Entscheidungsdatum
15.04.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2213815-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Caritas Diözese Graz Seckau, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 27.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.04.2021 erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 07.11.2017 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 07.11.2017 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe den Herkunftsstaat aufgrund des Krieges und der Taliban verlassen, er habe dort keine Zukunft.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.11.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Ausreisegründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, in Afghanistan herrsche Krieg, er habe dort nicht lernen können und keine Ausbildung bekommen. Die Taliban hätten ihn nicht in die Schule gehen lassen.
Am 06.12.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen durch die Taliban, er sei in ihr Visier geraten, nachdem sie ihm den Schulbesuch verboten hätten. Das Entführungsrisiko für Rückkehrer aus Europa sei besonders hoch. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht verfügbar. Die Sicherheitslage sei schlecht, Minderjährige seien besonders gefährdet.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.12.2018, zugestellt am 02.01.2019, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe dazu, dass die Taliban ihn nicht in die Schule hätten gehen lasse, vage angaben gemacht. Die Ausführungen seien nicht plausibel, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit einer Anzeige in Anspruch nehmen können. Dass die Angehörigen weiter in Kabul leben würden, sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer sei jung, gesund und arbeitsfähig und habe in Kabul ein familiäres Netzwerk. Er könne von seiner Familie Unterstützung erhalten und im Auffangbecken seiner Volksgruppe landen. Es gebe Rückkehrunterstützung
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2018 richtet sich die am 21.01.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, die Behörde habe die Akteneinsicht vor der Einvernahme verweigert. Die Identität sei gleichbleibend angegeben worden. Der Beschwerdeführer habe sich lediglich sechs Monate in Kabul aufgehalten, Afghanistan sei ihm weitgehend fremd. Der Beschwerdeführer habe Verfolgungshandlungen durch die Taliban zu fürchten, er sei in ihr Visiert geraten, nachdem sie ihm den Schulbesuch verboten hätten. Staatlicher Schutz bestehe nicht. Der Beschwerdeführer wolle ein freies und selbstbestimmtes Leben nach westlichen Werten führen, er sei gefährdet, als soziale Normen überschreitend wahrgenommen zu werden. Der Beschwerdeführer werde auch wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der besonders gefährdeten Kinder asylrelevant Verfolgt. Die Einvernahme habe nicht kindspezifischen Vernehmungsstandards entsprochen, zu wesentlichen Punkten sei der Beschwerdeführer nicht befragt worden. Die Dichte des Vorbringens von Minderjährigen sei anders zu beurteilen. Auch Vorverfolgung sei nicht Voraussetzung für die Asylgewährung. Die Annahme, dass staatlicher Schutz bestehe, sei nicht nachvollziehbar begründet worden und sei dieser nicht vorhanden. Die Sicherheitslage sei schlecht, auch in Kabul. Männer und Burschen im wehrfähigen Alter seien per se bereits Risikogruppe. Der Beschwerdeführer sei minderjährig und daher vulnerabel.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 29.04.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, die Taliban hätten ihm den Schulbesuch verboten und werde er deshalb verfolgt, im Wesentlichen aufrecht. Zudem brachte er in der Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme ein.
Mit Schreiben vom 02.03.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben 10.03.2020 auf eine Stellungnahme, die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 25.03.2020 am Bundesverwaltungsgericht ein.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Teilnahmebestätigungen für diverse Kurse
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren, wo er vier Jahre die Schule besuchte. Die Familie des Beschwerdeführers kehrte etwa ein halbes Jahr vor der Ausreise nach Afghanistan zurück und ließ sich in Kabul nieder. Der Beschwerdeführer lebte etwa sechs Monate in Kabul.
Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei Brüder, sowie vier Schwestern des Beschwerdeführers leben in Kabul. Der Vater betreibt ein Lebensmittelgeschäft in Kabul. Der Beschwerdeführer steht zu seiner Familie in Kontakt.
Ein Bruder des Beschwerdeführers ist in Holland aufhältig.
