TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W108 2227317-1

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Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
RPG §2 Abs1
RPG §2 Abs2 Z3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2227317-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 29.11.2019, Zl. Pers 2 - Sch - 2211, betreffend Nichtzulassung zur Gerichtspraxis:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang/Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 24.10.2019 den Antrag auf Zulassung zur Gerichtspraxis ab Dezember 2019. Mit E-Mail vom 19.11.2019 wurde die Beschwerdeführerin zu einer Rücksprache mit der richterlichen Leiterin des Referats für die Personalangelegenheiten der Rechtspraktikanten für den 22.11.2019 am Oberlandesgericht Wien geladen, da aus der durchgeführten Verfahrensregisterabfrage ein offenes Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin aufschien.

Die richterliche Leiterin des Referats für die Personalangelegenheiten der Rechtspraktikanten telefonierte am 19.11.2019 mit dem zuständigen Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Graz, der mitteilte, dass die gegen die Beschwerdeführerin durchgeführten Ermittlungen wegen des Verdachtes gemäß § 156 Abs. 1 und 2 StGB nach wie vor aufrecht seien.

Nach einer Terminverschiebung fand am 28.11.2019 eine persönliche Unterredung zwischen der Beschwerdeführerin und der richterlichen Leiterin des Referats für die Personalangelegenheiten der Rechtspraktikanten statt, in welcher die Beschwerdeführerin auf den Ausschlussgrund eines laufenden Strafverfahrens für die Zulassung zur Gerichtspraxis aufmerksam gemacht wurde.

Mit E-Mail vom 28.11.2019 gab die Beschwerdeführerin bekannt, ihren Antrag auf Zulassung ab Dezember 2019 aufrecht zu erhalten und stellte eventualiter Anträge auf Zulassung ab Jänner 2020 bzw. Februar 2020 sowie einen Antrag auf Akteneinsicht.

2. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) vom 29.11.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin vom 24.10.2019 auf Zulassung zur Gerichtspraxis ab Dezember 2019 und ihre dazu am 28.11.2019 eventualiter gestellten Anträge auf Zulassung zur Gerichtspraxis ab Jänner 2020, in eventu Februar 2020 abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 Rechtspraktikantengesetz (RPG) Personen, gegen die wegen eines Verbrechens ein Strafverfahren eingeleitet ist, von der Gerichtspraxis ausgeschlossen seien.

Gegen die Beschwerdeführerin werde zu 10 St 275/19t der Staatsanwaltschaft Graz ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die Straftaten nach den §§ 156 Abs. 1, Abs. 2 und 161 Abs. 1 StGB geführt. Diese strafbaren Handlungen seien Vorsatzdelikte und aufgrund der angedrohten Strafmaße gemäß § 17 Abs. 1 StGB als Verbrechen zu qualifizieren. Ein Strafverfahren sei gegen eine Person im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 RPG eingeleitet, sobald das Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigter (§ 48 Abs. 1 Z 2 StPO) geführt werde. Das Strafverfahren ende durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung. Bis zu einer derartigen Beendigung des Strafverfahrens sei die Beschwerdeführerin daher von der Gerichtspraxis ausgeschlossen, sodass ihre darauf gerichteten Zulassungsanträge abzuweisen gewesen seien.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und übermittelte der belangten Behörde am 02.01.2020 per Email und Fax zwei Beschwerdeschriftsätze. In diesen brachte sie zusammengefasst vor, dass die Gesetzesbestimmung des § 2 Abs. 2 Z 3 RPG in dieser Auslegung jedenfalls dem § 2 Abs. 1 RPG widerspreche, dass ein Rechtsanspruch auf Zulassung zur Gerichtspraxis bestehe, wenn diese gesetzlich als Berufs- Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen sei, was gegenständlich der Fall sei. Zudem sei § 2 Abs. 2 Z 3 RPG, wenn er eine solche Auslegung, wie sie von der belangten Behörde vorgenommen worden sei, zulasse, verfassungswidrig und dem Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung gemäß Art. 89 B-VG vorzulegen. Die Gesetzesbestimmung widerspreche dem Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit, Freiheit von Berufswahl und Berufsausbildung sowie Unversehrtheit des Eigentums, weil die Beschwerdeführerin ohne absolvierte Gerichtspraxis nicht zur Rechtsanwaltsprüfung antreten und sich nicht in die Liste der Rechtsanwälte eintragen lassen könne.

