TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 I413 2206562-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I413 2206562-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. LIBYAN ARAB JAMAHIRIYA, vertreten durch: MigrantInnenverein St. Marx gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 22.08.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Dem Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 31.10.2016 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libyen gemäß § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 zuerkannt.

II. XXXX wird auf eine auf die Dauer eines Jahres befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005 erteilt.

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich der sonstigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 31.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, dass sein Vater Offizier beim Militär gewesen und im April 2016 ermordet worden sei. Im Mai 2016 seien unbekannte Männer zum Beschwerdeführer gekommen, er vermute, dass diese Männer von der Miliz waren. Diese Männer hätten Papiere seines Vaters gewollt und hätten sie den Beschwerdeführer immer wieder verfolgt und versucht, ihn umzubringen, indem sie auf sein Auto geschossen haben Auch die Familie des Beschwerdeführers habe diesbezügliche Probleme; sein Bruder sei seit Mai 2016 verschwunden; er vermute, dass er entführt oder getötet worden sei. Aus Angst um sein Leben habe der Beschwerdeführer beschlossen, Libyen zu verlassen.

2. Am 17.07.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde erneut einvernommen und gab er im Rahmen dieser niederschriftlichen Einvernahme zusammengefasst an, dass sein Vater von den "Fajer Libiya Milizen" ermordet worden sei. Ende April sei er von unbekannten Personen angerufen worden, die Dokumente seines Vaters gewollt haben; er habe diese Dokumente allerdings nicht gefunden und sei er daraufhin telefonisch mit den Worten "Anscheinend willst du das gleiche Schicksal wie dein Vater erleiden" bedroht worden. Anfang Mai 2016 sei er mit seinem Auto von einem großen Geländewagen mit maskierten Personen darin von der Straße gedrängt worden; von diesem Unfall habe er Verletzungen davongetragen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin eine Anzeige gegen Unbekannte bei der Polizei erstattet. Am 29.05.2016 sei sein Bruder entführt worden. Am 10.06.2016 sei der Beschwerdeführer in seinem Auto am Weg von der Arbeit nach Hause von zwei Fahrzeugen attackiert worden: Man habe auf sein Auto geschossen, doch sei der Beschwerdeführer nicht getroffen worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer das Auto verlassen und sei in ein fremdes Haus gelaufen; die dort lebende Frau habe ihn versteckt. Der Beschwerdeführer habe dann seine Schwester angerufen, welche gesagt habe, dass er nicht nach Hause kommen solle. So sei er in die Stadt Agalat geflüchtet, wo Freunde seines Vaters ihn versteckt haben. Währenddessen sei das Haus des Beschwerdeführers gestürmt und durchsucht worden; seine Familie sei währenddessen auf dem Feld gewesen.

3. Mit gegenständlichen Bescheid vom 22.08.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Libyen (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Libyen zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde vom 21.09.2018, welche der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründete, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Situation in Libyen auseinanderzusetzten. Weiters sei die Beweiswürdigung des BFA nicht nachvollziehbar.

4. Mit Schriftsatz vom 25.09.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 26.09.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Am 07.12.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde.

6. Mit Erkenntnis vom 26.03.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab (OZ 7E).

7. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der er insbesondere unter Verweis auf die nach Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch die ab 04.40.2019 erfolgte Offensive des General Haftar eskalierte Situation in Libyen vorbrachte, das Bundesverwaltungsgericht hätte die Sicherheitslage in Libyen nicht auf Basis aktueller Länderberichte gewürdigt. Sich dieser Argumentation anschließend hob der Verfassungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis, "soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libyen, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Libyen unter Setzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird," mit Erkenntnis vom 03.10.2019, E 125/2019, auf.

8. Mit E-Mail vom 11.11.2019 gab der Verein We move together -

Beratung und Hilfe für MigrantInnen die Erteilung der Vollmacht bekannt und teilte mit, dass die früher erteilten Vollmachten vom Beschwerdeführer zurückgezogen worden seien.

9. Mit Schreiben vom 13.11.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das BFA-Staatendokumentation um Beantwortung einer Anfrage zu spezifischen Fragen der Lage in Libyen, va in Tripolis, der Stadt, aus der der Beschwerdeführer stammt.

10. Am 21.11.2019 kündigte das Bundesverwaltungsgericht das BFA-Staatendokumentation aufgrund der Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts die Aktualisierung Länderinformationsblattes an und nahm von einer Beantwortung der gestellten Fragen Abstand. Ein neues bzw aktualisiertes Länderinformationsblatt für Libyen ist nicht herausgegeben worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Libyen und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Er hält sich seit (mindestens) 31.10.2016 in Österreich auf. Davor, nämlich vom 15.10.2014 bis 14.04.2015 war der Beschwerdeführer bereits mit einem Visum D in Österreich. Ein weiteres Visum C vom 16.10.2016 lief am 15.11.2016 ab.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus seiner Mutter und seinen Geschwistern sowie weitere Verwandte leben in Libyen. Der Beschwerdeführer hat nicht mit seiner Familie und seinen Verwandten gebrochen und kann im Falle seiner Rückkehr auf dieses familiäre und soziale Netzwerk zurückgreifen. In Österreich verfügt er über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer besuchte 12 Jahre lang die Schule und studierte anschließend fünf Jahre lang Erdölwissenschaften. Nach Universitätsabschluss arbeitete er acht Jahre lang als Ingenieur. Aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin in Libyen auch hinkünftig eine Chance hat, am Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Er ist somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat die Sprachprüfung Deutsch A2 absolviert und einen Deutschkurs B1 besucht. Er hat in Österreich Freunde, mit denen er Unternehmungen, wie etwa Fußballspielen, tätigt; es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser Freundeskreis über den Grad der persönlichen Bekanntschaft hinausgehende, für Freundschaften typische Merkmale besonderer Vertrautheit aufweist. Darüber hinaus weist er in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Libyen:

Politische Lage

In Libyen herrschen seit dem Sturz und dem Tod des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Chaos und Gewalt. Neben zwei rivalisierenden Regierungen und Parlamenten gibt es auch konkurrierende Milizen, die um die Kontrolle der Ölvorkommen kämpfen (DS 17.9.2017).

