TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 W177 2153042-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W177 2153042-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den RA Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 30.03.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.09.2019 und am 06.11.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 13.12.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er in der Provinz Ghazni geboren worden und er im Heimatland fünf Jahre in die Grundschule gegangen sei. Er sei ledig und seine Muttersprache sei Dari. Er habe Afghanistan verlassen, weil seine Eltern arm gewesen seien. Er habe seit dem zwölften Lebensjahr arbeiten müssen und sei wie ein Sklave behandelt worden. Mit 14 habe er mit Paschtunen auf den Feldern gearbeitet. Andere Arbeitskollegen hätten ein Mädchen vergewaltigt und die Schuld auf ihn geschoben, weil er der einzige Hazara gewesen sei. Er habe fliehen müssen und keinen ständigen Wohnsitz mehr gehabt. Seine Familie habe er seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Er habe versucht, sich in Pakistan oder dem Iran eine Existenz aufzubauen, sei aber als Afghane dort immer schlecht behandelt worden. Aus diesem Grund habe er Geld gespart, um nach Österreich zu kommen und ein friedliches Leben führen zu können. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er um sein Leben.

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 27.01.2017 gab der BF an gesund zu sein und legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er sei in der Provinz Ghazni geboren worden und habe dort fünf Jahre die Grundschule besucht. In Pakistan sei er vier weitere Jahre in die Schule gegangen und habe dort auch einen Abschluss gemacht. Dort habe er auch in der Gastronomie gearbeitet. Er stamme aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Ghazni. Dort habe er zuletzt mit seiner Familie (Vater, Mutter, eine Schwester und ein Bruder) in einem Haus aufgehalten. Er spreche Dari und ein wenig Englisch. Zu seiner Familie oder anderen Verwandten in Afghanistan habe er keinen Kontakt mehr, weil er das Land im Alter von 14 Jahren verlassen habe. In Österreich habe er keine Verwandten und sei keine familiären und privaten Bindungen eingegangen. Er lebe hier von der Grundversorgung. Österreich habe er als Zielland gewählt, weil es ein sicheres und friedliches Land sei.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass es seiner Familie in seinem Heimatland finanziell sehr schlecht ging. Er habe als Schafhirte für Paschtunen gearbeitet und sei der einzige Hazara gewesen. Diese Tätigkeiten habe er zwei Jahre lang ausgeübt und sei mit den Arbeitgebern befreundet gewesen. Eines Tages sei er nicht arbeiten gewesen und diese Personen hätten ein Mädchen vergewaltigt. Er habe in der Nacht davon erfahren und sein Vater habe ihn weggeschickt, weil diese ihn verfolgt hätten. So sei er zwei Nächte in die Provinzhauptstadt gegangen und danach ausgereist. Auf Nachfrage gab der an, dass die Familie des Mädchens, das gleich alt wie der BF gewesen sei, nach diesem gesucht hätte. Er sei vier Jahre in Pakistan und danach vier Jahre im Iran gewesen. Innerhalb Afghanistans habe er nicht fliehen wollen, weil Angst gehabt hätte, gefunden zu werden. Was aus dem Mädchen geschehen sei, wisse er nicht. Zwei Jungen hätten ihm damals die Schuld gegeben. Das Mädchen sei nicht aus der Gegend gekommen. Als Strafe hätte ihm die Steinigung gedroht. In Pakistan habe er in einem Hotel gearbeitet, im Iran auf Baustellen. Im Iran sei er immer in afghanischer Gemeinschaft gewesen. An welchen Ort in Pakistan er hätte gehen sollen, habe man ihm in der Moschee gesagt.

Der BF habe noch nie strafbare Handlungen begangen und sei noch nie in Haft gewesen. Er sei auch noch nie politisch aktiv oder Mitglied einer politischen Partei gewesen.

