zitierten höchstgerichtlichen Judikatur hätte die belangte Behörde die Zeugeneinvernahme auch deshalb vornehmen müssen, um die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers in der geforderten Gesamtbetrachtung beurteilen zu können. In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass sich die Behörde im angefochtenen Bescheid mit den Ausführungen im Schreiben vom 13.07.2018, wonach die Beweggründe des Beschwerdeführers für eine Konversion erhoben worden seien, überhaupt nicht auseinandersetzt.

3.2.2.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei Soldat gewesen und habe das Land verlassen, deshalb werde man versuchen, ihm ein politisches Motiv unterzujubeln und ihn zu töten, weist (zumindest auf den ersten Blick) einen Bezug zu einem Grund im Sinne der GFK auf (politische Gesinnung). Abseits der Beischaffung der Länderinformationen, die jedoch sowohl in Bezug auf die konkreten Strafdrohungen bei Desertion als auch auf die konkreten Strafbedingungen bei Desertion kaum Aufschluss geben, ermittelte die belangte Behörde zu diesem Vorbringen nichts. Namentlich stellte sie dem Beschwerdeführer dazu in der Einvernahme keine weiteren Fragen. Auch in der Beweiswürdigung setzt sie sich damit nur im Hinblick auf die Strafe, die der Beschwerdeführer aus ihrer Sicht zu erwarten habe, auseinander (und das unzureichend), nicht aber unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Unterstellung politischer Motive.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die EMRK im Rahmen der teleologischen Interpretation dynamisch bzw. evolutiv auslegt und dabei (in einer Vergleichsbetrachtung) auf die nationalen Rechtsordnungen der Signatarstaaten Bedacht nimmt; vgl. z. B. Czech, Zwischen dynamischer Auslegung und gerichtlicher Zurückhaltung - Zur Weiterentwicklung der Menschenrechte durch den EGMR, in Autengruber/Bertel/Drexel/Sanader/Schramek (Hg), Zeit im Recht - Recht in der Zeit (2016), S 105 (112). Dessen ungeachtet erweist sich die Argumentation der Behörde, dass dem Beschwerdeführer wegen der von ihr festgestellten Desertion deshalb keine unmenschliche Bestrafung drohe, weil auch nach dem österreichischen MilStG ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug für ähnlich gelagerte Fälle vorgesehen sei, als rechtlich und insbesondere grundrechtsdogmatisch verfehlt. Selbst wenn die Rechtslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers oder die ihn individuell-konkret betreffenden Rechtsfolgen der einfachgesetzlichen Rechtslage in Österreich bzw. den sich daraus ergebenden individuell-konkreten Rechtsfolgen ähneln mag, entbindet das die Behörde keinesfalls von einer individuellen Prüfung einer (realen Gefahr einer) Verletzung des Beschwerdeführers in den jeweiligen Rechten, konkret insbesondere im Recht des Art 3 EMRK. Ob und inwieweit die Sanktionen nach dem österreichischen MilStG denen, die der Beschwerdeführer wegen der von der Behörde festgestellten Desertion im Falle der Rückkehr in den Iran zu gewärtigen hätte, tatsächlich ähneln, lässt sich auf Grundlage der von der Behörde durchgeführten Ermittlungen ohnedies nicht sachgerecht beurteilen. Im Übrigen kann aus dem bloßen Bestehen einer bestimmten einfachgesetzlichen österreichischen Rechtslage und sich daraus ergebenden individuell-konkreten Rechtsfolgen für die Frage der Vereinbarkeit dieser Rechtslage und -folgen sowie auch die Frage der Vereinbarkeit einer allenfalls ähnlichen ausländischen Rechtslage und ähnlichen Rechtsfolgen mit (bestimmten Garantien) der EMRK für sich genommen ohnehin nichts gewonnen werden. Der Verweis auf das österreichische Recht ist damit kein taugliches Argument. Die Behörde verkennt zudem offensichtlich den Schutzbereich des Art 3 EMRK und lässt außer Acht, dass Strafen nicht nur wegen ihrer Art oder ihres Ausmaßes gemessen an Art 3 EMRK verboten sein können, sondern dass, wie unter 3.1.3.2. ausgeführt, etwa auch die Umstände einer Anhaltung und Haftbedingungen gegen Art 3 EMRK verstoßen können. Ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsauffassung hat die belangte Behörde gebotene Ermittlungen unterlassen: Mit welcher Strafe der Beschwerdeführer wegen der von der Behörde festgestellten Desertion im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat konkret zu rechnen hätte bzw. wie sich die Bedingungen einer allfälligen Haftstrafe darstellen würden, hat die belangte Behörde weder ermittelt noch festgestellt. Die Behörde hat auch nicht ermittelt, ob sich Strafmaß und/oder Strafbedingungen unterscheiden, sollte einerseits ein politisches Motiv der Desertion unterstellt werden oder vorliegen oder sollte dies andererseits nicht der Fall sein.