Außerdem leben noch Onkel und Tanten des Beschwerdeführers in Kabul.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einige Kurse besucht. Er verfügt nicht über Berufserfahrung oder eine Berufsausbildung.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Dass dem Beschwerdeführer von den Taliban in Kabul der Schulbesuch verboten und die Schule, die der Beschwerdeführer besucht hat, geschlossen wurde, wird nicht festgestellt. Es wird auch nicht festgestellt, dass ihn die Taliban zum Besuch einer Koranschule zwingen wollten.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe wegen einer westlichen Werthaltung oder einem westlichen Lebensstil. Dass der Beschwerdeführer von Zwangsrekrutierung von Seiten regierungsfeindlicher oder regierungstreuer Kräfte betroffen wäre, ist nicht zu erwarten.
1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
In Afghanistan gibt es - trotz diesbezüglich Bemühungen von staatlicher Seite - kein zuverlässiges Unterstützungssystem für rückkehrende Kinder und Jugendliche. Eine Nachbetreuung ist praktisch nicht existent und es gibt keine auf unbegleitete Minderjährige spezialisierten Reintegrationsprogramme.
Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.
Im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul besteht die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer der Zugang zu Bildung verwehrt wird und er in nicht altersgerechter Weise durch Erwerbsarbeit zum Haushaltseinkommen beitragen muss.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer trägt
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus. Die Feststellung zur Muttersprache beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers sowie dem Umstand, dass eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer in Paschtu stets möglich war.
Die Feststellung zum Geburtsjahr folgt den Angaben des Beschwerdeführers, die vom von der belangten Behörde eingeholten medizinische Sachverständigengutachten zur forensischen Altersschätzung bestätigt werden (AS 107 ff.). Daraus ergibt sich für den Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von zwölf Jahren und neun Monaten, wobei das vom Beschwerdeführer angegebene Alter dem durchschnittlichen Skelettalter entspricht.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Der Beschwerdeführer hat gleichbleibend angegeben, dass er in Pakistan geboren wurde und dort vier Jahre die Schule besucht hat. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer angegebene Rückkehr der Familie nach Afghanistan ein halbes Jahr vor der Ausreise des Beschwerdeführers sowie die Niederlassung in Kabul. Dass die Familie weiterhin in Kabul lebt, der Vater des Beschwerdeführers ein Lebensmittelgeschäft betreibt, sowie, dass der Beschwerdeführer in Kabul auch Onkel und Tanten hat, hat der Beschwerdeführer ebenso gleichbleibend angegeben. Gleiches gilt für den Aufenthalt eines Bruders in Holland. Dass der Beschwerdeführer zu seinen Eltern in Kontakt steht, hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.04.2019 bestätigt.
Die Feststellung zum Kursbesuch des Beschwerdeführers beruht auf den vorgelegten Bestätigungen und Zertifikaten, dass er nicht über Berufserfahrung oder eine Berufsausbildung verfügt, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer gegenteiliges nicht behauptet hat, sowie auf dem Alter des Beschwerdeführers.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer angegebenen Ausreisegründe geht das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist. So führt bereits die belangte Behörde beweiswürdigend aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers allgemein gehalten gewesen sei und der Beschwerdeführer lediglich vage Aussagen gemacht habe und nicht in der Lage gewesen sei, die angegebene Bedrohung konkret zu schildern (angefochtener Bescheid, S.108, AS 714). Diese Einschätzung teilt das Bundesverwaltungsgericht - auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers. Richtig ist - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde ausführt - dass die Dichte des Vorbringens bei Minderjährigen anders zu beurteilen ist. So ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine besondere Berücksichtigung der Minderjährigkeit eines Asylwerbers bei der Beweiswürdigung und Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich. Insbesondere ist die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" zu messen und muss aus der Entscheidung erkennbar sein, dass darauf und auch auf den Blickwinkel, aus dem die Schilderung der Fluchtgründe erfolgt, Bedacht genommen wurde. Demnach bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150 mwN). Das Bundesverwaltungsgericht übersieht auch nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise noch ein Kind im Alter von etwa 13 oder 14 Jahren war. Allerdings ist dennoch zu erwarten, dass er die behaupteten Ereignisse in irgendeiner Weise schildern und als Geschichte erzählen kann. Der Beschwerdeführer beschränkt sich allerdings auf bloße Floskeln und hält seine Antworten in der mündlichen Verhandlung kurz und allgemein, ohne einen Ablauf oder eine Folge konkreter Handlungen zu schildern. Zudem ist die vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohung insofern nicht plausibel, als er einerseits angibt, die Familie lebe versteckt in Kabul und sei in großer Gefahr, während der Vater des Beschwerdeführers aber seit über zwei Jahren ein Lebensmittelgeschäft betreibt und dort zweifellos leicht auffindbar ist.
Zudem erweisen sich die Angaben des Beschwerdeführers zu einer Schulschließung durch die Taliban in Kabul vor dem Hintergrund der Länderberichte als nicht plausibel. So berichtet der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.03.2020 in das Verfahren eingebrachte EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 zwar, dass die Taliban während ihrer Herrschaft in den 90er Jahre nichtreligiöser Bildung eingeschränkt haben und als sie in den Jahren 2004 bis 2005 als Aufständische erneut in Erscheinung traten, ihre Feindseligkeit gegenüber den vom Bildungsministerium betriebenen Schulen bekundeten. Die Gewalt gegen Schulen habe ihren Höhepunkt im Jahr 2006 erreicht, als Dutzende Schüler und Lehrkräfte getötet und hunderte Schulen niedergebrannt oder zwangsweise geschlossen worden seien. In diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer allerdings gerade etwa drei Jahre alt und in Pakistan aufhältig. In der Folge hätten sie die Wiedereröffnung von Schulen unter gewissen Auflagen wieder erlaubt und schließlich im Jahr 2009 Schulen und Lehrkräfte von ihrer Liste der Angriffsziele genommen, was zu einem Rückgang der Angriffe auf Schulen geführt habe. Angriffe auf Schulen und Lehrkräfte kommen dem Bericht zufolge zwar auch seither noch vor, Ziel der Taliban sei jedoch nicht die Schließung von Schulen, sondern die Erlangung der Kontrolle über diese durch lokale Vereinbarungen. Für den Zeitraum 2016, auf den sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, seine Angaben zur Ausreise und Aufenthalten in diversen Ländern bis zur Einreise ins Bundesgebiet berücksichtigend, in etwa bezieht, wird von einem starken Rückgang der Zwischenfälle berichtet (Kapitel 1.2.4.2 Gezielte Angriffe auf Bildungseinrichtungen seit 2001, S. 40). Zwar ist damit nicht ausgeschlossen, dass der vom Beschwerdeführer allgemein beschriebene Vorfall der Schließung einer Schule durch die Taliban sich ereignen kann. Der Beschwerdeführer allerdings lokalisiert das von ihm beschriebene Geschehen in Kabul. Kabul steht aktuell und stand auch bereits im Jahr 2016 unter Kontrolle der Afghanischen Regierung, wie sich dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul) ergibt. Aufständische würden dort insbesondere Anschläge auf hochrangige Ziele ausführen, wobei der bereits zitierte EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 berichtet etwa von einem gezielten Angriff auf die American University in Afghanistan im Jahr 2016, der allerdings dem Bericht zufolge mit der überwiegenden Finanzierung der Universität durch die Vereinigten Staaten in Zusammenhang steht (S. 43). Dass aber die Taliban ihre Kapazitäten in Kabul für die Schließung einer normalen öffentlichen Schule für Kinder aufwenden würden, scheint angesichts der Gefährlichkeit von Aktivitäten in Kabul für die Taliban als höchst unplausibel. Insbesondere ist eine dauerhafte Präsenz der Taliban zur Durchsetzung dieses Zieles sowie eine zusätzliche Bedrohung der ehemaligen Schüler der Schule in einem Gebiet, über das die Taliban nicht die Kontrolle haben, nicht realistisch, nachdem die Taliban in Kabul nicht offen agieren können. So findet eine Einflussnahme der Taliban auf Schulen in Kabul weder im Länderinformationsblatt, noch in der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.03.2020 in das Verfahren eingebrachten EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) Erwähnung. Dort wird viel mehr hinsichtlich Kabul, Mazar-e Sharif und Herat berichtet, dass Bildungseinrichtungen präsent und der Zugang zu Schulen besser ist (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, Unterkapitel 10 Children, Buchstabe e. Education of children and girls in particular, S. 58 ff.).
