TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/5 I407 2128443-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I407 2128443-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2019, Zl. 1102983408-190552803, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, stellte nach illegaler Einreise am 21.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) vom 25.05.2016 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Weiters wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist.

3. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in Folge: BVwG) vom 17.05.2018 zu I412 2128443-1 abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs mit 04.03.2019 in Rechtskraft.

4. Mit Schreiben vom 28.03.2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 AsylG. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin mittlerweile sehr gut integriert sei, Deutschkenntnisse auf Niveau A2 vorzuweisen habe und am 01.10.2019 eine Ausbildung an einem Tourismuskolleg beginnen würde.

5. Mit Schreiben vom 18.07.2019 verständigte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Verfahren zur Erlassung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung und forderte sie auf, binnen einer zweiwöchigen Frist eine Reihe von Fragen zu ihren persönlichen Verhältnissen und zu ihrem Leben in Österreich zu beantworten.

6. Am 12.08.2019 erstattete die Beschwerdeführerin fristgerecht die entsprechende Stellungnahme, in welcher sie unter anderem ausführte, aktuell in psychologischer Behandlung zu stehen. Nebst mehreren Empfehlungsschreiben wurde auch ein psychologisches Gutachten vom 09.11.2017 eingebracht, laut welchem bei der Beschwerdeführerin Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegen würden.

7. Mit Schreiben vom 13.08.2019 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, einen aktuellen Befund zu ihrem psychischen Gesundheitszustand zu übermitteln. Die Beschwerdeführerin brachte daraufhin am 23.09.2019 einen Befund vom 20.09.2019 ein, in welchem ausgeführt wird, dass sich die Beschwerdeführerin nach einjähriger Unterbrechung nunmehr seit September 2019 wieder in regelmäßiger therapeutischer Behandlung aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungsstörung befinden würde. Es sei bei Absolvierung einer Wochenstunde mit einer Gesamtdauer der Therapie von ca. einem Jahr zu rechnen.

8. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I., erster Spruchteil), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I., zweiter Spruchteil) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass aufgrund der kurzen Dauer des Aufenthaltes und mangels Vorliegens eines schützenswerten Familienlebens das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich überwiegen würde.

9. Gegen diesen Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 23.12.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen erneut ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich stark integriert sei und zudem die Rückkehrentscheidung aufgrund der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin unzulässig sei.

10. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.01.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie stammt aus Igbodo, Delta State und gehört der Volksgruppe der Ibo an. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie hält sich nach illegaler Einreise seit (spätestens) 21.01.2016 in Österreich auf, seit 17.05.2018 besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Zwar liegen Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung vor, sie befindet sich deshalb aber aktuell nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung.

In Österreich bestehen keine verwandtschaftlichen oder maßgebliche private Beziehungen der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin besuchte mehrere Jahre lang die Schule und arbeitete anschließend als Haushälterin in Ghana und Libyen. Sie hat aufgrund ihrer Ausbildung und Arbeitserfahrung eine Chance, zukünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

In Österreich hat die Beschwerdeführerin einige Schritte zur Integration gesetzt. Sie war als Verkäuferin einer Straßenzeitung tätig, bestand eine Deutschprüfung auf Niveau A2 und besucht seit 01.10.2019 ein zweijähriges Tourismuskolleg. Auch wenn sie um eine Integration bemüht ist, kann dennoch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 20.11.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People's Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Volljährigkeit, zum Familienstand, zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volks- und Religionsgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Einreise und zum Aufenthalt in Österreich sowie zum Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem unzweifelhaften Inhalt des Verwaltungsaktes, dem eingeholten Auszug aus dem Melderegister sowie aus der Einsicht in das Erkenntnis zum Vorverfahren vom 17.05.2018.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar. Die Feststellung zur psychologischen Symptomatik der Beschwerdeführerin und die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin aktuell nicht in diesbezüglicher Behandlung befindet, beruhen auf dem vorgelegten Gutachten sowie den Therapiebestätigungen (AS 317, 321, 323 und 345). Auch das eigene Vorbringen, eine Straßenzeitung zu verkaufen, spricht für die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin.

Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen, zu den Lebensumständen in Österreich sowie zur Integration der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin sowie den vorgelegten Unterlagen (ÖSD Zertifikat A2 AS 297, Bestätigung über die Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäuferin AS 303, Schulbesuchsbestätigung Tourismuskolleg AS 339).