Seit Mitte 2014 gab es zwei konkurrierende Lager:

* Das im Juni 2014 gewählte Parlament (Rat der Volksvertreter) mit der Regierung Abdallah al-Thani zog sich im August 2014 unter dem Eindruck der Offensive westlibyscher Milizen in die ostlibyschen Städte Tobruk (Parlament, HoR) bzw. Beida (Regierung) zurück und integrierte die militärischen Kräfte, die sich ab Mai 2014 unter Führung von General Khalifa Haftar unter dem Namen "Würde" (Karama) formiert hatten. Im Südwesten von Tripolis unterstellten sich Karama nominell auch Verbände der Stadt Zintan und des Warshefana-Stammes. Etwa 40 hauptsächlich westlibysche Abgeordnete haben von Beginn an nicht an den Sitzungen des 182 Mitglieder zählenden Parlaments teilgenommen (AA 6.2017a).

* Im Westen ließ die "Morgenröte" (Fajr) genannte militärische Allianz aus islamistischen Milizen und Revolutionären aus der wichtigen Hafenstadt Misrata den im Juni 2014 abgewählten Allgemeinen Volkskongress (GNC) wieder auferstehen und bildete eine Gegenregierung "der Nationalen Rettung". Ihren Legitimitätsanspruch stützte Fajr seit dem 6.11.2014 auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, der die Gesetze, die zur Wahl des Parlaments führten, für verfassungswidrig erklärt hatte (AA 6.2017a).

Unter Vermittlung von Bernardino León, dem Libyen-Sondergesandten des UN-Generalsekretärs, sowie seinem Nachfolger, dem deutschen Diplomaten Martin Kobler, fanden seit September 2014 kontinuierlich Verhandlungen zwischen den verschiedenen Streitparteien statt, um im Wege der Machtteilung die seit Juli 2014 eskalierenden Auseinandersetzungen zu beenden (AA 6.2017a; vgl. LVAk 10.2016). Seit August 2017 ist Ghassan Salamé neuer UN-Gesandter für Libyen (DS 22.9.2017). Keine der beiden Regierungen konnte in der Folgezeit politisch oder militärisch großräumig effektive Macht ausüben. Libyen fragmentierte in zahlreiche Kampfzonen mit jeweils eigener Dynamik. Die zunehmende Einnistung der Terrorgruppe IS, insbesondere an der zentrallibyschen Küste (Großraum Sirte), verstärkte jedoch lagerübergreifend das Bewusstsein, einen gemeinsamen Feind zu haben (AA 6.2017a). Am 17.12.2015 konnte das Politische Abkommen (Libyan Political Agreement - LPA) in Skhirat, Marokko, unterzeichnet werden (AA 6.2017a; vgl. LVAk 10.2016).

Dieses LPA bewirkte die Einrichtung eines neunköpfigen Präsidialausschusses sowie des Government of National Accord (GNA), geführt von Premier Fayez Serraj, im März 2016 (HRW 12.1.2017; vgl. LVAk 10.2016). Die USA und führende europäische Staaten sicherten der Einheitsregierung ihre Unterstützung zu und gaben in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, diese als einzige legitime Vertretung Libyens anzuerkennen. Hardliner beider libyscher Machtblöcke werfen der Einheitsregierung jedoch vor, sie sei von außen etabliert worden und nicht aus einem internen politischen Prozess entstanden und daher abzulehnen (LVAk 10.2016). Die bis zum Zeitpunkt der Anerkennung der GNA international als legitim anerkannte Regierung in Baida und das HoR in Tobruk legitimierten das neue Kabinett - die GNA - nicht (HRW 12.1.2017).

Die mit der libyschen Einheitsregierung rivalisierende Regierung im Osten des Landes hat im September 2017 die internationale Gemeinschaft aufgerufen, sie als legitime Autorität anzuerkennen. Seine Regierung sei gewählt und kontrolliere den Großteil des nordafrikanischen Landes, sagte der Chef der international nicht anerkannten Regierung, Abdullah al-Thani. Seine provisorische Regierung ziehe ihre Legitimation aus den Wahlurnen. Ihre Armee wird von Khalifa Haftar geführt. Al-Thani war Libyens international anerkannter Regierungschef, bis 2015 im Zuge von Verhandlungen unter Vermittlung der UNO eine Einheitsregierung unter der Führung von Fayez al-Sarraj eingesetzt wurde. Die in der Hauptstadt Tripolis ansässige Einheitsregierung hat jedoch Probleme, ihre Autorität durchzusetzen. Außerdem wird sie von internen Streitigkeiten geplagt (DS 17.9.2017).

Der UN-Gesandte für Libyen, Ghassan Salamé, hat im September 2017 einen neuen, mehrstufigen Aktionsplan vorgestellt. Kernstück sind Änderungen am politischen Abkommen von Skhirat (LPA), das im Dezember 2015 geschlossen, aber nie umgesetzt wurde. So wird etwa vorgeschlagen, den Präsidialrat, dem der international anerkannte Premier Fayaz al-Serraj vorsteht, von neun auf drei Mitglieder zu verkleinern und von der Regierung zu trennen. Die Mitglieder der neu definierten Exekutive sollen dann von einer Nationalen Konferenz bestimmt werden. Ihr sollen Vertreter aller bisherigen politischen Organe und jener gesellschaftlichen Kreise angehören, die sich derzeit ausgeschlossen fühlen. Hauptanliegen ist es, alle staatlichen Institutionen, die heute zum Teil doppelt oder gar dreifach bestehen, wieder zu vereinheitlichen und funktionsfähig zu machen. Der UN-Gesandte sieht für die Umsetzung des Aktionsplanes etwa ein Jahr vor (DS 22.9.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.2017a): Libyen - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Libyen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 16.10.2017

- AA - Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand November 2018)

- DS - Der Standard (17.9.2017): Zweite libysche Regierung verlangt internationale Anerkennung, https://derstandard.at/2000064200326/Zweitelibysche-Regierung-verlangt-internationale-Anerkennung, Zugriff 16.10.2017

- DS - Der Standard (22.9.2017): UN-Aktionsplan soll Libyens Niedergang beenden, https://derstandard.at/2000064504135/Auswege-fuer-Libyen-gesucht?ref=rec, Zugriff 16.10.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Libya, http://www.ecoi.net/local_link/334710/463157_en.html, Zugriff 16.10.2017

- LVAk - Landesverteidigungsakademie Wien (10.2016): IFK Monitor: Libyens Einheitsregierung - eine neue Hoffnung?

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Libyen bezeichnete UN Gesandter Ghassan Salamé im September 2017 als "fragil, sich aber nicht verschlimmernd", weil es in vielen Regionen, vor allem im Westen, eine "ausgehandelte Sicherheit" gebe - das heißt, Politiker und Geschäftsleute, die sich mit lokalen bewaffneten Gruppen arrangieren. Zudem gebe es auch im Westen Ansätze zu einer Republikanischen Garde, einer Armee und einer Küstenwache, und im Osten könne man weitgehend von einer einheitlichen bewaffneten Kraft unter General Khalifa al-Haftar sprechen, wogegen es im Süden keine Sicherheit gebe (DS 22.9.2017).