Er sei sich sicher, dass nach ihm in Afghanistan noch gesucht werde. In Österreich habe er kein Problem gehabt, sich einzuleben. Hier lebe er in Sicherheit. Sowohl Pakistan als auch den Iran habe er verlassen, weil er keine Aufenthaltsberechtigung besessen habe und ihm deshalb eine Abschiebung nach Afghanistan gedroht hätte.

3. Mit Bescheid vom 30.03.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde festgehalten, dass die belangte Behörde erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF habe, zumal dieser in seiner Einvernahme völlig unterschiedliche Angaben zu seiner Fluchtroute getätigt habe. Ebenfalls würde es nicht den Gegebenheiten Afghanistans entsprechen, dass eine Frau eine Vergewaltigung anzeigen würde, zumal ihr strafrechtliche Konsequenzen drohen würden, während die Vergewaltiger meist unbehelligt bleiben würden. Das Vorbringen sei auch nicht nachvollziehbar gewesen, zumal der BF Detailkenntnisse über einen Übergriff gehabt habe, obgleich er nicht dabei gewesen sei. Ebenfalls sei es nicht nachvollziehbar gewesen, dass der Vater den BF wegschicken würde, zumal dieser Vorfall leicht vor der lokalen Shura oder Jirga aufzuklären gewesen wäre und das Mädchen in der Umgebung niemand gekannt habe. Da das Mädchen niemand in der Umgebung gekannt habe, sei es auszuschließen, dass die Familie schon bald aufsuchen hätte können. Ebenfalls hätte der BF in einem Ort im grenznahen Pakistan in vier Jahren im ethnischen Netzwerk ausfindig gemacht werden können. Aus vereinzelten Diskriminierungen gegen Angehörige der Volksgruppe der Hazara sei ebenfalls keine asylrechtlich relevante Verfolgung ableitbar.

Eine Rückkehr nach Afghanistan sei auf jeden Fall zumutbar, zumal mir Kabul und Mazar-e Sharif innerstaatliche Fluchtalternativen vorhanden seien. Da der BF jahrelang in Pakistan und im Iran für seinen Lebensunterhalt hat aufkommen können, würde zeigen, dass der BF ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit besitzen würde und ihm auch eine Wiederansiedlung in Afghanistan aufgrund seines Bildungsstandes und seiner Berufserfahrung möglich sei. Bezüglich des Ausspruches einer Rückkehrentscheidung sei ein Überwiegen der öffentlichen Interessen festzustellen gewesen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 30.03.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 30.03.2017 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

6 . Gegen den Bescheid des BFA richtete sich die am 07.04.2017 beim BFA eingelangte und mit diesem Datum fristgerecht erhobene Beschwerde. In dieser wurde festgehalten, dass der BF einerseits die Verfolgung aufgrund dieser Vergewaltigung glaubwürdig vorgebracht wurde, weshalb ihm aufgrund unislamischen Verhaltens Verfolgung seitens regierungsfeindlicher Kräfte drohe, andererseits er als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, mangels Funktionierens eines staatlichen Schutzes, ebenfalls eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu gegenwärtigen habe. Ebenso sei zu berücksichtigen gewesen, dass dem BF, aufgrund der in Afghanistan vorherrschenden Sicherheitslage und seiner persönlichen Umstände, aber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren gewesen wäre.

7. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 11.04.2017 vom BFA vorgelegt.

8. Mit Schreiben vom 16.10.2017 legte die rechtsfreundliche Vertretung des BF ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

9. Mit Schreiben vom 18.06.2018 erging eine Anfrage an die Volksanwaltschaft bezüglich einer Beschwerde über die Verfahrensdauer.

10. Mit Schreiben vom 04.04.2019 legte die rechtsfreundliche Vertretung des BF eine Schulbesuchsbestätigung für einen zweisemestrigen Vorbereitungslehrgang vor.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 11.09.2019 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seinen nunmehr bevollmächtigter Vertreter, RA Mag. Robert Bitsche, und ein Vertreter der belangten Behörde, persönlich teilnahmen.