Die Feststellungen zur Ausbildung und Berufserfahrung der Beschwerdeführerin in Nigeria, Ghana und Libyen ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 10.01.2020.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die unter Punkt II.1.2. getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 12.04.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018b): Nigeria - Kultur und Bildung, Medien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205846, Zugriff 9.11.2018

- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,

- AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 12.4.2019

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425079.html, Zugriff 8.11.2018

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.4.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland Bundesamt_f

- BBC News (22.10.2018): Nnamdi Kanu, Nigerian separatist leader, resurfaces in Israel, https://www.bbc.com/news/world-africa-45938456, Zugriff 17.12.2018

- BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 12.4.2019

- BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

- CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

- CIA - Central Intelligence Agency (11.3.2019): The World Fact Book, Nigeria, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 22.3.2019

- CLS - Cornell Law School (20.12.2018): Death Penalty Database - Nigeria - Annual Number of Reported Executions, https://www.deathpenaltyworldwide.org/country-search-post.cfm?141- 9chk=on&hideinfo=on, Zugriff 22.3.2019

- DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS4 - Diplomatic Source 4 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DT - Daily Trust (18.6.2016): Cult killings: States in grip of deadly rise, https://www.dailytrust.com.ng/cult-killings-states-in-grip-of-deadly-rise.html, Zugriff 16.11.2018

- EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019

- EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 11.4.2019

- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 12.4.2019

- EASO - European Asylum Support Office (24.1.2019): Query Response - Identification documents system in Nigeria

- EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focusnigeria-june2017.pdf, Zugriff 16.11.2018

- FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants: Assessing Conflict in Nigeria, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 16.11.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1443869.html, Zugriff 7.11.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 11.4.2019

- HL1 - Human Rights Lawyer 1 (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- HRW - Human Rigths Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/ document/2002184.html, Zugriff 11.4.2019

- ICRC - International Committee of the Red Cross (5.3.2019): Nigeria: Responding to the needs of communities affected by conflict in 2018, https://www.icrc.org/en/document/nigeriaresponding-humanitarian-needs-people-affected-armed-conflict-2018, Zugriff 3.4.2019

- IO1 - International Health and Development Research Organisation (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- IOM - International Organisation for Migration (16.3.2019): DTM Nigeria - DTM Round 26 Report, https://displacement.iom.int/system/tdf/reports/Nigeria%20-%20DTM%20Round

- IOM - International Organisation for Migration (2.2019): DTM - Nigeria - Background, https://www.globaldtm.info/nigeria/, Zugriff 2.4.2019

- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (3.12.2012): The Black Axe confraternity, also known as the Neo-Black Movement of Africa, including their rituals, oaths of secrecy, and use of symbols or particular signs; whether they use force to recruit individuals (2009-November 2012), http://www.refworld.org/docid/50ebf7a82.html, Zugriff 16.11.2018

- LLM - Representative of the Lawyers League for Minorities (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMA - MSM-related NGO, Abuja (17.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMK - MSM-reltated NGO, Kaduna (19.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

- OD - Open Doors (1.2019): Länderprofil Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/ weltverfolgungsindex/laenderprofile/2018/nigeria, Zugriff 29.3.2019

- Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians, https://punchng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/, Zugriff 3.4.2019

- Stears News (12.4.2019): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/ governor/2019, Zugriff 12.4.2019

- TI - Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 21.3.2019

- TIERSs - The Initiative for Equal Rights (12.2018): 2018 Human Rights Violations Report, https://theinitiativeforequalrights.org/wp-content/uploads/2018/12/2018-Human-Rights-Report.pdf, Zugriff 2.4.2019

- UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359554590_nigeriaogn.pdf, Zugriff 19.11.2018

- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-

- UNHCR (31.1.2019): Nigeria Situation - Regional Update, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/ files/resources/68005.pdf, Zugriff 3.4.2019

- USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2018): Annual Report 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435651/1226_1529393816_tier1- nigeria.pdf, Zugriff 29.11.2018

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

- USDOS - U.S. Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Nigeria, https://www.refworld.org/docid/5bcf1f8e13.html, Zugriff 30.11.2018

- USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436835.html, Zugriff 8.11.2018

- VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Angesichts der kurzen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund einem halben Jahr ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Zudem haben sich auch seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.05.2018 keine entscheidungswesentlichen Änderungen hinsichtlich einer veränderten Lage im Herkunftsstaat oder einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes in Bezug auf die Person der Beschwerdeführerin ergeben, sodass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann und diese in vollem Umfang aufrecht bleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des/der Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin über kein Familienleben in Österreich und wurde dies auch nicht vorgebracht. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Im vorliegenden Fall hält sich die Beschwerdeführerin seit Jänner 2016 im Bundesgebiet auf, wobei sie bereits vier Monate später den negativen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhielt, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.05.2018 bestätigt wurde. Seitdem hält sich die Beschwerdeführerin durchgehend - sohin seit nahezu zwei Jahren - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, nachdem sie ihrer Ausreiseverpflichtung nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens nicht nachkam. Sie befindet sich daher seit knapp über vier Jahren in Österreich.

Sofern im Beschwerdeschriftsatz auf die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin in Österreich hingewiesen wird, so ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welcher in zwei Entscheidungen (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0122 bis 0125-7; VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0076-10) festgestellt hat, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte (Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit) im öffentlichen Interesse liegen kann und dass Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland die Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu stärken vermögen, sondern dass diese - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen sind.

Selbst im Falle eines - im Gegensatz zur Beschwerdeführerin - durchgehend rechtmäßigen, siebenjährigen Aufenthaltes kam der Verwaltungsgerichtshof (VwGH, 17.04.2013, 2013/22/0042) zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung nicht zu beanstanden sei: "Der Beschwerdeführer vermag zwar einen langen inländischen Aufenthalt (7 Jahre) ins Treffen zu führen, welcher jedoch zur Gänze auf einer bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigung beruhte und dem Beschwerdeführer nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages bewusst war, dass sein Aufenthaltsstatus unsicher ist. Maßgebliche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer nicht über familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Auch wenn er eine Einstellungszusage vorweisen kann und sehr gut deutsch spricht, sind diese integrationsbegründenden Umstände nicht so schwer zu gewichten wie das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, das von einem Fremden nach Abweisung seines Asylantrages grundsätzlich verlangt, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen."

Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem vierjährigen Aufenthalt in Österreich durchaus integrationsbegründende Schritte gesetzt hat. So hat sie ein Deutsch Zertifikat auf A2-Niveau, sich im Verkauf einer Straßenzeitung betätigt und eine Berufsausbildung an einem Tourismuskolleg begonnen, eine nachhaltige Integration der Beschwerdeführerin in Österreich kann aus all dem jedoch nicht geschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Nigeria keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist die Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Die belangte Behörde erließ daher zu Recht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist eine Rückkehrentscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Mit angefochtenem Bescheid wurde auch festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei.

Eine mögliche Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte ist abhängig von der Herkunftsregion in Nigeria zu prüfen. So wiederholte UNHCR im Oktober 2016 die Empfehlung, Rückschaffungen nach Borno, Yobe und Adamawa aufgrund der Bedrohung durch Boko Haram bis auf weiteres auszusetzen und interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternativen erst nach sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung der individuellen Interessen des Einzelfalles zu erwägen. Die Beschwerdeführerin stammt allerdings aus Delta State und ist daher auch keine unmittelbare Bedrohung ihrer Person durch die auf den Anschlägen der Boko Haram basierende instabile Sicherheitslage im Nordosten Nigerias erkennbar. Sonstige Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Nigeria nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443). Im Fall der Beschwerdeführerin sind diesbezüglich keinerlei besondere Vulnerabilitäten ersichtlich. Sie ist jung, gesund und damit erwerbsfähig, zudem verfügt sie über Berufserfahrung und schulische Bildung. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät. Besonders exzeptionelle Umstände im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur liegen gegenständlich nicht vor.

Daher besteht keine Gefahr, dass durch eine Abschiebung der Beschwerdeführerin Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für sie als Zivilperson mit der Abschiebung eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts verbunden wäre. Auch sonst besteht kein Abschiebehindernis gemäß § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 FPG, sodass die Abschiebung nach Nigeria für zulässig zu erklären ist.

Im angefochtenen Bescheid wurde zudem gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, welche die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK freiwillige Ausreise Frist Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I407.2128443.2.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten