TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/12 95/19/1718

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Veröffentlicht am 12.12.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 idF 1995/351 §3 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1995 geborenen B A in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Oktober 1995, Zl. 109.894/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 3. Juli 1995, vertreten durch seine Mutter, beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck wurde auf dem Antragsformular, wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit "Vater/Mutter" angekreuzt. Im Feld "Angaben zur Person dieses Familienangehörigen" finden sich die Namen sowohl des Vaters als auch der Mutter des Beschwerdeführers sowie deren Geburtsdaten.

Mit Bescheid vom 27. Juli 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil die Mutter des Antragstellers über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 23. Oktober 1995, zugestellt am 7. November 1995, gemäß § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, minderjährigen Kindern sei die Bewilligung jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung eines Elternteiles (§ 4 Abs. 3 AufG). Im konkreten Fall sei unter einem von der Mutter des Beschwerdeführers ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt und ebenfalls abgewiesen worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Die Behörde habe übersehen, daß er in seinem Antrag auch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter angegeben habe und daß § 4 Abs. 3 AufG besage, daß die Aufenthaltsbewilligung minderjähriger Kinder mit der gleichen Befristung zu erteilen sei wie die Bewilligung eines Elternteiles. Sein Vater befinde sich seit nunmehr fünf Jahren im Bundesgebiet, und zwar auf Grund jeweils gültiger Sichtvermerke. Die Gültigkeit seines aktuellen Sichtvermerkes ende am 25. Februar 1996. Es sei nicht nachvollziehbar, warum im Fall des Beschwerdeführers nicht der Sichtvermerk seines Vaters, hingegen aber der ablehnende Bescheid hinsichtlich des Antrages der Mutter in Betracht gezogen worden sei. Überdies übersehe die Behörde, daß der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG habe, weil sein Vater bereits seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei. Daher hätte die belangte Behörde dem Sichtvermerk des Vaters Beachtung schenken müssen. Sie habe statt dessen jedoch nur auf den Antrag seiner Mutter abgestellt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 3 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 4.

...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren".

Schon aus dem systematischen Bezug des § 4 Abs. 3 AufG, auf den die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung stützt, folgt, daß sinnvollerweise nur derjenige Elternteil gemeint sein kann, der über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Diese Auffassung entspricht auch einer im Hinblick auf Art. 8 MRK gebotenen verfassungskonformen Interpretation. Allein der Umstand, daß die Mutter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall somit nicht zur Abweisung des erkennbar auch auf Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit seinem Vater gerichteten Antrages des Beschwerdeführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777, mwN).

Da der Antrag des Beschwerdeführers erkennbar auch auf Familiengemeinschaft bzw. Familienzusammenführung mit seinem Vater gerichtet war, hatte die belangte Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens Feststellungen darüber zu treffen, ob der Vater des Beschwerdeführers auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte, weil diesfalls - jedenfalls bei Fehlen von Ausschließungsgründen gemäß § 5 Abs. 1 AufG - ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestand. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch unterlassen, obwohl sich aus dem von ihr vorgelegten Verwaltungsakt Hinweise darauf ergeben, daß der Vater des Beschwerdeführers über einen Sichtvermerk, gültig vom 26. April 1993 bis zum 25. Februar 1996, verfügte. Da der Beschwerdeführer, träfen diese Voraussetzungen zu, einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gehabt hätte, hätte die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr zur Last fallenden Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191718.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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