In der mündlichen Erörterung am 28.11.2019, welche nur pro forma abgehalten worden sei, habe sie dargelegt, dass ein "amtsmissbräuchliches, rechtswidriges Ermittlungsverfahren - lediglich eines leeren Aktendeckels - offen" sei, in welchem tatsächlich keine Ermittlungsschritte gesetzt worden seien und würden, da es nichts zu ermitteln gebe. Sie habe auch dargelegt, dass sie gegen die Republik Österreich eine Amtshaftungsklage und gegen den "amtsmissbräuchlich nicht ermittelnden Staatsanwalt bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz" eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht habe, aus den beigebrachten Dokumenten - alleine die Sachverhaltsdarstellung umfasse über 100 Seiten - ergebe sich, dass der Strafverfolgung der Beschwerdeführerin der Boden entzogen sei und der Staatsanwalt missbräuchlich den Akt nicht schließe und das "Scheinermittlungsverfahren" nicht einstelle.

§ 2 Abs. 2 Z 3 RPG spreche des Weiteren von einem eingeleiteten Strafverfahren. Gegenständlich sei nicht einmal ein Ermittlungsverfahren anhängig, es handle sich nur um ein Scheinverfahren, nämlich lediglich um einen Akt ohne Inhalt und ohne Anordnungen von Ermittlungsschritten. Ein Ermittlungsverfahren sei ferner nicht gleichzusetzen mit einem Strafverfahren, da als Strafverfahren iSd § 2 Abs. 2 Z 3 RPG erst ein Verfahren nach Anklageerhebung zu sehen sei. Denn jede angebrachte Anzeige, möge diese auch noch so unbegründet sein, sei im Register ersichtlich, weshalb eine Verfahrensregisterabfrage alleine ungenügend sei, um auf eine Vertrauenswürdigkeit zu schließen. Zweck der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 3 RPG sei es, nur vertrauenswürdige Personen zur Gerichtspraxis zuzulassen, sie selbst sei jedoch eine vertrauenswürdige Person, da sie unbescholten sei, das Ermittlungsverfahren tatsächlich keines sei und der Staatsanwalt das Ermittlungsverfahren amtswidrig nicht eingestellt habe.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von den obigen Ausführungen unter Punkt I. zum Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt ausgegangen.

Damit steht insbesondere fest, dass im Zeitpunkt der Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Zulassung zur Gerichtspraxis am 24.10.2019 sowie auch zu den Zeitpunkten der gewünschten Dienstantritte Dezember 2019, Jänner 2020 und Februar 2020 gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Graz zur Aktenzahl 10 St. 275/19t bzw. 8 St 4/20a wegen §§ 156 Abs. 1, Abs. 2 und 161 Abs. 1 StGB geführt wurde und noch wird.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde und dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Die relevanten Ermittlungsergebnisse und Urkunden liegen in dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ein. Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides den maßgeblichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit der Aktenlage richtig festgestellt. Die Beschwerdeführerin trat in ihrer Beschwerde dem festgestellten Sachverhalt nicht bzw. mit bloß unsubstantiiertem Vorbringen entgegen. Der Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass gegen die Beschwerdeführerin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird und das Strafverfahren nicht beendet ist, bestätigt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, dass die Staatsanwaltschaft den Akt nicht abschließe und das Verfahren nicht einstelle, selbst. Auskünfte der Staatsanwaltschaft Graz und der belangten Behörde an das Bundesverwaltungsgericht (am 01.04.2020) ergaben die Anhängigkeit dieses Verfahrens im Entscheidungszeitpunkt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu den Prozessvoraussetzungen:

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 erster Satz Rechtspraktikantengesetz (RPG) besteht auf die Zulassung zur Gerichtspraxis in dem Ausmaß ein Rechtsanspruch, in dem die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist.

Gemäß Abs. 2 Z 3 leg. cit. sind von der Gerichtspraxis Personen ausgeschlossen, gegen die wegen eines Verbrechens ein Strafverfahren eingeleitet ist.

Verbrechen sind nach der Einteilung der strafbaren Handlungen des § 17 Strafgesetzbuch (StGB) vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

Gemäß § 156 Abs. 1 StGB ist, wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. § 156 Abs. 2 StGB ist, wer durch die Tat einen 300 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Gemäß § 161 Abs. 1 StGB ist nach den §§ 156, 158, 159 und 162 gleich einem Schuldner, nach § 160 gleich einem Gläubiger zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit begeht. Ebenso ist nach den genannten Bestimmungen zu bestrafen, wer zwar ohne Einverständnis mit dem Schuldner oder Gläubiger, aber als dessen leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) handelt.

Gemäß § 1 Abs. 2 StPO beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (Abs. 3) nach den Bestimmungen des 2. Teils dieses Bundesgesetzes ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§ 48 Abs. 1 Z 2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist (Abs. 3 leg. cit).

