TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/11 W126 2187672-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W126 2187672-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 30.04.2015 stellte die Mutter des Beschwerdeführers (Beschwerdeführerin zu GZ W126 2155081-1) in der österreichischen Botschaft in Islamabad, Pakistan, einen Einreiseantrag gemäß § 35 AsylG für sich und ihre vier Söhne, und gab darin den in Österreich als Flüchtling anerkannten Vater des Beschwerdeführers (Beschwerdeführer GZ W197 1430064-1) als Bezugsperson an.

2. Der Beschwerdeführer reiste sodann im Jahr 2017 aus Pakistan aus, kam nach Österreich und stellte am 01.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. In der Erstbefragung vom selben Tag gab der Beschwerdeführer an, dass er Afghanistan im Jahr 2010 im Alter von zwölf Jahren verlassen habe und nach Pakistan gegangen sei. Von dort aus sei er im Februar 2017 ausgereist. Er habe die gleichen Fluchtgründe wie sein Vater. Die Familie habe nicht in Afghanistan bleiben können, weshalb sie nach Pakistan gegangen sei.

4. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 15.01.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, aus der Provinz Ghazni zu stammen, der Volksgruppe der Hazara anzugehören und zum Christentum konvertiert zu sein. Er beschäftige sich seit zwei Jahren mit dieser Religion und sei vor einem Jahr konvertiert, könne aber keinen Taufschein vorlegen. Im Jahr 2010 sei er nach Pakistan gegangen, inzwischen habe er keine Verwandten mehr in Afghanistan. Der Beschwerdeführer lebe in Österreich gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Brüdern.

Zum Fluchtgrund befragt gab er an, dass seine Familie Afghanistan habe verlassen müssen, weil ein Buch veröffentlicht worden sei und der Vater des Beschwerdeführers missioniert habe. Wegen seiner Konversion könne der Beschwerdeführer dort nicht mehr leben. Er wolle wie sein Vater Christ werden. Demnächst werde der Beschwerdeführer auch in die Kirche gehen. Er wolle seinen Glauben nicht geheim halten und missionieren. Der Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum sei groß. Zuletzt gab der Beschwerdeführer an, dass in Afghanistan Hazara diskriminiert und verfolgt würden, wobei ihm persönlich nichts passiert sei.

5. In der schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 02.02.2018 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor höchst volatil sei. Im konkreten Fall sei es nicht unwesentlich, dass in Afghanistan keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben würden, zu denen Kontakt bestünde. Zudem wurde auf den starken familiären Bezug des Beschwerdeführers zum österreichischen Bundesgebiet hingewiesen. Ebenso wurde erneut die Absicht der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum ins Treffen geführt. Im beiliegenden Schreiben der Iranischen Christlichen Gemeinde vom 26.01.2018 wurden das Interesse des Beschwerdeführers am Christentum und die Teilnahme an diversen Veranstaltungen der Iranischen Christlichen Gemeinde durch den Beschwerdeführer bestätigt.

6. Mit angefochtenem Bescheid vom 06.02.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI).

7. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

8. In weiterer Folge wurde ein Konvolut an integrationsbestätigenden Unterlagen (Schulunterlagen und Deutschkursbestätigungen) sowie ein Taufzeugnis der Iranischen Christlichen Gemeinde (wonach der Beschwerdeführer am 01.06.2019 getauft worden sei) vorgelegt.

9. Am 02.03.2020 langte ein ergänzendes Vorbringen unter einer weiteren Urkundenvorlage (im Wesentlichen zur schulischen und sprachlichen Weiterbildung des Beschwerdeführers sowie zu seinem ehrenamtlichen Engagement) beim erkennenden Gericht ein.

10. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung und der Pastor der Iranischen Christlichen Gemeinde als Zeuge teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Dari beigezogen wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht teil.

Über Befragung der Richterin gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, wie er zum christlichen Glauben gekommen sei und wie er ihn praktiziere. Des Weiteren wurde der Pastor der Iranischen Christlichen Gemeinde betreffend die Konversion des Beschwerdeführers befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan in der Provinz Ghazni, Bezirk XXXX , Dorf XXXX geboren und hat dort bis 2010 gelebt. Anschließend ist der Beschwerdeführer nach Pakistan gezogen und hat dort bis Februar 2017 in Quetta gelebt.