Zur behaupteten Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner "westlich orientierten Werthaltung" bzw. seinem Wunsch, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, ist zunächst anzumerken, dass dieses Vorbringen sich auf die Schriftsätze seiner Vertretung beschränkt, der Beschwerdeführer selbst allerdings weder in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine derartige Rückkehrbefürchtung äußert. Zwar gesteht das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer durchaus zu, dass seine Lebensgewohnheiten und seine Werthaltung sich bedingt durch sein überwiegendes Aufwachsen in Pakistan und Österreich von demjenigen eines im Herkunftsstaat aufgewachsenen Teenagers unterscheidet. Jedoch ist dem vorliegenden Länderberichtsmaterial nicht zu entnehmen, dass für Männer - im Unterschied zu Frauen, die einen am "westlichen Gesellschaftsbild" orientierten selbstbestimmten Lebensstil pflegen wollen - ein am "westlichen" Gesellschaftsbild orientierter Lebensstil bzw. eine "westliche" Geisteshaltung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe gegen die betroffene Person auslösen. Den Länderinformationen lässt sich etwa entnehmen, dass Frauen in Afghanistan aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, mit allgegenwärtiger sozialer, politischer und ökonomischer Diskriminierung konfrontiert sind. Frauen, die vermeintliche soziale Normen und Sitten verletzen - dies sind zum Beispiel Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die Forderung nach männlicher Begleitung in der Öffentlichkeit oder Beschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten - werden stigmatisiert, diskriminiert und ihre Sicherheit ist gefährdet. Besonders gefährdet und kaum in der Lage, zu überleben, sind Frauen ohne männlichen Schutz. (siehe dazu UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe h) Frauen im öffentlichen Leben, S. 51 und Buchstabe i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen, S. 52 sowie Länderinformationsblatt, Kapitel 18. Relevante Bevölkerungsgruppen, Unterkapitel 18.1. Frauen). Vergleichbare Einschränkungen in der Lebensführung für Männer ergeben sich aus den vorliegenden Länderinformationen nicht und hat der Beschwerdeführer eine damit vergleichbare Situation für Männer auch nicht behauptet. Dem Beschwerdeführer können als Mann auch keine Übergriffe aufgrund von Verstößen gegen Frauen betreffende soziale Normen und Sitten drohen, mag auch ein selbstbestimmtes Leben in Form von etwa Berufstätigkeit, Teilnahme am öffentlichen Leben und Bewegungsfreiheit fester Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers sein. Jedoch bricht er damit nicht - wie es bei Frauen der Fall wäre - mit afghanischen Sitten und Gebräuchen und können ihm aus diesem Grund auch keine Übergriffe drohen. Zudem ist der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.03.2020 in das Verfahren eingebrachten EASO, Country Guidance zu entnehmen, dass das Risiko, als verwestlicht wahrgenommen zu werden, minimal ist und von den spezifischen individuellen Umständen abhängt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as 'Westernised', S. 65-66). Solche spezifischen Umstände hat der Beschwerdeführer nicht dargetan und sind diese auch nicht ersichtlich.