Sowohl das französische, als auch das deutsche, österreichische und schweizerische Außenministerium warnen ihre Staatsbürger weiterhin eindringlich vor Reisen nach Libyen. Eventuell aufhältige Staatsbürger der jeweiligen Länder werden zur Ausreise aufgefordert (FD 16.10.2017; vgl. AA 16.10.2017, BMEIA 16.10.2017, ED 16.10.2017).

Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 16.10.2017; vgl. EDA 16.10.2017). Davon können auch die Städte Tripolis und Bengasi betroffen sein (EDA 16.10.2017). Die staatlichen Sicherheitsorgane können keinen ausreichenden Schutz garantieren (AA 16.10.2017; vgl. FD 16.10.2017, HRW 12.1.2017). Bewaffnete Gruppen mit zum Teil unklarer Zugehörigkeit treten häufig als Vertreter der öffentlichen Ordnung auf, sind jedoch nicht ausgebildet und wenig berechenbar (AA 16.10.2017) bzw. agieren straffrei im de-facto rechtsfreien Raum (HRW 12.1.2017). In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte (EDA 16.10.2017; vgl. FD 16.10.2017). Im ganzen Land besteht ein hohes Risiko von Anschlägen und Entführungen. Die Kriminalität ist hoch. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass Waffen aus dem Bürgerkrieg von 2011 in die Hände von Kriminellen geraten sind (EDA 16.10.2017).

Terroristische Elemente [Anm. SB Std.: Kämpfer des IS und anderer islamistischer Gruppen] sind v.a. in Benghazi und Derna im Osten Libyens, sowie in Oubari in Südlibyen, als auch in Sabratha, Zawiyya sowie Sirte in Westlibyen aktiv (FD 16.10.2017).

Knapp acht Monate nach Beginn der Offensive gegen den IS in Sirte hat Libyens Ministerpräsident Fayez al-Sarraj Ende Dezember 2016 die Rückeroberung der IS-Hochburg Sirte verkündet. Sirte war das letzte größere vom IS kontrollierte Gebiet in Libyen (DS 23.12.2016). Im zweiten Halbjahr 2017 erstarkt der IS wieder in der Gegend um Sirte. Schätzungsweise etwa 1.000 IS Kämpfer sind noch in Libyen aktiv, die Mehrheit in der Gegend um Sirte (TT 18.8.2017). US-amerikanische Militäreinheiten flogen im September 2017 Luftangriffe auf IS-Ziele in Libyen (WT 11.10.2017).

Ende August 2017 überrannten die Dschihadisten des IS Al-Fuqaha, einen abgelegenen Außenposten der Armee in der libyschen Wüste und enthaupteten elf Menschen. Die libysche Regierung schätzt, dass der IS derzeit über rund tausend Kämpfer im Land verfügt. Weil sie damit zahlenmäßig den Milizen der Regierung und der verschiedener Warlords unterlegen sind, versuchen sie gar nicht erst, Gebiete zurückzuerobern und dauerhaft zu kontrollieren. Stattdessen setzt der IS auf eine Guerillataktik. Die weitläufige Wüste, in der sich zahllose Höhlen befinden, bietet dafür einen idealen Rückzugsraum (SO 7.9.2017).

Bewaffnete Gruppen in Libyen operieren mit Langwaffen, aber auch Mörser- und Artilleriegranaten und nehmen dabei zivile Opfer in Kauf. Kampfmittel wie Minen und Sprengfallen werden genutzt. Die VN haben zwischen Januar und Ende Oktober 2018 landesweit 510 unbeteiligte zivile Opfer bewaffneter Kampfhandlungen gezählt, darunter 175 Tote. Bei den bewaffneten Kampfhandlungen zwischen Milizen im August und September 2018 im Raum Tripolis wurden mindestens 34 Zivilisten getötet. Insgesamt soll die Zahl der getöteten Zivilisten seit 2011 laut der VN-Mission UNSMIL bei rund 4.500 Opfern liegen, darunter rund 150 im ersten Halbjahr 2018. Allerdings zielen bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen oft nicht direkt auf Menschen (AA-Bericht 2018)

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.10.2017): Libyen: Reisewarnung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/LibyenSicherheit_node.html, Zugriff 16.10.2017

- AA - Auswärtiges Amt (AA-Bericht 2108): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand: November 2018)

- BMEIA (16.10.2017): Reiseinformation Libyen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/libyen/, Zugriff 16.10.2017

- DS - Der Standard (23.12.2016): Libyens Regierungschef verkündete offiziell "Befreiung" von Sirte, http://derstandard.at/2000049489235/Libyens-Regierungschef-verkuendete-offiziell-Befreiung-von-Sirte, Zugriff 16.10.2017

- DS - Der Standard (22.9.2017): UN-Aktionsplan soll Libyens Niedergang beenden, https://derstandard.at/2000064504135/Auswege-fuer-Libyen-gesucht?ref=rec, Zugriff 16.10.2017

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (16.10.2017): Reisehinweise für Libyen, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/libyen/reisehinweise-fuer-libyen.html, Zugriff 16.10.2017

- FD - France Diplomatie (16.10.2107a): Conseils par pays - Libye - Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/libye/, Zugriff 16.10.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Libya, http://www.ecoi.net/local_link/334710/463157_en.html, Zugriff 16.10.2017

- SO - Spiegel Online (7.9.2017): Dschihadisten in Nordafrika - Der IS ist zurück in Libyen, http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-das-comeback-des-is-in-libyen-a-1166244.html, Zugriff 19.10.2017

- TT - The Times (18.8.2017): Isis regroups in Libya after defeats across Iraq and Syria, https://www.thetimes.co.uk/article/isis-regroups-in-libya-after-defeats-across-iraq-and-syria-ph0zvtrdp, Zugriff 19.10.2017

- WT - The Waashington Times (11.10.2017): Military heats up battle in Libya as Islamic State militants seek refuge, https://www.washingtontimes.com/news/2017/oct/11/isis-draws-battle-to-libya-us-military-responds/, Zugriff 19.10.2017

Aktuelle politische Lage und Sicherheitslage in Libyen

Unmittelbar nach Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2019 startete General Chalifa Haftar, der mit seiner LNA (Lybische Nationalarmee) den Osten des Landes beherrscht und insbesondere von Russland unterstützt wird, eine Offensive mit dem Ziel die Regierung in Tripolis zu stürzen und seine Herrschaft auf das ganze Land auszuweiten.