3.2.2.3. Die belangte Behörde hat es gänzlich unterlassen, zur vom Beschwerdeführer vorgebrachten Partnerschaft Ermittlungen anzustellen. Sie hat weder den Beschwerdeführer (näher) dazu befragt (etwa zu den persönlichen Daten der Partnerin, ihrem Aufenthaltsstatus in Österreich, zur Dauer der Beziehung, zu einem etwaigen gemeinsamen Haushalt etc.) noch auch nur versucht, die Partnerin als Zeugin einzuvernehmen. Jedenfalls eine (nähere) Befragung des Beschwerdeführers war geboten und der Behörde auch ohne Weiteres möglich. Ob auch die Partnerin einvernommen hätte werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die das Bundesverwaltungsgericht, da die Behörde insoweit bereits die Befragung des Beschwerdeführers unterlassen hat, nicht beurteilen kann. Also hat die Behörde den für die Frage der Zulässigkeit der von ihr getroffenen Rückkehrentscheidung relevanten Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unvollständig ermittelt. In ihren rechtlichen Ausführungen zur Rückkehrentscheidung geht die Behörde nicht konkret auf die Partnerschaft, in der der Beschwerdeführer lebe, ein.

3.3.

3.3.1. Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Regel durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG nicht vor, ist das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG berechtigt, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Zulässig ist eine Zurückverweisung insbesondere bei "krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken" (mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 (Stand 15.2.2017, rdb.at)). Ausdrücklich für zulässig befunden hat der Verwaltungsgerichtshof ein Vorgehen nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG unter anderem, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat; vgl. VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057. Eine Zurückverweisung der Angelegenheit ist jedenfalls auch gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen mit der Intention unterlassen hat, dass sie in der Folge das Verwaltungsgericht durchführt; mit Verweis auf zahlreiche Judikate des VwGH Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 (Stand 15.2.2017, rdb.at).

3.3.2. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit Beschluss und die Zurückverweisung der Angelegenheit sind erfüllt: Wie bereits dargelegt, hat die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in mehrfacher Hinsicht in gravierender Weise verletzt: In Bezug auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Glaubenswechsel hat sie die im Lichte der Judikatur im konkreten Fall gebotene Zeugeneinvernahme unterlassen. Dass die Behörde u. a. bei behaupteter Konversion gebotene Zeugeneinvernahmen unterlässt, ist, wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, kein Einzelfall. Dementsprechend muss das Bundesverwaltungsgericht, wie ebenfalls festgestellt, davon ausgehen, dass die Zeugeneinvernahme als gebotene Ermittlungsmaßnahme von der belangten Behörde mit der Intention unterlassen wurde, dass sie das Bundesverwaltungsgericht vornimmt. Im Hinblick auf die von der Behörde festgestellte Desertion des Beschwerdeführers, die grundsätzlich jedenfalls nach § 3 AsylG 2005 und nach § 8 AsylG 2005 von rechtlicher Relevanz sein kann, hat es die Behörde - ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht - insbesondere unterlassen, die konkret drohenden Folgen zu ermitteln. Zu einem für die bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung durchzuführende Interessenabwägung nach Art 8 EMRK wesentlichen Aspekt, nämlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten und von der Behörde festgestellten Partnerschaft, hat die Behörde nichts ermittelt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zur Gänze aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3.4. Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren ein dem Gesetz entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt vollständig zu ermitteln, dazu zählt insbesondere:

3.4.1. Die Behörde hat vollständig und ordnungsgemäß zu ermitteln, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer behaupteten Konversion zum Christentum um eine echte, innere Konversion oder um eine Scheinkonversion handelt. Das heißt, sie hat die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers zu ermitteln. Dazu hat sie in einer neuerlichen Einvernahme den Beschwerdeführer konkret zu seinen aktuellen religiösen Aktivitäten zu befragen; vgl. zu den maßgeblichen Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455. Darüber hinaus hat die belangte Behörde XXXX als Zeugin ebenfalls zu den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich zu befragen und (dabei) insbesondere zu den näheren Inhalten der Einheiten des Taufkurses, den vom Beschwerdeführer im Rahmen der Kirche besuchten Veranstaltungen, Kursen und der sonstigen Teilnahme des Beschwerdeführers am Leben der Pfarrgemeinde, der Dauer und Konzeption der Taufvorbereitung, einer allfälligen Dokumentation des Katechumenats, den vom Beschwerdeführer gegenüber der Zeugin artikulierten Beweggründen für die (behauptete) Konversion, den Umständen, unter denen der Beschwerdeführer Zugang zur betreffenden Kirche/Pfarrgemeinde fand, und der (aktuellen) Glaubenspraxis des Beschwerdeführers. Abhängig von den durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugin vorläufig erzielten Ermittlungsergebnissen kann auch die zeugenschaftliche Einvernahme eines (oder mehrerer) weiteren kirchlichen Repräsentanten oder Gemeindemitglieds geboten sein. Schließlich hat die Behörde zu ermitteln und festzustellen, welche Konsequenzen der Beschwerdeführer - entweder im Falle einer echten, inneren Konversion oder im Falle eines bloß der Asylerlangung dienenden Wechsels zum Christentum - in seinem Herkunftsstaat zu befürchten hätte; vgl. mwN VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117.

Weiters hat die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer behaupteten (und von der Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten) Desertion zu ermitteln. Insbesondere wird eine Einvernahme des Beschwerdeführers erforderlich und darauf hinzuwirken sein, dass der Beschwerdeführer seine Angaben, man werde versuchen, ihm ein politisches Motiv unterzujubeln und ihn zu töten, und die für dieses Vorbringen bedeutsamen Umstände vervollständige, die Beweismittel für diese Angaben bezeichne und er überhaupt alle Aufschlüsse gebe, welche insoweit zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz notwendig erscheinen. Daran anknüpfend hat die Behörde zu ermitteln und festzustellen, welche konkreten Konsequenzen der Beschwerdeführer - entweder im Falle des Vorliegens eines Grundes im Sinne der GFK oder im Falle des Fehlens eines Grundes im Sinne der GFK - in seinem Herkunftsstaat zu befürchten hätte. In jedem Fall hat die Behörde zu ermitteln und begründet festzustellen, welche Art und Intensität der Strafe, welches Ausmaß und welche Strafbedingungen, insbesondere Haftbedingungen, zu gewärtigen wären.

Die belangte Behörde hat ferner - im Hinblick auf die allfällige Erlassung einer Rückkehrentscheidung - den für eine ordnungsgemäße Interessenabwägung im Sinne des Art 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG relevanten Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Sie wird dabei insbesondere zunächst durch Befragung des Beschwerdeführers Details zur vorgebrachten Partnerschaft zu ermitteln haben, etwa seit wann diese Partnerschaft bestehe, ob es einen gemeinsamen Haushalt gebe, wie sich das Zusammenleben gestalte, welche Staatsangehörigkeit und welchen Aufenthaltsstatus die Partnerin habe, ihre Sprachkenntnisse, ihr Religionsbekenntnis, ihren Gesundheitszustand, ob die Partnerin schwanger sei, wie sich die Zukunftspläne gestalten. Abhängig von den dadurch vorläufig erzielten Ermittlungsergebnissen kann auch die Einvernahme der Partnerin als Zeugin geboten sein.

3.4.2. Nach diesen und allenfalls erforderlichen weiteren zweckmäßigen Ermittlungsschritten hat die belangte Behörde das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen. Dabei hat die Behörde vom Beschwerdeführer neu behauptete Geschehnisse - und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens - individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist vollständig zu ermitteln und im zu erlassenden Bescheid sind jene individuellen Feststellungen zu treffen, die erforderlich sind, um über die Begründetheit des Antrags des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von internationalem Schutz abzusprechen und allfällige weitere Spruchpunkte zu treffen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum einen war gegenständlich in erster Linie maßgeblich, ob die belangte Behörde im vorliegenden Fall den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt hatte. Dieser Frage kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Zum anderen sind die für den Beschluss bedeutsamen Rechtsfragen - wie sich aus den oben angeführten Zitaten eindeutig ergibt - hinreichend geklärt. Vgl. im Übrigen VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109, wonach es keine grundsätzliche Rechtsfrage darstelle, ob das Verwaltungsgericht die zu § 28 Abs 3 VwGVG 2014 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angesichts der einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat. Der Beschluss steht demnach im Einklang mit der entsprechenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und der in der zitierten Literatur vertretenen Rechtsauffassung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Christentum Einvernahme Ermittlungspflicht Kassation Konversion mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2211669.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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