Zu Vorbringen, dass Männer und Burschen im wehrfähigen Alter per se bereits Risikogruppe seien ist auszuführen, dass zwar den vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.03.2020 in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (sowie den bereits oben zitierten Berichten) zu entnehmen ist, dass es zu Fällen von Zwangsrekrutierung auch gegen Minderjährige kommt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59 ff.). Keineswegs dargestellt wird jedoch eine Situation, in der jeder Jugendliche zum Kampf für regierungsfeindliche oder regierungstreue Gruppierungen eingezogen würde. Auch aus der EASO Country Guidance geht eine derartige Situation nicht hervor. Hier wird hinsichtlich der Taliban viel mehr berichtet, diese hätten keine Probleme, Freiwillige Kämpfer zu finden und würden lediglich in Ausnahmefällen auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen, die Rekrutierungsstrategie von IS sei auf ehemalige Talibankämpfer fokussiert und bei regierungsnahen Kräften würden die Rekrutierungsmethode von lokalen Umständen abhängen (Abschnitt Common Analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, Unterkapitel 6. Individuals at risk of forced recruitment by armed groups, S. 53-54). Damit ergibt sich aus den Länderberichten Hinweis darauf, dass genau dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr Zwangsrekrutierung droht und hat der Beschwerdeführer keinerlei Anhaltspunkte dargetan, die eine konkrete Betroffenheit seiner Person von Zwangsrekrutierungsmaßnahmen wahrscheinlich erscheinen lassen. Folglich wurde festgestellt, dass eine Rekrutierung des Beschwerdeführers durch regierungsfeindliche oder regierungsnahe Kräfte nicht zu erwarten ist.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien; siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.
Hinsichtlich rückkehrender Minderjähriger berichtet das Länderinformationsblatt, dass diese selbst bei vorhandener familiärer Unterstützung vulnerabel sind, Nachbetreuung für Familien rückkehrender unbegleiteter Minderjähriger sei praktisch nicht existent und es gebe keine spezialisierten Reintegrationsprogramme (Kapitel 23. Rückkehr, Unterkapitel 23.1. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF)). Eine entsprechende Feststellung wurde folglich getroffen.
Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul sowie auf den UNHCR-Richtlinien (dazu sogleich). So lässt sich dem aktuellen Länderinformationsblatt keine Trendumkehr hinsichtlich der Verschlechterung der Sicherheitslage erkennen, sondern wird viel mehr von einer Zunahme der zivilen Opfer um 2 % berichtet (Abschnitt Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung), wobei als Hauptursache für zivile Opfer Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen genannt werden. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem aktuelleren Länderinformationsblatt keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel an der Aktualität der Einschätzung und Informationen der UNHCR-Richtlinien hegt.
Zu einer möglichen Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul ist auszuführen, dass EASO die Sicherheitslage in Kabul dergestalt einschätzt, dass die Stadt von Gewalt betroffen ist, das Gewaltniveau ist allerdings im Landesvergleich nicht so hoch, weswegen für die Beurteilung der konkreten Betroffenheit individuellen Elementen eine höhere Bedeutung zukommt (EASO Country Guidance, Abschnitt Common Analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Unterabschnitt Kabul, S. 101-102).
Maßgebliche Faktoren, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Kabul gefahrlos niederlassen kann, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist als minderjähriger von der Versorgung durch erwachsene Bezugspersonen abhängig. Zwar lebt die Familie des Beschwerdeführers in Kabul, weswegen er grundsätzlich über erwachsene Bezugspersonen und ein soziales Netzwerk vor Ort verfügt.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Lebensverhältnissen der Familie in Herkunftsstaat können zwar unter Berücksichtigung dessen, dass sie zu großen Teilen zur Stützung des als nicht glaubhaft bewerteten Fluchtvorbringens gemacht wurden - so gab der Beschwerdeführer an, seine Geschwister könnten wegen der Taliban die Schule nicht besuchen und auch ihm selbst sei dies aus demselben Grund verwehrt worden - den Erwägungen zur Rückkehrsituation nicht gänzlich zugrunde gelegt werden. Allerdings hat der Beschwerdeführer gleichbleibend und durchgehend als Ausreisemotivation die fehlenden Zukunftsaussichten und insbesondere mangelnden Zugang zu Bildungsmöglichkeiten vorgebracht.
Zudem ist etwa dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass - ungeachtet der Schulpflicht für Grundschule und Unterstufe der Sekundarschule der Schulbesuch verpflichtend und alle afghanischen Staatsbürger laut Verfassung das Recht auf Bildung haben - der tatsächliche Schulbesuch eines Kindes vom Bildungsstand der Familie abhängt. Hinsichtlich urbaner Gebiete wird im Länderinformationsblatt berichtet, dass 77,5 % der Buben die Schule besuchen. Dieser Anteil liegt jedoch bei Rückkehrer-Familien - so wie der Familie des Beschwerdeführers - bei lediglich 55 %. Im Bereich der tertiären Schulbildung sind die Schulbesuchsraten allerdings noch geringer (Kapitel 18. Relevante Bevölkerungsgruppen, Unterkapitel 18.2. Kinder Abschnitt Schulbildung in Afghanistan). Auch die EASO Country Guidance betont hinsichtlich der Städte, dass der Zugang zu Schulen insbesondere durch das Fehlen von Identitätsnachweisen und mangelnde finanzielle Ressourcen behindert wird, was wiederum insbesondere Rückkehrer betrifft (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, Unterkapitel 10 Children, Buchstabe e. Education of children and girls in particular, S, 58 ff.). Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers ein Lebensmittelgeschäft betreibt, nicht, dass die Familie des Beschwerdeführers über außergewöhnliche finanzielle Mittel verfügt. Auch das Länderinformationsblatt berichtet für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge von häufig prekären Lebensverhältnissen, mangelndem Zugang zu Bildung und einer starken Einschränkung wirtschaftlicher Teilhabe (Kapitel 23. Rückkehr). Damit ist der zwar nicht mehr schulpflichtige aber noch immer minderjährige Beschwerdeführer als Rückkehrer aus Pakistan und Europa, vom mangelnden Schulzugang im Herkunftsstaat und ansonsten prekären Lebensverhältnissen voraussichtlich besonders betroffen. Insgesamt ist damit der konkrete Zugang des Beschwerdeführers zu Schulbildung im Fall einer Niederlassung in Kabul zweifelhaft.
Weiter besteht auch die Gefahr, dass der minderjährige Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in nicht altersgerechter Weise zum Haushaltseinkommen beitragen muss. Zwar berichtet die EASO Country Guidance, dass Kinder unter 18 Jahren in Afghanistan nicht mehr als 35 Stunden arbeiten dürfen und insbesondere gefährliche und schädliche Arbeitsbedingungen für Kinder verboten sind. Ungeachtet dessen wird Kinderarbeit als großes Problem in Afghanistan beschrieben, sowie, dass das Problem mit steigendem Alter zunimmt (bschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, Unterkapitel 10. Children, Buchstabe b. Child labour, S. 57). Dem Länderinformationsblatt zufolge wirkt sich Kinderarbeit insbesondere auch negativ auf den Bildungsverlauf der betroffenen Kinder aus (Kapitel 18. Relevante Bevölkerungsgruppen, Unterkapitel 18.2. Kinder Abschnitt Schulbildung in Afghanistan) und wird auch berichtet, dass 51,8 % der Kinder im Jahr 2014 auf die eine oder andere Weise gearbeitet haben
Auch das Länderinformationsblatt bestätigt im Übrigen, dass in Afghanistan grundsätzlich ein Mindesalter von 18 Jahren für eine Erwerbstätigkeit gilt und früher nur gearbeitet werden dann, wenn die Arbeit nicht schädlich ist, weniger als 35 Stunden die Woche beträgt und eine Form der Berufsausbildung darstellt. Nach dem Länderinformationsblatt sind insbesondere zwei Faktoren für das Risiko einer individuellen Betroffenheit zentral, nämlich 1. Ob eine Familie intakt ist, oder bedeutsame Ernährer der Familie fehlen und 2. Die Haltung der Familie, insbesondere der Eltern, gegenüber Kinderarbeit und Bildung (Kapitel Kapitel 18. Relevante Bevölkerungsgruppen, Unterkapitel 18.2. Kinder Abschnitt Kinderarbeit).
Nun gibt der Umstand, dass der damals 13-jährige Beschwerdeführer alleine auf die Reise nach Europa geschickt wurde, Aufschluss darüber, welche nicht kindgerechte Verantwortung und Risiken ihm bereits in der Vergangenheit durch seine Familie aufgebürdet wurden. Zudem hat der Beschwerdeführer in Pakistan, obgleich er dort die ersten 13 Jahre seines Lebens verbracht hat. Dies ist ein gemessen an Aufenthaltsdauer und Lebensalter ein sehr kurzer Zeitraum, weswegen Zweifel an der Bildungsaffinität des Haushaltes, aus dem der Beschwerdeführer stammt, angebracht sind. Auch der im Bundesgebiet vom Beschwerdeführer gezeigte Bildungseifer, der sich in seinen Kursbesuchen - die er mit Teilnahmebestätigungen nachgewiesen hat - manifestiert, bestätigt den intensiven Bildungswunsch des minderjährigen Beschwerdeführers und deutet darauf hin, dass er nunmehr jene Bildungschancen nützt, die ihm im Herkunftsstaat verwehrt waren.
Insgesamt erscheint die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer einerseits Bildung verwehrt und andererseits eine nicht altersgerechte berufliche Tätigkeit außerhalb eines Ausbildungsverhältnisses zugemutet wird, zu groß, um eine gefahrlose Niederlassung des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr nach Kabul feststellen zu können.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
3.1.1. Zum Fluchtvorbringen einer behaupteten Schulschließung und Aufforderung zum Besuch einer Koranschule
Die Beschwerde verknüpft das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers mit dem GFK-Fluchtgrund der politischen Gesinnung.
Nach dem gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG unmittelbar anwendbaren Art. 10 Abs. 1 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (in der Folge gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 AsylG "Statusrichtlinie") ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Art. 6 Statusrichtlinie genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass als politisch alles qualifiziert werden kann, was für den Staat, für die Gestaltung bzw. Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der Gemeinschaft von Bedeutung ist (VwGH 30.09.2004, 2002/20/0293 m.w.N.; siehe auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 3 AsylG, K51).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer allerdings nicht glaubhaft machen, dass die Taliban eine vom Beschwerdeführer in Kabul besucht Schule geschlossen haben und auch nicht, dass sie ihn zum Besuch einer Koranschule zwingen wollten. Eine tiefergreifende Auseinandersetzung mit der Zuordnung des Fluchtvorbringens zu einem GFK-Fluchtgrund erübrigt sich sohin.
3.1.2. Zum auf "westliche Orientierung" bezogenen Fluchtvorbringen
Nach der Rechtsprechung des VwGH können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0357).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der VwGH in seiner bisherigen Judikatur die Asylgewährung aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils auf Frauen beschränkt hat (Vgl. auch VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329). Weiter ist zum Gehalt der "westlichen" Orientierung auszuführen, dass diese vor allem eine selbstbestimmte Lebensweise umfasst, insbesondere Zugang zu Bildung und Ausbildung, Berufstätigkeit (ohne männliche Zustimmung), selbstständige Lebensführung auch außer Haus, Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung, Entscheidungshoheit über die eigene Lebensführung, etc. Dass dem Beschwerdeführer als Mann aufgrund einer solchen eine mögliche "westliche" Orientierung ausdrückenden Lebensstils Übergriffe drohen, konnte - wie beweiswürdigend ausgeführt - nicht glaubhaft gemacht werden, weswegen auch eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr zu verneinen ist.