Die rechtsfreundliche Vertretung legte zu Beginn der Verhandlung weitere Integrationsunterlagen vor, die als Sammelbeilage zum Akt genommen wurden. Diese vermeinte, dass der BF sehr gute Sprachkenntnisse habe und den Vorbereitungslehrgang einer HTL besuche. Da ihm eine Arbeitsbewilligung verwehrt worden sei, sei er vermehrt ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen tätig geworden. Er habe auch eine mündliche Einstellungszusage. Er habe sich im privaten Bereich gut integriert und ein vielseitiges Interesse an diversen Gebieten der Freizeitgestaltung, wo er überall Freunde gefunden habe. Seine Freunde würden diese positive Entwicklung bestätigen könnten. Hinzu würde noch kommen, dass der BF während seines Aufenthaltes in Österreich vom Islam abgefallen sei und er sich nicht mehr an islamische Riten halten würde.

Der Vertreter der belangten Behörde vermeinte zu diesen Ausführungen, dass dies keine außergewöhnliche Integration darstellen würde.

Auf Frage, ob er ausgetreten sei, gab der BF an, dass er das diesbezügliche Prozedere nicht kenne, er jedoch das Interesse am Islam schon früher verloren habe, weil er schon in jungen Jahren Afghanistan verlassen habe.

Danach würde festgestellt, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar sei. Nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt.

12. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 06.11.2019 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seine bevollmächtigter Vertreter und ein Vertreter der belangten Behörde, persönlich teilnahmen.

Nach Vorlage einer Austrittsbescheinigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft gab der BF an, dass die Religion ein Werkzeug des Menschen sei, das dieser selbst herstelle. Deren Regeln hätten andere Personen und Androhung von Zwangsgewalt zu folgen. Menschen würden keine Religion benötigen, um ein geregeltes Leben führen zu können. Religionen würden die Menschen ihn ihren Freiheiten einschränken, weil ihnen bei Nichteinhaltung der Vorschriften Konsequenzen und Strafen drohen würden. Auch richtige religiöse Regeln würde es nicht benötigen, weil diese bereits durch das Gesetz gedeckt seien. Das Gesetz würden die Menschen selbst erschaffen. Afghanistan sei ein islamisches Land, wo das Gesetz auf der Religion basieren würde. Ein Mullah dürfe auch Regeln für ein gutes Zusammenleben aufstellen, jedoch sollte hierbei die Religion nicht als Basis dienen. Ihm würde es auch missfallen, dass die Sanktionen darin begründet wären, dass irgendetwas im Jenseits geschehe. Die Technologie würde sich von der Religion unterscheiden. Diese Fortschritte hätten die Menschen alleine gemacht, um sich das Leben zu erleichtern. Gott befinde sich außerhalb davon und existiere für ihn nicht. Menschen würden Hilfe untereinander brauchen, jedoch weder eine Religion noch Gott. Dies würde er seinen Mitmenschen auch so mitteilen, er jedoch es auch respektieren, wenn diese eine andere Denkweise hätten. Verstehen würde er diese Personen aber nicht, weil sie dadurch ihr Leben kontrollieren lassen würden und Gefangene wären. Freiheit sei für ihn das oberste Gut. Freiheit bedeute, dass jeder Mensch entscheiden könne, welche Regeln er befolge und welche nicht. Dass Regeln für ein geordnetes Zusammenleben geschaffen werden, bräuchte es ein Mitspracherecht der Bevölkerung. Zum Christentum sei er nicht übergetreten, weil dieses auch eine einschränkende Religion sei.

In Afghanistan sei die Gesellschaft sehr religiös geprägt. Es wäre dort nicht möglich zu Leben ohne die Religion zu befolgen. Eine Missachtung der religiösen Regeln könnte dort sogar zum Tod führen. Er könne dort aufgrund seiner Denkweise nicht überleben. Seine Freiheit wäre dort so eingeschränkt, dass das Leben dort für ihn keine Bedeutung hätte. Er müsste dann sein Leben beenden.

