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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der 1994 geborenen K M, vertreten durch ihren Vater Ivica Markovic, beide in Wien, der Vater vertreten durch Dr. Kurt Waneck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1995, Zl. 304.601/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte, vertreten durch ihren Vater, am 19. Oktober 1995 beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck wurde auf dem Antragsformular "Familiengemeinschaft mit Fremden", und zwar mit "Vater/Mutter" angekreuzt. Als Familienangehöriger, mit dem Familiengemeinschaft angestrebt wurde, war der Vater der Beschwerdeführerin angegeben.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil die Mutter der Antragstellerin keine Aufenthaltsbewilligung besitze.
Die dagegen erhobene Berufung, in der die Beschwerdeführerin darauf hinwies, daß ihr Vater seit mehr als zehn Jahren in Österreich seinen Hauptwohnsitz habe und über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung verfüge, weshalb ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestehe, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 18. Dezember 1995, zugestellt am 3. Jänner 1996, gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe auf Grund der vorliegenden Aktenlage fest, daß die Beschwerdeführerin als Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" angegeben habe. Wie die Behörde erster Instanz festgestellt habe, verfüge ihre Mutter jedoch über keine Aufenthaltsbewilligung. Unter Berücksichtigung des Alters der Beschwerdeführerin, aber auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ihr Vater einer Erwerbstätigkeit nachgehen müsse, sei gerade ihre Mutter jene Person, die den Haushalt führe und der vorwiegend die Obsorge und Obhut über die Beschwerdeführerin zustehe. Sie sei somit jene Bezugsperson, nach der sich der Zweck der Familienzusammenführung richte. Da die Mutter über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, könne keine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 AufG iVm § 4 Abs. 3 AufG erteilt werden. Ergänzend werde festgestellt, daß ein anderer Aufenthaltszweck nicht angegeben worden sei, im vorliegenden Fall daher auch nicht in Frage komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Ihr Vater verfüge über einen am 29. April 1994 von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellten unbeschränkten Wiedereinreise-Sichtvermerk für die Republik Österreich und habe seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Daß ihre Mutter derzeit über keine aufrechte Aufenthaltsbewilligung verfüge, sei hingegen rechtlich bedeutungslos. Die belangte Behörde habe auf Grund der Angaben im Antrag der Beschwerdeführerin zu erheben gehabt, ob ein Elternteil über eine entsprechende gültige Aufenthaltsbewilligung verfügt habe. § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG gehe nicht davon aus, daß es die Mutter sein müsse, welche über eine gültige Aufenthaltsbewilligung für Österreich verfüge. Da auch kein Ausschließungsgrund nach § 5 Abs. 1 AufG gegeben sei, bestehe ein Rechtsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Die §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 3 AufG lauten in der Fassung dieser Novelle:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
§ 4.
...
(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren".
Schon aus dem systematischen Bezug des § 4 Abs. 3 AufG, auf den die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung primär stützt, folgt, daß sinnvollerweise nur derjenige Elternteil gemeint sein kann, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Diese Auffassung entspricht auch einer im Hinblick auf Art. 8 MRK gebotenen verfassungskonformen Interpretation. Allein der Umstand, daß die Mutter der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall somit nicht zur Abweisung des auf Familiengemeinschaft mit ihrem Vater gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777, mwN).
Da der Beschwerdeführerin nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zugekommen wäre, wenn ihr Vater, mit dem sie Familiengemeinschaft anstrebte, auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hätte, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, diesbezügliche Feststellungen zu treffen. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch unterlassen, obwohl sich sowohl aus dem Akteninhalt als auch aus den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben deutliche Hinweise darauf ergeben, daß der Vater der Beschwerdeführerin über einen von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellten, unbefristeten Wiedereinreise-Sichtvermerk verfügte und bereits mehrere Jahre in Österreich seinen Hauptwohnsitz hatte. Hätte die belangte Behörde, entgegen der in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen unrichtigen Annahme, daß im Falle der Beschwerdeführerin ausschließlich deren Mutter die Bezugsperson sei, nach der sich der Zweck der Familienzusammenführung richte, entsprechende Feststellungen über Aufenthaltsberechtigungen des Vaters getroffen, so hätte sie, wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt, zu einem anderen Bescheid gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG als rechtswidrig aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190602.X00Im RIS seit
11.07.2001