Ermittlung ist gemäß § 91 Abs. 2 erster Satz StPO jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Form entweder als Erkundigung oder als Beweisaufnahme durchzuführen.

3.3.2. Umgelegt auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Wie oben festgestellt, war zum Zeitpunkt der Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Zulassung zur Gerichtspraxis am 24.10.2019 sowie auch zu den Zeitpunkten der gewünschten Dienstantritte Dezember 2019, Jänner 2020 und Februar 2020 gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Graz wegen §§ 156 Abs. 1, Abs. 2 und 161 Abs. 1 StGB - sohin wegen Verbrechen - anhängig und ist dieses strafrechtliche Ermittlungsverfahren auch im Entscheidungszeitpunkt noch offen.

Damit ist gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 RPG (nach wie vor) eingeleitet (bzw. nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 StPO [durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung] beendet) und die Beschwerdeführerin von der Zulassung zur Gerichtspraxis ausgeschlossen. Die auf Zulassung gerichteten Anträge der Beschwerdeführerin wurden daher von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin beginnt das Strafverfahren nicht erst nach der Anklageerhebung, sondern, nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2 StPO, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (Abs. 3) nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln, wobei Ermittlung gemäß § 91 Abs. 2 erster Satz StPO jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient, ist. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist ein gerichtliches Strafverfahren schon dann eingeleitet, wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wird (vgl. VwGH 08.09.2000, 98/19/0011).

Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, das gegen sie geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei nicht "berechtigt" und stelle ein "Scheinverfahren" dar, welches der zuständige Staatsanwalt amtsmissbräuchlich führe und in dem es gebe nichts zu ermitteln gebe, und es werde zu keiner Anklagerhebung kommen, ist mangels Relevanz nicht einzugehen, da der Ausschluss von der Gerichtspraxis schon dann zum Tragen kommt, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Strafverfahren eingeleitet ist.

Die Bestimmungen der § 2 Abs. 1 RPG und § 2 Abs. 2 Z 3 RPG sind auch keineswegs widersprüchlich. Das Gesetz bringt hier - einer gewöhnlichen Gesetzessystematik folgend - zum Ausdruck, dass grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die Zulassung zur Gerichtspraxis in dem Ausmaß ein Rechtsanspruch in dem die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist, besteht, ausgenommen davon sind jedoch Personen gegen die ua. wegen eines Verbrechens ein Strafverfahren eingeleitet ist (Abs. 2 Z 3 leg. cit.). Da das RPG keine eigenen Definitionen für die Begriffe des "Verbrechens" und der "Einleitung des Strafverfahrens" vorsieht, sind die entsprechenden definierenden Bestimmungen des StGB und der StPO heranzuziehen. § 156 Abs. 1 und 2 StGB stellen als Vorsatzdelikte die betrügerische Krida unter Strafe und sehen eine Strafdrohung von bis zu fünf Jahren (Abs. 1) bzw. bis zu zehn Jahren (Abs. 2) vor. Es handelt sich daher bei den in Rede stehenden Delikten des § 156 Abs. 1 und 2 StGB um Verbrechen iSd § 17 StGB und § 2 Abs. 3 Z 3 RPG, da diese mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

Auch sind Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der das Verfahren tragenden Rechtsnormen beim Bundesverwaltungsgericht nicht entstanden: Im Abs. 2 Z 3 des § 2 RPG werden jedem Auslegungszweifel entzogene Kriterien aufgestellt, bei deren Vorliegen davon auszugehen ist, dass die für eine bei Gericht tätige Person erforderliche Vertrauenswürdigkeit nicht gegeben ist (s. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 340 der Beilagen XVII. GP). Dass der Gesetzgeber bei der Formulierung dieser, wenn auch relativ strengen, Verlässlichkeitskriterien unsachlich vorgegangen wäre oder seinen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf einen auf § 2 Abs. 2 Z 3 RPG gestützten Bescheid keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften geäußert und stellt die Nichtzulassung zur Gerichtspraxis selbst keinen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung nach Art. 6 StGG dar (vgl. VwGH 08.09.2000, 98/19/0011). Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich im Beschwerdefall daher nicht veranlasst, einen Antrag auf Aufhebung von Rechtsnormen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

3.3.3. Die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides liegt daher nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Bescheid aus anderen, nicht geltend gemachten Gründen rechtswidrig wäre. Da dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG nicht anhaftet, ist die Beschwerde abzuweisen.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG und gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Ermittlungsverfahren Gerichtspraxis Rechtspraktikant Strafanzeige strafrechtliche Verfolgung Verbrechen Zulassung Zulassungsbeschränkung Zulassungsverfahren Zulassungsvoraussetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W108.2227317.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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