Zu seiner Familie habe er zuletzt Kontakt gehabt, wie er sich in Pakistan aufgehalten habe. Er wisse daher nicht mehr, ob diese noch am Leben sei. Es sei schon damals die Kontaktaufnahme schwierig gewesen, jedoch hätte seine Familie gesagt, dass sie auch nach einem Weg suche, Afghanistan zu verlassen.

Die rechtsfreundliche Vertretung brachte vor, dass dem BF aufgrund seiner heute dargelegten Einstellung an keinem Ort in Afghanistan leben könnte. Er habe glaubhaft dargelegt, dass er an keinen Gott glaube und er diese Lebensführung verinnerlicht habe. Er sei keineswegs gewillt, sich religiösen und traditionellen Regeln zu unterwerfen. Aus seinen Aussagen würde auch hervorgehen, dass er sehr offen darüber spricht, dass es keinen Gott gebe und er andere davon überzeugen wolle. In Afghanistan werde die Apostasie mit dem Tode geahndet und er wäre auch der Verfolgung der Bevölkerung ausgesetzt, gegen diese würde es weder staatlichen Schutz der Behörden geben noch die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative.

Auf Frage des Behördenvertreters, wann er sich vom Islam abgewandt habe, vermeinte der BF, dass die Aufenthalte in Afghanistan und Pakistan dazu beigetragen hätten, dass er sich entschlossen habe, nicht mehr dem Islam angehören zu wollen. Er habe dies auch nicht in der Erstbefragung erwähnt, weil er dazu nicht gefragt worden sei. Aufmerksam gemacht, dass er dort angegeben habe, dass er schiitischer Moslem sei, vermeinte der BF, dass er bis zu seinem 14.Lebensjahr seitens seiner Familie gezwungen worden sei, diese Religion zu praktizieren.

Danach erfolgte der Schluss der mündlichen Verhandlung samt Hinweis, dass die Verkündung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG entfällt.

13. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen an den Aktivitäten eines Sportvereins

* Zahlungsbestätigung über die Entrichtung des Mitgliedsbeitrags in einem Sportverein

* Zahlreiche Referenz- und Empfehlungsschreiben

* Teilnahmebestätigungen an Deutsch- und Integrationskurse

* Bestätigung über den Erwerb des ÖSD Sprachdiploms A2 samt ÖSD Zertifikat A2

* Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs

* Bestätigungen der Durchführung diverser gemeinnütziger Tätigkeiten samt einiger Lichtbilder und einer Unterkunftsbestätigung

* Schulbesuchsbestätigung (HTL-Vorbereitungslehrgang) und Schülerausweis

* Semesterzeugnis eines Bildungsinstitutes

* Bescheinigung über den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , ist am XXXX geboren und Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und wurde als Moslem schiitischer Glaubensrichtung erzogen. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er ist im erwerbsfähigen Alter und gesund.

Der BF wurde nach seinen Angaben den Provinz Ghazni geboren. Er ist im Alten von 14 Jahren nach Pakistan gegangen und hat dort vier Jahre lang gelebt, ehe er für vier weitere Jahre in den Iran gegangen sei. Davor hat er fünf Jahre lang in Afghanistan die Schule besucht. Daneben hat er auch Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft gesammelt. In Pakistan und im Iran konnte er seinen Lebensunterhalt durch Arbeiten in der Hotellerie und im Gastgewerbe und durch Hilfsarbeiten auf Baustellen sichern. Aufgrund seines unsicheren Aufenthaltsstatus hat der BF den Iran verlassen und ist über die Türkei nach Europa gelangt, wo er am 12.12.2015 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Es wird festgestellt, dass der BF keinen Kontakt zu seiner Familie hat.

Der BF ist in seinem Heimatland auch nicht vorbestraft, hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv. Die Herkunftsregion seiner Familie ist die Provinz Ghazni. Der BF ist in Österreich ebenfalls strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und unbescholten.