Der Beschwerdeführer hat die Schule besucht und nebenbei als Teppichknüpfer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den geltend gemachten Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer bekannte sich in Afghanistan zum islamischen Glauben. Während seines anschließenden Aufenthalts in Pakistan hat er begonnen, sich für das Christentum zu interessieren. In Österreich trat er zum christlichen Glauben über und wurde am 01.06.2019 getauft. Er ist Mitglied der Iranischen Christlichen Gemeinde, die er seit Jänner 2018 besucht. Gegenwärtig besucht er nach wie vor christliche Veranstaltungen der iranischen Kirche sowie (seit November 2019) auch solche der Evangeliumsgemeinde.

Der Beschwerdeführer hat sich vom islamischen Glauben abgewandt hat und ist zum Christentum konvertiert. Die angegebene Abkehr vom islamischen Glauben scheint von Überzeugung und Nachhaltigkeit getragen zu sein. Demgemäß ist mit Grund anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dem islamischen Glauben angehören möchte, andererseits den christlichen Glauben beibehalten, christliche Glaubensgrundsätze befolgen und eine nach christlichen Glaubensvorschriften gestaltete Lebensführung pflegen wird. Der Beschwerdeführer würde seinen neuen Glauben auch im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat praktizieren (wollen).

1.3. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.04.2019; vgl. AA 02.09.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 02.09.2019; vgl. CIA 30.04.2019, USDOS 21.06.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UO 16.08.2019; vgl. BBC 11.04.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.06.2019; vgl. FH 04.02.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USDOS 21.06.2019; vgl. AA 09.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.06.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.05.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie [sich] weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.06.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.06.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.06.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.06.2019).

[...]

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 04.02.2019; vgl. USDOS 21.06.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 04.02.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.06.2019; vgl. FH 04.02.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.06.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.06.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.06.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.06.2019).

Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.06.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 01.06.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 01.06.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 02.09.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.06.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden, Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 01.06.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 02.09.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.06.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.06.2019; vgl. AA 02.09.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 02.09.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 08.11.2017).

Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.06.2019).

Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansäßige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.06.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.04.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 04.01.2019).

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (AA 02.09.2019).

Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 21.06.2019) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.05.2017: Art. 323).

Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie (AA 02.09.2019); auch auf höchster Ebene scheint die afghanische Regierung kein Interesse zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.012.2017; vgl. USDOS 21.06.2019) und auch zur Strafverfolgung von Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 21.06.2019).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen, und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld (AA 02.09.2019). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 04.02.2019). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 04.02.2019).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken. Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 01.06.2017)."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner Herkunft ergeben sich aus den gleichbleibenden Aussagen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren. Es besteht kein Grund an der Richtigkeit dieser Schilderungen zu zweifeln.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.

2.2. Die Feststellungen betreffend das Interesse am Christentum und die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung, die zudem durch die Aussagen des einvernommenen Zeugen und den vorgelegten Unterlagen gestützt werden. So wird insbesondere im Schreiben der Iranischen Christlichen Gemeinde vom 26.01.2018 bestätigt, dass der Beschwerdeführer Interesse am Christentum gezeigt hat und an Veranstaltungen teilnimmt. Das vorgelegte Taufzeugnis der Iranischen Christlichen Gemeinde wird wiederum als Nachweis für die Taufe des Beschwerdeführers am 01.06.2019 herangezogen.

Der Beschwerdeführer schilderte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar, dass er bereits 2016 in Pakistan begonnen hat, sich für das Christentum zu interessieren, auch wenn er in dieser Zeit noch keine aktiven Handlungen in Hinblick auf sein diesbezügliches Interesse gezeigt hat. Er ist im Wesentlichen über seinen Vater, der ebenfalls bereits zum Christentum konvertiert ist und aufgrund seiner religiösen Gesinnung im Jahr 2015 Asyl in Österreich bekommen hat, zu seiner nunmehrigen Glaubensgemeinschaft gekommen. Wie bereits ausgeführt, wurde er am 01.06.2019 getauft, wie aus seiner vorgelegten Taufbestätigung hervorgeht. Der Beschwerdeführer legte auch glaubhaft dar, dass er seinen Glauben praktiziert, indem er wöchentlich samstags und sonntags den Gottesdienst besucht. Zudem gab er an, auch zu Hause täglich nach dem Aufstehen zu beten.

