TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 W234 2203861-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
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Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W234 2203861-1/25E

W234 2203856-1/25E

W234 2203859-1/23E

W234 2203858-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von

1) XXXX , geb. XXXX ,

2) XXXX , geb. XXXX ,

3) XXXX , geb. XXXX ,

4) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Georgien, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

1) vom 19.07.2018, Zl. XXXX ,

2) vom 19.07.2018, Zl. XXXX ,

3) vom 19.07.2018, Zl. XXXX ,

4) vom 19.07.2018, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und die Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ) sind Eheleute und die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer ( XXXX und XXXX ). Die Beschwerdeführer sind georgische Staatsangehörige.

2. Nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet stellten sämtliche Beschwerdeführer am 21.02.2018 Anträge auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

2.1. Dort gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er mit seiner Familie mit einem Direktflug von Tiflis legal nach Österreich eingereist sei. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass ihm im Jahr 2014 Drogen von der Polizei untergeschoben worden seien, um ihn einsperren zu können. Er sei ein Jahr in Strafhaft gewesen. Zudem sei ihm sein Führerschein abgenommen worden, damit er seinen Beruf als Taxifahrer nicht mehr ausüben könne. Der Grund für diese Vorfälle sei die Tätigkeit seiner Frau als Koordinatorin bei der jetzigen Oppositionspartei "Nationale Partei Georgiens" gewesen. Sie seien bedroht und unterdrückt worden (BFA-Akt des Erstbeschwerdeführers, AS 23).

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie seit 2010 aktives Mitglied bei der "Nationalen Bewegung Georgien" gewesen sei. Sie sei verfolgt worden. Sie hätte zudem keine Arbeit bekommen. Auch ihr Mann habe Schwierigkeiten bekommen. Ihr sei gedroht worden, dass ihr Mann festgenommen werden würde, wenn sie ihre politischen Tätigkeiten nicht beende. Er sei in weiterer Folge auch festgenommen worden und ein Jahr in Strafhaft gewesen, weil ihm Drogen untergeschoben worden seien. Sie hätten Geld zahlen müssen, damit er freikomme (BFA-Akt der Zweitbeschwerdeführerin, AS 31).

2.3. Für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht (BFA-Akt der Zweitbeschwerdeführerin, AS 33).

3. Am 08.03.2018 fand eine schriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) statt.

3.1. Der Erstbeschwerdeführer brachte vor, dass er eine elfjährige Schulbildung absolviert und in Georgien als Taxifahrer gearbeitet habe. Seine Eltern und sein Bruder würden nach wie vor in Georgien leben. Seine Mutter verkaufe Lebensmittel auf einem Markt. Sein Vater und sein Bruder würden Gelegenheitsarbeiten nachgehen. Er habe wöchentlich Kontakt zu seinen Eltern über Facebook-Messenger.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass ihm im Falle einer Rückkehr wieder Drogen untergeschoben werden würden und er wieder inhaftiert werden würde. Er dürfe nicht als Taxifahrer arbeiten, weil er seinen Führerschein erst in zwei Jahren zurückerhalten würde. Der Grund für seine Verfolgung in Georgien sei die Tätigkeit seiner Ehefrau für die "Vereinigte Nationale Bewegung" gewesen. Seine Kinder hätten deshalb ohne Vater aufwachsen müssen. Im Falle einer Rückkehr erwarte er eine erneute Haftstrafe. Seine Frau sei nach wie vor Mitglied der derzeitigen Oppositionspartei.

Befragt, wann er im Gefängnis gewesen sei, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er von 2007 bis 2012 und von 2014 bis 2015 in Haft gewesen sei. Seine Ehefrau kenne er seit 2006. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe und keine Medikamente einnehme. Er leide seit ca. vier Monaten unter Schlaflosigkeit. In Georgien sei er deswegen schon medikamentös behandelt worden (BFA-Akt des Erstbeschwerdeführers, AS 81-84).