Der BF ist nach seiner Ausreise aus Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Europa gereist, wo er schließlich in Österreich, das er seinem Befinden nach für gut erachtete, seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am 12.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, weil seine Eltern arm gewesen seien. Er habe seit dem zwölften Lebensjahr arbeiten müssen und sei wie ein Sklave behandelt worden. Mit 14 habe er mit Paschtunen auf den Feldern gearbeitet. Andere Arbeitskollegen hätten ein Mädchen vergewaltigt und die Schuld auf ihn geschoben, weil er der einzige Hazara gewesen sei. Er habe fliehen müssen und keinen ständigen Wohnsitz mehr gehabt. Seine Familie habe er seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Er habe versucht, sich in Pakistan oder dem Iran eine Existenz aufzubauen, sei aber als Afghane dort immer schlecht behandelt worden. Aus diesem Grund habe er Geld gespart, um nach Österreich zu kommen und ein friedliches Leben führen zu können.

In Zuge des Beschwerdeverfahrens gab der BF an, dass er vom Islam abgefallen sei. Er sei Apostat und würde an keinen Gott glauben.

Festgestellt wird, dass der BF als schiitischer Moslem erzogen wurde und er im Laufe des Beschwerdeverfahrens den Entschluss gefasst hat, dass er vom Islam abgefallen ist.

Festgestellt wird, dass der BF aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass der Abfall vom Islam wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinem derzeitigen Interesse am Abfall vom Islam im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF sein derzeitiges Interesse für den Abfall vom Islam im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die afghanischen Behörden und/oder das persönliche Umfeld des BF in Afghanistan von dessen Abfall vom Islam bei einer Rückkehr in sein Heimatland Kenntnis erlangen würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Abkehr vom Islam psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Es wird festgestellt, dass sich der BF nicht aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat.

Ebenso wird festgestellt, dass der BF aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit einer Verfolgung von asylrelevantem Ausmaß nicht ausgesetzt ist.

Festgestellt wird, dass der BF in Afghanistan keiner landesweiten Verfolgung ausgesetzt ist.

Es kann festgestellt werden, dass der BF keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Aufgrund seiner Angaben konnte die Provinz Ghazni als Herkunftsregion des BF ausgemacht werden. Aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser, ist einer Rückkehr in diese Provinz dem BF nicht zumutbar. Dem BF steht jedenfalls eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Herat und in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, auch wenn der BF noch nie in Mazar-e Sharif oder in Herat gelebt hat. Der BF kann sowohl Mazar-e Sharif als auch Herat von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF. Der BF ist gesund.

Der BF liefe im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Zudem verfügt der BF über eine profunde Schulbildung und Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft sowie im Gast- und Baugewerbe.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde im Verfahren über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat beim Aufbau einer Existenzgrundlage von Familienangehörigen nicht unterstützt wird. Der BF kann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan jedoch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut, weil er in Afghanistan geboren wurde und er in einem afghanisch geprägten Umfeld aufgewachsen ist.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der BF hält sich seit Dezember 2015 in Österreich auf.

Der BF hat keine weiteren Familienangehörigen in Österreich.

Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Darüber hinaus konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden.

Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF Mitglied in Sportvereinen. Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt. Daraus ist zu entnehmen, dass der BF fleißig, hilfsbereit und aufgeschlossen ist.

Der BF besuchte zahlreiche integrations- und Sprachkurse und kann dieses auch Teilnahmebestätigungen und Zertifikate nachweisen. Er ist in der Lage, auf elementarer Ebene in einfachen, routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren. Er betreibt in seiner Freizeit Sport und ist an einer Weiterbildung bzw. höheren Schulbildung interessiert. Er war bisher in Österreich ehrenamtlich tätig, jedoch niemals erwerbstätig. Er ist strafrechtlich unbescholten und lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1 KI vom 04.06.2019

Politische Ereignisse:

Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quellezufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal

Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019) US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal

so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend.

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentät

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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