3.1.3. Zur behaupteten Zugehörigkeit zur Risikogruppe der Männer und Burschen im wehrfähigen Alter
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).
Zunächst ist anzumerken, dass aus der abstrakten Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe - mag diese auch von UNHCR als solche betrachtet werden - noch nicht folgt, dass sich dieses Risiko für den Fall der Rückkehr einer konkreten Person verwirklicht. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr von Zwangsrekrutierung durch regierungsnahe oder regierungsfeindliche Gruppierungen betroffen wäre. Zudem konnte er auch nicht glaubhaft machen, dass die Taliban ihn zum Besuch einer Koranschule aufgefordert hätten. Damit konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr Verfolgung im Sinne der oben zitierten Judikatur droht, weil er sich der Zwangsrekrutierung bereits entzogen hat bzw. weil er sich zukünftig im Fall der Rückkehr der Rekrutierung verweigern wird.
Insgesamt konnte der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Fall der Rückkehr wurde daher nicht glaubhaft gemacht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens - den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet - nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine besondere Vulnerabilität - etwa aufgrund von Minderjährigkeit - bei der Beurteilung, ob einem Fremden bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 MRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung mit der Situation, die eine solche Person bei ihrer Rückkehr vorfindet (zuletzt VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381). Unter dem Gesichtspunkt der besonderen Vulnerabilität von Kindern besteht die Verpflichtung, eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahren, die bei einer Rückkehr zu erwarten sind, durchzuführen (zuletzt VwGH 13.02.2020, Ra 2019/19/0245).
Die Gefahr einer Betroffenheit von Kinderarbeit sowie fehlender Zugang zu Bildung stellt zweifellos eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK dar, wobei der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf unter anderem drohende Kinderarbeit im Fall einer Rückkehr von der Gefahr einer Verletzung der gemäß Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgeht (VfGH 21.09.2017, 2130/2017).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt besteht im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer als Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten und Umstände im Herkunftsstaat der Zugang zu Bildung verwehrt wird und er in nicht altersgerechter Weise durch Erwerbsarbeit zum Haushaltseinkommen beitragen muss. Anknüpfungspunkte dafür, dass die Gefahr der Betroffenheit des Beschwerdeführers auf ein an einen GFK-Fluchtgrund anknüpfendes, in der Person des Beschwerdeführers gelegenes Merkmal zurückzuführen sind, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Dem Beschwerdeführer droht sohin im Fall der Rückkehr nach Afghanistan und Niederlassung in Kabul - ungeachtet dessen, dass er in der Stadt über ein soziales Netzwerk verfügt - als besonders vulnerabler Minderjähriger im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte.
Eine Niederlassung des minderjährigen Beschwerdeführers in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist, nachdem eine Niederlassung ohne erwachsene Bezugsperson per se nicht zumutbar ist, angesichts der festgestellten mangelnden Versorgung minderjähriger Rückkehrer von privater oder staatlicher Seite nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts per se ausgeschlossen, wobei anzumerken ist, dass die Gefahr von Kinderarbeit und mangelndem Zugang zu Bildung auch in diesen beiden Städten gegeben ist.
Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. war daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer spruchgemäß der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
3.3. Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen war.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt bei seiner rechtlichen Beurteilung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wobei verfahrensgegenständlich beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich waren. Zur Frage, ob dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuzuerkennen war, berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die besondere Vulnerabilität Minderjähriger (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381; VwGH 13.02.2020, Ra 2019/19/0245). Für die Feststellung des dafür maßgeblichen Tatsachensubtrates waren wiederum beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.
Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung Glaubwürdigkeit mangelnde Asylrelevanz Minderjährigkeit Sicherheitslage subsidiärer Schutz unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Versorgungslage vulnerable Personengruppe westliche Orientierung ZwangsrekrutierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2213815.1.00Im RIS seit
10.09.2020Zuletzt aktualisiert am
10.09.2020