3.2. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, dass sie in Georgien ein Pharmazeutisches College besucht habe. Ihr Vater und ihre Schwester sowie ihre Schwiegereltern würden in Georgien leben. Ihre Mutter sei in der Türkei aufhältig, wo sie arbeite. Ihr Vater sei nicht berufstätig, weil er seine Mutter pflege. Ihre Schwester sei verheiratet und Hausfrau. Zu ihren Verwandten in Georgien stehe sie täglich in Kontakt über Facebook-Messenger. Ihren Lebensunterhalt in Georgien hätten sie durch die Unterstützung ihrer Schwiegermutter bestritten, weil sie und der Erstbeschwerdeführer arbeitslos gewesen seien.

Zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, dass sie in Georgien Parteimitglied der "Nationalen Bewegung" gewesen sei und deshalb Probleme bekommen habe. Als Mitglied dieser Partei habe sie keine Arbeit finden können. Auch ihr Mann habe keine Arbeit finden können. Er habe ursprünglich als Taxifahrer gearbeitet, sei aber wegen untergeschobener Drogen festgenommen worden und ein Jahr in Haft gewesen. Zudem sei ihm der Führerschein für fünf Jahre entzogen worden. Aus Angst, dass ihr Mann noch einmal festgenommen werden würde, seien sie ausgereist.

Ihr Mann sei im Jahr 2017 von Deutschland nach Georgien abgeschoben worden. Der Druck habe sich erhöht. Sie sei bedroht worden, dass ihr Mann erneut inhaftiert werden würde, falls sie nicht ausreisen würden.

Befragt zu ihren Arbeitsmöglichkeiten in Georgien führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie die Möglichkeit gehabt habe, in einer Apotheke zu arbeiten, aber wegen ihrer Kinder die vorgegebenen Nachtdienste nicht habe verrichten können. Sie habe dort ein Praktikum absolviert, sei aber gekündigt worden.

Die Menschen, die in ihrer Partei engagiert seien, würden nur schwer Arbeit finden. Sie sei ein sehr aktives Mitglied gewesen. Sie habe gesehen, wie haufenweise Wahlkarten in die Urne geworfen worden seien. Dies habe sie schriftlich festgehalten. Sie habe ein Foto davon aufgenommen. Sie sei deshalb per SMS und in Briefen bedroht worden. Die Drohbriefe habe sie nicht aufgehoben und das Handy sei kaputt. Sie könne keine konkreten Namen nennen, wer sie bedroht habe. Es seien jedenfalls Mitglieder der Partei "Georgischer Traum" gewesen.

Zu ihrem Gesundheitszustand führte sie an, dass sie und ihre Kinder gesund seien.

Bei einer Rückkehr nach Georgien befürchte sie, dass ihr Ehemann wieder ins Gefängnis kommen würde. Für seine Freilassung hätten sie ihr Haus verpfänden müssen. Wenn ihr Mann in Haft kommen sollte, könne sie nicht für ihre Kinder sorgen.

Zudem legte sie ein Schreiben ihrer Partei aus Georgien über ihre Mitgliedschaft und Betätigung samt Übersetzung vor (Übersetzung, BFA-Akt der Zweitbeschwerdeführerin, AS 81).

4. Mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden wies das Bundesamt die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten wie der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien ab (Spruchpunkte I und II). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden nicht erteilt (Spruchpunkte III). Es wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkte IV) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkte V). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkte VI). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidungen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte VII) und den Beschwerdeführern aufgetragen, ab XXXX in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen. Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte VIII).

Diese Bescheide begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass eine konkrete, gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder private Dritte nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Beschwerdeführer würden in ihrem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie seien arbeitsfähig und die elementare Grundversorgung in ihrem Heimatland sei gewährleistet. Bei Georgien handle es sich zudem um einen sicheren Herkunftsstaat. Daher sei anzunehmen, dass die Sicherheitsbehörden in Georgien schutzwillig sowie schutzfähig seien.

Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 24.07.2018 zugestellt.