Auch der Pastor der Iranischen Christlichen Gemeinde, welcher der Beschwerdeführer angehört, bestätigte, dass der Beschwerdeführer anfangs den Bibelkreis (montags) und den Gottesdienst (samstags) besucht habe, ihm nunmehr aber aufgrund seines Schulbesuches seit 2019 der Besuch des Bibelkreises nicht mehr möglich sei. Der Beschwerdeführer gehe aber nach wie vor in den Gottesdienst und zwar seit November 2019 in jenen der iranischen Gemeinde, aber auch in jenen der Evangeliumsgemeinde. Letztere sei eine deutschsprachige Gemeinde, in welcher der Pastor auch im Leitungsteam Verantwortung habe. Der Pastor sagte überdies glaubhaft aus, dass er beim Beschwerdeführer von Anfang an den Eindruck gehabt habe, dass dieser den christlichen Glauben verinnerlicht habe und als Christ leben wolle; dies sei ihm in diversen Gesprächen mit dem Beschwerdeführer und aufgrund dessen Mitwirkung bei christlichen Veranstaltungen bewusst geworden. Dieses Empfinden habe der Pastor nicht bei allen Taufkandidaten. Laut Angaben des Pastors habe der Beschwerdeführer von Beginn an mit den christlichen Inhalten vertraut gewirkt. Aufgrund seines Allgemeinwissens zum christlichen Glaubens sei es im Fall des Beschwerdeführers auch möglich gewesen, dass dieser (aufgrund von Problemen mit den Räumlichkeiten für die Abhaltung von Veranstaltungen) mit der zweiten Einheit der Taufvorbereitungen habe beginnen können und danach mit der ersten Einheit fortgesetzt habe. Zudem erklärte der Pastor nachvollziehbar, dass er bei manchen Taufkandidaten mit der Taufe noch zuwarte, wobei er beim Beschwerdeführer die Sicherheit gehabt habe, dass er dies aus innerer Überzeugung wolle. Der Pastor bestätigte, dass es normalerweise 8 Monate dauern würde, bis jemand in ihrer Gemeinde getauft werde. Diesbezüglich ist auch noch auf sein Schreiben vom 22.02.2020 hinzuweisen, in welchem ausgeführt wird, dass die Taufe nicht automatisch nach dem Abschluss vom Taufunterricht stattfinden soll, sondern die Täuflinge grundsätzlich mehr als 8 Monate (manchmal sogar bis zu einem Jahr) die wöchentlichen Veranstaltungen der Gemeinde besuchen und in dieser Zeit den Taufunterricht abschließen sollen, um getauft werden zu können. Der Pastor unterrichte die Täuflinge in beiden Einheiten und entscheide als Leiter der Gemeinde über ihre Taufe. In diesem Schreiben wurde auch explizit angeführt, dass der Pastor seit Jänner 2018 (sohin über zwei Jahre lang) das Wachstum des Beschwerdeführers in seinem Glauben und die positiven Veränderungen in seinem Verhalten habe beobachten können. Der Beschwerdeführer bekenne sich öffentlich zum Christentum.

Insgesamt konnte der Beschwerdeführer seine Konversion zum christlichen Glauben überzeugend darlegen - bestätigt durch die Zeugenaussage - und glaubhaft machen, dass der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die an der Ernsthaftigkeit der Konversion und der inneren Überzeugung des Beschwerdeführers zweifeln lassen würden.

2.3. Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich im Wesentlichen auf das in der Verhandlung dem Parteiengehör unterworfene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 und beruhen auf einer Vielzahl von jeweils angeführten verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen; ebenso wurden die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 sowie die EASO Country Guidance Notes vom Juni 2018 und Juni 2019 herangezogen. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges und einheitliches Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche und besteht daher für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren" (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0012; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.02.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) - , kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).

Gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

3.3. Nach den getroffenen Feststellungen ist der Beschwerdeführer in Österreich zum Christentum konvertiert. Der Beschwerdeführer hat glaubwürdige und überzeugende persönliche Gründe für seinen durch die Konversion geschaffenen Nachfluchtgrund geltend gemacht. Sein Vorbringen zum Glaubenswechsel ist im Lichte der obigen Ausführungen relevant, auch wenn der Glaubenswechsel im gegenständlichen Fall nicht "Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung" ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es im Fall der Konversion darauf an, ob die betreffende Person im Fall einer Rückkehr in das Heimatland in der Lage ist, die von ihr gewählte Religion frei auszuüben (vgl. VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, mwN). Bei einer im Ausland erfolgten Konversion ist in einem ersten Schritt zu klären, ob die Konversion "nur zum Schein erfolgt" ist (vgl. VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236, mwN).

Auch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes erfordert die Beachtung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit im Asylverfahren eine besonders sorgfältige Auseinandersetzung im konkreten Fall mit der Frage, ob ein Religionswechsel aus innerer Überzeugung oder lediglich zum Schein erfolgt ist. Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, ist es erforderlich, sich auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber zu verschaffen, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl. VfGH 22.09.2014, U2193/2013 mit Verweis auf VfGH 12.12.2013, U2272/2012).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist zudem entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453, mwN)

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C 71/11 und C 99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (s. diesbezüglich auch VfGH 12.06.2013, U2087/2012).