Am 4. April verkündete General Chalifa Haftar eine Offensive auf die libysche Hauptstadt Tripolis. Nach der kampflosen Übernahme eines Kontrollpostens südlich von Tripolis bezog die LNA 27 Kilometer südlich der Hauptstadt Stellung (1). Presserecherchen identifizierten später Versorgungsflüge durch Iljuschin Il-76 Transportflugzeuge der Gesellschaft "Reem Travel", die Eigentümer in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kasachstan hat, die zu dieser Zeit mit Zwischenstation in Israel, Ägypten und Jordanien offenbar zu Militärbasen flogen, die unter Haftars Kontrolle standen. Über Libyen schalteten die Piloten zwar offenbar die Transponder ab, aber Kämpfer Haftars hatten Videos ins Netz gestellt, die das Entladen der Flugzeuge auf einem seiner Stützpunkte dokumentieren (2). Analysten sahen das als Beleg ausländischer Unterstützung für den Warlord und als Zeichen eines drohenden Stellvertreterkrieges, ähnlich dem in Jemen (2).

Am 7. April scheiterte die von Chalifa Haftar offenbar beabsichtigte handstreichartige Übernahme der Hauptstadt und es kam zu Gefechten im Umfeld der Hauptstadt zwischen Milizen der Regierung der Nationalen Übereinkunft (GNA) und Haftars LNA-Milizen. Die USA und Indien kündigten den Abzug von Truppenkontingenten aus Tripolis an (3). Die Russische Föderation verhinderte am 7. April im UN-Sicherheitsrat, dass eine UN-Resolution verabschiedet wurde, die Haftars angreifende Truppen zur Beendigung der Offensive aufgefordert hätte. Russland schlug umgekehrt eine eigene Resolution vor, die auch die Verteidiger aufforderte, die Kämpfe einzustellen(2). Haftars Truppen bombardierten am 8. April den Flughafen Mitiga (4).

Bis zum 20. April hatten die LNA-Kräfte Haftars vergeblich versucht die Verteidigungen der GNA im Süden von Tripolis zu überwinden. Ziele in Tripolis wurden wiederholt aus der Luft angegriffen. Raketen hätten dabei nach Augenzeugen am 20. April ein Armeelager der GNA im südlichen Stadtteil Sabaa getroffen. 227 Menschen seien bisher nach WHO-Angaben dabei getötet und 1.128 weitere verwundet worden (5). In der Nacht von dem 27. auf den 28. April ließ Haftar erneut Bombardements auf Tripolis fliegen (6). Die Anzahl der getöteten Menschen erhöhte sich bis einen Monat nach Beginn der Offensive auf 400, ohne dass sich an der Lage Wesentliches geändert hätte; stattdessen gab es Zerstörung im Süden von Tripolis und 50.000 Flüchtlinge (7).

Am 19. Mai besetzten Milizen, die nach eigenen Angaben zu Haftars LNA gehören, die Kontrollstation für die Wasserversorgung von Tripolis über das Great-Man-Made-River-Projekt und zwangen die Belegschaft die Versorgung abzuschalten. Nach zwei Tagen wurde die Versorgung wiederhergestellt, wer die Verantwortlichen für den Überfall waren, blieb unklar (8).

Am 27. Juni meldeten GNA-Streitkräfte, sie hätten die Stadt Gharyan erobert (9). Anfang Juli traf ein Luftangriff ein Internierungslager für Flüchtlinge in Tagiura und tötete mindestens 53 Personen. Beide Bürgerkriegsparteien beschuldigten sich gegenseitig. Eine Verurteilung des Angriffs im UN-Sicherheitsrat scheiterte am Widerstand der USA (10).

Am 24. November traf eine US-Delegation mit Chalifa Haftar zusammen, um ein Ende der Offensive zu erreichen. Dabei wurde von den USA unter anderem die russische Einflussnahme "auf Kosten des libyschen Volkes" beklagt (11).

Am 26. Dezember kündigte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan an, Soldaten nach Libyen zu entsenden. Ein entsprechendes Gesetz werde dem türkischen Parlament Anfang Januar 2020 vorgelegt. Erdogan zufolge habe die libysche Einheitsregierung die türkischen Truppen eingeladen. Die Türkei und die Einheitsregierung hatten zuvor bereits ein Abkommen zur Sicherheits- und Militärkooperation geschlossen sowie ein Abkommen über Seegrenzen im Mittelmeer, das international auf Kritik gestoßen war (12).

Am 6. Januar 2020 nahmen die Milizen Haftars die libysche Hafenstadt Sirte ein (13).

Nach Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei vereinbarten Haftar und die Einheitsregierung einen Waffenstillstand, der am Morgen des 12. Januar 2020 in Kraft treten sollte. Beide Seiten warfen sich aber wenige Stunden nach Inkrafttreten des Waffenstillstands vor, ihn zu verletzen (14).

Eine Woche später, fünf Jahre nach dem Beginn der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015, in der Libyen als Transitland für Flüchtlinge nach Europa gilt, und neun Jahre nach dem Beginn des Bürgerkriegs in Libyen im Februar 2011, entschlossen sich die Konfliktparteien mit ihren unterstützenden Staaten in einer internationalen Konferenz in Berlin zu einer Waffenruhe, einem Waffenembargo und einem Abzug aller ausländischen Kampfverbände (15)(16)(17).

Nachdem trotz internationaler Verhandlungen, die Belieferungen von Waffen an beide Parteien durch die jeweiligen Unterstützerstaaten weiterging, beschloss die EU mit der Mission Irini, die Einhaltung des Uno-Waffenembargos, durch Überwachung der Luft- und Seewege per Satellit und Marinestreitkräften, ab dem 1. April zu kontrollieren (18) (19).

Im April 2020 kündigte Chalifa Haftar ein im Dezember 2015 getroffenes UNO-Abkommen, dass die Machtverteilung in Libyen bestätigte, auf (20).