5. Gegen diese Bescheide richten sich die hier zu erledigenden gleichlautenden Beschwerden, welche beim Bundesamt am 16.08.2018 per Email einlangten. Darin rügen die Beschwerdeführer, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe konkret angegeben, dass sie wegen ihrer politischen Tätigkeit verfolgt werde. Sie habe als Wahlbeobachterin einen massiven Wahlbetrug durch die Partei "Georgischer Traum" beobachtet. Sie habe dies auch fotografiert und sei mit SMS bedroht worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei nicht mehr im Besitz dieses Handys, auf dem sich die Drohungen und die Fotos befinden würden. Das Bundesamt hätte somit detaillierte Informationen zu der politischen Situation und im Besonderen zum "Georgischen Traum" recherchieren müssen. Es würden Berichte zu den tiefen Gräben zwischen der "Vereinten Nationalen Bewegung" und dem "Georgischen Traum" und der daraus resultierenden Hetze gegen Anhänger der Partei "Vereinte Nationale Bewegung" fehlen. Den zitierten Berichten sei zu entnehmen, dass es in Georgien eine große Zahl an Vorfällen grober Menschenrechtsverletzungen, Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche mit politischem Hintergrund gebe.

Zudem habe der Erstbeschwerdeführer psychische Leiden und sei in ärztlicher Behandlung gewesen. Diesbezüglich wurden medizinische Unterlagen betreffend den Erstbeschwerdeführer vorgelegt.

Wie sich aus den Länderberichten und den Aussagen der Beschwerdeführer ergebe, drohe diesen aufgrund ihres politischen Status eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch die in Georgien notorisch bekannte Inhaftierung von Personen, die ins Visier der Regierungsanhänger gekommen seien. Die Beschwerdeführer wären in Georgien völlig mittellos, weil sie alles verkauft hätten, um den Erstbeschwerdeführer aus der Haft zu bekommen. Da es allgemein bekannt sei, dass die Zweitbeschwerdeführerin für die Opposition tätig gewesen sei, sei es ihr und dem Erstbeschwerdeführer nahezu unmöglich, in Georgien Arbeit zu finden. Die Beschwerdeführer könnten mit keinerlei staatlicher Hilfe rechnen, weil die Gefahr vom Staat ausgehe.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Schutz des Privat- und Familienlebens darstellen. Rückkehrentscheidungen hätten sohin dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen.

6. Mit Aktenvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.08.2018, wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zunächst nicht zuerkannt.

7. Die Beschwerdeführer wurden am 30.10.2018 mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

8. Mit Teilerkenntnissen vom 30.10.2018 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und behob Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides ersatzlos, um den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

8.1. Das Bundesamt erhob gegen die Teilerkenntnisse vom 30.10.2018 ordentliche Revision.

8.2. Mit Erkenntnis vom 26.03.2019 hob der Verwaltungsgerichtshof die Teilerkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2018 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Georgiens und weisen die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Identitäten auf. Im Herkunftsstaat lebten die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise zuletzt in XXXX , Georgien.

Alle Beschwerdeführer sind ethnische Georgier und sprechen muttersprachlich Georgisch. Sie sind christlich-orthodoxen Glaubens.

1.1.2. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über eine elfjährige Schulbildung und war in Georgien als Taxifahrer tätig. Dem Erstbeschwerdeführer wurde der Führerschein für insgesamt fünf Jahre entzogen. Zuletzt war der Erstbeschwerdeführer ohne Beschäftigung.

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und besuchte ein Pharmazeutisches College. Sie absolvierte ein Praktikum in einer Apotheke in Georgien. Zuletzt war sie ohne Beschäftigung.

1.1.3. Die Eltern des Erstbeschwerdeführers leben in XXXX , Georgien. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers betreibt einen Marktstand und verkauft Lebensmittel. Der Vater und der Bruder des Erstbeschwerdeführers gehen Gelegenheitsarbeiten nach.

Die Mutter des Erstbeschwerdeführers unterstützte den Erstbeschwerdeführer und seine Familie vor der Ausreise finanziell.

Die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin lebt und arbeitet in der Türkei. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin pflegt seine Mutter und ist nicht erwerbstätig. Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebt im Herkunftsstaat und ist verheiratet und Hausfrau.

1.1.4. In Österreich haben die Beschwerdeführer außerhalb ihrer Kernfamilie keine familiären und keine näheren freundschaftlichen oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin besuchten keine Deutsch- oder Integrationskurse. Die Beschwerdeführer waren in keinem Verein Mitglieder und sprechen nicht Deutsch.

Der Drittbeschwerdeführer besuchte in Österreich die Schule.

1.1.5.1. Zweitbeschwerdeführerin, Drittbeschwerdeführer und Viertbeschwerdeführerin sind gesund und leiden an keinen lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden Erkrankungen.

1.1.5.2. Der Erstbeschwerdeführer leidet an chronischer Virushepatitis C.

Von XXXX bis XXXX stand der Erstbeschwerdeführer stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX in Behandlung. Diagnostiziert wurden eine kurze depressive Reaktion (F43.2), eine posttraumatische Belastungsstörung, ein "Suizidversuch oder absichtliche Selbstverletzung, 931.9", Schnittverletzungen an Unterarmbeugeseite und Hals und eine chronische Virushepatitis C. Seine akute Suizidalität klang während dieses Klinkaufenthalts vollständig ab. Pharmakologisch erhielt der Erstbeschwerdeführer während der stationären Behandlung Zyprexa (2 x 10 mg) sowie Temesta expidet (3 x 2,5 mg). Diese Medikation wurde vor der Entlassung "langsam ausgeschlichen". Eine weiterführende medikamentöse Therapie nach der Entlassung wurde nicht als indiziert angesehen. Zur weiteren Betreuung nach der Entlassung wurde der Besuch einer Psychologin empfohlen.

Von XXXX bis XXXX wurde der Erstbeschwerdeführer erneut stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX anlässlich einer Selbstverletzung (Abziehen der Nägel der großen Zehen) behandelt. Diagnostiziert wurden eine Anpassungsstörung sowie ein Verdacht auf eine Borderline Persönlichkeitsstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie chronische Hepatitis C. Als medikamentöse Therapie wurde Sertralin 50 mg (1-0-0), Zyprexa VT 5mg (1-0-1), Dominal forte (0-0-0-1) sowie Seroquel 50 mg bei Spannungszuständen empfohlen. Ferner wurde eine Weitebetreuung bei OMEGA oder ZEBRA für die Zeit nach der Entlassung empfohlen.

Diese Medikation wurde vom Erstbeschwerdeführer auch nach seiner Entlassung aus der stationären Behandlung bezogen.

Von XXXX bis XXXX war der Erstbeschwerdeführer erneut stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX aus Anlass einer Selbstverletzung (insb zwei Bisswunden am rechten Unterarm) aufhältig. Anlässlich dieses Aufenthalts wurden beim Erstbeschwerdeführer eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3), selbst zugefügte Bissverletzungen, Cannabisabusus in Form eines aktuell schädlichen Gebrauches (F12.1) und erneut eine chronische Virushepatitis C (B18.2) diagnostiziert. Die Medikation mit Sertralin und Zyprexa wurde unverändert fortgeführt. Das Medikament Dominal wurde auf 2x abends gesteigert. Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung zeigte sich der Erstbeschwerdeführer im weiteren stationären Verlauf durchgängig angepasst und therapieeinsichtig. Er distanzierte sich klar von jeglicher Selbst- und Fremdgefährdung. Die Entlassung erfolgte am XXXX ohne Hinweis auf Selbst- oder Fremdgefährdung in die Obhut der Zweitbeschwerdeführerin. Als weitere Therapien für die Zeit nach der Entlassung wurden Sertralin 50 mg (1-0-0), Zyprexa 5 mg (1-0-1), Dominal forte 80 mg (0-0-0-2) sowie eine weitere Betreuung bei Omega oder Zebra und eine Kontrolle bei einem niedergelassenen Psychiater empfohlen.

Weitere Diagnosen liegen für den Erstbeschwerdeführer nicht vor.

1.1.6. Die Zweitbeschwerdeführerin ist erwerbsfähig. Sämtliche Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Erstbeschwerdeführer ist in Georgien vorbestraft.

1.1.7. Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen Beschwerdeführer ist durch deren Eltern gesichert.

1.1.8. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin waren in Österreich nicht erwerbstätig und lebten mit ihren Kindern von Leistungen der Grundversorgung.

1.1.9. Sämtliche Beschwerdeführer reisten am 20.02.2018 nach Österreich ein und hielten sich bis zu ihrer Abschiebung durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Sämtliche Beschwerdeführer wurden am XXXX mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer in Georgien Übergriffe oder intensive Diskriminierung wegen einer politischen Betätigung der Zweitbeschwerdeführerin oder wegen eines durch diese wahrgenommenen und dokumentierten Wahlbetruges ernstlich zu erwarten haben. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer wegen dieser Betätigungen seiner Gattin inhaftiert werden würde. Insb kann auch nicht festgestellt werden, dass die erwachsenen Beschwerdeführer wegen dieser Betätigungen der Zweitbeschwerdeführerin in Georgien an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und Begründung eines Auskommens gehindert werden würden. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen Beschwerdeführer Übergriffen oder erheblichen Diskriminierungen - etwa dem Vorenthalten von Bildungseinrichtungen (insb dem Kindergarten) - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer nach ihrer Rückkehr in eine ihre Existenz bedrohende Notlage geraten würden.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Georgien

1.3.1. Als örtliche Gegebenheiten festgestellt werden ausgewählte Kapitel des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation "Georgien" idF der Gesamtaktualisierung vom 12.09.2019:

2. Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. (FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

- CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

- DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

- OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

- Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

- Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

3. Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

- EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

3.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 27.8.2018).

In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).

Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).

Zu den anhaltenden Problemen Abchasiens gehören ein mangelhaftes Strafrechtssystem, die Diskriminierung ethnischer Georgier und ein Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen "Behörden", dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).

Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste, selbst für den Rücktritt des abchasischen "Staatspräsidenten" (FH 4.2.2019).

Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).

Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019

3.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.2019).

Im März 2017 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 27.8.2018, vgl. FH 4.2.2019). Obwohl die südossetischen de facto-Behörden den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien verweigern, gibt es eine besondere Übergangsregelung für diejenigen aus dem Bezirk Akhalgori. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019).

Die russische "Grenzverfestigung" (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 13.3.2019, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2018 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im November 2018 verabschiedete das Parlament Südossetiens ein neues Gesetz, das die Geldbußen für illegale Grenzübertritte um fast das Vierfache erhöht. Ende Dezember 2018 gaben die Behörden bekannt, dass ein spezieller Pass erforderlich sein würde, um die Grenze zu Georgien zu überschreiten (FH 4.2.2019).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Zahlreiche politische Parteien wurden durch bürokratische Hürden an der Registrierung vor den Parlamentswahlen 2019 gehindert. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung der vermeintlichen politischen Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.2.2019).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.2.2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- AI - Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of "borderization" in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - South Ossetia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2014287.html, Zugriff 20.8.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

5. Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector's Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der "State Inspector's Service" als Nachfolgeorganisation des "Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten" seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector's Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

- PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

- SIS - State Inspector's Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- CoE-CPT - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

- EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

7. Korruption

Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei "Georgischer Traum" in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).

Im "Corruption Perceptions Index 2018" von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).

Quellen:

- EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

- TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019

- TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019

8. NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten "Watchdog"-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 - Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

- HRC - Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

9. Ombudsperson

Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung" wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI 19.12.2017).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ombudsperson veröffentlicht auch regelmäßig Berichte über ihre Erkenntnisse zur Menschenrechtslage. Die Regierung muss auf die Handlungsempfehlungen reagieren. Außerdem kann die Ombudsperson die Staatsanwaltschaft auffordern, Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf neun. Der stetige Anstieg der Beschwerden zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Ombudsperson (AA 27.8.2018).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

- ENNHRI - European Network of National Human Rights Institutions (19.12.2017): The Public Defender (Ombudsman) of Georgia, http://www.ennhri.org/The-Public-Defender-Ombudsman-of-Georgia-131, Zugriff 26.8.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 26.8.2019

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln postuliert. Mit der Ombudsperson für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 27.8.2018).

Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für die konkret gefährdeten Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verfahrensrechte der Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die Missbrauch anzeigen, den rechtlichen Opfer-Status zu gewähren, wodurch sie der Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten beraubt werden (HRW 17.1.2019).

Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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