3.4. Aus nachstehenden Gründen besteht für den Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgungsgefahr:

Zunächst ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall nicht von einer Scheinkonversion auszugehen war. Diesbezüglich wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowohl der Beschwerdeführer selbst als auch ein Zeuge betreffend seine religiöse Überzeugung befragt. Zudem wurde der Beschwerdeführer bereits getauft. Eine ausführliche Darlegung, weshalb davon auszugehen war, dass der Religionswechsel des Beschwerdeführers auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht, ist der Beweiswürdigung zu entnehmen.

Aus dem festgestellten Sachverhalt und den zu Afghanistan getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit nunmehr christlicher Überzeugung im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen im persönlichen Bereich, welche von der Unmöglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens bis zur generellen Unmöglichkeit, seine Religion frei zu wählen, reichen, auf Grund seiner religiösen Überzeugung ausgesetzt wäre. Weiters bestünde ein erhebliches Verfolgungsrisiko im Hinblick auf seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater als auch von staatlicher Seite, reichen doch die Maßnahmen von Belästigungen und Bedrohungen bis zu körperlichen Misshandlungen, langjähriger Inhaftierung und Tötung. Die dem Beschwerdeführer drohenden Einschränkungen bzw. körperlichen Übergriffe sind als dermaßen intensiv zu qualifizieren, dass die Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates unzumutbar ist.

Die dem Beschwerdeführer drohende Verfolgungsgefahr von staatlicher wie von privater Seite ist damit maßgeblich wahrscheinlich und aktuell.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in der Lage wäre, seinen Glaubenswechsel vor sämtlichen anderen Mitmenschen auf Dauer geheim zu halten. Dies wäre allenfalls möglich, wenn der Beschwerdeführer gänzlich auf die Ausübung seiner Religion verzichtet. Dies ist dem Beschwerdeführer jedoch nach der oben angeführten Judikatur nicht zuzumuten.

Festzuhalten ist auch, dass die Quellenlage zwar davon spricht, dass Personen nach einer Konversion vom Islam drei Tage Zeit haben, um zu widerrufen, doch ist diesbezüglich im Fall des Beschwerdeführers zum einen diese Frist bereits verstrichen, zum anderen ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer, welcher - wie ausgeführt - seine nunmehrige religiöse Überzeugung glaubwürdig dargelegt hat und diese nun in Österreich offen auslebt, von dieser Möglichkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gebrauch machen würde beziehungsweise ihm dies zuzumuten wäre.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ebenfalls ergibt, ist der afghanische Staat - sofern er nicht selbst wegen Konversion verfolgt - auch nicht in der Lage, Verfolgung von privater Seite durch effektive Schutzgewährung zu begegnen.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einen in Art. I Abschn. A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich jenen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Im Fall des Beschwerdeführers liegt das oben dargestellte Verfolgungsrisiko unzweifelhaft in seiner nunmehrigen religiösen Überzeugung begründet.

3.5. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

Betreffend das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist zwar festzuhalten, dass in städtischen Gebieten Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten sind als in Dorfgemeinschaften, jedoch ist eine Verfolgung auch in den großen Städten anzunehmen, da Konvertiten sowohl von staatlicher als auch von privater Seite Repressalien drohen. Aufgrund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts (Scharia) und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Einstellung gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere aber Konvertiten gegenüber, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan, ist somit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung von entsprechender Intensität aufgrund seiner Konversion zum Christentum droht, weshalb gegenständlich keine inländische Fluchtalternative besteht.

3.6. Es liegen zudem keine der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vor.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.7. Wurde ein Antrag auf internationalen Schutz mit oder nach dem 15. November 2015 gestellt, kommt gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") iVm mit § 75 Abs. 24 AsylG 2005 einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu.

Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz wurde am 01.12.2017 und damit nach dem 15.11.2015 gestellt. Ein Ausspruch betreffend die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung durch das Verwaltungsgericht hat jedoch zu unterbleiben (vgl. dazu VwGH vom 03.05.2018, Zl. Ra 2017/19/0374).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall war nicht von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängig, sondern zum einen von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und der Würdigung der individuellen Situation vor dem Hintergrund der Lage in Afghanistan, zum anderen erging sie in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur asylrelevanten Verfolgungsgefahr (aus religiösen Gründen).

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunfähigkeit wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W126.2187672.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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