Die am Konflikt direkt oder indirekt beteiligten Mächte Türkei, Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, die die Konfliktparteien nach UN-Angaben mit Waffen oder Soldaten und Milizionären unterstützten, schüren weiter den Konflikt, da insbesondere Russland, das General Haftar unterstützt, nicht bereit ist, der Türkei, die die international anerkannte Regierung in Tripolis stützt, den Sieg zuzuerkennen, weshalb - auch durch direkte Teilnahme von russischen Sicherheitskräften an den Feindseligkeiten - die Kampfhandlungen wieder aufgenommen wurden (21). Im Rahmen der verschiedenen Offensiven wurde wiederholt Tripolis angegriffen, wobei auch in der Zivilbevölkerung Töte aufgrund dieser Angriffe zu beklagen sind. Zuletzt wurden bei den Kämpfen fünf Zivilisten getötet und 28 weitere verletzt, darunter Frauen und Kinder, wie die UN-Unterstützungsmission (UNSMIL) mitteilte (22). Die Angriffe auf bewohnte Gegenden hätten auf dramatische Weise zugenommen Diese Kämpfe, die unter maßgeblicher Einmischung ausländischer Mächte, insbesondere Russlands und der Türkei, geführt werden, dauern gegenwärtig an. Zuletzt hat General Haftar zwar während des Ramadam eine Waffenruhe ausgerufen, jedoch hat sich nach vorliegenden Berichten nichts an seinem Ziel geändert, die Regierung in Tripolis mit militärischen Mitteln zu stürzen (23).

Quellen:

- (1) Oberösterreichische Nachrichten, Haftars Truppen nur noch 30 Kilometer von Tripolis entfernt, Von nachrichten.at/apa 05. April 2019, https://www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/haftars-truppen-nur-noch-30-kilometer-von-tripolis-entfernt;art391,3117525

- (2) Wiener Zeitung, 08.04.2019, Kampf um Tripolis, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2003638-Kampf-um-Tripolis.html?em_cnt_page=1]

- (3) The Guardian, Battle for Tripoli escalates as fighting nears Libyan capital, https://www.theguardian.com/world/2019/apr/07/libya-us-forces-evacuated-haftar-seeks-military-control

- (4) Der Standard, Kampfjets bombardieren Flughafen von Tripolis, 08.04.2019, https://www.derstandard.at/story/2000101036360/kampfjets-bombardieren-flughafen-von-tripolis

- (5) The Guardian, 21.04.2019, Tripoli hit by airstrikes as Haftar steps up assault on Libyan capital, https://www.theguardian.com/world/2019/apr/21/air-strikes-hit-tripoli-as-haftar-steps-up-assault-on-libyan-capital]

- (6) Der Spiegel 28.04.2019, Warlord Haftar lässt Tripolis bombardieren, https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-krieg-khalifa-haftar-laesst-tripolis-bombardieren-a-1264792.html

- (7) The Guardian 07.05.2019, Khalifa Haftar can still be part of future Libya government, says Hunt, https://www.theguardian.com/world/2019/may/07/khalifa-haftar-can-still-be-part-future-libya-government-jeremy-hunt

- (8) The Guardian 21.05.2019, Water supply restored for millions in Libya, averting crisis, https://www.theguardian.com/world/2019/may/21/millions-without-water-libya-armed-group-cuts-off-supply

- (9) The Guardian 27.06.2019, Libyan government forces capture key town from warlord, https://www.theguardian.com/world/2019/jun/27/libya-un-recognised-government-captures-gherian

- (10) Die Welt 04.07.2019, USA verweigern Verurteilung im UN-Sicherheitsrat, https://www.welt.de/politik/ausland/article196325351/Angriff-auf-Fluechtlinge-USA-verweigern-Verurteilung-im-UN-Sicherheitsrat.html

- (11) Swissinfo 26.11.2019, U.S. officials meet with Libya's Haftar amid push to end Tripoli offensive, https://www.swissinfo.ch/eng/reuters/u-s--officials-meet-with-libya-s-haftar-amid-push-to-end-tripoli-offensive/45392876

- (12) Tagesschau 26.12.2019, Türkei will Soldaten nach Libyen schicken, https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-libyen-101.html

- (13) Der Standard 07.01.2020, General Haftar nimmt libysche Küstenstadt Sirte ein, https://www.derstandard.de/story/2000112982202/general-haftar-nimmt-libysche-kuestenstadt-sirte-ein

- (14) Worldnews 12.01.2020, Libya ceasefire call brings lull in heavy fighting, https://www.reuters.com/article/us-libya-security/both-sides-accuse-each-other-of-violating-ceasefire-in-libya-idUSKBN1ZB06R

- (15) Der Spiegel, Teilnehmer einigen sich auf Waffenembargo und Ende der militärischen Unterstützung, https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-konferenz-teilnehmer-einigen-sich-auf-waffenembargo-und-ende-der-militaerischen-unterstuetzung-a-d72247b2-bc49-444e-9315-8eeeca1cb675

- (16) Der Spiegel, "Weil wir Schwarze sind, sind wir hier nichts wert", https://www.spiegel.de/video/spiegel-tv-ueber-das-buergerkriegsland-libyen-video-99030809.html

- (17) Tagesschau 19.01.2020, Waffenembargo und Ende der Einmischung https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-konferenz-113.html

- (18) Der Spiegel 26.03.2020, EU-Staaten einigen sich auf Mandat für neue Marinemission, https://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-staaten-einigen-sich-auf-mandat-fuer-neue-marinemission-a-649d47da-fcf6-4789-8585-8c5b5f939f8c

- (19) Der Spiegel, 07.04.2020, Der Corona-Krieg, https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-der-corona-krieg-a-4c02d298-5dae-4052-9df9-2a0d447fbe97

- (20) Der Spiegel 28.04.2020, General Haftar kündigt Uno-Abkommen auf, https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-general-khalifa-haftar-kuendigt-uno-abkommen-auf-a-f1ef8820-58fd-486d-97f0-040de3fa63ac

- (21) FAZ 28.04.2020, Chalifa Haftars Flucht nach vorn, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/libyscher-warlord-unter-druck-haftars-flucht-nach-vorn-16745681.html

- (22) t.online.de (dpa), 21.04.2020, UN "extrem besorgt" über zunehmende Kämpfe in Libyen, https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_87744342/land-im-buergerkrieg-un-extrem-besorgt-ueber-zunehmende-kaempfe-in-libyen.html

- (23) t.online.de, 30.04.2020, Libyen: Haftar stoppt Militäroffensive auf Tripolis zeitweise, https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_87796032/libyen-haftar-stoppt-militaeroffensive-auf-tripolis-zeitweise.html

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassungserklärung gewährleistet eine unabhängige Justiz und legt fest, dass jede Person das Recht hat, auf das Justizsystem zurückzugreifen. Dennoch haben Tausende von Inhaftierten keinen Zugang zu einem Anwalt und keine Information über die gegen sie erhobene Anklage. Richter sind Drohungen, Einschüchterungen und Gewalt ausgesetzt. Mangelnde Sicherheit in und um die Gerichte verhindert die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit. Im Jahr 2016 operierten die Gerichte in Tripolis, außerhalb war deren Funktionieren abhängig von der lokalen Sicherheitslage (USDOS 3.3.2017). Das Justizsystem befand sich im Jahr 2016 weiterhin in einem kollabierten Zustand, wobei Gerichte unfähig waren, die Prozesse von Tausenden Inhaftierten abzuwickeln, wobei einige zurück ins Jahr 2011 reichten. Tausende Häftlinge werden weiterhin ohne Verfahren in offiziellen Gefängnissen sowie in inoffiziellen Haftanstalten bewaffneter Gruppen festgehalten (AI 22.2.2017).

Die Verfassungserklärung gewährleistet die Unschuldsvermutung und das Recht auf anwaltliche Vertretung, im Bedarfsfall kostenlos. Sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure missachten diese Vorgaben. Es gibt zahlreiche Berichte, dass andere Prozessrechte (Verweigerung eines fairen und öffentliche Prozesses, der Anwaltswahl, der Zeugenbefragung, des Schutzes vor erzwungener Aussage, des Rechts auf Berufung) missachtet werden (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/336527/479199_de.html, Zugriff 17.10.2017

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): World Report 2017 - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/337212/479975_de.html, Zugriff 17.10.2017

Sicherheitsbehörden

Die Regierung [Anm.: libysche Einheitsregierung, Government of National Accord - GNA] übt keine Kontrolle über die Streitkräfte des Kommandanten der Libyschen Nationalarmee (Libyan National Army - LNA) Khalifa Haftar aus, obwohl es Bestrebungen gegeben hat, ihn dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften der Regierung zu unterstellen. Einige Milizen unterstehen der Einheitsregierung. Ihnen gelang die Vertreibung des IS aus Sirte Ende 2016. Die LNA setzt im Osten Libyens ihren Kampf gegen gewalttätige extremistische Organisationen fort. Andere extralegale bewaffnete Gruppen füllen das Sicherheitsvakuum in verschiedenen Landesteilen. Weder die GNA noch das ehemals international anerkannte und nunmehrige Gegenparlament (HoR) in Tobruk haben Kontrolle über diese Gruppen (USDOS 3.3.2017).

In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium, setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg (HRW 12.1.2017; vgl. FCO 20.7.2017).

Quellen:

- FCO - Foreign and Commonwealth Office (20.7.2017): Human Rights and Democracy Report 2016 - CHAPTER VI: Human Rights Priority Countries - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/344417/487969_de.html, Zugriff 17.10.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Libya, http://www.ecoi.net/local_link/334710/463157_en.html, Zugriff 16.10.2017

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): World Report 2017 - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/337212/479975_de.html, Zugriff 17.10.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassungserklärung und nach-revolutionäre Gesetzgebung Folter verbietet, kommt es sowohl in von der Regierung kontrollierten als auch in extralegalen Haftanstalten zu Folter (USDOS 3.3.2017). Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (HRW 12.1.2017; vgl. FCO 20.7.2017). Folter und andere unmenschliche Behandlung bleibt weit verbreitet und wird unter Straffreiheit begangen, vor allem während der Haft in offiziellen und inoffiziellen Gefängnissen (AI 22.2.2017).

Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass pro-GNA (libysche Einheitsregierung, Government of National Accord) sowie anit-GNA Milizen, Einheiten der LNA (Libysche Nationalarmee, Libyan National Army), sowie Kämpfer des IS und anderer extremistischer Gruppen willkürliche und ungesetzliche Tötungen durchführen. Bewaffnete Gruppen unter Regierungskontrolle bzw. auch jene, die nicht unter Regierungskontrolle stehen, lassen Personen verschwinden (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/336527/479199_de.html, Zugriff 17.10.2017

- FCO - Foreign and Commonwealth Office (20.7.2017): Human Rights and Democracy Report 2016 - CHAPTER VI: Human Rights Priority Countries - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/344417/487969_de.html, Zugriff 17.10.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Libya, http://www.ecoi.net/local_link/334710/463157_en.html, Zugriff 16.10.2017

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): World Report 2017 - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/337212/479975_de.html, Zugriff 17.10.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Aktionsmöglichkeiten für die zwischen 2011 und 2014 entstandene Zivilgesellschaft sind wegen des Konflikts sehr eingeschränkt. Die Zivilgesellschaft hat sich polarisiert, lagerübergreifender Einsatz für nationale Anliegen ist die Ausnahme. Repressionen gegen abweichende Meinungen gibt es insbesondere im Raum Tripolis. Bemerkenswert sind zahlreiche lokale Initiativen für Waffenstillstand und Gefangenenaustausch sowie zur Marginalisierung radikaler Akteure. Während sie in Westlibyen zum Teil zu konkreten Ergebnissen führten, waren sie im Süden (Gegend von Sebha und Kufra, Konflikt Tuareg/Tebu) bisher weniger erfolgreich (AA 6.2017a).

Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme resultieren aus der Abwesenheit effektiver Regierungsführung und Kontrolle, sowie aus mangelnden Justiz- und Sicherheitsinstitutionen. Dies führt zu Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen, sowohl durch regierungstreue als auch durch oppositionelle, sowie durch Terroristen und Kriminelle (USDOS 3.3.2017).

Hauptleidtragende der Auseinandersetzungen sind die libysche Zivilbevölkerung sowie die ausländischen Flüchtlinge und Migranten, nicht nur infolge zahlreicher Angriffe auf zivile Ziele, sondern auch in Gestalt von irregulärer Haft, extralegalen Hinrichtungen, endemischer Folter (AA 6.2017a; vgl. HRW 12.1.2017, USDOS 3.3.2017), Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die verschiedenen Akteure (AA 6.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017), willkürliche Angriffe und Gewaltanwendung (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017), sowie Entführungen und Verschwindenlassen (HRW 12.1.2017).

Etwa eine Million Libyer sollen als Folge der Konflikte das Land verlassen haben (AA 6.2017a). Die Zahl der Binnenflüchtlinge beläuft sich nach Erhebungen von UNHCR und IOM (International Organization for Migration) auf etwa 435.000 (AA 6.2017a; vgl. HRW 19.1.2017). In Libyen befinden sich geschätzte 1 bis 1,2 Millionen (Arbeits-)Migranten, überwiegend aus Ägypten sowie Sub-Sahara Afrika. Libyen ist Haupttransitland auf der zentralen Mittelmeerroute nach Italien (AA 6.2017a).

Angriffe auf politische Gegner sind verbreitet, insbesondere auf Politiker, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Juristen, religiöse Führer und (angebliche) ehemalige Anhänger Gaddafis. Grundsätzlich nimmt die Vulnerabilität von verfolgten und ausgegrenzten Personen zu, wenn sie sich aus dem sozialen Netzwerk ihrer angestammten Umgebung herausbegeben. Der soziale und wirtschaftliche Schutz der eigenen Familie und des eigenen Stammes fällt dann weg. Umgekehrt kann es für eine verfolgte Person zusätzlichen Schutz bedeuten, sich in den Einflussbereich der eigenen Familie und des eigenen Stammes zu begeben.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.2017a): Libyen - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Libyen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 16.10.2017

- AA - Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand November 2018)

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Libya, http://www.ecoi.net/local_link/334710/463157_en.html, Zugriff 16.10.2017

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): World Report 2017 - Libya, https://www.ecoi.net/local_link/337212/479975_de.html, Zugriff 17.10.2017

Grundversorgung

Die libysche Wirtschaft leidet unter erheblichen Strukturmängeln: Sie ist extrem abhängig vom Öl- und Gassektor, der 2013 70 Prozent des BIP, 99 Prozent der Exporte und 97 Prozent der Staatseinnahmen stellte. Der starke Rückgang des Weltmarktpreises hat extreme Auswirkungen, Ansätze zu einer Ausweitung der Privatwirtschaft wurden durch die krisenhafte Zuspitzung im 2. Halbjahr 2014 unterlaufen. Die Haushaltsausgaben fließen zu jeweils 40 Prozent in Gehälter und Subventionen. Sie sind gegenwärtig zu weniger als der Hälfte durch Einnahmen, sondern durch Aufbrauchen der Währungsreserven gedeckt. Die massiven Subventionen insbesondere von Benzin, Strom und Grundnahrungsmitteln belasten nicht nur den Staatshaushalt, sondern destabilisieren auch: Sie begünstigen den Schmuggel mit den Nachbarländern, der wiederum das Rückgrat zahlreicher Milizen darstellt. Der Arbeitsmarkt wird durch die (Beschwichtigungs-)Politik der unproduktiven Gehalts- bzw. Rentenzahlungen verzerrt, das Staatsbudget wird hierdurch erheblich belastet (AA 6.2017b).

Die (vor allem von der Zentralbank bestimmte) libysche Finanzpolitik zielt daher auf eine Reduzierung der Gehaltszahlungen (Vermeidung von Doppelzahlungen durch Bindung der Zahlungen an die sog. Nationale Identitätsnummer), Reduzierung der Subventionen (insb. bei Grundnahrungsmitteln) und Importrestriktionen für devisenträchtige Luxusimporte. In allen drei Bereichen gab es begrenzte Fortschritte. Deswegen konnte das Abschmelzen der Reserven gegenüber früheren Schätzungen etwas verlangsamt werden (auf ca. zwei Jahre, statt weniger Monate). Dennoch ist die Lage weiterhin kritisch. Die angespannte Haushaltslage führte zu Liquiditätsengpässen (Bargeld-Ausgabe an Automaten), zur restriktiven Erteilung von Akkreditiven, zu Kapitalflucht und zu einem starken Kursverfall des LYD (Schwarzmarkt). Ein hoher Anteil der staatlichen Gelder versickert zudem in der Korruption (AA 6.2017b).

Die einst reiche Nation ist nun mit einer Finanzkrise konfrontiert (LVAk 10.2016). Die konfliktbedingte Wirtschaftskrise hat zu einem rapiden Einbruch der Lebensverhältnisse geführt (AA 6.2017b; vgl. LVAk 10.2016). Besonders betroffen sind das Gesundheitswesen, das wegen Medikamentenmangel und Krankenhausschließungen in einem sehr prekären Zustand ist, sowie in einigen Landesteilen die Versorgung mit Lebensmitteln und sauberem Wasser. Schulen werden in mehreren Städten (u.a. Benghazi) zur Unterbringung von Binnenflüchtlingen genutzt und sind daher teilweise geschlossen (AA 6.2017b). Die Vereinten Nationen gehen in einem im November 2015 veröffentlichten Hilfsappell davon aus, dass 2,4 Millionen Libyer (1/3 der Wohnbevölkerung) hilfsbedürftig sind (AA 6.2017b; vgl. LVAk 10.2016).

Nach Libyen zurückkehrende Libyer können grundsätzlich auf die Unterstützung durch ihre Kernfamilie oder ihren Stamm zählen, sofern das individuelle Verhältnis der jeweiligen Personen zur Bezugsgruppe nicht belastet und abgerissen ist (AA - Bericht, Stand 2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.2017b): Libyen - Wirtschaft & Umwelt, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Libyen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.10.2017

- AA - Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand November 2018)

- LVAk - Landesverteidigungsakademie Wien (10.2016): IFK Monitor: Libyens Einheitsregierung - eine neue Hoffnung?

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist insbesondere außerhalb der Hauptstadt vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch. Zunehmend gewalttätig ausgetragene Konflikte und die Ausreise des häufig ausländischen Pflegepersonals der staatlichen Krankenhäuser und privaten Kliniken stellen eine zusätzliche Belastung für das angeschlagene Gesundheitssystem dar (AA 16.10.2017).

Die konfliktbedingte Wirtschaftskrise hat zu einem rapiden Einbruch der Lebensverhältnisse geführt. Besonders betroffen sind das Gesundheitswesen, das wegen Medikamentenmangel und Krankenhausschließungen in einem sehr prekären Zustand ist (AA 6.2017b). Die Entwicklungen in Libyen haben große Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung gehabt, die nur noch als mangelhaft bezeichnet werden kann. Es herrscht darüber hinaus erheblicher Personalmangel im medizinischen Bereich (FD 16.10.2017b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.10.2017): Libyen: Reisewarnung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/LibyenSicherheit_node.html, Zugriff 16.10.2017

- AA - Auswärtiges Amt (6.2017b): Libyen - Wirtschaft & Umwelt, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Libyen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.10.2017

- FD - France Diplomatie (16.10.2017b): Conseils par pays - Libye - Santé, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/libye/, Zugriff 16.10.2017

Behandlung von Rückkehrern

Konkrete Fälle staatlicher Repression spezifisch gegen nach Libyen zurückkehrende, abgelehnte Asylantragsteller sind nicht bekannt.

- AA - Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen (Stand November 2018)

Eine aktuell nach Libyen zurückkehrende Person ist der Gefahr ausgesetzt, aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Libyen sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, familiären Beziehung, Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 17.07.2018) sowie im Rahmen seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen basieren auf seinen Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 und seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung (Protokoll vom 31.10.2016, S 2) sowie vor der belangten Behörde am 17.07.2018 (Protokoll S. 3 ff). Danach wohnen sowohl die Mutter, ein Bruder und eine Schwester mit deren Familien in Libyen, zu denen er ein bis zwei Mal im Monat Kontakt hat (Protokoll vom 17.07.2018, S. 4). Außerdem hat weitere Verwandte - Onkel, Tanten, Nichten und Neffen, die hauptsächlich in Tripolis wohnen (Protokoll vom 17.07.2018, S. 4). Wenn der Beschwerdeführer nur wenige Monate später in der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 angibt, er habe überhaupt keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten, lediglich zu seiner Mutter bestehe ein Kontakt (Protokoll vom 07.12.2018, S 20), so ist diese Angabe vor dem Hintergrund der am 17.07.2018 getätigten vorzitierten Aussage, die einen engen Kontakt bestätigt, nicht glaubhaft. Ebensowenig glaubhaft ist der nunmehr geschilderte Erbschaftsstreit mit seinem Onkel, der seit 2011 andauern soll. Mit keinem Wort wird dieser Streit wenige Monate zuvor im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.07.2018 erwähnt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der von der belangten Behörde am 17.07.2018 ausführlich zu sämtlichen relevanten Umständen befragte Beschwerdeführer diesen - offenbar so fundamentalen - Streit nicht schilderte, der dazu geführt haben soll, dass kein Kontakt mehr zu seiner Familie besteht, insbesondere unter dem Aspekt, dass er zum Kontakt zu seiner Familie befragt wurde und diesen mit ein- bis zweimal im Monat angegeben hatte. Daher erscheint der nunmehr erstmalig vorgebrachte angebliche Erbschaftsstreit nicht glaubhaft. Zum einen ist dieses Vorbringen als gesteigertes Vorbringen zu qualifizieren, dem keine Glaubhaftigkeit zukommt, zum anderen sind die Angaben des Beschwerdeführers auch nicht glaubhaft, weil sie im Widerspruch zu seinen vor der belangten Behörde am 17.07.2018 getätigten Aussage über seine Kontakte zur Familie stehen. Das Bundesverwaltungsgericht erhielt im Rahmen der mündlichen Verhandlung den persönlichen Eindruck von Beschwerdeführer, dass er peinlich bemüht war, sich als vulnerable Person zu präsentieren, welcher mangels sozialem Rückhalt in seiner Familie eine Rückkehr nach Libyen verunmöglicht ist. Das Bundesverwaltungsgericht vermag daher den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 keinen Glauben zu schenken. Aufgrund seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der Einvernahme durch die belangte Behörde am 17.07.2018, konnten die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers und zu seinem familiären Rückhalt in Libyen getroffen werden. Dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Familie hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 07.12.2018 (Protokoll S.4 und 20), welche sich mit seinen Angaben vor der belangten Behörde am 17.07.2018 decken (Protokoll S. 4).

Die Feststellung bezüglich seinen Sprachkenntnissen beruht einerseits auf dem persönlichen Eindruck des erkennenden Richters in der Verhandlung vom 07.12.2018 und andererseits auf den vorgelegten Unterlagen, nämlich dem ÖSD Zertifikat vom 12.07.2018 und der Teilnahmebestätigung vom 09.10.2018 über die Teilnahme am Sprachkurs B1.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden einen Auszug aus seinem Reisepass vorgelegt hat, steht seine Identität fest. Aus dem Reisepass ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer vom 15.10.2014 bis 14.04.2015 mit einem Visum D in Österreich war, sowie dass ihm ein weiteres Visum C am 16.10.2016 ausgestellt wurde. Dieses Visum C lief am 15.11.2016 ab, nur kurze Zeit nach der Asylantragsstellung des Beschwerdeführers.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, ergibt sich zweifelsfrei die Feststellung seiner mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Libyen samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen sowie den unbedenklichen Quellen zur aktuellen Entwicklung in Libyen zwischen 04.04.2019 und dem Zeitpunkt dieser Entscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht ermitteltet hat.

Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Libyen ergeben sich unzweifelhaft aus den zu diesem Abschnitt in den Länderfeststellungen zitierten Quellen. Aus diesen ist unmissverständlich abzuleiten, dass nach Erlassung des Erkenntnisses vom 26.03.2019 General Haftar am 04.04.2020 eine bewaffnete Offensive gegen die international anerkannte Regierung in Tripolis startete. Diese Offensive war weder zu erwarten, noch absehbar, als das Erkenntnis vom 26.03.2019 an diesem Tag abgefertigt wurde. Aus den zitierten Quellen ist unmissverständlich abzuleiten, dass dieser innerstaatliche bewaffnete Konflikt mit voller Härte und wechselndem Kriegsglück nach wie vor tobt und dass eine friedliche Einigung der Streitparteien und damit ein Ende der bewaffneten Auseinandersetzung nicht gegeben ist und zumindest nach diesen Quellen auch nicht erwartet werden kann, da ausländische Mächte (Russland, Türkei ua) diametral gegensätzliche Interessen in Libyen verfolgen und nicht bereit sind, die Gegenseite obsiegen zu lassen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der gegenwärtig bestehenden bewaffneten innerstaatlichen Auseinandersetzung in Libyen kann angenommen werden, dass eine nach Libyen aktuell zurückkehrende Person auch aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit in diesem Kriegsgebiet in ihrer persönlichen Integrität verletzt werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Teilweise Stattgebung der Beschwerde

3.1. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2019 erwuchs hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz bereits in Rechtskraft, sodass über Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages hinsichtlich des Status als Asylberechtigter) nicht mehr abzusprechen ist.

Strittig sind lediglich die Spruchpunkte II. (betreffend die Abweisung des Antrages hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Libyen), III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG), IV. (Rückkehrentscheidung), V. (Zulässigkeit der Abschiebung) und VI. (Frist für die freiwillige Ausreise).

3.2. Zur Gewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mwH). Im Sinne einer mit der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) konformen Auslegung des § 8 Abs 1 AsylG ist subsidiärer Schutz nur zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art 15 der Statusrichtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens (Todesstrafe oder Hinrichtung [lit. a], Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat [lit b] und ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts [lit c]) zu erleiden (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. c der Statusrichtlinie sind gegeben, wenn es sich erstens um eine Schadensgefahr allgemeinerer Art handelt - der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt hat ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder Region Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 35). Zweitens muss diese Situation ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit der subsidiären Schutz beantragenden Person anzusehen sein (vgl EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn 37 und 39 ua).

Die Voraussetzungen nach Art 15 lit. b Statusrichtlinie für einen ernsthaften Schaden in Form von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erfordern dessen Verursachung durch das Verhalten Dritter (Akteure). Sind solche Schäden Folge allgemeiner Un

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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